Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Präsidentin des Oberlandesgerichtes Wien vom 20.08.2024, Zl. Jv 52178-33a/24, betreffend Nachlass von Gerichtsgebühren zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit – in den zur Zl. 16 XXXX geführten Pflegschaftsverfahren betreffend die mj. Kinder des nunmehrigen Beschwerdeführers (BF) ergangenen – Beschlüssen des Bezirksgerichts XXXX jeweils vom 24.06.2024, (ON 90 bis 92) wurde dem BF aufgetragen, Pauschalgebühren iHv insgesamt EUR 1.316,-- an das Gericht zu zahlen.
2. Mit Schriftsatz vom 03.07.2024 an das Bezirksgericht XXXX ersuchte der BF unter Hinweis darauf, dass er sich seit 15.06.2019 im Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs. 1 StGB befinde, daher derzeit weder Einkommen noch Vermögen habe und die genannten Forderung nicht begleichen könne, um „Befreiung vom Unterhalt für die Dauer der Haft und Befreiung von den Pauschalgebühren“.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die Präsidentin des Oberlandesgerichtes Wien, Einbringungsstelle (im Folgenden: belangte Behörde), diesem Ersuchen (das jedenfalls auch als Nachlassgesuch gemäß § 9 Abs. 2 GEG bezüglich der unter Punkt 1. dargestellten Forderung zu qualifizieren ist) nicht statt. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, es könne insbesondere in Hinblick auf eine mögliche Arbeitsaufnahme nach Haftentlassung nicht davon ausgegangen werden, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des 1983 geborenen BF in Zukunft keinesfalls mehr verändern können. Darüber hinaus könne in Hinblick auf die Höhe des geschuldeten Betrags nicht gesagt werden, dass die Entrichtung in – allenfalls sehr kleinen – Monatsrate noch immer eine besondere Härte darstellen würde.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Dabei brachte er zusammengefasst vor, dass er aufgrund seiner psychischen Erkrankung – bei ihm sei eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden – nicht in der Lage sei, eine Arbeit aufzunehmen. Wie sich aus dem im Strafverfahren erstatteten Gutachten ergebe, werde es ihm auch in Zukunft nicht mehr möglich sein, einer Beschäftigung nachzugehen.
Der Beschwerde beigelegt ist ein von XXXX an die Staatsanwaltschaft Wien zu Zl. XXXX erstattetes, vom 29.07.2019 datierendes Gutachten. Diesem zufolge findet sich beim BF eine schwere Geisteskrankheit in Form einer paranoiden Schizophrenie. Eine Krankheitseinsicht und eine Einsicht in die Notwendigkeit der Behandlung sei überhaupt nicht gegeben; der BF nehme (wenn überhaupt) nur Medikamente, die ihm genehm seien, wie zB Beruhigungsmittel, während er hoch potente Antischizophrenie-Medikamente ablehne. Es bestehe große Gefahr, dass der BF unter dem Eindruck seiner schweren Geisteskrankheit (in deren Zentrum ein systematisches Wahngebäude stehe, wonach er für ausländische Geheimdienste arbeite) mit großer Wahrscheinlichkeit weiterhin strafbare Handlungen mit schweren Folgen begehen werde, und diese Gefährlichkeit nur intramural hintangehalten werden könne.
5. In der Folge legte die belangte Behörde – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der rechtlichen Beurteilung wird der unter Punkt I. dargestellte Sachverhalt zugrunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt in Verbindung mit der Beschwerde samt Beilage.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels entsprechender Sonderregelung im GEG liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 27 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) hat das Verwaltungsgericht –soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet – den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) zu überprüfen. Von Amts wegen hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der den angefochtenen Bescheid erlassenden Behörde aufzugreifen; ebenso kann es eine relevante Verletzung der Verfahrensvorschriften von Amts wegen aufgreifen (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte 2013, § 27, K2).
Gemäß § 28 VwGVG hat, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (Abs 1). Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Abs. 2).
