Spruch
W260 2214419-1/46E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Vorsitzender und die fachkundigen Laienrichter Michael Heindl und Alexander WIRTH als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , VSNR XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Hietzinger Kai vom 06.12.2018 betreffend des Verlustes des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß §§ 38 und 10 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) für die Zeit vom 11.10.2018 bis 21.11.2018, nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 12.11.2024, 22.01.2025 und 12.03.2025 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid vom 06.12.2018 ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. In der vom Arbeitsmarktservice Wien Hietzinger Kai (im Folgenden „belangte Behörde“) am 23.08.2018 mit dem XXXX (im Folgenden „Beschwerdeführer“) verbindlich abgeschlossenen Betreuungsvereinbarung wurde zusammengefasst festgehalten, dass die belangte Behörde den Beschwerdeführer bei der Stellensuche unterstütze und sich der Beschwerdeführer auf Vermittlungsvorschläge der belangten Behörde bewerben und binnen acht Tagen Rückmeldung geben solle. Aufgrund des Bezugs von Notstandshilfe bestehe die Verpflichtung, sich auf alle zumutbaren Stellen zu bewerben.
Der Beschwerdeführer verpflichte sich am Bewerbertag des XXXX (im Folgenden „SÖB“) am 29.08.2019 teilzunehmen, um trotz der langen Absenz vom Arbeitsmarkt und der damit verbunden nachteiligen Einordnungs- und Kommunikationsschwierigkeiten eine rasche Integration in den Arbeitsmarkt zu erreichen.
2. Der Beschwerdeführer nahm an dem Bewerbertag teil und wurde in der Folge vom SÖB in eine Wiedereingliederungsmaßnahme mit Beginn am 03.09.2018 aufgenommen.
3. Am 10.10.2018 wurde die Wiedereingliederungsmaßnahme vorzeitig beendet. Als Abbruchgrund gab der SÖB wiederholte „Unpünktlichkeit des Beschwerdeführers und respektloses Verhalten gegenüber KollegInnen und Vorgesetzen“ an.
4. Am 17.10.2018 wurde der Beschwerdeführer durch die belangte Behörde niederschriftlich einvernommen und erklärte, dass die Angaben des SÖB nicht korrekt seien. Er sei jeden Tag pünktlich erschienen und habe keine Probleme mit Kollegen und Vorgesetzten gehabt. Zur Entlassung sei es gekommen, weil er am Arbeitsplatz einen Kaffee getrunken habe.
5. In einer schriftlichen Stellungnahme vom 18.10.2018 führte der Beschwerdeführer ergänzend aus, dass die Entlassungsgründe des Schulungsträgers gelogen und auch bereits gegenüber anderen Maßnahmenteilnehmer ungerechtfertigt angeführt worden seien. Während sein unmittelbarer Vorgesetzter XXXX kein Problem mit Kaffeetrinken am Arbeitsplatz gehabt habe, sei ihm dies von Herrn XXXX , einem Mitarbeiter des Partnerunternehmens ISI, untersagt worden. Dieser habe den Vorgesetzten Herrn XXXX hinzugeholt. Nach einer kurzen Diskussion über das Kaffeetrinken am Arbeitsplatz mit Herrn XXXX habe dieser die Entlassung ausgesprochen, um an ihm ein Exempel zu statuieren. Zwei Zeugen könnten den von ihm geschilderten Sachverhalt bezeugen. Darüber hinaus wies der Beschwerdeführer auf seine Betreuungspflichten hin.
6. Mit Bescheid vom 06.12.2018 wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer für den Zeitraum vom 11.10.2018 bis 21.11.2018 den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 iVm § 10 AlVG durch Vereitelung der Wiedereingliederungsmaßnahme „Arbeitstraining bei der XXXX /SÖB“ verloren habe. Nachsicht wurde nicht erteilt.
