JudikaturBVwG

W189 2307213-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
03. September 2025

Spruch

W189 2307213-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU-GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2024, Zl. 1339524003-230189779, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.07.2025 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: die BF), eine Staatsangehörige von Somalia, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 12.01.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem sie am 24.01.2023 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde. Sie gab an, zuletzt in Kismayo gewohnt zu haben und der Religionsgemeinschaft des Islam sowie der somalischen Volksgruppe anzugehören. Sie habe die Grundschule besucht. Ihre Eltern seien verstorben. In Somalia habe sie zwei Brüder. Ihre Schwester lebe in Österreich. Die BF habe Ende des Jahres 2021 beschlossen, Somalia zu verlassen und sei mit dem Auto illegal aus Somalia ausgereist. Zu ihrem Ausreisegrund gab sie zu Protokoll, als sie klein gewesen sei, sei ihre Mutter verstorben. Ihr Vater sei verstorben, als sie neun Jahre alt gewesen sei. Ihre Schwester habe Somalia verlassen. Nach dem Tod ihres Vaters sei sie zu einer Verwandten gekommen, welche sie schlecht behandelt, geschlagen und zwangsbeschneiden lassen habe. Sie habe von einem alten Mann Geld verlangen und die BF zwangsverheiraten wollen. Die BF habe alles versucht, um zu fliehen. Das sei ihr jedoch nicht gelungen. Die Verwandte habe sie mehrmals bedroht. Eines Tages sei die BF auf der Straße gesessen und eine ältere Dame habe sie angesprochen, welche ihr half, die Flucht zu ermöglichen. Bei einer Rückkehr in ihre Heimat fürchte sie, zwangsverheiratet zu werden.

2. Nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Volljährigkeitsbeurteilung stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: das BFA) mit Verfahrensanordnung vom 26.04.2023 fest, dass die BF spätestens am XXXX 2006 geboren worden sei.

3. In ihrer niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 03.10.2024 wurde die BF zu ihrem Fluchtgrund und ihren Lebensumständen näher befragt.

3. Mit Bescheid des BFA vom 12.12.2024 wurde der Antrag auf internationalen Schutz der BF hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Ihr wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob die BF durch ihre Rechtsvertretung binnen offener Frist Beschwerde, über welche das Bundesverwaltungsgericht am 10.07.2025 in beider Anwesenheit eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchführte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der BF

Die Identität der BF steht nicht fest. Sie ist eine Staatsangehörige von Somalia und gehört der Religionsgemeinschaft der sunnitischen Muslime sowie dem Clan der Sheikaal, Subclan XXXX , an. Sie ist in der Stadt Kismayo aufgewachsen und lebte dort zuletzt (zumindest) mit ihrem Vater und ihren beiden Brüdern. Ihre ältere Schwester befindet sich seit dem Jahr 2015 in Österreich.

Entgegen dem Vorbringen der BF reiste sie nicht deswegen aus Somalia aus, weil sie nach dem Tod ihrer Eltern bei einer benachbarten Verwandten väterlicherseits aufwuchs, welche sie schlecht behandelt und gegen ihren Willen mit einem älteren Mann verehelichen wollen habe. Diese Vorfälle sind nicht passiert und der BF droht in Somalia weder eine Zwangsheirat, noch eine sonstige individuelle Gefährdung.

Dementsprechend leben neben einer Tante mütterlicherseits und einem Onkel mütterlicherseits mit dessen Familie sowie der benachbarten Verwandten väterlicherseits auch weiterhin (zumindest) ihr Vater in Kismayo und besteht auch Kontakt zu ihnen. Bei der BF handelt es sich dadurch in ihrem Heimatort auch nicht um eine alleinstehende, geschlechtsspezifischer Gewalt besonders ausgesetzte Frau, sondern untersteht sie dem Schutz ihrer Angehörigen. Weder droht ihr in Somalia eine (erneute) Genitalverstümmelung, noch hat sie schwere schädigenden Konsequenzen physischer und psychischer Art einer bereits vorgenommenen Beschneidung zu befürchten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia

1.2.1. Frauen

Diskriminierung: Die Diskriminierung von Frauen ist gesetzlich verboten (USDOS 22.4.2024). Die aktuelle Verfassung betont in besonderer Weise die Rolle und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die Verantwortung des Staates in dieser Hinsicht. Tatsächlich ist deren Lage jedoch weiterhin besonders prekär (AA 23.8.2024). Sie genießen nicht die gleichen Rechte und den gleichen Status wie Männer und leiden unter Diskriminierung bei Kreditvergabe, Bildung, Politik, Unterbringung und am Arbeitsmarkt (USDOS 22.4.2024; vgl. FH 2024b). Bei der politischen Entscheidungsfindung werden Frauen marginalisiert (UNSC 2.2.2024).

Andererseits ist es der Regierung gelungen, Frauenrechte etwas zu fördern: Immer mehr Mädchen gehen zur Schule, die Zahl an Frauen im öffentlichen Dienst wächst (ICG 27.6.2019a, S. 3).

Frauen in der Politik: Die eigentlich vorgesehene 30-Prozent-Frauenquote für Abgeordnete im somalischen Parlament wird nicht eingehalten. Aktuell liegt diese bei 54 Sitzen (knapp 20 %) im Unterhaus (FH 2024b; vgl. UNSC 13.5.2022; BS 2024) und 26 % im Oberhaus (14 von 54 Sitzen) (FH 2024b; vgl. UNSC 8.2.2022). In der neuen Regierung nehmen Frauen 10 Sitze ein, was einen Anteil von 13 % ausmacht (UNSC 1.9.2022b). Die stellvertretende Sprecherin des Unterhauses ist weiblich (BS 2024). Unter den in Puntland Anfang 2024 vereidigten 66 Parlamentsabgeordneten findet sich nur eine Frau (Sahan/SWT 19.1.2024).

Gewalt gegen Frauen: Gewalt gegen Frauen ist gesetzlich verboten (USDOS 22.4.2024). Trotzdem bleibt häusliche Gewalt ein großes Problem (USDOS 22.4.2024; vgl. BS 2024; AA 23.8.2024). Bezüglich Gewalt in der Ehe – darunter auch Vergewaltigung – gibt es keine speziellen Gesetze (USDOS 22.4.2024). Auch generell ist sexuelle Gewalt gegen Frauen ein großes Problem - IDPs sind spezifisch betroffen (FH 2024b; vgl. USDOS 22.4.2024; ÖB Nairobi 10.2024; HRW 11.1.2024). Auch weibliche Angehörige von Minderheiten sind häufig unter den Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt. NGOs haben eine diesbezügliche Systematik dokumentiert (USDOS 22.4.2024). So waren z. B. sieben von zwölf in einem UN-Bericht für das erste Jahresdrittel 2024 erwähnten weiblichen Opfer konfliktverursachter sexueller Gewalt Angehörige von Minderheiten, drei waren IDPs (UNSC 3.6.2024). Frauen, die aus Minderheiten stammen, sind dementsprechend besonders vulnerabel hinsichtlich sexueller Gewalt, Kriminalität, Ausbeutung und Diskriminierung und haben gleichzeitig kaum Zugang zu Justiz oder Clanschutz (ÖB Nairobi 10.2024).

Zur Veranschaulichung: Im Jahr 2021 setzten sich die Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt laut UNFPA wie folgt zusammen: 62 % physische Gewalt; 11 % Vergewaltigungen; 10 % sexuelle Übergriffe; 7 % Verweigerung von Ressourcen; 6 % psychische Gewalt; 4 % Zwangs- oder Kinderehe. 53 % der Fälle ereigneten sich im Wohnbereich der Opfer (UNFPA 14.4.2022). Zudem werden Frauen und Mädchen Opfer, wenn sie Wasser holen, Felder bewirtschaften oder auf den Markt gehen. Klassische Muster sind: a) die Entführung von Mädchen und Frauen zum Zwecke der Vergewaltigung oder der Zwangsehe. Hier sind die Täter meist nicht-staatliche Akteure; und b) Vergewaltigungen und Gruppenvergewaltigungen durch staatliche Akteure, assoziierte Milizen und unbekannte Bewaffnete. Insgesamt gaben bei einer Untersuchung aber 59 % der befragten Frauen an, dass die meiste Gewalt gegen Frauen von Ehemännern ausgeht (USDOS 22.4.2024). UNFPA berichtete 2021 von jährlich 80 % Zuwachs bei der Zahl an gemeldeten Fällen (Sahan/SWT 9.2.2024). Frauen und Mädchen bleiben den Gefahren bezüglich Vergewaltigung, Verschleppung und systematischer sexueller Versklavung ausgesetzt (AA 23.8.2024).

Sexuelle Gewalt - Gesetzeslage: Das Strafgesetzbuch befasst sich hinsichtlich sexueller Gewalt weniger mit Körperverletzung, sondern beschreibt diese eher im Sinne einer Verletzung der Sittlichkeit und der sexuellen Ehre (BS 2024). Nicht die körperliche Integrität, sondern Anstand und Ehre stehen im Vordergrund (HRW 11.1.2024). Nach anderen Angaben ist Vergewaltigung gesetzlich verboten (AA 23.8.2024). Die Strafandrohung beträgt 5-15 Jahre, vor Militärgerichten auch den Tod (USDOS 22.4.2024). Vergewaltigung bzw. Übergriffe in der Ehe sind hingegen nicht verboten. Insgesamt ist die Gesetzeslage unklar und wird auch uneinheitlich angewendet (Sahan/SWT 9.2.2024) bzw. setzt die Regierung bestehende Gesetze nicht effektiv um (USDOS 22.4.2024).

