BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr.in Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Dr.in Karin ZAHIRAGIC, Rechtsanwältin in 1210 Wien, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 10.04.2025, betreffend die Abweisung des Antrages auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer war Inhaber eines bis April 2025 befristeten Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 von Hundert (v.H.). Dem lag ein medizinisches Sachverständigen einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 19.02.2022 (vidiert am 22.02.2022), beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 17.02.2022 zugrunde. Die medizinische Sachverständige stellte dabei beim Beschwerdeführer die Funktionseinschränkung „Angst und depressive Störung gemischt, Agoraphobie und Panikattacken“, Position 03.05.02 der Anlage der Einschätzungsverordnung (EVO), Grad der Behinderung 50% fest. Es werde eine Nachuntersuchung bzw. Reevaluierung im April 2025 empfohlen, da mit Ausschöpfen der Therapie (z.B. stationäre Psychotherapie, etc.) eine Besserung möglich sei.
2. Der Beschwerdeführer stellte am 11.10.2024 einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten beim Sozialministeriumservice (im Folgenden belangte Behörde) und schloss diesem Antrag eine Reihe von medizinischen Befunden an.
3. Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 07.02.2025 erstatteten Gutachten vom 24.02.2025 (vidiert am 25.02.2025) stellte der medizinische Sachverständige die Funktionseinschränkungen „Angst und depressive Störung gemischt, Agoraphobie und Panikattacken“, Position 03.05.01 der Anlage der Einschätzungsverordnung (EVO), Grad der Behinderung 40% fest. Im Vergleich zum Vorgutachten habe der medizinische Sachverständige aufgrund der durchgeführten Untersuchung sowie der Befundvorlage das Leiden um eine Stufe niedriger eingeschätzt. Die im Vorgutachten erwähnten Therapieoptionen habe der Beschwerdeführer nicht ausgeschöpft, somit seien Therapieoptionen offen.
4. Die belangte Behörde übermittelte dem Beschwerdeführer dieses Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 11.03.2025 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte diesem eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein.
5. Der Beschwerdeführer gab durch seine anwaltliche Vertreterin mit Eingabe vom 28.03.2025 eine schriftliche Stellungnahme ab. Darin führte der Beschwerdeführer aus, dass er seit Anfang 2019 an der Neuropsychosomatik Ambulanz des XXXX in Behandlung sei. Trotz Dosissteigerung sei bislang keine Besserung der Symptomatik eingetreten. Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers habe sich seit der letzten Begutachtung im Jahr 2022 nicht geändert. Damals habe die medizinische Sachverständige einen Gesamtgrad von 50 % festgestellt. Der Beschwerdeführer würde zudem an Schmerzen und Taubheitsgefühl in der linken Hand leiden. Die Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens sei nicht erfolgt. Der Beschwerdeführer schloss der Stellungnahme einen Röntgenbefund und den bereits vorgelegten Befund des XXXX vom 06.08.2020 an.
6. Über Ersuchen der belangten Behörde gab der medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Neurologie am 09.04.2025 eine Stellungnahme ab. Darin führte er aus, dass aus einem Befundbericht des XXXX vom 30.01.2025 hervorgehen würde, dass die Betreuung an der neuropsychosomatischen Ambulanz des XXXX seit der COVID-Situation nicht mehr möglich gewesen sei. Der mit der Stellungnahme vorgelegte Befund des XXXX sei ihm bereits vorgelegen und sei in die Bewertung miteingeflossen. Bezüglich des neu vorgelegten radiologischen Befundes sei anzumerken, dass bei der neurologischen Untersuchung keine sensiblen oder motorischen Einschränkungen festgestellt worden seien. Die vom Beschwerdeführer eingebrachten Argumente sowie der neu beigebrachte Röntgenbefund würden keine kalkülsrelevanten Tatsachen enthalten, die eine Abänderung des bereits getroffenen Begutachtungsergebnisses nach sich ziehen könnten. Dieses bleibe daher aufrecht.
7. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.04.2025 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten ab und stellte fest, dass beim Beschwerdeführer ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. vorliegen würde. Die belangte Behörde übermittelte mit dem Bescheid das ärztliche Sachverständigengutachten und die oben genannte Stellungnahme an den Beschwerdeführer.