7. Der Beschwerdeführer erhob dagegen mit Schreiben vom 18.12.2018 Beschwerde und führte ergänzend aus, dass sein unmittelbarer Vorgesetzter XXXX die erfundenen Entlassungsgründe angeführt habe, um das Fehlverhalten des Herrn XXXX zu decken. Dieser habe schon vielen Personen mit Abbruch des Arbeitstrainings gedroht. Weiters gab er die Daten von vier Zeugen bekannt.
8. Die belangte Behörde erließ keine Beschwerdevorentscheidung und übermittelte am 12.02.2019 den Beschwerdeakt zur Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).
9. Mit Erkenntnis vom 23.09.2021 gab das BVwG der Beschwerde statt und behob den angefochtenen Bescheid ersatzlos.
10. Gegen dieses Erkenntnis erhob die belangte Behörde eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH).
11. Mit Erkenntnis des VwGH vom 05.09.2024 wurde das Erkenntnis des BVwG aufgehoben.
12. Am 12.11.2024, 22.01.2025 und 12.03.2025 wurden vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers, sechs Zeugen und einer Vertreterin des AMS mündliche Verhandlungen abgehalten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer bezieht seit 17.03.1994 regelmäßig Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Seit dem 22.12.2003 bezieht er - mit kurzen Unterbrechungen - überwiegend Notstandshilfe. Sein letztes Dienstverhältnis vor dem gegenständlich relevanten Zeitraum war von 29.10.2013 bis 30.12.2013 über XXXX .
Mit der am 23.08.2018 mit der belangten Behörde einvernehmlich abgeschlossenen Betreuungsvereinbarung verpflichtete sich der Beschwerdeführer, aufgrund des Bezugs von Notstandshilfe, sich auf alle zumutbaren Stellen zu bewerben.
Zudem verpflichtete sich der Beschwerdeführer am Bewerbertag des SÖB XXXX am 29.08.2018 teilzunehmen. Als Ziel wurde die rasche Integration in den Arbeitsmarkt vereinbart. Der SÖB XXXX soll bei der beruflichen und sozialen Rückkehr unterstützen, Lösungen für Vermittlungshindernisse finden, eine Brücke zu einer dauerhaften Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt, durch Beschäftigung, Betreuung und Qualifizierung, schaffen.
Begründet wurde das Arbeitstraining beim SÖB XXXX damit, trotz der langen Absenz vom Arbeitsmarkt und der damit verbunden nachteiligen Einordnungs- und Kommunikationsschwierigkeiten, eine rasche Integration in den Arbeitsmarkt zu erreichen.
Dem Beschwerdeführer wurde der Aufbau des Arbeitstrainings beim SÖB XXXX erklärt. Es handelte sich um eine maximal achtwöchige Vorbereitungsphase auf das Transitverhältnis, wo die Eignung festgestellt wird, vermittlungseinschränkende Probleme bearbeitet und Lösungen gefunden werden.
Das Arbeitstraining diente der Verbesserung von Kenntnissen und Fähigkeiten des Arbeitslosen und erschien in Hinblick auf eine tatsächliche Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erfolgsversprechend.
Am 29.08.2018 nahm der Beschwerdeführer vereinbarungsgemäß am Bewerbertag des SÖB XXXX teil. In der Folge wurde er in das Arbeitstraining beim SÖB XXXX , in Kooperation mit ISI, mit Beginn am 03.09.2018 aufgenommen.
Am 10.10.2018 wurde das Arbeitstraining von Seiten des SÖB XXXX mit der Begründung „wiederholte Unpünktlichkeit und respektloses Verhalten gegenüber Kolleg:innen und Vorgesetzten“ vorzeitig abgebrochen.
Der Beschwerdeführer war weder unpünktlich noch verhielt er sich respektlos gegenüber seinen Kolleg:innen und Vorgesetzten.