Sexuelle Gewalt - staatlicher Schutz: Fälle sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt werden häufig als Kavaliersdelikte abgetan, eine Verurteilung der Täter mithilfe von Bestechung oder Kompensationszahlungen verhindert (AA 23.8.2024). Denn wenn eine Frau - trotz Angst vor sozialer Ächtung - z. B. Beschwerden über ihren Ehemann vorbringt, dann handelt üblicherweise nicht die Polizei, sondern Älteste oder Familienangehörige (Horn 6.2.2024). Folglich kann bei Vergewaltigungen von staatlichem Schutz nicht ausgegangen werden (ÖB Nairobi 10.2024; vgl. BS 2024). Eine strafrechtliche Verfolgung von Vergewaltigungen erfolgt in der Praxis kaum (AA 23.8.2024; vgl. USDOS 22.4.2024; ÖB Nairobi 10.2024), die Aufklärungsrate ist verschwindend gering (AA 23.8.2024).

Insgesamt wird Gewalt gegen Frauen aber aufgrund des Stigmatisierungsrisikos und mangelnder Reaktionen der von Männern dominierten Strafverfolgungs- und Justizsysteme oft gar nicht erst gemeldet (SW 3.2023; vgl. Sahan/SWT 9.2.2024; USDOS 22.4.2024; AA 23.8.2024; ÖB Nairobi 10.2024). Die Tabuisierung von Vergewaltigungen führt u. a. dazu, dass kaum Daten zur tatsächlichen Prävalenz vorhanden sind (SIDRA 6.2019a, S. 2). Vergewaltigungsopfer leiden oft unter ihrer angeschlagenen Reputation. Zudem untersucht die Polizei Fälle sexueller Gewalt nur zögerlich; manchmal verlangt sie von den Opfern, die Untersuchungen zu ihrem eigenen Fall selbst zu tätigen (USDOS 22.4.2024). Manchmal übergibt die Polizei ohne Zustimmung des Opfers oder der Familie des Opfers einen Vergewaltigungsfall an traditionelle Rechtsinstrumente (UNSC 6.10.2021).

Sexuelle Gewalt - traditionelles Recht (Xeer): Zum größten Teil (95 %) werden Fälle sexueller Gewalt – wenn überhaupt – im traditionellen Rechtsrahmen erledigt (SIDRA 6.2019a, S. 5ff; vgl. Sahan/SWT 13.3.2023; MBZ 6.2023), wo Frauen sich von einem männlichen Verwandten repräsentieren lassen müssen (Sahan/SWT 9.2.2024). Xeer stellt aber die Interessen des Clans und Clanbeziehungen in den Vordergrund (MBZ 6.2023). Dort getroffene Einigungen beinhalten Kompensationszahlungen an die Familie des Opfers (SIDRA 6.2019a, S. 5ff), oder aber das Opfer wird gezwungen, den Täter zu ehelichen (USDOS 22.4.2024). Das patriarchalische Clansystem und Xeer an sich bieten Frauen also keinen Schutz, denn wird ein Vergehen gegen eine Frau gemäß Xeer gesühnt, wird der eigentliche Täter nicht bestraft (SEM 31.5.2017, S. 49; vgl. ÖB Nairobi 10.2024; SIDRA 6.2019a, S. 5ff).

Sexuelle Gewalt - Maßnahmen: Nach Angaben einer Quelle nimmt die Zahl erfolgreicher Strafverfolgung bei Vergewaltigungen und anderer Formen sexueller Gewalt zu. Mädchen und Frauen haben demnach Vertrauen gewonnen und zeigen Fälle an, auch wenn es noch zahlreiche Mängel und Hürden gibt (UNFPA 14.4.2022). Bei der Armee wurden einige Soldaten wegen des Vorwurfs von Vergewaltigung verhaftet (USDOS 22.4.2024). In Baidoa wurde ein Mann, der eine Frau ermordet hatte, zum Tode verurteilt und Anfang Juni 2022 exekutiert (GN 7.6.2022). In zwei Vergewaltigungsfällen von Minderjährigen in Jubaland und Galmudug wurden die Täter (ein Soldat und ein Clanmilizionär) verhaftet (UNSC 1.9.2022b).

Sexuelle Gewalt - Unterstützung: Insgesamt gibt es für Opfer sexueller Gewalt beachtliche Hürden, um notwendige Unterstützung in Anspruch nehmen zu können (USDOS 22.4.2024). Somalische Frauen und Mädchen haben nur äußerst begrenzten Zugang zu Programmen, die sie vor Gewalt schützen (Sahan/SWT 13.3.2023), es gibt kaum rechtliche oder medizinische Unterstützungsangebote (Sahan/SWT 9.2.2024). Laut einer Studie erhielten 17 % der von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffenen Frauen und Mädchen Unterstützung (USDOS 22.4.2024). UNFPA treibt die Einrichtung sogenannter One-Stop-Center und Women and Girls' Safe Spaces voran und unterhält diese. Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt sollen umfassend betreut werden. Sie können in solchen Einrichtungen in Sicherheit auf medizinische, psychosoziale, rechtliche und andere Hilfe zurückgreifen. UNFPA hat mit ihren Partnern im Jahr 2022 fast 9.000 Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt einen Safe Space zur Verfügung gestellt; im gleichen Jahr wurden mehr als 22.000 Opfer betreut (UNFPA 16.6.2023). IDPs, die von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind, werden mitunter von UNHCR mit u. a. psychosozialen Diensten und einer Fallbetreuung unterstützt (UNHCR 23.1.2024; vgl. UNHCR 23.6.2024). Hierzu gehören u. a. auch ein sog. Safe House, Verpflegung, Geldaushilfe und medizinische Versorgung (UNHCR 23.6.2024). In Mogadischu gibt es mindestens ein Frauenhaus. Dort werden Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt oder von Zwangsehen aufgenommen - auch Frauen, die vor einer Ehe schwanger geworden sind (Love Does 20.10.2023). Die NGO Elman Peace betreibt unter dem Titel "Sister Somalia" Krisenzentren für Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt. Auch dort gibt es psychosoziale, medizinische und Trauma-Betreuung (Elman o.D.c). Die NGO SWSC bietet in Jubaland psychosoziale und rechtliche Unterstützung, die NGO SWDC tut dies in Mogadischu und im Bundesstaat SWS (SW 11.2023). Insgesamt mangelt es allerdings an Schutzeinrichtungen. In Puntland gibt es einige Frauenhäuser, in Süd-/Zentralsomalia hingegen gibt es nur sehr wenige derartige Einrichtungen für Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt (UNFPA 14.4.2022). Die im Violence Observatory System erfassten Fälle in Mogadischu, Baidoa und Kismayo zeigen eine geographische Ungleichverteilung: Während in Baidoa 98 % der Fälle nicht an einen Safe Space verwiesen wurden, waren es in Kismayo 71 % und in Mogadischu 66 %. Noch ungleicher gestaltet sich die Antwort auf die Frage, ob Opfer Rechtsschritte ergreifen möchten: 80 % der Opfer in Baidoa schlossen rechtliche Schritte gegen den Täter aus; dahingegen waren es in Kismayo nur 23 % und in Mogadischu nur 8 % (SW 11.2023).

Sexuelle Gewalt - Puntland: Nur in Puntland kriminalisiert ein Gesetz alle Formen sexueller Gewalt (MBZ 6.2023; vgl. UNFPA 14.4.2022), Vergewaltigung ist explizit verboten (Sahan/SWT 9.2.2024). Es gibt eine von UNFPA unterstützte, mobile Rechtshilfe-Klinik, die Frauen und Mädchen aus vulnerablen und marginalisierten Gruppen berät und rechtlich unterstützt (GN 10.11.2022a). Insgesamt wird das o. g. Gesetz aber nicht ausreichend implementiert, manche Gerichte entscheiden weiterhin nach dem alten Strafgesetz (MBZ 6.2023). Zudem überwiegt oft der Druck der Ältesten, wonach ein Opfer den Täter heiraten muss, oder aber Kompensation bezahlt wird (AQ21 11.2023).

Alleinstehende Frauen sind insbesondere dann gefährdet, wenn sie in IDP-Lagern leben. Dort haben sie ein erhöhtes Risiko, sexuelle Gewalt zu erfahren. Für Frauen, die einem Minderheitenclan angehören, ist das Risiko noch höher. Die Hauptquelle für Schutz liegt in der erweiterten Familie der Frau. Wenn eine Frau nicht bei ihrer Großfamilie lebt, verringert sich ihre Sicherheit. Frauen, die einem Mehrheitsclan angehören, können daher mit einem gewissen Schutz rechnen (MBZ 6.2023).

