Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Daniela URBAN, LL.M. über die Beschwerde des XXXX geb XXXX StA. Somalia, vertreten durch die BBU, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2025, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.06.2025 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 25.03.2023 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Der Beschwerdeführer gab dabei an, er habe Somalia aufgrund der Al-Shabaab verlassen. Er habe Gemüse transportiert, wofür die Al-Shabaab als Steuergeld zunächst 45 US-Dollar monatlich verlangt habe, sodann habe sie diesen Betrag im Oktober jedoch auf 150 US-Dollar monatlich erhöht. Er habe diesen Betrag nicht aufbringen können und die Al-Shabaab habe von ihm verlangt, dass er die anderen Gemüsehändler ausspioniere. Weil er dies nicht gewollt habe, habe die Al-Shabaab ihn mit dem Tod bedroht. Er habe Angst bekommen und sei aus Somalia geflüchtet, weil er von der Al-Shabaab bereits 2014 inhaftiert worden sei.
Am 25.02.2025 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die somalische Sprache niederschriftlich einvernommen. Zu den Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, die Al-Shabaab habe bis Oktober 2021 den Zakat in der Höhe von 45 US-Dollar monatlich verlangt, diesen Betrag sodann aber auf 150 US-Dollar monatlich erhöht. Dieser Vorschreibung habe der Beschwerdeführer nicht nachkommen können, weswegen die Al-Shabaab verlangt habe, er solle die anderen Gemüsehändler für die Al-Shabaab ausspionieren. Ihm sei gedroht worden, entweder für die Al-Shabaab zu arbeiten oder er würde umgebracht werden, wobei er die Al-Shabaab nicht unterstützen und unschuldige Menschen verraten wollte. Bereits 2014 sei der Beschwerdeführer von der Al-Shabaab festgenommen und geschlagen worden.
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2025 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Somalia, stellte die Identität des Beschwerdeführers nicht fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers unglaubwürdig sei.
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser wurden im Wesentlichen mangelhafte Ermittlungen, mangelhafte Länderfeststellungen, die mangelhafte Beweiswürdigung und die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl geltend gemacht.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 01.04.2025 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 16.06.2025 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und im Beisein der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt und ihm Gelegenheit gegeben wurde, zu den aufgetretenen Widersprüchen Stellung zu nehmen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist somalischer Staatsangehöriger, gehört dem Clan der Gabooye/Tumal an und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben.
Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX in der Region Lower Shabelle. XXXX steht unter Kontrolle der Al-Shabaab.
Der Beschwerdeführer hat in Somalia acht Jahre lang die Schule besucht und als Schweißer sowie seit dem Jahr XXXX als Gemüsehändler gearbeitet. Für seine Tätigkeit als Gemüsehändler hat der Beschwerdeführer 400 bis 600 US-Dollar monatlich verdient.
Der Beschwerdeführer hat im Jahr XXXX seine erste Ehefrau, eine Mehrheitsclanangehörige, geheiratet, wobei diese Mischehe im Jahr XXXX geschieden wurde, weil der Onkel väterlicherseits der ersten Ehefrau aufgrund der verschiedenen Clanzugehörigkeiten mit der Ehe nicht einverstanden war und den Beschwerdeführer deswegen bei der Al-Shabaab angezeigt hat. Mit seiner geschiedenen Ehefrau hat der Beschwerdeführer zwei gemeinsame Kinder bekommen.
Im Jahr XXXX heiratete der Beschwerdeführer seine aktuelle Ehefrau. Mit seiner aktuellen Ehefrau hat der Beschwerdeführer fünf weitere Kinder bekommen.
Die aktuelle Ehefrau, die Mutter und die sieben Kinder des Beschwerdeführers leben in Somalia an der kenianischen Grenze. Mit diesen Familienangehörigen hat der Beschwerdeführer Kontakt. Zwei Halbbrüder des Beschwerdeführers leben in Südafrika, wobei er zu diesen keinen Kontakt hat.
Der Beschwerdeführer reiste im Dezember XXXX aus Somalia über den Landweg nach Kenia aus, flog von dort mit dem Flugzeug nach Istanbul und reiste über mehrere Länder nach Österreich ein. Die Ausreise des Beschwerdeführers hat etwa 3.000 US-Dollar gekostet und er finanzierte sich diese durch seine ehemalige berufliche Tätigkeit in Somalia. Am 25.03.2023 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer wurde von der Al-Shabaab aufgrund der Nichtbezahlung des erhöhten Zakats von 45 US-Dollar auf 150 US-Dollar weder aufgefordert für sie die anderen Gemüsehändler auszuspionieren noch mit dem Tod bedroht.
Im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Somalia droht diesem keine Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab und droht ihm auch generell nicht die Gefahr, mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt durch die Al-Shabaab bedroht zu werden.
Der Beschwerdeführer hat Somalia nicht aufgrund seiner im Jahr XXXX geschiedenen Mischehe verlassen. Es droht ihm aufgrund der geschiedenen Mischehe nicht die Gefahr, mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt durch die Al-Shabaab oder die Familie der ehemaligen Ehefrau bedroht zu werden.
Der Beschwerdeführer hat abgesehen von den aufgrund seiner Mischehe erfahrenen Repressalien durch die Familie der ehemaligen Ehefrau und die Al-Shabaab keine weiteren oder sonstigen Diskriminierungen aufgrund seiner Clanzugehörigkeit erfahren. Eine Diskriminierung aufgrund der Clanzugehörigkeit droht dem Beschwerdeführer auch im Falle der Rückkehr nicht.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:
Aus dem Länderinformationsblatt Somalia der Staatendokumentation, Stand: 16.01.2025
„Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten
[…]
Eine Quelle gibt die Lage mit Stand 28.6.2024 folgendermaßen wieder:
[…]
Lower Shabelle: Wanla Weyne, Afgooye, Qoryooley, Merka und Baraawe befinden sich unter Kontrolle von Regierungskräften und ATMIS, Kurtunwaarey und Sablaale werden von al Shabaab kontrolliert. Dies gilt auch für große Teile des Hinterlandes nördlich des Shabelle bzw. des ländlichen Raumes (BMLV 7.8.2024; vgl. PGN 28.6.2024; Sahan/SWT 21.8.2023). Lower Shabelle ist nach wie vor von Gewalt betroffen, das Gebiet zwischen den Städten liegt im Fokus der al Shabaab. Zwischen Afgooye und Merka kann die Gruppe weiterhin das Gelände zwischen den größeren Orten, die mehrheitlich unter Regierungskontrolle sind, nutzen (BMLV 7.8.2024).
[…]
Al Shabaab
[…]
Gebiete: Al Shabaab kontrolliert auch weiterhin den größeren Teil Süd-/Zentralsomalias (BMLV 7.8.2024; vgl. Rollins/HIR 27.3.2023) und verfügt über ein starkes Hinterland (AQ21 11.2023). Die Gruppe bleibt auf dem Land in herausragender Position bzw. hat sie dort eine feste Basis. Zudem schränkt sie in vielen Fällen regionale sowie Kräfte des Bundes auf städtischen Raum ein, ohne dass diese die Möglichkeit hätten, sich zwischen den Städten frei zu bewegen. Nachdem al Shabaab in den vergangenen zehn Jahren weiter Gebiete und Städte verlustig ging, hat sich die Gruppe angepasst. Ohne Städte physisch kontrollieren zu müssen, übt al Shabaab durch eine Mischung aus Zwang und administrativer Effektivität auf Gebiete unter Kontrolle staatlicher Kräfte Einfluss und Macht aus (BMLV 7.8.2024).
Die Hochburgen von al Shabaab finden sich in den Bundesstaaten Jubaland, SWS, HirShabelle und Galmudug (TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen 12.2023b). Die Gruppe kontrolliert Gebiete in den Regionen Lower Juba und Gedo (Jubaland); Bakool, Bay und Lower Shabelle (SWS); Hiiraan und - in sehr geringem Maße - Middle Shabelle (HirShabelle); Galgaduud und - in sehr geringem Maße - Mudug (Galmudug). Die Region Middle Juba wird zur Gänze von al Shabaab kontrolliert (PGN 28.6.2024; vgl. BMLV 7.8.2024).