8. Der Beschwerdeführer erhob durch seine anwaltliche Vertreterin fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin brachte er im Wesentlichen vor, dass der medizinische Sachverständige lediglich Facharzt für Neurologie und kein Psychiater sei. Der Beschwerdeführer sei seit 2019 in psychiatrischer Behandlung, zuerst im XXXX in letzter Zeit im Sozialpsychiatrischen Ambulatorium XXXX . Aus Sicht seines behandelnden Psychiaters sei bei diesem keine kalkülsrelevante Besserung des Gesundheitszustandes erfolgt. Für ihn sei nicht nachvollziehbar, weswegen der Grad der Behinderung nicht erhöht, sondern auf 40 % herabgesetzt worden sei. Dadurch, dass die belangte Behörde es verabsäumt habe, einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie zu beauftragen, würde ein Verfahrensfehler vorliegen, welcher erhebliche Auswirkungen nach sich ziehen würde. Es werde beantragt, einen medizinischen Sachverständigen aus dem Fachbereich der Psychiatrie zu beauftragen. Der Beschwerdeführer leide neben seiner psychischen Erkrankung auch an Beschwerden des rechten Fußes und an der Halswirbelsäule. Es werde auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich der Orthopädie beantragt. Es werde beantragt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen, den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde zur Gänze aufzuheben, in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten stattgegeben werde. Der Beschwerdeführer legte der Beschwerde weitere medizinischen Befunde bei.
9. Die belangte Behörde legte das Beschwerdeverfahren dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 06.06.2025 zur Entscheidung vor, wo dieser am 10.06.2025 einlangte.
10. Das Bundesverwaltungsgericht holte am 10.06.2025 einen Auszug aus dem Zentralen Melderegister ein, wonach der Beschwerdeführer serbischer Staatsbürger ist und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A)
Gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (in der Folge VwGVG) hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,
1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11.).
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 2. Satz ausgeführt hat, ist vom prinzipiellen Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auszugehen. Nach der Bestimmung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG kommt bereits nach ihrem Wortlaut die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht (vgl. auch Art. 130 Abs. 4 Z 1 B-VG). Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
Ist die Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG erfüllt, hat das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) "in der Sache selbst" zu entscheiden.
Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im oben angeführten Erkenntnis ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).
Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als grob mangelhaft:
Der Beschwerdeführer legte bereits mit seiner Stellungnahme vom 28.03.2025 einen Röntgenbefund vor, aus welchem ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer Funktionseinschränkungen an der Wirbelsäule im Bereich der Halswirbelsäule hat. Dazu führte der medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Neurologie in seiner Stellungnahme vom 09.04.2025 aus, dass aus neurologischer Sicht keine sensiblen oder motorischen Ausfälle oder Einschränkungen bestehen würden.
Diese Einschätzung deckt sich jedoch nicht mit einem Arztbrief des behandelnden Orthopäden vom 09.04.2025, wonach beim Beschwerdeführer Schmerzen im Bereich des rechten Fußes und an der Halswirbelsäule bei bestehender Discusprotrusion C3/4 bestehen. Es sei eine operative Sanierung des Sprunggelenks rechts für September 2025 vorgesehen. Es liegt beim Beschwerdeführer laut der Diagnose aus diesem Arztbrief unter anderem eine Partialruptur der Tibialis posteriuor Sehne rechts und ein Ossikel am dorsalen Talusanteil rechts vor, woraus sich ergibt, dass der Beschwerdeführer maßgebliche Probleme mit seinem rechten Sprunggelenk hat. Dafür spricht auch, dass eine operative Sanierung geplant ist, diese würde wohl nicht erfolgen, wenn – wie der medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich für Neurologie in seiner Stellungnahme vom 09.04.2025 ausführt – „aus neurologischer Sicht keine sensiblen oder motorischen Ausfälle oder Einschränkungen bestehen“. Sohin ist die Stellungnahme des medizinischen Sachverständigen in diesem Punkt weder schlüssig noch nachvollziehbar.