1.2.2. Weibliche Genitalversütmmelung und –beschneidung (FGM/C)

Arten bzw. Typen der Beschneidung: Gudniin ist die allgemeine somalische Bezeichnung für Beschneidung – egal ob bei einer Frau oder bei einem Mann (HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 65f). Laut einer in Puntland gemachten Studie gibt es auch noch andere Namen für FGM/C, etwa Dhufaanid (Kastration) oder Tolid (Zunähen) (UNFPA 4.2022). In Somalia herrschen zwei Formen von FGM/C vor:

a) Einerseits die am meisten verbreitete sogenannte Pharaonische Beschneidung (Gudniinka Fircooniga), welche weitgehend dem WHO Typ III (Infibulation) entspricht (UNFPA 4.2022; vgl. LIFOS 16.4.2019, S. 13f; HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 66f) und von der somalischen Bevölkerung unter dem - mittlerweile auch dort geläufigen - Synonym "FGM" verstanden wird (UNFPA 4.2022; vgl. HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 68).

b) Andererseits die Sunna (Gudniinka Sunna) (LIFOS 16.4.2019, S. 13f; vgl. HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 66f), welche laut einer Quelle generell dem weniger drastischen WHO Typ I entspricht (LIFOS 16.4.2019, S. 13f), laut einer anderen Quelle WHO Typ I und II (AV 2017, S. 29), laut einer dritten Quelle WHO Typ IV (MoHDSL/UNFPA 2021) und schließlich laut einer vierten Quelle eine breite Palette an Eingriffen umfasst (HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 41ff/66f). Demnach wird die Sunna nochmals unterteilt in die sog. große Sunna (Sunna Kabir) und die kleine Sunna (Sunna Saghir); es gibt auch Mischformen (LIFOS 16.4.2019, S. 14f; vgl. HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 41ff/66f). De facto kann laut Quellen unter dem Begriff „Sunna“ jede Form – von einem kleinen Schnitt bis hin zur fast vollständigen pharaonischen Beschneidung – gemeint sein, die von der traditionellen Form von FGM (Infibulation) abweicht (FIS 5.10.2018, S. 30; vgl. LIFOS 16.4.2019, S. 39). Aufgrund der Problematik, dass es keine klare Definition der Sunna gibt (LIFOS 16.4.2019, S. 14f; vgl. FIS 5.10.2018, S. 31), wissen Eltern laut einer Quelle oft gar nicht, welchen Eingriff die Beschneiderin genau durchführen wird (LIFOS 16.4.2019, S. 14f). Allgemein wird die Sunna von Eltern und Betroffenen als harmlos erachtet, mit dieser Form werden nur geringfügige gesundheitliche Komplikationen in Zusammenhang gebracht (UNFPA 4.2022).

Bei einer Studie aus Somaliland wird die Sunna hingegen als WHO Typ IV bezeichnet ("... andere verletzende Prozeduren an den weiblichen Genitalien für nicht-medizinische Zwecke, z. B. einstechen, durchstechen, einritzen, ausschaben, verätzen."). Teilnehmer der Studie beschreiben zwei Arten der Sunna: Einerseits jene Form, bei welcher eine eingeschränkte Beschneidung ("Small Cut") sowie ein Vernähen mit ein oder zwei Stichen erfolgt; andererseits eine mildere Form, bei welcher die Klitoris mit einer Nadel eingestochen wird und keine weiteren Misshandlungen erfolgen - insbesondere kein Vernähen (MoHDSL/UNFPA 2021).

Prävalenz: FGM ist in Somalia auch weiterhin weit verbreitet (USDOS 22.4.2024; vgl. AA 23.8.2024) und bleibt die Norm (Landinfo 14.9.2022, S. 16). Lange Zeit wurde die Zahl betroffener Frauen mit 98 % angegeben. Diese Zahl ist laut somalischem Gesundheitsministerium bis 2015 auf 95 % und bis 2018 auf 90 % gefallen (FIS 5.10.2018, S. 29). UN News berichtet von "mehr als 90 %" (UNN 4.2.2022). Gemäß einer Studie aus dem Jahr 2017 sind rund 13 % der 15-17-jährigen Mädchen nicht beschnitten (STC 9.2017). In der Altersgruppe von 15-49 Jahren liegt die Prävalenz hingegen bei 98 %, jene der Infibulation bei 77 %, wie eine andere Studie besagt (BMC/Yussuf/et al. 2020, S. 1f). Laut einer anderen Quelle sind 88 % der 5-9-jährigen Mädchen bereits beschnitten oder verstümmelt (CARE 4.2.2022). Insgesamt gibt es diesbezüglich nur wenige aktuelle Daten. Generell ist von einer Rückläufigkeit auszugehen (LIFOS 16.4.2019, S. 19f; vgl. STC 9.2017).

Trend weg von der Infibulation und hin zu Sunna: Die Infibulation ist insgesamt zurückgedrängt worden, dies wird von zahlreichen Quellen bestätigt (Omer2/ALRC 17.3.2023; vgl. HEART/Crawford/Ali 2 2015; FGMCRI o.D.; Landinfo 14.9.2022; LIFOS 16.4.2019, S. 14f/39; DIS 1.2016, S. 7; FIS 5.10.2018, S. 30f; PC/Powell/Yussuf 1.2018, S. 22ff; BMC/Yussuf/et al. 2020, S. 1f). Der Trend geht in Richtung Sunna (UNFPA 4.2022).

Hinsichtlich geografischer Verbreitung scheint die Infibulation 2006 in Süd-/Zentralsomalia mit 72 % am wenigsten verbreitet gewesen zu sein; in Puntland war sie mit 93 % am verbreitetsten (LIFOS 16.4.2019, S. 21). Es wird davon ausgegangen, dass die Rate an Infibulationen in ländlichen Gebieten höher ist als in der Stadt (HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 69). Viele Menschen – v. a. in städtischen Gebieten – erachten die extremeren Formen von FGM zunehmend als inakzeptabel, halten aber an Typ I fest (UNICEF 29.6.2021; vgl. UNFPA 4.2022), der gesellschaftlich auf Akzeptanz trifft (Landinfo 14.9.2022). So werden in Mogadischu junge Mädchen nicht mehr der Infibulation, sondern hauptsächlich der Sunna ausgesetzt (HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 70).

Eine Rolle spielen hierbei religiöse Überlegungen. Bei einer Studie in Somaliland haben religiöse Führer angegeben, dass alle Rechtsschulen des Islam die Infibulation bzw. die pharaonische Beschneidung verbieten. Demgegenüber ist die Sunna gemäß der in Somalia am meisten verbreiteten Shafi'i-Schule obligatorisch, während z. B. die Hanafiya eine Beschneidung zwar zulässt, diese aber nicht fordert (MoHDSL/UNFPA 2021).

Gesellschaft: Außerdem sprachen sich in einer Umfrage aus dem Jahr 2017 42,6 % gegen die Tradition von FGM aus (AV 2017, S. 19). Allerdings gaben nur 15,7 % an, dass in ihrer Gemeinde („Community“) FGM nicht durchgeführt wird (AV 2017, S. 25). Bei einer Studie im Jahr 2015 wendete sich die Mehrheit der Befragten gegen die Fortführung der Infibulation, während es kaum Unterstützung für eine völlige Abschaffung von FGM gab (CEDOCA 9.6.2016, S. 7). Die Unterstützung für FGM/C ist jedenfalls gesunken (BMC/Yussuf/et al. 2020, S. 2). Zum Beispiel wurden in Cadaado (Mudug) im November 2020 nur noch 28 von 278 Eingriffen als Infibulation ausgeführt, im Dezember waren es 22 von 222. Dahingegen sind es Anfang 2019 noch über 200 Infibulationen pro Monat gewesen. Auch hier hat sich die Sunna durchgesetzt (RE 15.2.2021). Bei der Bewertung dieses Trends muss aber berücksichtigt werden, dass in manchen Fällen davon auszugehen ist, dass einfach nur nicht so weit zugenäht wird wie früher; der restliche Eingriff aber de facto einer Infibulation entspricht - und trotzdem von den Betroffenen als Sunna bezeichnet wird (HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 70).

Wer eine Beschneidung veranlasst bzw. entscheidet: Nach Angaben mehrerer Quellen liegt üblicherweise die Entscheidung darüber, ob eine Beschneidung stattfinden soll, bei der Mutter (FIS 5.10.2018, S. 30; vgl. CEDOCA 9.6.2016, S. 17f; Landinfo 14.9.2022, S. 11; HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 85; MoHDSL/UNFPA 2021). Der Vater hingegen wird wenig eingebunden (Landinfo 14.9.2022, S. 11; vgl. HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 85) bzw. wird die Entscheidung "manchmal" gemeinsam getroffen (MoHDSL/UNFPA 2021). Laut einer Quelle geht es bei dieser Entscheidung aber weniger um das "ob" als vielmehr um das "wie und wann" (Landinfo 14.9.2022, S. 11). Eine Studie aus dem Jahr 2022 in Puntland bestätigt, dass Mütter die Entscheidung hinsichtlich von FGM und Väter jene hinsichtlich der Beschneidung der Söhne treffen. Tendenziell können Väter neuerdings mehr Mitsprache halten. Insgesamt ist es aber die Mutter, die für die Jungfräulichkeit, Reinheit und Ehefähigkeit ihrer Töchter verantwortlich ist (UNFPA 4.2022).