[…]
Rechtsschutz, Justizwesen
[…]
Steuer"-Wesen bei al Shabaab
In den Gebieten der al Shabaab gibt es ein zentralisiertes "Steuer"-System. Die Einhebung von Abgaben erfolgt systematisch, organisiert und kontrolliert (BS 2024). Al Shabaab führt ein Register über den Besitz "ihrer" Bürger, um darauf jährlich 2,5 % Zakat zu beanspruchen (Williams/ACSS 27.3.2023; vgl. Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023), den zwei Quellen als "Zwangsspende" bzw. als "Schutzgeld" betiteln (MBZ 6.2023; vgl. GITOC/Bahadur 8.12.2022). Der Zakat stellt eine der fünf Säulen des Islam dar, eine religiöse Verpflichtung, einen Prozentsatz seines Besitzes an die Armen abzugeben (UNSC 6.10.2021). Diese Abgabe betrifft nicht nur Individuen, sondern auch Betriebe (MBZ 6.2023). Al Shabaab hebt den Zakat zweimal jährlich auf die Agrarwirtschaft und einmal jährlich auf Viehwirtschaft und Wirtschaftstreibende ein. Außerdem erhält al Shabaab mit dem Infaq noch zusätzliche, freiwillige Beiträge zur Unterstützung von Kämpfern (UNSC 6.10.2021). Nach anderen Angaben handelt es sich dabei um eine Sondersteuer, die lokale Beamte al Shabaabs je nach Bedarf einheben können. Einen Teil davon erhalten Älteste, auch die Schulen der Gruppe werden so finanziert (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023). Zusätzlich lukriert al Shabaab aus Entführungen Lösegelder (GITOC/Bahadur 8.12.2022; vgl. UNSC 6.10.2021). Kommt es zu Finanzengpässen, erwartet sich die Gruppe von Clanältesten, Finanzierungslücken zu schließen (Gov Som 2022).
Was wird besteuert? Anders als der somalische Staat "besteuert" al Shabaab alles und jeden in Somalia (SRF 27.12.2021). Clanälteste helfen al Shabaab dabei, die Größe und die Finanzkraft ihres Clans zu bestimmen. Auf dieser Grundlage berechnet die Gruppe dann die fälligen „Steuern“ sowie die Anzahl der vom Clan zu stellenden Rekruten (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023). Die Haupteinnahmequelle der Gruppe ist die Besteuerung des Transits von Fahrzeugen und Gütern (UNSC 6.10.2021; vgl. UNSC 10.10.2022). Dazu unterhält die Gruppe Dutzende von Checkpoints, die mit "Steuer"-Beamten besetzt sind (GITOC/Bahadur 8.12.2022). "Besteuert" werden u. a.:
Agrarwirtschaft (dalag beeraha): auf Höfe, agrarische Produkte und Land (UNSC 6.10.2021; vgl. UNSC 10.10.2022; Gov Som 2022; BS 2024; UNSC 6.10.2021); aus Diinsoor wird berichtet, dass zurückkehrende IDPs eine Landwirtschaftsgenehmigung beantragen und bezahlen müssen, damit sie ihre eigenen Ackerflächen bewirtschaften dürfen (UNSC 10.10.2022);
Güter und Transport (badeeco): Wegzoll für alle Güter, die Höhe hängt von Art und Quantität ab (UNSC 6.10.2021; vgl. UNSC 10.10.2022; Gov Som 2022; BS 2024). Es werden sowohl der Besitzer der Güter als auch der Besitzer des Fahrzeuges besteuert (TANA/ACRC 9.3.2023);
Immobilientransaktionen bzw. -Sektor, Haussteuern (Williams/ACSS 27.3.2023; vgl. Gov Som 2022; TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen 12.2023a; HI 10.2020); in Afgooye verlangt al Shabaab z. B. von Hausbesitzern "Steuern". Für ein Steinhaus 150 US-Dollar, für ein mehrstöckiges Haus 300 US-Dollar; und für eine Wellblechhütte 100 US-Dollar (UNSC 10.10.2022). Auch in Mogadischu erhielten zwischen Mai und Juli 2022 zahlreiche Besitzer von gemauerten oder mehrstöckigen Häusern eine Zahlungsaufforderung von al Shabaab, und auch dort liegt die jährliche Abgabe zwischen 100 und 300 US-Dollar (GN 10.11.2022b);
Fahrzeuge (gadiid): Transitgebühren hängen von der Art des Fahrzeuges und von der Länge der Reise ab. Fahrzeuge müssen jedenfalls bei al Shabaab registriert sein (UNSC 6.10.2021; vgl. UNSC 10.10.2022; Gov Som 2022; BS 2024). Die Gruppe erpresst Schutzgeld auf alles, was 'segelt, rollt oder sich bewegt' (Detsch/FP 23.8.2023). Fahrzeuge, die einen Checkpoint von al Shabaab passieren, sind bei der Gruppe entweder bereits registriert oder aber sie müssen sich gegen eine Gebühr ins Register eintragen lassen (samt Fahrzeugdetails und Besitzern) (GITOC/Bahadur 8.12.2022);
Vieh (xoolo): auf den Verkauf von Vieh, v. a. Rinder, Kamele, Ziegen (UNSC 6.10.2021; vgl. UNSC 10.10.2022; Gov Som 2022; BS 2024);
Im- und Exporte (Gov Som 2022; vgl. Williams/ACSS 27.3.2023; Landinfo 8.9.2022; UNSC 6.10.2021; UNSC 10.10.2022; BS 2024); für jeden Container, der in Mogadischu anlandet, müssen Abgaben an al Shabaab entrichtet werden (Detsch/FP 23.8.2023);
Bauwesen, Bauarbeiten, Baufirmen (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; vgl. Gov Som 2022; AQ21 11.2023); auf im Entstehen begriffene Bauten erhebt die Gruppe in Mogadischu ebenfalls Abgaben. Dort werden einem Bauherrn üblicherweise 25 % des Gesamtwertes des fertigen Baus in Rechnung gestellt (UNSC 10.10.2022);
Eigentum (Researcher/STDOK/SEM 4.2023);
bestimmte Dienstleistungen (HIPS 2020);
Bildungseinrichtungen: z. B. fordert al Shabaab von Privatschulen und Universitäten in der Nähe von Mogadischu laut einer Quelle monatliche Abgaben von 200-300 US-Dollar (Sahan/Caasimada 12.7.2023);
Wasser: Nutzung von Wasserstellen (UNSC 10.10.2022, Abs. 122) und Bewässerungsanlagen durch Bauern (Gov Som 2022; vgl. HI 10.2020);
NGOs: Diese müssen für Projekte 5-10 % der Projektkosten abführen - zuzüglich Gebühren. Es bestehen Möglichkeiten, ein Projekt von der Steuer ausnehmen zu lassen. Zusätzlich gibt es auch Projekte, die direkt von al Shabaab bei NGOs in Auftrag gegeben werden (z. B. Brückenbau) (AQ21 11.2023);
Remissen (TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen 12.2023a); […]
Klassische Zahler von Abgaben: Nach Angaben zweier Quellen "besteuert" al Shabaab jeden größeren Gewerbetreibenden in Mogadischu. Kleinere Marktstände und Straßenhändler müssen nichts abführen bzw. sind al Shabaab weniger wichtig (BMLV 7.8.2024; vgl. HI 10.2020). Eine andere Quelle erklärt, dass auch Beamte und kleine Unternehmen Geld abführen müssen (Detsch/FP 23.8.2023). Die ganze Wirtschaft in der Hauptstadt zahlt "Steuern" an al Shabaab (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Viele Betriebe und Menschen führen weiterhin Abgaben an die Gruppe ab, weil sie nicht davon ausgehen, dass die Regierung in der Lage ist, sie vor al Shabaab zu schützen (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; vgl. HI 10.2020). Ältere Quellen besagen, dass selbst das Personal internationaler Organisationen (STDOK 8.2017), Bundesbedienstete und mitunter hochrangige Angehörige der Armee Schutzgeld an al Shabaab abführen (HI 10.2020). Eine Quelle berichtet, dass auch viele Hilfsorganisationen "Steuern" an al Shabaab abzuführen scheinen. Ähnliches gilt für Hotels (Landinfo 8.9.2022).