Der Beschwerdeführer war zuletzt von 02.11.2023 bis 31.01.2024 bei der XXXX als Angestellter und von 27.09.2024 bis 08.10.2024 bei der XXXX als Arbeiter tätig.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus dem übermittelten Akteninhalt der belangten Behörde und den Aussagen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
2.2. Aus der Betreuungsvereinbarung vom 23.08.2018 (vgl. AS 19) geht hervor, dass die Teilnahme am Bewerbertag des SÖB XXXX am 29.08.2018 verpflichtend angeführt wurde. Als Ziel wurde die rasche Integration in den Arbeitsmarkt vereinbart. Der SÖB XXXX soll bei der beruflichen und sozialen Rückkehr unterstützen, Lösungen für Vermittlungshindernisse finden, eine Brücke zu einer dauerhaften Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt, durch Beschäftigung, Betreuung und Qualifizierung, schaffen.
Ebenso ergibt sich daraus die Begründung des Arbeitstrainings beim SÖB XXXX . Es sollte dadurch trotz der langen Absenz vom Arbeitsmarkt und der damit verbunden nachteiligen Einordnungs- und Kommunikationsschwierigkeiten, eine rasche Integration in den Arbeitsmarkt erreicht werden.
Im Rahmen der einvernehmlich abgeschlossenen Betreuungsvereinbarung wurde dem Beschwerdeführer der Aufbau des Arbeitstrainings beim SÖB XXXX erklärt. Es handelte sich um eine maximal achtwöchige Vorbereitungsphase auf das Transitverhältnis, wo die Eignung festgestellt wird, vermittlungseinschränkende Probleme bearbeitet und Lösungen gefunden werden.
Es ist nicht anzuzweifeln, dass das Arbeitstraining der Verbesserung von Kenntnissen und Fähigkeiten des Beschwerdeführers diente und erschien in Hinblick auf eine tatsächliche Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erfolgsversprechend.
Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer vereinbarungsgemäß am Bewerbertag am 29.08.2018 des SÖB XXXX teilnahm und von 03.08.2018 bis zum 10.10.2018 am Arbeitstraining bei der XXXX partizipierte.
2.3. Hinsichtlich der Gründe für die Beendigung des Arbeitstrainings ist beweiswürdigend wie folgt auszuführen:
2.3.1. Im Karriereplan vom 11.10.2018, welcher der belangten Behörde vom SÖB XXXX vorgelegt wurde, wurden als Beendigungsgründe „wiederholte Unpünktlichkeit, respektloses Verhalten gegenüber Kolleg:innen und Vorgesetzten“ genannt (vgl. AS 2).
2.3.2. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass die vom SÖB XXXX dargelegten Beendigungsgründe erfunden wären, da sein ehemaliger Vorgesetzter beim SÖB XXXX , XXXX , das Fehlverhalten eines Geschäftsleiters des SÖB XXXX , XXXX , decken habe wollen (vgl. Beschwerde vom 18.12.2018, AS 8).
2.3.3. Zunächst ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer glaubhaft angab, über den SÖB XXXX im Lagerbereich von XXXX gearbeitet zu haben und dort Garantien, die von den Kunden eingegangen wären, übernommen habe. Er habe diese ausgepackt und per Computer zugebucht und damit für die Werkstättenabteilung fertiggemacht (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024 S. 5).
Aus den Aussagen in der mündlichen Verhandlung geht hervor, dass XXXX (Z4) Mitarbeiter und Abteilungsleiter des SÖB XXXX , verantwortlich für die Lagerwerkstatt, die Koordination des Kundendienstes und des Callcenters, sowie direkter Vorgesetzter und Ansprechperson des Beschwerdeführers war (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024 S. 5 und 19).
XXXX (Z2), der laut eigenen glaubhaften Angaben, ebenso über den SÖB XXXX im gleichen Bereich wie der Beschwerdeführer tätig war, bestätigte, dass der Z4 der Chef ihrer Abteilung war (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024, S. 11).
XXXX (Z5) war laut eigener glaubhafter Aussage verantwortlich für das Ersatzteillager und den Versand (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.03.2025 S. 3 und 4).
XXXX (Z3) gab nachvollziehbar an, in der Geschäftsleitung des SÖB XXXX , aber kein leitender Angestellter, gewesen zu sein (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024 S. 14).