Es kann zu – teils sehr starkem – psychischem Druck auf eine Mutter kommen, damit eine Tochter beschnitten wird. Um eine Verstümmelung zu vermeiden, kommt es auf die Standhaftigkeit der Mutter an. Spricht sich auch der Kindesvater gegen eine Verstümmelung aus, und bleibt dieser standhaft, dann ist es leichter, dem psychischen Druck seitens der Gesellschaft und gegebenenfalls durch die Familie standzuhalten (DIS 1.2016, S. 8ff). Manchmal wird der Vater von der Mutter bei der Entscheidung übergangen (UNFPA 4.2022; vgl. LIFOS 16.4.2019, S. 25f/42f) oder aber eine vermeintlich gemeinsame Entscheidung für eine mildere Sunna wird nachträglich von der Mutter - ohne Wissen des Vaters - zu einer Infibulation "korrigiert" (MoHDSL/UNFPA 2021). Nach anderen Angaben liegt es an den Eltern, darüber zu entscheiden, welche Form von FGM an der Tochter vorgenommen wird. Manchmal halten Großmütter oder andere weibliche Verwandte Mitsprache. In ländlichen Gebieten können Großmütter eher Einfluss ausüben (LIFOS 16.4.2019, S. 25f/42f; vgl. FIS 5.10.2018, S. 30). Dort ist es mitunter auch schwieriger, FGM infrage zu stellen (FIS 5.10.2018, S. 30f). Gemäß Angaben anderer Quellen sind Großmütter oft maßgeblich in die Entscheidung involviert (Landinfo 14.9.2022, S. 11; vgl. MoHDSL/UNFPA 2021; HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 85) bzw. üben sie signifikanten Einfluss aus (UNFPA 8.10.2023). Laut anderen Angaben kann es vorkommen, dass eine Mutter bei weiblichen Verwandten Ratschläge einholt (UNFPA 4.2022). In einer somaliländischen Studie wird angegeben, dass Mütter die Schlüsselrolle spielen, an zweiter Stelle stehen die Großmütter. Manchmal fordern Mädchen auch selbst eine Beschneidung ein (MoHDSL/UNFPA 2021).

Dass Mädchen ohne Einwilligung der Mutter von Verwandten einer FGM unterzogen werden, ist zwar nicht auszuschließen, aber unwahrscheinlich. Keine Quelle des Danish Immigration Service konnte einen derartigen Fall berichten (DIS 1.2016, S. 10ff). Quellen der schwedischen COI-Einheit Lifos nennen als diesbezüglich annehmbare Ausnahme (theoretisch) den Fall, dass ein bei den Großeltern lebendes Kind von der Großmutter FGM zugeführt wird, ohne dass es dazu eine Einwilligung der Eltern gibt (LIFOS 16.4.2019, S. 26).

Motivation: Der Hauptantrieb, weswegen Mädchen weiterhin einer FGM/C unterzogen werden, ist der Druck, sozialen Erwartungen und Normen gerecht zu werden (MoHDSL/UNFPA 2021; vgl. HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 82). FGM gilt als Tradition, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Die somalische Kultur gelten die "drei weiblichen Schmerzen" als integraler Bestandteil des Frauseins: Die Beschneidung, die Hochzeitsnacht und das Gebären. Nicht zuletzt glauben viele Frauen, dass die Beschneidung im Islam verpflichtend vorgesehen ist (MoHDSL/UNFPA 2021).

Frauen fürchten sich vor einem gesellschaftlichen Ausschluss und vor Diskriminierung - ihrer selbst und ihrer Töchter. Eine Beschneidung bringt hingegen soziale Vorteile und sichert der Familie und dem Mädchen die Integration in die Gesellschaft (UNFPA 4.2022; vgl. MoHDSL/UNFPA 2021). So gibt es etwa Berichte über erwachsene Frauen, die sich einer Infibulation unterzogen haben, da sie sich durch (sozialen) Druck dazu gezwungen sahen (HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 73). Es herrscht die Angst vor Stigmatisierung und Diskriminierung (MoHDSL/UNFPA 2021). Mitunter üben nicht-beschnittene Mädchen aufgrund des gesellschaftlichen Drucks selbst Druck auf Eltern aus, damit die Verstümmelung vollzogen wird (UNFPA 4.2022; vgl. MoHDSL/UNFPA 2021; HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 83; LIFOS 16.4.2019, S. 42f/26; ACCORD 31.5.2021, S. 41).

Die Beschneidung wird als Ehre für ein Mädchen erachtet, als Investition in die Zukunft. Das Mädchen wird dadurch von der Gesellschaft akzeptiert, gilt als züchtig und verheiratbar und gewährleistet voreheliche Jungfräulichkeit (MoHDSL/UNFPA 2021; vgl. LIFOS 16.4.2019, S. 38f; Landinfo 14.9.2022, S. 11). Außerdem gilt eine Infibulation als ästhetisch (Landinfo 14.9.2022, S. 10; vgl. UNFPA 4.2022).

Durchführung: Die Mehrheit der Beschneidungen wird von traditionellen Beschneiderinnen (Guddo) vorgenommen (MoHDSL/UNFPA 2021). Mädchen werden zunehmend von medizinischen Fachkräften beschnitten (UNFPA 4.2022; vgl. MoHDSL/UNFPA 2021; FGMCRI o.D.). Bei einer Studie in Somaliland gaben nur 5 % der Mütter an, selbst von einer Fachkraft beschnitten worden zu sein; bei den Töchtern waren es hingegen schon 33 % (Landinfo 14.9.2022, S. 11). Diese "Medizinisierung" von FGM/C ist v. a. im städtischen Bereich und bei der Diaspora angestiegen (UNICEF 29.6.2021; vgl. MoHDSL/UNFPA 2021) und in erster Linie dann, wenn die Eltern nur eine Sunna durchführen lassen wollen (MoHDSL/UNFPA 2021). FGM/C erfolgt also zunehmend im medizinischen Bereich – in Spitälern, Kliniken oder auch bei Hausbesuchen. In Mogadischu gibt es sogar Straßenwerbung für "FGM Clinics". Insgesamt sind die Ausführenden aber immer noch oft traditionelle Geburtshelferinnen, Hebammen und Beschneiderinnen (HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 73f).

Der Eingriff wird an Einzelnen oder auch an Gruppen von Mädchen vorgenommen. In ländlichen Gebieten Puntlands und Somalilands üblicherweise in Gruppen. Auch in Mogadischu ist das die übliche Praxis. Oft gibt es danach für die Mädchen eine Feier (HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 73f). Auch eine somaliländische Quelle berichtet, dass die Beschneidung mit einer Feier in der Nachbarschaft verbunden ist (MoHDSL/UNFPA 2021). Eine traditionelle Beschneiderin verlangt üblicherweise 20 US-Dollar für einen Eingriff, bei finanzschwachen Familien kann dieser Preis auf 5 US-Dollar reduziert werden (UNFPA 4.2022).

Alter bei der Beschneidung: Diesbezüglich gibt es unterschiedliche Angaben. Die meisten Quellen der schwedischen COI-Einheit Lifos sowie UNFPA nennen ein Alter von 5-10 bzw. 5-9 Jahren (LIFOS 16.4.2019, S. 20/39; vgl. UNFPA 8.10.2023). Eine größere Studie aus dem Jahr 2020 nennt für Somalia folgende Zahlen: 71 % der Frauen im Alter von 15-49 Jahren ist im Alter von 5-9 Jahren beschnitten worden, 28 % im Alter von 10-14 Jahren und jeweils unter 1 % unter 5 und über 15 Jahren (DNS/Gov Som 2020). UNICEF wiederum nennt ein Alter von 4-14 Jahren als üblich; die NGO IIDA gibt an, dass die Beschneidung üblicherweise vor dem achten Geburtstag erfolgt (CEDOCA 9.6.2016, S. 6). Eine Studie aus dem Jahr 2017 nennt für ganz Somalia die Gruppe der 10-14-Jährigen (STC 9.2017), dieses Alter erwähnt auch eine NGO (FGMCRI o.D.). Eine andere Quelle nennt ein Alter von 10-13 Jahren (AA 23.8.2024). Gemäß einer Quelle werden Mädchen, welche die Pubertät erreicht haben, nicht mehr einer FGM unterzogen, da dies gesundheitlich zu riskant ist. Hat ein Mädchen die Pubertät erreicht, fällt demnach auch der Druck durch die Verwandtschaft weg (DIS 1.2016, S. 11). Laut einer Quelle sind aus der Diaspora zum Zwecke von FGM nach Somalia geschickte Mädchen meist älter als allgemein üblich (Landinfo 14.9.2022).