Wo und wie Abgaben eingehoben werden: Al Shabaab erhebt Abgaben insbesondere in den eigenen Gebieten (HI 10.2020; vgl. BBC 18.1.2021). Doch auch in umstrittenen Gebieten findet sich kaum jemand, der eine Schutzgeldforderung von al Shabaab nicht befolgt (HI 10.2020); und selbst in den Gebieten, die sich nicht unter Kontrolle der Gruppe befinden, werden Gelder eingetrieben (MBZ 6.2023). Ein Teil der Einkünfte wird an einem Netzwerk an Straßensperren eingehoben. Insgesamt ist al Shabaab in der Lage, in ganz Süd-/Zentralsomalia erpresserisch Zahlungen zu erzwingen - auch in Gebieten, die nicht unter ihrer direkten Kontrolle stehen (UNSC 6.10.2021). Die Gruppe hebt in 10 von 18 somalischen Regionen Steuern ein (Williams/ACSS 27.3.2023; vgl. ÖB Nairobi 10.2024). Und selbst in Städten wie Mogadischu und sogar in Bossaso (Puntland) zahlen nahezu alle Wirtschaftstreibenden "Steuern" an al Shabaab; denn überall dort sind Straforgane der Gruppe aktiv (HI 10.2020; vgl. SRF 27.12.2021) bzw. wurden Schattenverwaltungen aufgebaut (BS 2024). Das Einsammeln der Gelder erfolgt üblicherweise nicht persönlich, sondern über das Mobiltelefon (Landinfo 8.9.2022). Manchmal wird die Einhebung auch an Clanälteste delegiert, diese erhalten auch ein Gehalt aus den eingehobenen Steuern (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023). Laut einer Quelle verrechnet al Shabaab Abgaben i.d.R. in US-Dollar (AQ21 11.2023). Bezahlt wird entweder mit Bargeld oder aber über mobile Applikationen ("mobile money"). Laut einer anderen Quelle können Abgaben auch durch Sachleistungen bzw. Naturalien gegeben werden (MBZ 6.2023).
Zahlungsmoral: Theoretisch sind Steuerforderungen nicht verhandelbar, in der Praxis ist aber ein gewisses Maß möglich - gerade weil Clanälteste bei der Steuereinhebung eine wichtige Rolle spielen (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023; vgl. WP 31.8.2019). Jedenfalls haben die Menschen de facto keine Wahl, sie müssen al Shabaab bezahlen (WP 31.8.2019). Wirtschaftstreibende nehmen die Macht von al Shabaab zur Kenntnis und zahlen Steuern an die Gruppe – auch weil die Regierung sie nicht vor den Folgen beschützen kann, die bei einer Zahlungsverweigerung drohen (Bryden/TEL 8.11.2021). Denn al Shabaab agiert wie ein verbrecherisches Syndikat (Weiss/FDD 11.8.2021). Die Gruppe baut auf ihre Reputation der Omnipräsenz und Einschüchterung - typisch für eine mafiöse Organisation. Der Zakat wird vom Amniyat [Nachrichtendienst von al Shabaab] durchgesetzt – und zwar durch Einschüchterung und Gewalt. Bei Zahlungsverweigerung droht die Ermordung (Williams/ACSS 27.3.2023). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 erklärt, dass es al Shabaab in der Vergangenheit diesbezüglich teils zu weit getrieben hat. In manchen Landesteilen war die Gruppe zu gierig und brachte die Bevölkerung gegen sich auf. Al Shabaab schreckt nicht davor zurück, Menschen durch Gewalt gefügig zu machen. Menschen werden entführt, Vieh weggenommen (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Teilweise flieht die Bevölkerung vor der Besteuerung (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Eine Quelle gibt an, dass al Shabaab in Folge des Aufstands der Macawiisley nun einen weniger autoritären Umgang mit den Clans pflegt und sich die Gruppe demnach den Umständen angepasst hat (Researcher/STDOK/SEM 4.2023).
[…]
Wehrdienst und Rekrutierungen
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Al Shabaab - (Zwangs-)Rekrutierungen und Kindersoldaten
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Wo al Shabaab rekrutiert: Hauptrekrutierungsbereich von al Shabaab ist Süd-/Zentralsomalia (ÖB Nairobi 10.2024). Rekrutiert wird vorwiegend in Gebieten unter Kontrolle der Gruppe, im südlichen Kernland, in Bay und Bakool (Researcher/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; BMLV 7.8.2024). Dort fällt al Shabaab dies einfacher, die Menschen haben kaum Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Etwa 40 % der Fußsoldaten von al Shabaab stammen aus diesen beiden Regionen (Marchal 2018, S. 107). Auch bei den Hawiye / Galja'el und Hawiye / Duduble hat die Gruppe bei der Rekrutierung große Erfolge (AQ21 11.2023). Viele Kämpfer stammen auch von den Rahanweyn. Generell finden sich bei al Shabaab Angehörige aller Clans (MBZ 6.2023). Auch viele Menschen aus von der Regierung kontrollierten Gebieten melden sich freiwillig zu al Shabaab (BMLV 7.8.2024).
[…]
Zwangsrekrutierung: Direkter Zwang wird bei einer Rekrutierung in der Praxis nur selten angewendet (BMLV 7.8.2024; vgl. AQ21 11.2023; Ingiriis 2020), jedenfalls nur eingeschränkt, in Ausnahmefällen bzw. unter spezifischen Umständen (Marchal 2018, S. 92; vgl. BMLV 7.8.2024; MBZ 6.2023). Al Shabaab agiert sehr situativ. So kommt Zwang etwa zur Anwendung, wenn die Gruppe in einem Gebiet nach einem verlustreichen Gefecht schnell die Reihen auffüllen muss (ACCORD 31.5.2021). Die meisten Menschen treten der Gruppe freiwillig bei (MBZ 6.2023). Laut Angaben von Quellen der FFM Somalia 2023 kann man allerdings auf dem Gebiet der al Shabaab eine Rekrutierungsanfrage nicht einfach verneinen. Auch wenn al Shabaab Rekruten als Freiwillige präsentiert, haben diese i.d.R. keine wirkliche Option (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Zudem erklärt eine Quelle der FFM Somalia 2023, dass al Shabaab die Forderung nach Rekruten auch als Bestrafung einsetzt, etwa gegen Gemeinden, die zuvor mit der Regierung zusammengearbeitet haben. In anderen Gebieten, wo die Gruppe versucht, Clans auf die eigene Seite zu ziehen, hat sie hingegen damit aufgehört, Kinder wegzunehmen (Researcher/STDOK/SEM 4.2023).
Jedenfalls kommen Zwangsrekrutierungen vor - nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen (Researcher/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Bei zwei Studien aus den Jahren 2016 und 2017 haben 10-11 % der befragten ehemaligen Angehörigen von al Shabaab angegeben, von der Gruppe zwangsrekrutiert worden oder ihr aus Angst vor Repressalien beigetreten zu sein (MBZ 6.2023). Eine andere Quelle erklärt, dass 13 % der Angehörigen der Gruppe Zwangsrekrutierte sind (ÖB Nairobi 10.2024). Insgesamt handelt es sich bei Rekrutierungsversuchen oft um eine Mischung aus Druck oder Drohungen und Anreizen oder Versprechungen (FIS 7.8.2020a, S. 18; vgl. MBZ 6.2023), eine Unterscheidung zwischen "freiwillig" und "erzwungen" ist nicht immer möglich (MBZ 6.2023).
Wo Zwangsrekrutierungen vorkommen: Generell kommen Zwangsrekrutierungen ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab vor. So gibt es etwa in Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen durch al Shabaab (BMLV 7.8.2024; vgl. AQ21 11.2023; INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023; Researcher/STDOK/SEM 4.2023; FIS 7.8.2020, S. 17f). Überhaupt werden dort nur wenige Leute rekrutiert, und diese nicht über die Clans (AQ21 11.2023). Dort hat al Shabaab die Besteuerung im Fokus und nicht das Rekrutieren (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023) und hätte auch keine Kapazitäten dafür (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Dies gilt laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 auch für andere städtische Gebiete wie etwa Kismayo oder Baidoa (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Laut dem Experten Marchal rekrutiert al Shabaab zwar in Mogadischu; dort werden aber Menschen angesprochen, die z. B. ihre Unzufriedenheit oder ihre Wut über AMISOM bzw. ATMIS oder die Regierung äußern (EASO 1.9.2021, S. 21).
[…]
Minderheiten und Clans
[…]
Diskriminierung im Clanwesen: Diskriminierung steht in Somalia generell oft nicht mit ethnischen Erwägungen in Zusammenhang, sondern vielmehr mit der Zugehörigkeit zu bestimmten Minderheitenclans oder Clans, die in einer bestimmten Region keine ausreichende Machtbasis und Stärke besitzen (AA 23.8.2024). Die meisten Bundesstaaten fußen auf einer fragilen Balance zwischen unterschiedlichen Clans. In diesem Umfeld werden weniger mächtige Clans und Minderheiten oft vernachlässigt (BS 2024). Selbst relativ starke Clans können von einem lokalen Rivalen ausmanövriert werden, und es kommt zum Verlust der Kontrolle über eine Stadt oder eine regionale Verwaltung. Meist ist es die zweitstärkste Lineage in einem Bezirk oder einer Region, welche über die Verteilung von Macht und Privilegien am unglücklichsten ist (Sahan/SWT 30.9.2022). Gleichzeitig mag auf einer Ebene innerhalb eines Clans oberflächlich betrachtet Einheit herrschen, doch wenn man näher heranzoomt, treten Konflikte zwischen den unteren Clanebenen zutage (NLM/Barnett 7.8.2023).