Zu A)
3.2.1. Gemäß § 9 Abs. 2 Gerichtliches Einbringungsgesetz, BGBl. Nr. 288/1962 (GEG), können Gebühren und Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Die Gewährung eines Nachlasses nach § 9 Abs. 2 GEG setzt voraus, dass sowohl die Entrichtung zu einem späteren Zeitpunkt als auch die Entrichtung in – allenfalls sehr kleinen – Monatsraten noch immer eine besondere Härte darstellen würde, sodass nur mehr die endgültige Erlassung die Härte beseitigt. Wirtschaftliche Schwierigkeiten vorübergehender Natur rechtfertigen zwar eine Stundung (Ratengewährung), aber keinen Nachlass (VwGH 18.09.2007, 2007/16/0144 m.w.N.). Da ein Antrag auf Stundung gemäß § 9 Abs. 1 GEG gegenständlich nicht gestellt wurde, ist hier darauf nicht weiter einzugehen.
Bei der Bestimmung des § 9 Abs. 2 GEG handelt es sich um eine Ermessensvorschrift, doch ist das Recht der Behörde, von diesem Ermessen Gebrauch zu machen, vom Vorliegen einer der beiden im Gesetz genannten Alternativvoraussetzungen abhängig. In diesem Zusammenhang kommt sowohl eine besondere Härte infolge einer sachlichen Unbilligkeit der Einbringung als auch eine solche infolge Vorliegens individueller Gründe in Betracht, die die Einbringung der gesetzmäßig vorgeschriebenen Gerichtsgebühren als besondere Härte erscheinen ließen. Diese Voraussetzung hat die Justizverwaltungsbehörde in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen (VwGH 25.06.2013, 2009/17/0164).
Ein Nachlass kann somit nur bei tatsächlichem Vorliegen einer vom Antragsteller belegten besonderen Härte gewährt werden. Aus der Formulierung „besonderer Härte“ ist ersichtlich, dass es sich um Ausnahmefälle handeln muss und nicht bereits eine voraussichtliche allgemeine schlechte wirtschaftliche Lage zu einem Nachlass berechtigt. Im Nachlassverfahren ist die konkrete Gebührenschuld im Verhältnis zum Vermögen bzw. zum (auch in Zukunft erzielbaren) Einkommen – unter Einbeziehung des Alters des Beschwerdeführers – zu betrachten, weshalb eine Entscheidung stets auf den Einzelfall bezogen ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es in einem Verfahren über den Nachlass von Gerichtsgebühren Sache des Antragstellers, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen aller jener Umstände darzutun, auf die der Nachlass gestützt werden kann. Im Nachlassverfahren trifft den Antragsteller somit eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 29.06.2006, 2006/16/0021 m.w.N.; vgl. auch VwGH 29.04.2013, 2010/16/0182).
3.2.2.Vor dem Hintergrund der zuvor wiedergegebenen Judikatur ist die Einbringung der vom Beschwerdeführer geschuldeten Gebühren letztlich nicht als besondere Härte iSd § 9 Abs. 2 GEG zu qualifizieren:
Denn der belangten Behörde ist im Ergebnis Recht zu geben, wenn sie darauf hinweist, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des 1983 geborenen BF in Zukunft keinesfalls mehr verändern können:
Wie sich aus dem Gutachten von XXXX , das der BF zum Beweis der Richtigkeit eines Vorbringens vorlegte, werde es ihm auch in Zukunft nicht möglich sein, einer Beschäftigung nachzugehen, ergibt, resultiert die negative Prognose bezüglich des BF und die Notwendigkeit, ihn durch einen Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs. 1 StGB von der Begehung von Straftaten abzuhalten, maßgeblich aus der fehlenden Einsicht des BF in seine Krankheit und die damit einhergehende Ablehnung von Antischizophrenie-Medikamenten. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich eine solche Einsicht beim BF in Zukunft einstellen wird (dass Derartiges nicht in Betracht komme, ist dem Gutachten nicht zu entnehmen), erscheint auch eine künftige Verbesserung seiner finanziellen Lage nicht unmöglich.
Es kann daher nicht angenommen werden, dass gegenständlich eine besondere Härte infolge Vorliegens individueller Gründe vorliegen würde.
Weiters liegen Hinweise auf eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts insofern nicht vor, als nicht gesagt werden kann, dass im gegenständlichen Fall die Gebührenvorschreibung an die BF als ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis darstellt.
3.3. Da dem angefochtenen Bescheid vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen keine Rechtswidrigkeit iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG anzulasten ist, ist die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.
3.4. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht auch ungeachtet eines Parteienantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage feststeht und die Rechtsfrage nicht derart komplex ist, dass es deren Erörterung in einer Verhandlung bedürfte.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die oben dargestellten grundlegenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird verwiesen.