In Puntland und Somaliland erfolgt die Beschneidung laut einer Studie aus dem Jahr 2011 meist im Alter von 10-14 Jahren (LIFOS 16.4.2019, S. 20). Eine Studie aus dem Jahr 2022 hingegen besagt für Puntland, dass Mädchen bis zum 13. Geburtstag der Praktik unterzogen sein müssen, wenn die Mutter Hänseleien entgehen will (UNFPA 4.2022). In einer Studie aus dem Jahr 2020 werden für Somaliland folgende Zahlen genannt: 57 % der Mädchen wurden im Alter von 5-9 Jahren beschnitten, 41 % zwischen 10 und 14 Jahren, 1 % noch danach (MoPNDSL 2021).

Eine Quelle erklärt, dass das Beschneidungsalter immer weiter sinkt (CARE 4.2.2022). Auch in der Studie aus dem Jahr 2020 ist dieser Trend zu erkennen. Unter den 40-49-jährigen Frauen wurden 67 % im Alter von 5-9 Jahren beschnitten, bei der Gruppe der 15-19-jährigen sind es hingegen 73 % (DNS/Gov Som 2020). Auch in Somaliland ist das Alter im Zuge des Wechsels hin zur Sunna laut Angaben einer Quelle auf 5-8 Jahre gesunken (PC/Powell/Yussuf 1.2018, S. 22). In den Zahlen einer Studie aus dem Jahr 2020 ist ein derartiger Trend hingegen nicht ablesbar (MoPNDSL 2021).

Bei den Benadiri und arabischen Gemeinden in Somalia, wo grundsätzlich die Sunna praktiziert wird, scheint die Beschneidung bei der Geburt stattzufinden, möglicherweise auch nur als symbolischer Schnitt (DIS 1.2016, S. 6).

Abolition: In der Diaspora nimmt die Praktik ab. Der Druck sinkt mit der Distanz zur Heimat und zur Familie (Landinfo 14.9.2022, S. 17). In manchen Gemeinden und Gemeinschaften z. B. in Borama, Garoowe oder Mogadischu, wo Aufklärung bezüglich FGM stattgefunden hat, stellen sich die Haushalte gemeinschaftlich gegen jegliche Art von FGM (ÖB Nairobi 10.2024; vgl. HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 65). Von jenen, die nicht von Aufklärungskampagnen betroffen waren, gab es nur eine kleine Minderheit aus gut gebildeten Menschen und Personen der Diaspora, die sich von allen Formen von FGM verabschiedet hat (HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 65; vgl. Landinfo 14.9.2022). Eine Expertin erklärt, dass hinsichtlich FGM kein Zwang herrscht, dass allerdings eine Art Gruppendruck besteht (ACCORD 31.5.2021, S. 41). So kann es auch vorkommen, dass in der Diaspora lebende Mädchen „nach Hause“ oder in bestimmte europäische Städte geflogen werden, wo FGM vollzogen wird (GN 3.11.2022). Andererseits nimmt der Druck in der jüngeren Generation ab, manche junge Menschen sehen keinen Grund für die Stigmatisierung und Diskriminierung von Unbeschnittenen (MoHDSL/UNFPA 2021).

Eine andere Quelle erklärt, dass der Verzicht auf jegliche Form von FGM in Somalia eine radikale Entscheidung darstellt, die gegen grundlegende Normen verstößt. Damit sich Eltern aus eigener Initiative gegen eine Beschneidung ihrer Tochter wehren können, müssen sie über Kenntnisse und Einwände gegen die Praxis sowie über genügend Robustheit und Ressourcen verfügen, um die Einwände für Familie, Netzwerke und lokale Gemeinschaften zu fördern (Landinfo 14.9.2022). Jedenfalls gibt es trotz aller Widrigkeiten sowohl in urbanen als auch in ländlichen Gebieten Eltern, die ihre Töchter nicht verstümmeln lassen (DIS 1.2016, S. 9) und auch Frauen, die sich offen dazu bekennen. So berichtet etwa eine Studienteilnehmerin, dass sie als Kind sehr an ihrer Verstümmelung gelitten hat. Deswegen hat sie ihre Töchter nicht beschneiden lassen und drängt auch andere Eltern zu diesem Schritt. Einige wenige Teilnehmerinnen an der besagten Studie haben offen erklärt, ihre Töchter nicht anrühren zu wollen (MoHDSL/UNFPA 2021). Manche Mütter in Gemeinden, wo Aufklärung hinsichtlich der negativen Folgen einer Genitalverstümmelung stattgefunden hat, bekennen sich offen dazu, dass an ihren Töchtern eine solche nicht vorgenommen worden ist (ÖB Nairobi 10.2024).

Mehrere Studien zeigen, dass 2-4 von 100 Frauen nicht beschnitten sind (MoHDSL/UNFPA 2021; vgl. DNS/Gov Som 2020). Beschneiderinnen berichten von einem geringeren Einkommen, weil Eltern ihre Dienste nicht mehr in Anspruch nehmen (MoHDSL/UNFPA 2021).

1.2.3. Reinfibulation, Defibulation

Die Thematik der Reinfibulation (Wiederherstellung einer Infibulation, Wiederzunähen) betrifft jene Frauen und Mädchen, die bereits einer Infibulation unterzogen und später deinfibuliert wurden. Letzteres erfolgt z. B. im Rahmen einer Geburt, zur Erleichterung des Geschlechtsverkehrs (LIFOS 16.4.2019, S. 35/12; vgl. Landinfo 14.9.2022, S. 9/12) oder aber z. B. auf Wunsch der Familie, wenn bei der Menstruation Beschwerden auftreten (LIFOS 16.4.2019, S. 32; vgl. Landinfo 14.9.2022, S. 12). Es gibt zudem anekdotische Berichte, wonach eine neue Intervention durchgeführt wurde, weil die Familie eine umfassendere Intervention als die ursprüngliche gewünscht hat (Landinfo 14.9.2022; vgl. HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 74).

Eine Reinfibulation kommt v. a. dann vor, wenn Frauen - üblicherweise noch vor der ersten Eheschließung - eine bestehende Jungfräulichkeit vorgeben wollen (DIS 1.2016, S. 23). Obwohl es vor einer Ehe gar keine physische Untersuchung der Jungfräulichkeit gibt (LIFOS 16.4.2019, S. 40f), kann es bei jungen Mädchen, die z. B. Opfer einer Vergewaltigung wurden, zu Druck oder Zwang seitens der Eltern kommen, sich einer Reinfibulation zu unterziehen (HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 73/76; vgl. CEDOCA 13.6.2016, S. 9). Vergewaltigungsopfer werden oft wieder zugenäht (HO 27.2.2019; vgl. Landinfo 14.9.2022, S. 12). Es gibt anekdotische Berichte über Fälle, in denen unverheiratete Mädchen oder junge Frauen aus der Diaspora nach Somalia geschickt wurden, um eine Reinfibulation durchzuführen (Landinfo 14.9.2022).

Eine Quelle gibt an, dass es Folgen - bis hin zur Scheidung - haben kann, wenn ein Ehemann in der Hochzeitsnacht feststellt, dass eine Deinfibulation bereits vorliegt. Eine Scheidung kann in diesem Fall zu einer indirekten Stigmatisierung infolge von "Gerede" führen. Generell können zur Frage der Reinfibulation von vor der Ehe deinfibulierten Mädchen und jungen Frauen nur hypothetische Angaben gemacht werden, da z. B. den von der schwedischen COI-Einheit LIFOS befragten Quellen derartige Fälle überhaupt nicht bekannt waren (LIFOS 16.4.2019, S. 40f).

Als weitere Gründe, warum sich Frauen für eine Reinfibulation im Sinne einer weitestmöglichen Verschließung entscheiden, werden in einer Studie aus dem Jahr 2015 folgende genannt: a) nach einer Geburt: Manche Frauen verlangen z. B. eine Reinfibulation, weil sie sich nach Jahren an ihren Zustand gewöhnt hatten und sich die geöffnete Narbe ungewohnt und unwohl anfühlt; b) manche geschiedene Frauen möchten als Jungfrauen erscheinen; c) Eltern von Vergewaltigungsopfern fragen danach; d) in manchen Bantu-Gemeinden in Süd-/Zentralsomalia möchten Frauen, deren Männer für längere Zeit von zu Hause weg sind, eine Reinfibulation als Zeichen der Treue (HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 76; vgl. CEDOCA 9.6.2016, S. 11).

Gesellschaftlich verliert die Frage einer Deinfibulation oder Reinfibulation nach einer Eheschließung generell an Bedeutung, da die Vorgabe der Reinheit/Jungfräulichkeit irrelevant geworden ist (LIFOS 16.4.2019, S. 40). Für verheiratete oder geschiedene Frauen und für Witwen gibt es keinen Grund, eine Jungfräulichkeit vorzugeben (CEDOCA 13.6.2016, S. 6).