Ohnehin marginalisierte Gruppen werden diskriminiert und stoßen auf Schwierigkeiten, ihr Recht auf Teilhabe an wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Prozessen wahrzunehmen (UNSOM 5.8.2023; vgl. BS 2024). Die Marginalisierung führt zu einer ungerechten und diskriminierenden Verteilung der Ressourcen (UNSOM 5.8.2023) - etwa beim Zugang zu humanitärer Hilfe (AA 23.8.2024). Menschen, die keinem der großen Clans angehören, sehen sich in der Gesellschaft signifikant benachteiligt. Dies gilt etwa beim Zugang zur Justiz (UNHCR 22.12.2021b, S. 56); und auch von Politik und Wirtschaft werden sie mitunter ausgeschlossen. Minderheiten und berufsständische Kasten werden in mindere Rollen gedrängt - trotz des oft sehr relevanten ökonomischen Beitrags, den genau diese Gruppen leisten (BS 2024). Mitunter kommt es auch zu physischer Belästigung (UNHCR 22.12.2021b, S. 56). Insgesamt ist allerdings festzustellen, dass es hinsichtlich der Vulnerabilität und Kapazität unterschiedlicher Minderheitengruppen signifikante Unterschiede gibt (UN OCHA 14.3.2022).
[…]
Bevölkerungsstruktur
[…]
Minderheiten: Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die "noblen" Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen anderer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben; sowie die Angehörigen "nobler" Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (SEM 31.5.2017).
[…]
Berufsständische Minderheiten, aktuelle Situation
Berufsständische Gruppen unterscheiden sich weder durch Abstammung noch durch Sprache und Kultur von der Mehrheitsbevölkerung (SEM 31.5.2017). Sie sind somalischen Ursprungs, wurden aber von den traditionellen Clan-Lineages ausgeschlossen (UNHCR 22.12.2021a). Im Gegensatz zu den „noblen“ Clans wird ihnen nachgesagt, ihre Abstammungslinie nicht auf Prophet Mohammed zurückverfolgen zu können (SEM 31.5.2017). Ihre traditionellen Berufe werden als unrein oder unehrenhaft erachtet (UNHCR 22.12.2021a, S. 57; vgl. SEM 31.5.2017) - etwa Jäger, Lederverarbeiter, Schuster, Friseure, Töpferinnen, traditionelle Heiler oder Hebammen (MBZ 6.2023). Diese Gruppen stehen damit auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie in der Gesellschaft. Sie leben verstreut in allen Teilen des somalischen Kulturraums, mehrheitlich aber in Städten. Ein v. a. im Norden bekannter Sammelbegriff für einige berufsständische Gruppen ist Gabooye, dieser umfasst etwa die Tumal, Madhiban, Muse Dheriyo und Yibir (SEM 31.5.2017; vgl. AQSOM 4 6.2024). Ein anderer Sammelbegriff ist Midgan (UNHCR 22.12.2021a).
Diskriminierung: Für die Gabooye hat sich die Situation im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffe gegen oder Misshandlungen von Gabooye (SEM 31.5.2017). In Mogadischu sind Angehörige von Minderheiten keiner systematischen Gewalt ausgesetzt. Allerdings sind all jene Personen, welche nicht einem dominanten Clan der Stadt angehören, potenziell gegenüber Kriminalität vulnerabler (Landinfo 21.5.2019b). Ein Experte erklärt, dass Gabooye zwar nicht angegriffen werden, diese aber davor Angst haben. Minderheiten werden demnach nicht aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheit angegriffen, es sei denn, dass sie bei einem Vorhaben im Weg stehen (AQSOM 4 6.2024).
Allerdings sind Angehörige berufsständischer Kasten Belästigung und Ausbeutung ausgesetzt (Sahan/SWT 1.12.2023). Sie werden als Bürger zweiter Klasse erachtet (BS 2024; vgl. AQSOM 4 6.2024). Zu ihrer Diskriminierung trägt bei, dass sie sich weniger strikt organisieren und sie viel ärmer sind. Daher sind sie nur in geringerem Maß in der Lage, Kompensation zu zahlen oder Blutrache anzudrohen (Wissenschaftl. Mitarbeiter GIGA 3.7.2018; vgl. SEM 31.5.2017). Es kommt zu Beschimpfungen, Ausschluss von bestimmten Berufen, Einschränkungen beim Landbesitz sowie zu Diskriminierung im Bildungs- und Gesundheitssystem (AQSOM 4 6.2024). Insgesamt ist die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Hinzu kommt, dass diese Minderheiten in der Regel eine tendenziell schlechtere Kenntnis des Rechtssystems haben. Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z. B. Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. Die meist schlechtere Bildung wiederum führt zur Benachteiligung bei der Arbeitssuche, bei der die Clanzugehörigkeit ohnehin oft zu Diskriminierung führen kann. Da berufsständische Gruppen nur über eine kleine Diaspora verfügen, profitieren sie zudem in geringerem Ausmaß von Remissen als Mehrheitsclans (SEM 31.5.2017).
Aufgrund der oft schlechten Ausbildung treffen Gabooye außerhalb ihrer traditionellen Berufe am Arbeitsmarkt auf Schwierigkeiten (MBZ 6.2023). Dennoch sind vereinzelt auch Angehörige berufsständischer Gruppen wirtschaftlich erfolgreich. Auch wenn sie weiterhin die ärmste Bevölkerungsschicht stellen, finden sich einzelne Angehörige in den Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft (SEM 31.5.2017).
Mischehe: In dieser Frage kommt es weiterhin zu einer gesellschaftlichen Diskriminierung, da Mehrheitsclans Mischehen mit Angehörigen berufsständischer Gruppen meist nicht akzeptieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Mehrheitsfrau einen Minderheitenmann heiratet. Der umgekehrte Fall ist weniger problematisch (SEM 31.5.2017; vgl. ÖB Nairobi 10.2024). Aufgrund dieser Stigmatisierung (FH 2024a) kommen Mischehen äußerst selten vor (SEM 31.5.2017; vgl. FIS 5.10.2018). Diesbezüglich bestehen aber regionale Unterschiede: Im Clan-mäßig homogeneren Norden des somalischen Kulturraums sind Mischehen seltener und gleichzeitig stärker stigmatisiert als im Süden (ÖB Nairobi 10.2024; vgl. SEM 31.5.2017). Hawiye und Rahanweyn sehen die Frage der Mischehe weniger eng. Außerdem ist der Druck auf Mischehen insbesondere in ländlichen Gebieten ausgeprägt (SEM 31.5.2017). In Mogadischu sind Mischehen möglich (FIS 5.10.2018). Auch al Shabaab hat Hindernisse für Mischehen beseitigt, in ihren Gebieten kommt es zunehmend zu solchen Eheschließungen (ICG 27.6.2019a). Die Gruppe hat Fußsoldaten, die zu Gruppen mit niedrigem Status gehören, dazu ermutigt, Frauen und Mädchen von "noblen" Clans (z. B. Hawiye, Darod) zu heiraten (Ingiriis 2020).
Eine Mischehe führt so gut wie nie zu Gewalt oder gar zu Tötungen. Seltene Vorfälle, in denen es etwa in Somaliland im Zusammenhang mit Mischehen zu Gewalt kam, sind in somaliländischen Medien dokumentiert (SEM 31.5.2017). Trotzdem können diese Ehen negative Folgen für die Ehepartner mit sich bringen – insbesondere, wenn der Mann einer Minderheit angehört (ÖB Nairobi 10.2024). So kommt es häufig zur Verstoßung des aus einem "noblen" Clan stammenden Teils der Eheleute durch die eigenen Familienangehörigen. Letztere besuchen das Paar nicht mehr, kümmern sich nicht um dessen Kinder oder brechen den Kontakt ganz ab; es kommt zu sozialem Druck (SEM 31.5.2017). Diese Art der Verstoßung kann vor allem in ländlichen Gebieten vorkommen. Eine Mischehe sorgt auf jeden Fall für Diskussionen und Getratsche, nach einer gewissen Zeit wird sie nach Angaben einer Quelle aber meist akzeptiert (FIS 5.10.2018).