Der medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Neurologie stufte das Leiden des Beschwerdeführers „Angst und depressive Störung gemischt, Agoraphobie und Panikattacken“, nach Position 03.05.01 der Anlage der EVO mit einem GdB von 40 % ein, dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass Beeinträchtigungen im sozialen Bereich gegeben sind, der Beschwerdeführer fachärztlich betreut werde, eine ambulante Psychotherapie nicht dokumentiert sei und auch keine interkurrenten stationären Aufenthalte dokumentiert seien.
Aus dem vom Beschwerdeführer mit der Beschwerde vorgelegten fachärztlichen Befundbericht der XXXX vom 10.04.2025 ist zu entnehmen, dass von einer Chronifizierung der psychiatrischen Symptome des Beschwerdeführers auszugehen ist. Es ist jedenfalls keine kalkülsrelevante Verbesserung des Beschwerdeführers seit seiner letzten Begutachtung 2022 eingetreten.
Bei der Position 03.05. der Anlage der EVO handelt es sich um Leiden wie „Neurotische Belastungsreaktionen, somatoforme Störungen und posttraumatische Belastungsstörung PTSD (post traumatic stress disorder)“. In dieser Position sind alle neurotischen Belastungsstörungen, somatoforme Störungen, Verhaltensstörungen und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit mitumfasst.
Der medizinische Sachverständige stufte das Leiden des Beschwerdeführers als Störung leichten Grades mit einem GdB von 40 % ein.
Die Grundlage für diese Einschätzung aus der Anlage der EVO lautet wie folgt:
Aus dem bereits genannten fachärztlichen Befundbericht vom 10.04.2025 ist zu entnehmen, dass beim Beschwerdeführer erhebliche Einschränkungen in mehreren sozialen Bereichen vorliegen. Das sind jedenfalls keine „ersten Anzeichen sozialer Deintegration“ sondern tatsächlich Anzeichen für „Beeinträchtigungen im sozialen Bereich“. Es ist für den erkennenden Senat daher nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen der medizinische Sachverständige, obwohl er selbst in seinem medizinischen Sachverständigengutachten vom 24.02.2025 „Beeinträchtigung im sozialen Bereich“ feststellte, das Leiden des Beschwerdeführers nach der Position 03.05.01 und nicht nach der Position 03.05.02 der Anlage der EVO einstufte.
Das Sachverständigengutachten hätte daher von der belangten Behörde nicht ohne Ergänzung seiner Entscheidung zugrunde gelegt werden dürfen. (VwGH vom 08.07.2015, Ra 2015/11/0036)
Es besteht zwar kein Anspruch auf die Zuziehung von Sachverständigen eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt jedoch auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an. Gegenständlich ist die ausschließlich durch einen Facharzt für Neurologie vorgenommene Beurteilung angesichts des komplexen Krankheitsbildes des Beschwerdeführers aufgrund der derzeit vorliegenden Aktenlage offensichtlich sachwidrig erfolgt. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin in deren Beschwerde enthält konkrete Anhaltspunkte, dass die Einholung eines Gutachtens der Fachrichtung Psychiatrie erforderlich ist, um eine vollständige und ausreichend qualifizierte Prüfung des Leidens des Beschwerdeführers zu gewährleisten.
Im fortgesetzten Verfahren wird von der belangten Behörde sohin einerseits ein medizinisches Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der Orthopädie/Unfallchirurgie und ein medizinisches Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der Psychiatrie, beide jeweils beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers einzuholen haben.
Dabei wird auf alle orthopädischen und psychiatrischen Leidenszustände des Beschwerdeführers in nachvollziehbarer Weise einzugehen sein.
Nach Vorliegen dieser beiden medizinischen Sachverständigengutachten wird von einem/einer der beiden Sachverständigen eine Gesamtbeurteilung vorzunehmen sein, wobei insbesondere auch zu prüfen ist, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist.
Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird der Beschwerdeführer mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes und angesichts der im gegenständlichen Fall unterlassenen Sachverhaltsermittlungen - nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des Beschwerdeführers noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Von der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung wird gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, zumal aus dem Beschwerdeakt ersichtlich ist, dass eine mündliche Erörterung der Rechtssache mangels ausreichender Sachverhaltserhebungen und Feststellungen der belangten Behörde eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
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