Wird eine Frau vor einer Geburt deinfibuliert, kann es vorkommen, dass nach der Geburt eine Reinfibulation stattfindet. Dies obliegt i.d.R. der Entscheidung der betroffenen Frau (LIFOS 16.4.2019, S. 40; vgl. CEDOCA 9.6.2016, S. 26). Die Gesellschaft hat kein Problem damit, wenn eine Deinfibulation nach einer Geburt bestehen bleibt, und es gibt üblicherweise keinen Druck, sich einer Reinfibulation zu unterziehen. Viele Frauen fragen aber offenbar von sich aus nach einer (manchmal nur teilweisen) Reinfibulation (CEDOCA 13.6.2016, S. 9f/26). Gemäß Angaben einer Quelle ist eine derartige - von der Frau verlangte - Reinfibulation in Somalia durchaus üblich. Manche Frauen unterziehen sich demnach mehrmals im Leben einer Reinfibulation (HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 73/75f). Nach anderen Angaben kann ein derartiges Neu-Vernähen der Infibulation im ländlichen Raum vorkommen, ist in Städten aber eher unüblich (FIS 5.10.2018, S. 29). Die Verbreitung variiert offenbar auch geographisch: Bei Studien an somalischen Frauen in Kenia haben sich 35 von 57 Frauen einer Reinfibulation unterzogen. Gemäß einer anderen Studie entscheiden sich in Puntland 95 % der Frauen nach einer Geburt gegen eine Reinfibulation (CEDOCA 9.6.2016, S. 13f). Insgesamt gibt es zur Reinfibulation keine Studien, die Prävalenz ist unbekannt. Eine Wissenschaftlerin, die sich seit Jahren mit FGM in Somalia auseinandersetzt, sieht keine Grundlage dafür, dass nach einer Geburt oder Scheidung systematisch eine Reinfibulation durchgeführt wird – weder in der Vergangenheit noch in der heutigen Zeit. Im somalischen Kontext wird demnach eine Infibulation durchgeführt, um die Jungfräulichkeit vor der Ehe zu „beweisen“. Dementsprechend macht es keinen Sinn, eine verheiratete Frau nach der Geburt zu reinfibulieren (Landinfo 14.9.2022, S. 12f).

Freilich kann es vorkommen, dass eine Frau – wenn sie z. B. physisch nicht in der Lage ist, eine Entscheidung zu treffen – auch gegen ihren Willen einer Reinfibulation unterzogen wird; die Entscheidung treffen in diesem Fall weibliche Verwandte oder die Hebamme. Es kann auch nicht völlig ausgeschlossen werden, dass Frauen durch Druck von Familie, Freunden oder dem Ehemann zu einer Reinfibulation gedrängt werden. Insgesamt hängt das Risiko einer Reinfibulation also zwar vom Lebensumfeld und der körperlichen Verfassung der Frau nach der Geburt ab, aber generell liegt die Entscheidung darüber bei ihr selbst. Sie kann sich nach der Geburt gegen eine Reinfibulation entscheiden. Es kommt in diesem Zusammenhang weder zu Zwang noch zu Gewalt. Keine der zahlreichen, von der schwedischen COI-Einheit LIFOS dazu befragten Quellen hat jemals davon gehört, dass eine deinfibulierte Rückkehrerin nach Somalia dort zwangsweise reinfibuliert worden wäre (LIFOS 16.4.2019, S. 41).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person der BF

Mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente steht die Identität der BF nicht fest. Zumal sie aber zweifellos aus dem somalischen Kulturraum stammt, kann ihr in ihren im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben zu ihrer Staats-, Religions- und Clanzugehörigkeit gefolgt werden. Ebenso kann das Vorbringen der BF zu ihrer örtlichen Herkunft und ihren Lebensumständen in Somalia – abgesehen von jenen Umständen, die sie zur Flucht aus ihrem Herkunftsland gezwungen hätten – entsprechend der Feststellungen als wahr unterstellt werden.

Soweit die BF nämlich erzählte, dass sie Somalia verlassen habe, weil sie nach dem Tod ihrer Eltern bei einer Verwandten väterlicherseits gelebt habe, welche sie schlecht behandelt und unter anderem gegen ihren Willen mit einem älteren Mann verheiraten wollen habe, ist sie nicht glaubhaft.

Das zeigt sich zunächst darin, dass die BF grundsätzlich ein überaus vage und oberflächlich gehaltenes Fluchtvorbringen erstattete und nur in ausgewählten Aspekten nähere Angaben tätigen konnte, während sie über sonstige grundlegende Informationen etwa zu ihrem Leben oder hinsichtlich ihrer Verwandten keine Auskünfte geben könne.

Die BF vermochte etwa die Frage der erkennenden Richterin, wann ihr letztes Schuljahr gewesen sei, nicht einmal ansatzweise zu beantworten und begründete dies bloß mit ihrem jungen Alter (Verhandlungsprotokoll S. 4 f). Da sie die Schule nach ihrer gleichbleibenden Aussage bis zur vierten Klassen besucht habe (Verhandlungsprotokoll S. 4 und AS 189), wäre ihr aber jedenfalls eine ungefähre zeitliche Einordnung zumutbar gewesen. Zumal sie vor dem BFA betreffend ihren Fluchtgrund noch schilderte, im Alter von neun Jahren nach dem Tod ihres Vaters bei einer „Nachbarin“ gelebt zu haben, unter anderem die Schule habe abbrechen müssen und im Alter von 13 Jahren von der verlangten Eheschließung erfahren habe (AS 194), erschließt sich nicht, dass sie ihr Alter bei der Beendigung ihres Schulbesuchs nicht einschätzen kann.

Zudem erweisen sich ihre Behauptungen betreffend ihr eigenes Geburtsdatum und jenes ihrer Brüder als vollkommen unschlüssig. Die BF gab im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zwar gleichbleibend an, dass sie im Jahr 2006 und ihre Brüder in den Jahren 2004 sowie 2005 geboren worden seien (AS 3, 7, 188 und Verhandlungsprotokoll S. 5). Die BF konnte aber nicht nachvollziehbar darlegen, weshalb sie selbst die angeführten Geburtsdaten kenne, obwohl sie nicht einmal die Frage nach ihrem letzten Schuljahr beantworten könne. Ihr Verweis auf die Mitteilung ihres Vaters (Verhandlungsprotokoll S. 5) vermag angesichts seines angeblichen Todes vor Beendigung des Schulbesuchs der BF jedenfalls nicht zu überzeugen. Ferner ist betreffend das Geburtsdatum der BF festzuhalten, dass im Rahmen des vom BFA eingeholten, schlüssigen Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen aus dem ermittelten „höchstmöglichen Mindestalter“ im Untersuchungszeitpunkt der XXXX 2006 errechnet wurde (AS 65), wobei sich aus dem eruierten „wahrscheinlichen Alter“ der XXXX 2005 als Geburtsdatum ergibt (AS 66). Die BF müsste damit zumindest etwa fünf Monate älter sein, als von ihr behauptet (AS 3); wahrscheinlich beträgt die Diskrepanz jedoch mehr als ein Jahr. Die Angabe der BF findet damit in der vorgenommenen Altersdiagnose zur Volljährigkeitsbeurteilung keine Deckung.

Ferner können die von der BF genannten Daten nicht mit den Aussagen ihrer älteren Schwester im Verfahren über deren Antrag auf internationalen Schutz in Einklang gebracht werden, wonach die BF im Jahr 2003 und deren Brüder in den Jahren 2000 und 2002 geboren seien (S. 164 im Akt des BFA zur Zl. XXXX ) und damit jeweils drei bzw. vier Jahre älter sein müssten. Darauf angesprochen meinte die BF, dass ihre Schwester dies nur geschätzt und nicht sicher gewusst habe (Verhandlungsprotokoll S. 5). Da ihre ältere Schwester im Zeitpunkt deren Einvernahme vor dem BFA bereits 17 Jahre alt war und damals mit Angehörigen in Somalia in Kontakt stand (S. 166 im Akt des BFA zur Zl. XXXX ), müsste sie aber viel eher in der Lage sein, das korrekte Geburtsjahr ihrer Geschwister zu nennen als die BF. Deren Rechtfertigungsversuch, wonach ihre Schwester möglicherweise unter Druck und durcheinander gewesen sei, weil sie neu in Österreich gewesen sei (Verhandlungsprotokoll S. 5), ist nicht überzeugend, zumal sich ihre Schwester bei ihrer Einvernahme vor dem BFA bereits seit mehr als einem Jahr in Österreich befand. Im Übrigen erschließt sich an der Argumentation der BF, wonach sie das Geburtsdatum ihrer Schwester erst in Österreich erfahren habe (Verhandlungsprotokoll S. 5), nicht, weshalb der Vater nicht auch dieses der BF mitgeteilt habe.

Erhebliche Ungereimtheiten ergaben sich außerdem in den Aussagen der BF zur Erwerbstätigkeit ihres Vaters. Während sie in der Beschwerdeverhandlung zunächst erklärte, dass dieser nicht gearbeitet habe, meinte sie hinsichtlich der Versorgung ihrer Familie jedoch, dass er keinen fixen Job, aber kleine Tätigkeiten ausgeübt habe. Somit sei er entgegen ihrer vorangegangenen Antwort offenbar doch Beschäftigungen nachgegangen. Nachgefragt konnte die BF diese aber nicht einmal ansatzweise beschreiben, sondern verwies bloß darauf, dass dies schon länger her sei und sie sich nicht erinnern könne (Verhandlungsprotokoll S. 6). Dabei kann aber keinesfalls nachvollzogen werden, dass die BF dies – etwa im Gegensatz zum Inhalt des Telefongesprächs ihres Vaters mit ihrer Schwester oder den Geburtsjahren von ihr sowie ihren Brüdern – nicht mehr wisse. Darauf angesprochen, behauptete die BF, dass ihr Vater ihnen nichts über seinen Job erzählt habe (Verhandlungsprotokoll S. 6). Die BF hätte seinen Beruf somit nunmehr nicht vergessen, sondern angeblich niemals gekannt. Aber selbst bei Zugrundelegung dieser Version erschließt sich nicht, weshalb ihre Schwester im Gegensatz zur BF sehr wohl anführen konnte, dass ihr Vater Bauarbeiter gewesen sei (S. 165 im Akt des BFA zur Zl. XXXX ). Der BF hätte es im Alter von neun Jahren aber jedenfalls möglich sein müssen, über die Beschäftigung ihres Vaters (zumindest ungefähr) Bescheid zu wissen und dies seither in Erinnerung zu behalten.