Relevante Bevölkerungsgruppen
[…]
Subjekte gezielter Attentate durch al Shabaab und anderer terroristischer Gruppen
Folgende Personengruppen sind bezüglich eines gezielten Attentats bzw. Vorgehens durch al Shabaab einem erhöhten Risiko ausgesetzt:
Angehörige der AMISOM bzw. ATMIS (BS 2024; vgl. USDOS 30.6.2024; ÖB Nairobi 10.2024) sowie deren lokale Angestellte (BMLV 7.8.2024);
nationale und regionale Behördenvertreter und -Mitarbeiter (Williams/ACSS 27.3.2023; vgl. BS 2024; MBZ 6.2023); die öffentlichen Institutionen Somalias werden von al Shabaab als unislamisch erachtet (MBZ 6.2023);
Angehörige der nationalen Sicherheitskräfte (BS 2024; vgl. MBZ 6.2023; USDOS 30.6.2024) im sowie abseits des Dienstes (MBZ 6.2023);
Politiker von Bund und Bundesstaaten (MBZ 6.2023; vgl. Williams/ACSS 27.3.2023; BS 2024); al Shabaab greift z. B. gezielt Örtlichkeiten an, wo sich Regierungsvertreter treffen. Laut einer Quelle haben hochrangige Politiker eine höhere Priorität (MBZ 6.2023);
mit der Regierung in Verbindung gebrachte Zivilisten (USDOS 22.4.2024) und ehemalige oder pensionierte Staatsvertreter - z. B. vormalige Bezirksvorsteher (TSD 20.9.2023; vgl. Sahan/SWT 6.3.2024);
Angestellte von NGOs und internationalen Organisationen (USDOS 22.4.2024); Mitarbeiter werden mitunter beschuldigt, das Christentum verbreiten zu wollen (USDOS 30.6.2024).
Wirtschaftstreibende (Sahan/SWT 7.9.2022), insbesondere dann, wenn sie sich weigern, Schutzgeld ("Steuer") an al Shabaab abzuführen, aber auch, wenn sie die Regierung unterstützen oder einem Clan angehören, der in die Militäroffensive involviert ist (MBZ 6.2023). Ins Visier geraten mitunter auch jene, welche auf Anordnung der NISA an den eigenen Gebäuden Überwachungskameras der Sicherheitsbehörden installiert haben (HIPS 7.5.2024);
Älteste und Gemeindeführer (Williams/ACSS 27.3.2023; vgl. USDOS 22.4.2024; MBZ 6.2023); gemäß somalischen Regierungsangaben aus dem Jahr 2022 hat al Shabaab innerhalb von zehn Jahren 324 Älteste ermordet. Einige der Opfer waren in Wahlprozesse involviert (KM 31.8.2022). Älteste, die nicht oder nicht ausreichend mit der Gruppe kooperieren, werden mitunter eingeschüchtert, entführt oder ermordet (MBZ 6.2023). In jüngerer Vergangenheit hat al Shabaab v. a. solche Ältesten ermordet, die ihre Clans zur Beteiligung an der Offensive gegen die Gruppe aufgerufen bzw. deren Teilnahme öffentlich unterstützt haben (BMLV 9.2.2023; vgl. UNSC 15.6.2023; Sonna 12.4.2023; INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Dies betrifft insbesondere Älteste der Hawadle (BMLV 7.8.2024; vgl. HO 21.3.2023; INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; IO-D/STDOK/SEM 4.2023), aber z. B. auch Älteste in der Region Gedo (Sahan/SWT 17.11.2023) und der Saleban (MBZ 6.2023), Abgaal in Middle Shabelle und vereinzelt Älteste in Mudug (BMLV 7.8.2024);
Unterstützer der Macawiisley, z. B. zivile Informanten; ganze Gemeinden sind von Rachemaßnahmen bedroht (Sahan/Petrovski 3.5.2024);
Wahldelegierte (UNSC 15.6.2023; vgl. Williams/ACSS 27.3.2023; MBZ 6.2023) und deren Angehörige (USDOS 22.4.2024; vgl. UNSC 10.10.2022); in der Vergangenheit hat al Shabaab alle, die an Wahlen teilnehmen, als Apostaten bezeichnet und sie zu potenziellen Zielen für Anschläge erklärt (Sahan/SWT 9.6.2023; vgl. MBZ 6.2023). Von Anfang 2021 bis Juli 2023 gab es mehr als 50 diesbezügliche Vorfälle, 71 % davon in Mogadischu (ACLED 28.7.2023). Doch auch etwa in Bay und Bakool wurden Delegierte getötet (Sahan/SWT 21.8.2023);
Angehörige diplomatischer Missionen (USDOS 22.4.2024);
prominente und Menschenrechts- und Friedensaktivisten bzw. Organisationen der Zivilgesellschaft (USDOS 22.4.2024; vgl. MBZ 6.2023);
religiöse Führer (Williams/ACSS 27.3.2023; vgl. MBZ 6.2023); laut einer Quelle hat es aber in der jüngeren Vergangenheit keine Attentate auf religiöse Führer gegeben (MBZ 6.2023).
Journalisten (BS 2024; vgl. MBZ 6.2023) und Mitarbeiter von Medien (USDOS 22.4.2024);
Humanitäre Kräfte (BS 2024; vgl. MBZ 6.2023);
Telekommunikationsarbeiter (USDOS 22.4.2024);
mutmaßliche Kollaborateure und Spione - siehe auch weiter unten (HRW 11.1.2024; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; BS 2024; USDOS 22.4.2024);
Deserteure (MBZ 6.2023); siehe dazu Wehrdienst und Rekrutierungen / Al Shabaab - Deserteure und ehemalige Kämpfer
als glaubensabtrünnig Bezeichnete (Apostaten) (BS 2024) oder Blasphemiker (USDOS 30.6.2024) bzw. Personen, die nicht der Glaubensauslegung von al Shabaab folgen (z. B. Sufis) (BMLV 7.8.2024); siehe dazu Religionsfreiheit
(vermeintliche) Angehörige oder Sympathisanten des sogenannten Islamischen Staates in Somalia (ISS) (AA 23.8.2024; vgl. HO 26.3.2023); den ISS hat al Shabaab als Seuche bezeichnet, welche ausgerottet werden müsse (JF 14.1.2020);
Personen, die einer Schutzgelderpressung ("Steuern") nicht nachkommen; siehe dazu Recht und "Steuer"-Wesen bei al Shabaab
Personen all dieser Kategorien werden insbesondere dann zum Ziel, wenn sie kein Schutzgeld bzw. "Steuern" an al Shabaab abführen. Gleichzeitig muss davon ausgegangen werden, dass zahlreiche Angriffe und Morde auf o. g. Personengruppen politisch motiviert oder einfache Verbrechen sind, die nicht auf das Konto von al Shabaab gehen (BMLV 7.8.2024).
Spionage und Kollaboration: In von al Shabaab kontrollierten Gebieten gelten eine Unterstützung der Regierung und Äußerungen gegen al Shabaab als ausreichend, um als Verräter verurteilt und hingerichtet zu werden (AA 23.8.2024). Al Shabaab tötet - meist nach unfairen Verfahren - Personen, denen Spionage für oder Kollaboration mit der Regierung oder ausländischen Kräften vorgeworfen wird (HRW 11.1.2024; vgl. USDOS 30.6.2024). Beispiele für Hinrichtungen: Im Jänner 2024 werden in Jilib sieben Männer wegen angeblicher Spionage für die Bundesregierung, die Regierung von Jubaland, die USA und Kenia öffentlich exekutiert (Halqabsi 15.1.2024). Im Juni 2023 werden in Kunyo Barrow, Lower Shabelle, fünf Männer wegen angeblicher Spionage für die Bundesregierung und ausländische Nachrichtendienste öffentlich durch Erschießen exekutiert (SMN 16.6.2023).
Die Schwelle dessen, was al Shabaab als Kollaboration mit dem Feind wahrnimmt, ist mitunter sehr niedrig angesetzt (STDOK 8.2017, S. 40f). So wurden etwa im Feber 2021 in Mogadischu drei Frauen erschossen, die im Verteidigungsministerium als Reinigungskräfte gearbeitet hatten (Sahan/KM o.D.) - nach Angaben einer Quelle wird ihr Beruf aber nicht der einzige Grund für die Exekution gewesen sein, die Frauen haben vermutlich die Zusammenarbeit mit al Shabaab verweigert (BMLV 7.8.2024).