2.3.4. In Bezug auf den 10.10.2018 brachte der Beschwerdeführer vor, an seinem Arbeitsplatz Kaffee von einem offenen Kaffeebecher getrunken zu haben und daraufhin von Z5 aufgefordert worden zu sein, keinen Kaffee am Arbeitsplatz zu trinken, woraufhin der Beschwerdeführer hinausgegangen sei und den Kaffee zügig draußen getrunken habe. Ohne Kaffeebecher sei er wieder an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt, der Z5 habe jedoch dessen Vorgesetzten Z4 geholt. Eine Woche davor habe der Z5 den Beschwerdeführer zwar schon einmal darauf aufmerksam gemacht, er habe ihn jedoch fast täglich gesehen und dieser habe nichts gesagt oder gesehen. Der Z5 sei außerdem nicht sein Vorgesetzter gewesen. Sein direkter Vorgesetzter Z4 habe es erlaubt (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024 S. 7).
Der Z3 führte aus, dass es grundsätzlich so gewesen sei, dass im Werkstättenbereich nicht Kaffee getrunken werden durfte. Es habe dafür einen eigenen Pausenbereich gegeben (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024 S. 16).
Der Z5 gab befragt an, dass die Pausen sehr flexibel gestaltet worden seien. Es sei in den einzelnen Bereichen unterschiedlich gehandhabt worden (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.03.2025 S. 4). In der Werkstätte hätten sie einen Leiter gehabt, der seine Mitarbeiter zum Rauchen mitgenommen habe, dazu habe es von Seiten des Z5 Unmutsäußerungen gegeben, da die Leute seiner Meinung nach sehr oft draußen gestanden wären (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.03.2025 S. 4).
Explizit führte der Z5 zudem aus, dass es nicht in seiner Verantwortung gewesen sei, Pausen zu kontrollieren. Er habe dazu keinen Auftrag bekommen und habe sich auch relativ wenig eingemischt. Er sah sich aber allgemein dafür verantwortlich, dass am Arbeitsplatz nicht gegessen werde und keine offenen Getränke stehen würden. Es sei aber grundsätzlich die Aufgabe des Z4 gewesen, in der zugeteilten Abteilung darauf zu achten, dass keine Getränke am Arbeitsplatz konsumiert werden würden. Ihm sei es nur aufgefallen, wenn er hin und wieder in die Werkstatt gegangen sei, dann habe er die Mitarbeiter darauf aufmerksam gemacht, dass offene Getränke nicht erlaubt seien. Die Mitarbeiter in der Werkstatt habe der Z5 nicht ständig gesehen (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.03.2025 S. 4 und 5).
Der Beschwerdeführer erwiderte, dass der Z4 erlaubt habe, den Kaffee zum Arbeitsplatz mitzunehmen, dieser aber nicht neben die Tastatur gestellt werden solle (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.03.2025 S. 9). Am 10.10.2018, nachdem er vom Z5 darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass er keinen offenen Kaffeebecher zum Arbeitsplatz mitnehmen solle, habe er den Z4 nochmal gefragt, ob das mit dem Kaffee okay sei. Daraufhin habe dieser gesagt, dass es ihn nicht störe, der Beschwerdeführer aber aufpassen solle, dass nichts über die Tastatur kippe (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024 S. 6).
Auf Nachfrage, ob es am Arbeitsplatz ein diesbezügliches Verbot gegeben hätte, antwortete der Z4, dass es eigentlich aus Sicherheitsgründen ein Verbot gegeben habe, wegen der Tastatur und dem PC. Er habe es jedoch in der Pausenzeit, sohin in der Zeit, wo am Arbeitsplatz nicht gearbeitet worden sei, erlaubt. Dies sei nicht nur auf den Pausenraum bezogen gewesen, was er damit erklärte, dass die Pause meist direkt am Arbeitsplatz gemacht worden sei, da man über den Hof gehen habe müssen, um in den Pausenraum zu gelangen (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024 S. 19).