Ein massiver Widerspruch in der Darstellung der BF und jener ihrer Schwester besteht zudem hinsichtlich dem Verbleib ihrer Brüder nach dem Versterben des Vaters. Während die BF behauptet, dass sie danach getrennt von ihren Brüdern gelebt habe (AS 190 und Verhandlungsprotokoll S. 7), meinte ihre Schwester, dass ihr älterer Bruder als Taglöhner arbeite und glaublich obdachlos sei sowie zwei ihrer Geschwister – somit die BF und der andere Bruder – bei einer Nachbarin leben würden, bei welcher sie sich telefonisch nach diesen erkundige (S. 166 im Akt des BFA zur Zl. XXXX ). Die BF vermochte diese gravierende Diskrepanz nicht aufzuklären, sondern verwies nur darauf, dass sie selbst über ihre eigenen Lebensumstände Bescheid wisse, nach dem Tod ihres Vaters nicht mehr in Kontakt mit ihrer Schwester gestanden sei und nicht wisse, ob die Schwester mit „dieser Frau“ Kontakt aufgenommen habe (Verhandlungsprotokoll S. 8).

Im Übrigen ist nicht überzeugend, dass die BF weder über den Verbleib ihrer Brüder nach dem Tod des Vaters Bescheid wisse, noch mit ihrem Onkel mütterlicherseits in Kontakt gestanden sei, obwohl diese in der gleichen Stadt wie die BF gelebt hätten (Verhandlungsprotokoll S. 7 f). Da die BF nach ihrer Ankunft in Österreich den Kontakt mit ihren Brüdern wieder aufgenommen habe (Verhandlungsprotokoll S. 12), wäre zu erwarten gewesen, dass sie sich bei diesen über deren weiteres Leben informiert hätte und sich ihr Wissen nicht im Wesentlichen darauf beschränkt, dass diese in Kismayo gelebt hätten und aktuell in Mogadischu leben würden, wo sie „ab und zu“ eine Beschäftigung ausüben würden (Verhandlungsprotokoll S. 7 f und 12). Die Darstellungen der BF zu deren gegenwärtiger Situation werfen im Übrigen insofern massive Zweifel auf, als sie zunächst von sich aus erwähnte, dass es ihnen in Mogadischu „gut“ gehe und einer der Brüder verheiratet sei. Befragt zur finanziellen Lage führte sie zwar an, dass sie keinen fixen Job hätten. Sie verneinte jedoch erst auf ausdrückliche Nachfrage ihrer Rechtsvertretung, dass es ihnen finanziell gut gehe (Verhandlungsprotokoll S. 12). Vor diesem Hintergrund kann aber nicht angenommen werden, dass ihre Brüder von wirtschaftlichen Schwierigkeiten betroffen sind, zumal in dem Fall zu erwarten gewesen wäre, dass die BF dies auch von sich aus erwähnt hätte, anstatt allgemein anzugeben, dass es ihnen gut gehe.

Ferner erklärte die BF auf Frage der erkennenden Richterin nach dem Namen der Verwandten, bei welcher sie nach dem Tod ihres Vaters gelebt habe, dass sie sich an deren Namen nicht erinnern könne. Erst auf neuerliche Nachfrage antwortete sie, dass diese glaublich „ XXXX “ geheißen habe (Verhandlungsprotokoll S. 7). Dies stimmt zwar mit ihrer Aussage vor dem BFA überein (AS 191). Es erschließt sich aber nicht, weshalb sie deren Namen einerseits nicht schon auf die erste Frage nennen konnte sowie andererseits eine bloße Vermutung dazu aufstellte. Im Übrigen verwundert, dass die BF sonst über den Namen dieser „Tante“, bei welcher es sich um die Tochter des Onkels ihres Vaters handle, nichts wisse (Verhandlungsprotokoll S. 7), obwohl sie ab einem Alter von neun Jahren bis zu ihrer Ausreise aus Somalia Ende des Jahres 2021 (AS 11) und damit etwa sechs Jahre bei ihr gelebt habe. Angesichts dessen sowie der bereits dargelegten Ungereimtheiten in Bezug auf den Verbleib ihrer Brüder kann den Darstellungen der BF, wonach sie die letzten Jahre vor dem Verlassen ihres Herkunftsstaates bei einer Verwandten väterlicherseits gelebt habe, nicht gefolgt werden.

Darüber hinaus vermögen insbesondere die Erklärungen der BF zu der von ihr verlangten Eheschließung nicht zu überzeugen. In der freien Erzählung ihres Fluchtgrundes vor der belangten Behörde schilderte sie dazu, dass ihre Adoptivmutter sie über ihr Vorhaben in Kenntnis gesetzt habe, als die BF 13 Jahre alt gewesen sei (AS 194). Auf Nachfrage nach dem Zeitpunkt der ersten dahingehenden Aufforderung schwächte die BF dies aber ab und antwortete vage, dass sie ca. 13 Jahre alt gewesen sei (AS 195). Im Beschwerdeschriftsatz brachte sie daraufhin vor, im Alter von 13 oder 14 Jahren gewesen zu sein (AS 496). Das wiederholte sie schließlich vor dem Bundesverwaltungsgericht (Verhandlungsprotokoll S. 9), bevor sie auf Vorhalt ihrer früheren Altersangabe sowie auf Nachfrage nach dem Jahr die Vermutung aufstellte, dass es ein Jahr vor ihrer Ausreise gewesen sei (Verhandlungsprotokoll S. 9). Dabei ist auch unter Berücksichtigung des jungen Alters der BF nicht nachvollziehbar, dass sie die erstmalige Mitteilung ihrer Mutter über die beabsichtige Eheschließung nicht näher zeitlich einordnen könne. Vielmehr erwecken ihre unkonkreten Aussagen den Eindruck, als würde sie damit auf die beweiswürdigende Argumentation im angefochtenen Bescheid zum Fehlen konkreter Vorbereitungshandlungen in der Zeit bis zu ihrer Ausreise reagieren.

Zudem konnte die BF – ausgehend von ihrer ursprünglichen Altersangabe und dem von ihr genannten Geburtsjahr – vor der erkennenden Richterin nicht schlüssig darlegen, weshalb es seit dem Jahr 2019 bis zu ihrer Ausreise nicht zu dieser Heirat gekommen sei. Dazu behauptete sie nur allgemein, dass man nicht gleich nach der Information über die Eheschließung verheiratet werde, sondern in Somalia bis zur nächsten Regenzeit gewartet werde, wenn es den Menschen „besser“ gehe (Verhandlungsprotokoll S. 9). Ebenfalls meinte die BF auf die folgende Frage, weshalb bis Ende des Jahres 2021 keine Eheschließung erfolgt sei, im Wesentlichen bloß, dass sie möglicherweise schon 14 Jahre alt gewesen sei (Verhandlungsprotokoll S. 10). Aber selbst unter der Annahme, dass sie etwa ein Jahr vor ihrer Ausreise im Alter von 14 Jahren von der Forderung erfahren habe (Verhandlungsprotokoll S. 9 f), kann ein Abwarten auf die zweimal jährlich auftretende Regenzeit die Zeitspanne von etwa einem Jahr bis zu ihrer Ausreise nicht erklären.

An der Darstellung der BF ist ferner nicht nachvollziehbar, dass der heiratswillige Mann mit der Adoptivmutter der BF die Verhandlungen über die Eheschließung geführt habe, obwohl nach der eigenen Aussage der BF ihr Bruder der Vormund gewesen sei (Verhandlungsprotokoll S. 10). Die Behauptung der BF, wonach die Brüder dem Vorhaben der Tante zugestimmt hätten (Verhandlungsprotokoll S. 10), ist als reine Spekulation zu werten, zumal die BF diese nach dem Tod ihres Vaters nicht mehr gesehen habe (Verhandlungsprotokoll S. 7 f). Angesichts dessen erschließt sich jedoch nicht, weshalb der Mann mit der „Tante“ der BF über die Eheschließung verhandeln und mehr ein Jahr abwarten sollte, bis sich seine Tiere vermehren sowie die BF älter werde (Verhandlungsprotokoll S. 10), obwohl die erforderliche Einwilligung eines männlichen Verwandten nicht gesichert sei. Auf Vorhalt, dass dieser Mann bei ernsthafter Heiratsabsicht sicher schon mit ihren ebenfalls in Kismayo lebenden Brüdern gesprochen hätte, antwortete die BF bloß, dass dies sein könne, aber sie sich nicht sicher sei (Verhandlungsprotokoll S. 11). Demnach habe die BF aber noch überhaupt nicht gewusst, ob ihr tatsächlich ernsthaft eine Zwangsheirat drohe oder ihr zustimmungspflichtiger Bruder allenfalls ablehnen würde. In Anbetracht dessen kann aber nicht nachvollzogen werden, dass die Nachbarin der BF deren Ausreise aus Somalia organisieren und finanzieren sollte (AS 192), ohne zuvor zu versuchen, in Kontakt mit den Brüdern zu treten und deren Haltung zur beabsichtigten Verehelichung der BF herauszufinden.