Insbesondere in Frontgebieten oder Orten, deren Herrschaft wechselt, kann auch das Verkaufen von Tee an Soldaten bereits als Kollaboration wahrgenommen werden (STDOK 8.2017, S. 40ff). So wurden etwa Anfang Juli 2021 fünf Zivilisten im Gebiet Jowhar von al Shabaab entführt, weil sie Soldaten der Armee mit Erfrischungen bewirtet bzw. mit ihnen gehandelt hatten. Mehrere Häuser und Fahrzeuge wurden angezündet (ATMIS/Caasimada 2.7.2021). Generell sind jedenfalls das Ausmaß und/oder die Gewissheit der Kollaboration; der Ort des Geschehens; und die Beziehungen der betroffenen Person dafür ausschlaggebend, ob al Shabaab die entsprechenden Konsequenzen setzt. Besonders gefährdet sind Personen, welche folgende Aspekte erfüllen: a) die Kollaboration ist offensichtlich; b) der Ort lässt eine leichte Identifizierung des Kollaborateurs zu; c) eine Exekution wird als maßgebliches Abschreckungszeichen wahrgenommen; d) wenn sich die Kollaboration in einem Ort mit fluktuierender Kontrolllage zugetragen hat (STDOK 8.2017, S. 40ff).
Auf der anderen Seite kollaborieren viele Menschen mit al Shabaab. Verwaltungsstrukturen und Sicherheitskräfte sind unterwandert. Eine derartige Kollaboration kann aus finanziellen oder ideologischen Gründen erfolgen, oft aber auch aus Angst. Es scheint wenig ratsam, ein "Angebot" von al Shabaab abzulehnen (BMLV 7.8.2024).
Grundsätzliche Ziele: Üblicherweise zielt al Shabaab mit größeren (mitunter komplexen) Angriffen auf Vertreter des Staates, Gebäude und Fahrzeuge der Regierung, auf Hotels, Geschäfte, Militärfahrzeuge und -Gebäude sowie direkt Soldaten von Armee und ATMIS. Grundsätzlich richten sich die Angriffe der al Shabaab in nahezu allen Fällen gegen Personen des somalischen Staates (darunter die Sicherheitskräfte), Institutionen der internationalen Gemeinschaft (darunter ausländische Truppen) und gegen Gebäude, die von erst- und zweitgenannten Zielen frequentiert werden (BMLV 9.2.2023). Hotels werden i.d.R. angegriffen, um die Entrichtung von Steuern und Abgaben einzumahnen. Möglicherweise anwesende Staatsvertreter gelten hierbei als „Draufgabe“. Ausnahmen dazu können vorkommen, etwa, wenn ein Anschlag einer bestimmten Feier in einem Hotel gilt oder wenn sich dort gleichzeitig drei Minister befinden würden. Anschläge auf Cafés und Restaurants fallen entweder ebenfalls in die Kategorie „Mahnung“ oder sollen Schlagzeilen machen - etwa wenn ein Anschlag auf Fußballzuschauer verübt wird, um daran zu erinnern, dass Fußball aus Sicht von al Shabaab „un-islamisch“ ist (BMLV 7.8.2024).
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Üblicherweise verfolgt al Shabaab zielgerichtet jene Person, derer sie habhaft werden will. Sollte die betroffene Person nicht gefunden werden, könnte stattdessen ein Familienmitglied ins Visier genommen werden. Wurde al Shabaab der eigentlichen Zielperson habhaft bzw. hat sie diese ermordet, dann gibt es keinen Grund mehr, Familienangehörige zu bedrohen oder zu ermorden. Manchmal kann es zur Erpressung von Angehörigen kommen (BMLV 7.8.2024).
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Risiko in Zusammenhang mit Schutzgelderpressungen ("Steuern")
Betriebe und Einzelpersonen werden durch Angst genötigt, Geld an al Shabaab abzuführen (UNSC 10.10.2022, Abs. 46). Jene, welche Abgaben an al Shabaab abführen, können ungestört leben (HI 10.2020). Für Zahlungsverzögerungen bei "Steuer"-Forderungen drohen i.d.R. hohe Strafzahlungen (GN 10.11.2022b; vgl. HI 10.2020) oder der Ausschluss von Märkten (HI 10.2020). Wenn z. B. ein Fahrer eine Abgabe verweigert oder versucht, einen Checkpoint der al Shabaab zu umfahren, dann muss er als Strafe meist den doppelten Betrag abführen. Diese nicht-verhandelbare Strafe wird etwa per SMS "zugestellt" oder aber Fahrzeugbesitzer oder Fahrer werden per Nachricht an eines der Schariagerichte der Gruppe einberufen (GITOC/Bahadur 8.12.2022). Auf Zahlungsverweigerungen folgen Drohungen (BS 2024) oder die Konfiszierung von Gütern (MBZ 6.2023). Für al Shabaab ist es nicht schwierig, eine Telefonnummer zu bekommen. So kann die Gruppe jede Person erreichen. In Mogadischu rufen sie z. B. Mitarbeiter einer Quelle an und sagen: "Kommen Sie zum Ort X und geben sie uns 2.000 US-Dollar." In anderen Gebieten hat al Shabaab einen direkteren Zugriff (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Allerdings ist es immer möglich, dass hinter Steuerforderungen gar nicht al Shabaab steht, sondern andere kriminelle Akteure, die sich als al Shabaab ausgeben. Im Fall einer Weigerung der Zahlung an al Shabaab gibt es in vielen Fällen einen Spielraum für Verhandlungen über die Höhe (Landinfo 8.9.2022). Bei einer völligen Verweigerung übergibt al Shabaab den "Fall" dem Amniyat (MBZ 6.2023).
Später folgen auch Todesdrohungen (HI 10.2020). In extremen Einzelfällen kann es vorkommen, dass al Shabaab Personen, die keine Gebühren abführen wollen, tötet (GITOC/Bahadur 8.12.2022; vgl. BS 2024; MBZ 6.2023). Auch wenn derartige Fälle sehr selten sind, sorgen sie dafür, dass andere aus Angst freiwillig „Steuern“ abführen (GITOC/Bahadur 8.12.2022). Es kommt auch zur Zerstörung von Eigentum und Betriebsmitteln (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; vgl. GITOC/Bahadur 8.12.2022; HI 10.2020). Manchmal werden Geschäfte mit Sprengsätzen zerstört (MBZ 6.2023). Oder aber al Shabaab sorgt dafür, dass Unternehmen keine Aufträge mehr erhalten. Wirtschaftstreibende verschweigen es üblicherweise, wenn sie Geld an al Shabaab abführen (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Kommt es zu einem Anschlag auf ein Hotel, dann steht für al Shabaab eine Strafaktion für ausständige "Steuer"-Zahlungen im Vordergrund. Allfällig anwesende Regierungsvertreter oder Staatsbedienstete sind hierbei nur nebenrangige Ziele, wiewohl al Shabaab einen "günstigen" Zeitpunkt abwartet, um gleichzeitig auch solche Ziele zu treffen (BMLV 7.8.2024). Ein anderes Beispiel stammt aus Galmudug im Jahr 2022, wo Nomaden den Forderungen von al Shabaab nicht nachgekommen sind. Dort griff al Shabaab die Gemeinde an, entführte und tötete Nomaden und plünderte ihren Viehbestand (UNSC 10.10.2022, Abs. 47f).
Generell halten Todesdrohungen und - in Einzelfällen - tatsächlich angewandte Gewalt das "Steuer"-System der al Shabaab aufrecht (GITOC/Bahadur 8.12.2022; vgl. AQ21 11.2023; MBZ 6.2023). Die Androhung von Gewalt ist insofern ein Sparfaktor, als es aus Sicht von al Shabaab dadurch weniger Kontrolle braucht (AQ21 11.2023). Nur jene können den Druck ertragen und einer Besteuerung entgehen, welche sich außerhalb der Reichweite von al Shabaab befinden (HI 10.2020). Nach anderen Angaben besteht dieser Druck z. B. in Bossaso weniger stark, in Garoowe kaum (AQ21 11.2023).
Auch der Islamische Staat in Somalia fordert Schutzgeld - v. a. von Wirtschaftstreibenden in städtischen Gebieten. Jene, die sich der Zahlung widersetzen, müssen mit Gewalt rechnen (USDOS 22.4.2024; vgl. USDOT 27.7.2023; TSD 12.11.2023).“
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat, die bereits im angefochtenen Bescheid getroffen wurden, stützen sich auf die zitierten Quellen und wurden von den Parteien nicht substanziell bestritten. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
2.2. Zu den Feststellungen zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers und seiner Clan- sowie Religionszugehörigkeit gründen sich auf seine diesbezüglichen übereinstimmenden und damit glaubhaften Angaben im Verfahren.
Die Feststellung dazu, dass der Beschwerdeführer aus XXXX in der Region Lower Shabelle stammt, ergibt sich ebenso aus seinen diesbezüglichen übereinstimmenden und damit glaubhaften Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung. Aus der entsprechenden Angabe des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie der Einsicht in die unter https://humanitarianatlas.org/somalia/atlasmaps/r-so23-lower-shabelle-region-reference-map-17-october-2011-en-a1-ocha.pdf abrufbare Karte ergibt sich, dass XXXX östlich und in der Nähe von der Stadt Wanla Weyn liegt. Den zitierten Länderberichten ist damit zusammenhängend zu entnehmen, dass die Region Lower Shabelle nach wie vor von Gewalt betroffen ist und das Gebiet zwischen den Städten im Fokus der Al-Shabaab liegt, sodass mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass sich XXXX unter Kontrolle der Al-Shabaab befindet.