An den Beschwerdeführer konnte sich der Z4 nicht mehr erinnern und konnte sohin auch nicht mehr sagen, ob er dem Beschwerdeführer damals die Mitnahme des Kaffeebechers zum Arbeitsplatz erlaubt habe (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024 S. 19 und 20). Die Aussagen des Z4 erweckten aber den Eindruck, dass es zwar ein Verbot der Mitnahme von offenen Kaffeebehältern am Arbeitsplatz gegeben habe, dieses aber vom Z4 nicht konsequent von seinen Mitarbeitern eingefordert wurde. Klar ist außerdem auch nicht, inwieweit das Verbot den Mitarbeitern kommuniziert worden wäre. Die Aussagen deuten darauf hin, dass es unter den Abteilungsleitern Uneinigkeit gab – etwa auch in der Frage, ob offene Getränke an den Arbeitsplatz mitgenommen werden dürfen.
Indem der Z4 gestattete, Kaffee während der Pause am Arbeitsplatz zu trinken, sprach er sich faktisch für die Mitnahme offener Kaffeebehälter an den Arbeitsplatz aus – offenbar entgegen einer bestehenden Regelung. Vor diesem Hintergrund erscheint es nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer bei der Mitnahme seines Kaffeebechers nicht mit Konsequenzen rechnete. Auch die Haltung des Beschwerdeführers nach der Ermahnung durch Z5 und Z3 – nämlich, dass ihm die Mitnahme des Kaffeebechers erlaubt worden sei – wird durch diese Umstände verständlich (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024 S. 7).
Soweit Z3 angab, er könne nicht sagen, ob Z4 das Kaffeetrinken am Arbeitsplatz erlaubt habe, und dass der Beschwerdeführer dies – falls dem so sei – hätte mitteilen müssen (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024 S. 16), ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer genau dies nach eigener Aussage getan habe, was schließlich zu einer Auseinandersetzung mit Z3 geführt habe (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024 S. 7). Der Z3 konnte sich an den Beschwerdeführer nicht mehr erinnern und daher auch nicht wiedergeben, was am 10.10.2018 vorfiel (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024 S. 14).
Der Zeuge XXXX (Z1), der zur selben Zeit wie der Beschwerdeführer über Vermittlung durch das AMS im Lager tätig war, hatte ebenso keine genauen Erinnerungen zu den dort tätigen Personen. Er könne sich auch an nichts Auffälliges erinnern. Für ihn sei das Thema Kaffeekonsumation am Arbeitsplatz auch kein Thema gewesen, er habe Wasser beim Computer konsumiert (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 22.01.2025 S. 3).
Der Zeuge XXXX (Z2), der ebenfalls zur gleichen Zeit mit dem Beschwerdeführer im Lager zusammenarbeitete, gab an, sich an den Beschwerdeführer erinnern zu können. Er beschrieb ein normales Arbeitsklima und eine normale Beziehung zwischen ihm und dem Beschwerdeführer. Es habe keine Probleme gegeben. An unangenehme Situationen könne er sich nicht erinnern, auch könne er sich nicht daran erinnern, dass er Kaffee am Arbeitsplatz getrunken hätte und dies von einem Vorgesetzten thematisiert worden wäre (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024, S. 10 und 11).
Der Zeuge XXXX (Z6), ebenso ein damaliger Kollege des Beschwerdeführers, konnte sich an den Beschwerdeführer erinnern, jedoch nicht daran, ob es verboten oder gestattet gewesen sei, am Arbeitsplatz Kaffee zu konsumieren. Er könne sich aber an eine weitere Diskussion mit Z3 erinnern. Insbesondere sei er wegen seiner Pause gerügt worden. Er habe daraufhin gesagt, dass er seine Pause fertigmache, denn er sei kein Sklave (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.03.2025, S. 11 bis 13).