Darüber hinaus divergieren die Erzählungen der BF zu der Frau, welche sie beim Verlassen ihres Herkunftsstaates unterstützt habe. Dazu schilderte die BF im Rahmen der Erstbefragung noch, dass sie – nach vergeblichen Fluchtversuchen – eines Tages auf der Straße sitzend von einer älteren Dame angesprochen worden sei, welche ihr bei der Flucht geholfen habe (AS 13). Demgegenüber beschrieb sie im weiteren Verlauf des Verfahrens, dass sie ihrer Nachbarin von ihren Problemen berichtet habe, welche daraufhin in ca. einem Monat die Ausreise geplant habe (AS 195). Aber auch auf nähere Befragung dazu erwähnte die BF keinen konkreten Anlass, aus welchem sie sich an die Nachbarin gewandt habe (AS 196), sondern erklärte im Wesentlichen nur, dass sie dies trotz der Sorge, dass sie das Anvertraute vielleicht der Adoptivmutter weitersage, getan habe (AS 196). Sofern die BF ihre abweichende Darstellung in der Erstbefragung mit einem Übersetzungsfehler zu rechtfertigen versucht (Verhandlungsprotokoll S. 11), ist von einer bloßen Schutzbehauptung auszugehen. Die BF nahm nicht nur am Ende der Erstbefragung nach Rückübersetzung keine Ergänzungen oder Korrekturen vor und bejahte, alles verstanden zu haben (AS 15), sondern bestätigte auch zu Beginn ihrer Einvernahme vor dem BFA die Vollständigkeit sowie Richtigkeit ihrer damaligen Angaben. Ebenso verneinte sie insbesondere, dass es irgendwelche Probleme bei der Erstbefragung gegeben habe (AS 187). Vor diesem Hintergrund kann der Argumentation der BF, wonach sie zu Beginn ihrer Einvernahme den Fehler bekannt gegeben habe (Verhandlungsprotokoll S. 11 f), nicht gefolgt werden. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die BF erst zwölf Tage nach der Antragstellung im Beisein einer Betreuerin erstbefragt wurde (AS 5), weshalb nicht davon auszugehen ist, dass die BF wegen ihrer erst kürzlich zuvor erfolgten Einreise oder eines Zeitmangels an der korrekten Darlegung ihres Fluchtgrundes gehindert worden sei (Verhandlungsprotokoll S. 11).

Nicht nachvollzogen werden kann im Übrigen das Vorbringen der BF im Zuge ihrer Stellungnahme vom 15.10.2024, wonach sich Österreich als Zielland erst nach dem Verlassen ihres Herkunftslandes ergeben und sich die BF nach ihrer Flucht erinnert habe, eine Schwester in Österreich zu haben (AS 206). Auf die Frage der erkennenden Richterin, wann die BF vom Aufenthalt ihrer Schwester in Österreich erfahren habe, erklärte sie in dem Sinn zunächst, dass ihr Vater ihr das mitgeteilt habe, als sie neun Jahre alt gewesen sei. Zudem bejahte sie aber in Abweichung von dem erwähnten Schriftsatz ausdrücklich, dass Österreich bei ihrer Ausreise grundsätzlich das Zielland gewesen sei, und merkte dazu an, dass sie nach Möglichkeit gerne zu ihrer Schwester gewollt habe (Verhandlungsprotokoll S. 6). Auf ihr divergierendes schriftliches Vorbringen angesprochen, behauptete die BF allerdings konträr zu ihrer noch kurz zuvor getätigten Aussage, dass sie bei ihrer Ausreise noch nicht gewusst habe, dass ihre Schwester in Österreich lebe (Verhandlungsprotokoll S. 6). Aber auch vor dem BFA schilderte die BF ausdrücklich, dass sie im Zuge von Telefonaten zwischen ihrem Vater und ihrer Schwester gehört habe, dass sich diese in Österreich befinde (AS 193) und somit – im Sinn ihrer ursprünglichen Aussage in der Beschwerdeverhandlung – schon lange vor dem Verlassen ihres Herkunftsstaats über den Aufenthaltsort ihrer Schwester in Kenntnis gewesen sein müsste.

Insgesamt zeigt das vorgeblich bloß selektive Wissen der BF über grundlege Informationen zu ihren Familienmitgliedern sowie ihrem eigenen Leben und das Fehlen jeglicher Details zu ihrem Fluchtvorbringen, dass die BF ihre Aussagen im vorliegenden Verfahren danach ausrichtete, wie es ihr im jeweiligen Kontext für ihren Prozessstandpunkt opportun erschien.

Aus alledem geht letztlich zweifelsfrei hervor, dass das Fluchtvorbringen der BF, wonach ihre „Tante“ sie nach dem Tod ihrer Eltern schlecht behandelt und zwangsverheiraten wollen habe, weshalb die BF aus Somalia habe fliehen müssen, nicht der Wahrheit entspricht und es sich bei diesen Ereignissen tatsächlich um ein gedankliches Konstrukt handelt. Angesichts der gravierenden Diskrepanz in den Schilderungen der BF über ihre Lebensumstände in den Jahren vor der Ausreise ist darauf zu schließen, dass – neben der benachbarten Verwandten väterlicherseits, einer Tante mütterlicherseits und einem Onkel mütterlicherseits – (zumindest) der Vater der BF weiterhin in Kismayo lebt und die BF keine Probleme mit den benachbarten Verwandten väterlicherseits hatte. Die BF könnte über ihre Schwester wieder selbst mit ihren Angehörigen im Heimatort in Kontakt treten, weshalb sie nicht als faktisch alleinstehende, geschlechtsspezifischer Gewalt besonders ausgesetzte Frau nach Somalia zurückkehren würde.

Der Vollständigkeit halber ist anzuführen, dass sich kein Grund zur Annahme ergab, dass die BF in ihrer somalischen Heimat der Gefahr einer (erneuten) Genitalverstümmelung unterliegt oder an etwaigen schweren physischen oder psychischen Folgen einer vorgenommen Infibulation leiden würden. Eine solche Gefährdung wurde zum einen von der BF nie auch nur ansatzweise geltend gemacht. Zum anderen ergaben sich im vorliegenden Verfahren auch keine sonstigen dahingehenden Indizien. Sofern die BF im Zusammenhang mit ihrer sunnitischen Beschneidung starke Schmerzen während ihrer Periode ansprach (AS 195), ist darauf zu verweisen, dass sie verneinte sich aus diesem Grund in ärztliche Behandlung begeben zu haben (AS 195). Auch zuletzt in der Beschwerdeverhandlung erklärte sie, gesund zu sein und – abgesehen von Kontrollen ihrer Zahnspange – nicht in ärztlicher Behandlung zu stehen (AS 185 und Verhandlungsprotokoll S. 3), weshalb nicht anzunehmen ist, dass etwaige im Zusammenhang mit der vorgenommenen Genitalverstümmelung bestehende Probleme eine verfahrensgegenständlich relevante Intensität erreichen.

Eine sonstige Gefährdung der BF in Somalia wurde nicht behauptet und ist auch sonst nicht hervorgekommen.

2.2. Zu den Feststellungen der maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur Situation in Somalia beruhen auf den angeführten Quellen des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Somalia vom 16.01.2025 (Version 7), hinsichtlich derer im Rahmen der nunmehr verfügbaren (Teil-)Aktualisierung vom 07.08.2025 (Version 8) keine Änderungen vorgenommen wurden. Bei den Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Somalia ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Flüchtling iSd. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“

Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Antragsteller bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend (VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108).

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413).

Das Vorbringen des Antragstellers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit der Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (VwGH 10.08.2019, Ra 2018/20/0314).

Wie beweiswürdigend dargelegt, ist das Vorbringen der BF über eine Bedrohung durch die Al Shabaab nicht glaubhaft. Sie ist in Somalia auch keine alleinstehende, schutzlose, geschlechtsspezifischer Gewalt besonders ausgesetzte Frau. Sie unterliegt nicht aufgrund ihrer Minderheitenzugehörigkeit einer asylrelevanten Diskriminierung. Es droht ihr in Somalia weder eine (erneute) Genitalverstümmelung, noch hat sie schwere schädigenden Konsequenzen physischer und psychischer Art einer bereits vorgenommenen Beschneidung zu befürchten. Sonstige Gründe einer asylrelevanten Bedrohung sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Es besteht somit keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer asylrechtlichen Verfolgung der BF in Somalia aus Konventionsgründen.

Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten durch das BFA war daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.