Die Feststellungen zur Schulbildung und Berufserfahrung des Beschwerdeführers ergeben sich ebenso aus seinen entsprechenden gleichlautenden und damit glaubhaften Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung. Die Feststellung zu seinem Verdienst durch seine Tätigkeit als Gemüsehändler ergibt sich aus der entsprechenden Angabe in der mündlichen Verhandlung.
Die Feststellungen zu den Ehen des Beschwerdeführers, den erlebten Repressalien aufgrund der Mischehe, seinen Kindern, dem derzeitigen Aufenthaltsort seiner aktuellen Ehefrau, sieben Kinder und Mutter und dem Kontakt zu diesen Familienangehörigen ergibt sich aus seinen entsprechenden gleichlautenden und damit glaubhaften Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung. Die Feststellung dazu, dass zwei Halbbrüder des Beschwerdeführers in Südafrika leben und er keinen Kontakt zu diesen hat, ergibt sich aus seinen entsprechenden Angaben in der mündlichen Verhandlung.
Die Feststellungen zur Ausreise aus Somalia, deren Kosten, deren Finanzierung und zur Weiterreise nach Österreich ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens. Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, er sei von der Al-Shabaab wegen der Nichtbezahlung des erhöhten Zakats von 45 US-Dollar auf 150 US-Dollar aufgefordert worden, für sie die anderen Gemüsehändler auszuspionieren und mit dem Tod bedroht worden, ist aufgrund der nachstehenden Ungereimtheiten nicht glaubhaft:
Der Beschwerdeführer wurde sowohl im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch in der mündlichen Verhandlung aufgefordert, seine Fluchtgründe von sich aus und möglichst genau zu schildern. Im Rahmen dieser freien Erzählungen brachte der Beschwerdeführer jedoch von sich aus lediglich dieselben groben Eckpunkte seiner Fluchtgeschichte vor (Erhöhung des Zakats, Unmöglichkeit der Bezahlung, Aufforderung durch die Al-Shabaab zur Zusammenarbeit als Spion, Verweigerung der Zusammenarbeit, Todesdrohungen), ohne tiefergehende Details zu artikulieren. Der Beschwerdeführer gab zwar zu Beginn der mündlichen Verhandlung an, er habe vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl „einiges“ nicht detailliert erzählt, erklärend führte er dazu jedoch lediglich aus, dass er im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl kurz gesprochen habe und sodann mit Fragestellungen unterbrochen worden sei. In Anbetracht dessen, dass der Beschwerdeführer jedoch ebenso – wie gerade geschrieben – die freie Erzählung in der mündlichen Verhandlung nicht nutzte, um seine Fluchtgründe von sich aus und umfassend vorzubringen, wird diesem Versuch des Beschwerdeführers, sein knappes Aussageverhalten vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu relativieren, keine Relevanz beigemessen. Der Beschwerdeführer hat es im Verfahren insgesamt gesehen damit unterlassen, mit Details, spontanen Einfällen oder konkreten Erfahrungswerten zu überzeugen. Es mussten vielmehr nahezu sämtliche Details sowohl im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch in der mündlichen Verhandlung erfragt werden und erwähnte der Beschwerdeführer einige Punkte vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Vergleich zu seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung überhaupt nicht. Indem der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl insbesondere keine Angaben dazu tätigte, wie viele Männer der Al-Shabaab die Erhöhung des Zakats verlangt hätten, wie oft die Al-Shabaab den Beschwerdeführer aufgrund der Begleichung des erhöhten Zakats bzw. der gewollten Zusammenarbeit als Spion kontaktiert habe und was nach der verweigerten Zusammenarbeit weiter passiert sei (Zerstörung der SIM-Karte, Verstecken im Wald, Kontaktaufnahme mit Schuldnern), hat er es verabsäumt diese doch zentralen Elemente seiner Fluchtgeschichte bereits vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu präsentieren und entstand aufgrund dieses Erzählverhaltens für die erkennende Richterin gesamtheitlich der Eindruck, als würde der Beschwerdeführer nicht von persönlich Erlebtem berichten. Die Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens ist damit schon aus diesem Grund erheblich geschmälert.
Davon abgesehen verwickelte sich der Beschwerdeführer auch in einige Widersprüchlichkeiten und wird dadurch dieser erweckte Eindruck und die fehlende Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens untermauert. Während der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nämlich noch angab, die Erhöhung des Zakats sei durch die Al-Shabaab mit großen Ausgaben und dem Bedarf an finanzieller Unterstützung aufgrund des Kampfes gegen die Regierung begründet worden, stritt der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung explizit ab, dass die Al-Shabaab die Erhöhung des Zakats begründet habe. Der Beschwerdeführer würde sich lediglich denken, dass die Al-Shabaab mit den Mehreinnahmen Waffen kaufen wollte, um zu kämpfen.
Ferner gab der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch an, auch die anderen Gemüsehändler seien ähnlich wie er selbst von der Al-Shabaab bedroht worden. In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer dazu befragt jedoch nunmehr widersprüchlich an, dass nur er von einer Steuererhöhung betroffen gewesen sei; er habe die anderen Marktverkäufer gefragt, diese hätten jedoch eine Steuererhöhung durch die Al-Shabaab verneint.
Schließlich verwickelte sich der Beschwerdeführer auch dahingehend in einen Widerspruch, dass er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch ausführte, lediglich die erste Kontaktaufnahme durch die Al-Shabaab sei persönlich erfolgt, die weiteren Kontakte mit der Al-Shabaab bzw. die weiteren Drohungen der Al-Shabaab – wobei es der Beschwerdeführer, wie weiter ober geschrieben, unterlassen hat, konkret anzugeben, wie oft es genau zu weiteren Kontakten mit der Al-Shabaab in diesen Belangen gekommen sei – seien jedoch telefonisch erfolgt. In der mündlichen Verhandlung führte der Beschwerdeführer abweichend davon jedoch aus, dass zwei Kontakte mit der Al-Shabaab persönlich erfolgt seien. An einem Tag sei der Beschwerdeführer am Markt persönlich von der Al-Shabaab aufgefordert worden, den erhöhten Zakat zu zahlen und zwei Tage später, weil der Beschwerdeführer den erhöhten Zakat nicht zahlen habe können, sei er ebenso persönlich von der Al-Shabaab zu einer Zusammenarbeit als Spion aufgefordert worden. Die weiteren Kontakte seien jedoch in der Form von drei bis vier Drohanrufen und einer Drohnachricht (SMS) erfolgt.
Nicht nachvollziehbar ist letztlich auch noch, dass der Beschwerdeführer 3.000 US-Dollar für die Ausreise aus Somalia und Weiterreise nach Europa durch das Ersparte aufgrund seiner beruflichen Beschäftigung aufbringen konnte, er jedoch lediglich einmal in der Lage gewesen sei, 150 US-Dollar als Zakat zu zahlen und sich anschließend die Begleichung des Zakats in der Höhe von 150 US-Dollar nicht mehr habe leisten könne.
Aufgrund der gerade aufgezeigten Ungereimtheiten ist das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft und ist er mangels eines glaubhaften Vorbringens insgesamt gesehen bisher nicht ins Visier der Al-Shabaab geraten. Es liegen auch sonst keine Anhaltspunkte dafür vor, wieso der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr der Al-Shabaab auffallen oder seitens der Al-Shabaab mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht werden sollte. Insbesondere fällt der Beschwerdeführer – mangels Glaubwürdigkeit des entsprechenden Vorbringens – auch nicht in eine der in den zitierten Länderberichten genannten Risikogruppen und ist diesen insbesondere auch zu entnehmen, dass die Al-Shabaab üblicherweise Personen des somalischen Staates (darunter die Sicherheitskräfte), Institutionen der internationalen Gemeinschaft (darunter ausländische Truppen) und Gebäude, die von erst- und zweitgenannten Zielen frequentiert werden, angreift bzw. zielgerichtet jene Personen, derer sie habhaft werden möchte – zu denen der Beschwerdeführer aber mangels eines glaubhaften Vorbringens nicht fällt – angreift. Auch vor dem Hintergrund der Länderberichte ist daher nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Somalia von der Al-Shabaab negative Konsequenzen erfahren würde.