So führte bereits der Beschwerdeführer aus, dass es ein paar Tage vor dem 10.10.2018 im Pausenhof zu einer Diskussion zwischen dem Z3 und Z6 gekommen sei. Gegen Ende der Mittagspause habe der Z3 im Pausenhof lauthals geschrien, dass alle sofort die Pause beenden sollten. Der Z6 habe darauf erwidert, dass seine Uhr genau sei und sie noch zwei Minuten Pause hätten, worauf der Z3 sagte, dass er ihn zum AMS zurückschicke, wenn er mit ihm diskutiere (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.03.2025, S. 8). Konsequenzen habe es wegen des Vorfalls für Z6 nicht gegeben (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.03.2025, S 15).
In Übereinstimmung mit den Aussagen des Beschwerdeführers, der aussagte, dass er nie ein Gespräch mit Z3 geführt habe und nicht gewusst habe, welche Funktion dieser habe, gab auch Z6 an, dass sich Z3 erst im Nachhinein als sein Chef deklariert habe (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.03.2025, S. 12).
Der Z6 könne sich auch an die Meinungsverschiedenheit zwischen dem Beschwerdeführer und dem Z3 erinnern. Sinngemäß soll der Beschwerdeführer damals gesagt haben, dass es keine Vorschriften gäbe, die das Trinken am Arbeitsplatz verbieten würden. An die Reaktion des Z3 könne er sich jedoch nicht mehr erinnern, nur daran, dass dem Beschwerdeführer nahegelegt worden sei, dass er jetzt aufhören solle, da er sonst nachhause oder zum AMS geschickt werde, was auch dann passiert sei (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.03.2025, S. 13 und 15).
2.3.5. Keiner der Zeugen äußerte oder bestätigte ein respektloses Verhalten gegenüber den Kolleg:innen. Im Gegenteil: Zwei der Zeugen betonten ausdrücklich, dass ein gutes Arbeitsklima untereinander geherrscht habe.
2.3.6. Betreffend den weiteren Beendigungsgrund „wiederholte Unpünktlichkeit“ ist beweiswürdigend eingangs auszuführen, dass aus den übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers und der Zeugen in der mündlichen Verhandlung hervorging, dass das Zeiterfassungssystem darin bestand, dass sich die Mitarbeiter am Beginn des Arbeitstages in eine Anwesenheitsliste trugen (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024, S. 6).
Aufzeichnungen dazu hätte der Z3 anfordern wollen, diese seien jedoch nicht mehr vorhanden (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024, S. 17 und 18).
Der Z4 führte aus, dass für ihn wiederholte Unpünktlichkeit dann vorliege, wenn dies einmal wöchentlich passiere. Drei-, vier- oder fünfmal im Jahr sei solch ein Beendigungsgrund vorgekommen, aber generell nicht oft (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024 S. 21).
Laut Z5 sei Unpünktlichkeit ein Thema gewesen, aber ein- bis zweimal sei nicht relevant gewesen. Er konnte sich jedoch nicht an ein „gröberes“ Problem mit einem Mitarbeiter wegen Unpünktlichkeit erinnern (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.03.2025 S. 5).
Die Zeugen Z3, Z4 und Z5 konnten sich nicht mehr an den Beschwerdeführer erinnern und daher auch nicht angeben, dass der Beschwerdeführer wiederholt unpünktlich gewesen sei. Auch sonst gab es in der mündlichen Verhandlung keinen Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer wiederholt unpünktlich gewesen wäre. Der Beschwerdeführer selbst gab an, nie unpünktlich gewesen zu sein (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024, S. 6). Hinsichtlich dessen gaben die weiteren Zeugen nichts Gegenteiliges an.
Bezüglich des eigenen Arbeitstrainings gab der Z1 an, dass er keinen Dienstvertrag bekommen habe, das Dienstverhältnis sei von Seiten des SÖB XXXX beendet worden. Die Gründe seien ihm nicht genannt worden, er gehe aber davon aus, dass es an seinen Krankenstandstagen bzw. am Zuspätkommen gelegen sei. Die Beendigung sei aufgrund seiner Fehltage nachvollziehbar gewesen, die Gründe seien ihm aber nicht mitgeteilt worden. Eine Sanktion seitens des AMS habe es nicht gegeben (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 22.01.2025 S. 5 und 6).
Der Z6 antwortete auf die Frage, ob er ein pünktlicher Mitarbeiter gewesen sei, dass er kleine Kinder habe und alleinerziehender Vater sei (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.03.2025, S. 14). Der Z6 sei laut eigenen Angaben aufgrund von Kinderbetreuungspflichten nicht übernommen worden (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.03.2025, S. 12).
Eine wiederholte Unpünktlichkeit des Beschwerdeführers wurde durch die Zeugenaussagen nicht bestätigt. Auch ergaben sich keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass Unpünktlichkeit beim Beschwerdeführer ein relevantes Problem dargestellt hätte. Zwar äußerte sich Z5 allgemein zum Thema Unpünktlichkeit, betonte jedoch zugleich, sich an kein gravierendes Problem in diesem Zusammenhang erinnern zu können.
2.3.7. Aus dem vorliegenden Karriereplan, worin die Beendigungsgründe festgehalten wurden, ist ersichtlich, dass dieser am 11.10.2018 vom Z4 erstellt wurde (vgl. AS 2).
Auf Vorhalt dessen, gab der Z4 an, dass er dazu nichts sagen könne. Normalerweise schreibe er nicht irgendwas Erfundenes. Er könne sich keine Situation vorstellen, wenn da nichts gewesen wäre, wäre es nicht zur Beendigung gekommen. Es sei eine stressige Zeit gewesen, er sei über jede Arbeitskraft dankbar gewesen. Sie hätten die Formulierungen neutral gewählt. Sie hätten nicht gewollt, dass sie einem Mitarbeiter noch mehr Schaden zufügen würden, als dieser ohnehin schon habe (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024 S. 21).
Der Z3 gab diesbezüglich an, dass es nochmal intern mit dem Abteilungsleiter besprochen werden würde, selbstständige Aktionen seien sehr unwahrscheinlich (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024 S. 15). Wenn es zu Problemen mit Mitarbeitern gekommen sei, hätten die Abteilungsleiter um Unterstützung gebeten (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024 S. 16).
Zudem führte er aus, dass er mit Menschen arbeite und ein gewisses Gespür brauche. Ein Dienstverhältnis habe er sicher nicht aufgelöst, weil jemand einen Kaffee getrunken habe. Bei Problemen würde ein 6-Augen Gespräch mit dem Abteilungsleiter geführt werden oder es gäbe ein Gespräch mit der HR. Er sei außerdem kein leitender Angestellter, er könne ein Dienstverhältnis nicht einfach so auflösen (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.11.2024, S. 17 und 18).
Dazu gilt es auszuführen, dass es sich primär nicht um ein Dienstverhältnis, sondern um ein Arbeitstraining handelte, das gegebenenfalls in ein solches hätte übergehen können. Wie bereits dargestellt, wurde nicht allen Personen nach Abschluss eines Arbeitstrainings ein Dienstvertrag angeboten. Einige dieser Trainings wurden auch vorzeitig beendet – so auch jenes des Beschwerdeführers.
Auch wenn Z3 angab, dass eine eigenständige Entscheidung eines Abteilungsleiters zur Beendigung eines Arbeitstrainings eher unwahrscheinlich sei, konnte er dennoch nicht ausschließen, dass eine solche Entscheidung im vorliegenden Fall getroffen wurde – ebenso wenig, dass er selbst die Beendigung des Arbeitstrainings des Beschwerdeführers an diesem Tag veranlasst habe.
Z4, der laut Karriereplan die Beendigungsgründe dokumentierte, konnte nicht überzeugend darlegen, dass die angeführten Gründe – nämlich wiederholte Unpünktlichkeit sowie respektloses Verhalten gegenüber Kolleg:innen und Vorgesetzten – im konkreten Fall tatsächlich vorgelegen hätten. Auch wenn angesichts des Zeitablaufs Erinnerungslücken nicht auszuschließen sind, haben sich diese Beendigungsgründe nach Abwägung sämtlicher Aussagen nicht bestätigt.