Zur Rekrutierung durch die Al-Shabaab ist den zitierten Länderberichten noch zu entnehmen, dass es in Gebieten, die unter Kontrolle der Al-Shabaab stehen, zu Zwangsrekrutierungen von Kindern sowie Erwachsenen kommen kann, gleichzeitig ist den zitierten Länderberichten aber auch zu entnehmen, dass die meisten Menschen der Gruppe freiwillig beitreten. Dass sämtliche (junge) Männer systematisch zwangsrekrutiert würden, ist den zitierten Berichten damit nicht zu entnehmen und lässt sich für den Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Somalia auch keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit für eine Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab ableiten, als er – wie gerade weiter oben ausgeführt – zuletzt nicht ins Visier der Al-Shabaab geraten ist und konnte er damit bis zu seiner Ausreise aus Somalia unbehelligt und ohne von einem (glaubhaften) Rekrutierungsversuch durch die Al-Shabaab in seinem Herkunftsort leben.
Hinsichtlich der Clanzugehörigkeit führte der Beschwerdeführer aus, er sei im Jahr XXXX eine Mischehe mit einer Frau aus einem Mehrheitsclan eingegangen. Ein Onkel väterlicherseits dieser ehemaligen Ehefrau sei aufgrund seiner Clanzugehörigkeit gegen diese Ehe gewesen und habe den Beschwerdeführer im Jahr XXXX deswegen bei der Al-Shabaab angezeigt. Der Beschwerdeführer sei deswegen für zwei Monate von der Al-Shabaab unter schlechten Bedingungen gefangen gehalten und unter der Prämisse der Scheidung von seiner ehemaligen Ehefrau freigelassen worden. Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung dazu zwar an, die Familie seiner ehemaligen Ehefrau habe ihn immer wieder mit dem Tod bedroht und er würde Angst vor der Familie seiner ehemaligen Ehefrau haben, aber seinem Vorbringen ist insgesamt jedoch nicht zu entnehmen, dass er aufgrund der früheren Mischehe und der deswegen erlebten Gefangenschaft durch die Al-Shabaab mit dieser oder von Seiten der Familie der ehemaligen Ehefrau seit dem Jahr XXXX bis zu seiner Ausreise im Dezember XXXX – sohin für eine Zeitspanne von etwa sieben Jahren – irgendwelche Probleme erfahren hätte. Die lapidaren Behauptungen, die Familie seiner ehemaligen Ehefrau habe ihn immer wieder bedroht bzw. habe ihm vorgehalten, er habe das Leben ihrer Tochter ruiniert, ohne jedoch konkret darzulegen, wann, wie oft oder wie genau diese Bedrohungen erfolgt seien, überzeugen keinesfalls. Diese mit der geschiedenen Mischehe zusammenhängenden Bedrohungen weisen damit nicht die erforderliche Aktualität auf, als sie im Entscheidungszeitpunkt bereits etwa elf Jahre zurückliegen und konnte der Beschwerdeführer – wie gerade geschrieben – ab dem Jahr XXXX bis zu seiner Ausreise im Dezember XXXX in Somalia davon unbehelligt leben. Davon abgesehen gab der Beschwerdeführer zu Beginn der mündlichen Verhandlung außerdem an, dass der Umstand seiner früheren Mischehe nicht fluchtauslösend gewesen sei, sodass auch deswegen keine Asylrelevanz dieser mit der geschiedenen Mischehe zusammenhängenden einstigen Bedrohungen erkannt werden kann. Der Beschwerdeführer erwähnte am Ende der mündlichen Verhandlung zwar noch, er könne auch aufgrund der Familie seiner ehemaligen Ehefrau nicht nach Somalia zurückkehren, doch widerspricht er sich damit massiv im Vergleich zu seinem Vorbringen noch zu Beginn der mündlichen Verhandlung – wie gerade dargelegt – und wird dieser behaupteten Furcht des Beschwerdeführers damit nicht gefolgt.
Unabhängig von diesen Erwägungen ist den zitierten Länderberichten zu entnehmen, dass eine Mischehe zwar weiterhin zu einer gesellschaftlichen Diskriminierung, Diskussionen und Getratsche führen kann, doch kommt es so gut wie nie zu Gewalt oder gar zu Tötungen und werden Mischehen nach einer gewissen Zeit meist akzeptiert. Die Al-Shabaab hat Hindernisse für Mischehen außerdem abgeschafft. Selbst für eine aufrechte Mischehe lässt sich vor dem Hintergrund dieser herangezogenen Länderberichte damit keine maßgebliche Gefahr der Verletzung der physischen und/oder psychischen Integrität ableiten und ist die Mischehe des Beschwerdeführers – wie bereits geschrieben – geschieden. Dass auch eine geschiedene Mischehe zu etwaigen gesellschaftlichen Problem führen würde, ist den herangezogenen Länderberichten jedoch in keiner Weise zu entnehmen.
Ansonsten brachte der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vor, dass mit seiner Clanzugehörigkeit ein normales und beinahe unbeeinflusstes Leben möglichen gewesen sei und er Somalia aufgrund seiner Clanzugehörigkeit nicht verlassen habe. In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer zu seiner Clanzugehörigkeit befragt an, Tumal würden nicht so leben wie die sonstige somalische Gesellschaft, würden diskriminiert werden und dürften keine Mischehen eingehen. Abgesehen von dieser völlig pauschalen Behauptung einer Diskriminierung sowie jenen Problemen, die der Beschwerdeführer aufgrund der im Jahr XXXX eingegangenen Mischehe erfahren habe – dazu weiter oben – brachte der Beschwerdeführer damit im Verfahren keinerlei Probleme oder erlebte Diskriminierungen aufgrund seiner Clanzugehörigkeit vor. Durch die alleinige inhaltsleere Behauptung einer Diskriminierung aufgrund seiner Clanzugehörigkeit, ohne auch konkrete Details oder Erfahrungswerte zu nennen, die den Schluss darauf zulassen würden, dass er tatsächlich aufgrund seiner Clanzugehörigkeit diskriminiert worden wäre, konnte der Beschwerdeführer eine solche Diskriminierung nicht glaubhaft dartun und sind daher keine Anhaltspunkte erkennbar, weshalb der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nunmehr plötzlich doch von Diskriminierungen aufgrund seiner Clanzugehörigkeit betroffen sein sollte. Es wird nicht verkannt, dass die zitierten Länderinformationen davon berichten, dass Angehörige von berufsständischen Gruppe, zu welchen auch die Tumal gehören, in Somalia diskriminiert und als Bürger zweiter Klasse erachtet werden. Aus den wiedergegebenen Länderberichten geht des Weiteren aber auch hervor, dass sich die Situation für Angehörige der berufsständischen Gruppen insgesamt verbessert hat, als es mittlerweile für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich ist, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Auch Angehörige berufsständischer Gruppen sind vereinzelt wirtschaftlich erfolgreich und finden sich in Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft. Der Beschwerdeführer hat in Somalia – wie festgestellt und weiter oben ausgeführt – als Gemüsehändler in Somalia gearbeitet und durch diese berufliche Beschäftigung ein monatliches Einkommen von 400 bis 600 US-Dollar lukriert, sodass der Beschwerdeführer zu jenen Angehörigen berufsständischer Gruppen gehört hat, die – trotz der Clanzugehörigkeit zu den Gabooye/Tumal – wirtschaftlich erfolgreich sind und zeigt auch dieser Umstand auf, dass der Beschwerdeführer in Somalia keine gesellschaftliche Diskriminierung erfahren hat, als sonst eine einkommenskräftige berufliche Tätigkeit über mehrere Jahre hinweg wohl kaum möglich gewesen wäre. Insgesamt ist damit die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Clanzugehörigkeit (abgesehen von den angeführten Bedrohungen im Zusammenhang mit der Mischehe) weder bisher Diskriminierungen erfahren hat noch ihm im Falle einer Rückkehr nach Somalia solche drohen würden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der „hierzu geeigneten Beweismittel“, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (vgl. VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, konnte der Beschwerdeführer eine Verfolgung durch die Al-Shabaab nicht glaubhaft machen und kann deswegen sowie mangels Vorliegens konkreter gegenteiliger Anhaltspunkte eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Beschwerdeführer nunmehr der Al-Shabaab auffallen würde, nicht erkannt werden. Auch droht dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlicher keine Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab.
Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr nach Somalia auch aufgrund seiner Clanzugehörigkeit oder geschiedenen Mischehe – wie ebenso in der Beweiswürdigung dargelegt – keine asylrelevante Verfolgung.
Dem Beschwerdeführer ist es daher insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.
Auch vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Somalia kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer aktuell in Somalia eine asylrelevante Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründen droht.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.