2.3.8. Das Gesamtbild deutet darauf hin, dass die Mitnahme eines offenen Kaffeebechers zum Arbeitsplatz am 10.10.2018 – die eine Ermahnung durch Z5 und in weiterer Folge eine Diskussion mit Z3 zur Folge hatte – ausschlaggebend für die Beendigung des Arbeitstrainings war.
Dies wird auch dadurch gestützt, dass das Arbeitstraining noch am selben Tag, also unmittelbar nach dem Vorfall, beendet wurde.
Wie bereits obig dargelegt, geht der erkennende Senat nicht davon aus, dass der Beschwerdeführer an diesem Tag ein respektloses Verhalten gegenüber seinen Vorgesetzten zeigte.
Aufgrund der uneinheitlichen Handhabung eines offenbar bestehenden Verbots zur Mitnahme offener Kaffeebehälter durch die Abteilungsleiter musste der Beschwerdeführer nicht mit disziplinären Konsequenzen rechnen. Vor diesem Hintergrund erscheint auch seine Haltung gegenüber Z3 nachvollziehbar, nämlich, dass ihm die Mitnahme durch Z4 ausdrücklich gestattet worden sei – was letztlich zur besagten Auseinandersetzung und zur Beendigung des Arbeitstrainings führte.
Eine wiederholte Unpünktlichkeit sowie respektloses Verhalten gegenüber Kolleg:innen oder Vorgesetzten konnten auf Basis der vorliegenden Zeugenaussagen nicht festgestellt werden.
Vor diesem Hintergrund vermag der erkennende Senat kein Verhalten des Beschwerdeführers erkennen, das geeignet wäre, die gegenständliche Sanktion in sachlicher Hinsicht zu rechtfertigen.
2.4. Zum beantragten und geladenen Zeugen XXXX (Z7) ist auszuführen, dass dieser mehrmals geladen wurde, zuletzt durch einen Ladungsbeschluss vom 10.02.2025. Dieser erschien jedoch nicht zur mündlichen Verhandlung (vgl. OZ 27 und 34). Eine Auskunft des Zentralen Melderegisters ergab, dass der Z7 über keine aufrechte Meldeadresse in Österreich verfügt (vgl. OZ 26). Telefonisch gab der Z7 am 06.03.2025 an, dass er nicht teilnehmen könne, da am Tag der mündlichen Verhandlung im Büro eine Inventur stattfinde (vgl. OZ 37).
Nach Ansicht des erkennenden Senats bieten die zahlreichen und inhaltlich umfassenden Aussagen der bereits einvernommenen Zeugen eine ausreichende Grundlage, um auf Basis der festgestellten Sachverhaltslage eine Entscheidung zu treffen. Der Beschwerdeführer hat weder substantiiert dargelegt noch ergibt sich aus dem Verfahren, dass die Einvernahme des Z7 zur Klärung entscheidungserheblicher Tatsachen erforderlich gewesen wäre oder sich daraus eine wesentliche Änderung der Entscheidungsgrundlagen ergeben hätte.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Entscheidung in der Sache:
Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AlVG) BGBl. Nr. 609/1977 idgF lauten:
„Arbeitslosengeld
Voraussetzungen des Anspruches
§ 7. (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer 1. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, 2. die Anwartschaft erfüllt und 3. die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.
(2) Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.
(3) Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf eine Person, 1. die sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält, 2. die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben sowie, wenn ihr eine unselbständige Beschäftigung nur nach Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung gestattet ist, keine dieser gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975, entgegenstehenden wichtigen Gründe wie insbesondere wiederholte Verstöße infolge Ausübung einer Beschäftigung ohne Beschäftigungsbewilligung während der letzten zwölf Monate vorliegen.“
„Arbeitswilligkeit
§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG), BGBl. Nr. 31/1969, durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.
(2) Eine Beschäftigung ist zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung. Die zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg beträgt jedenfalls eineinhalb Stunden und bei einer Vollzeitbeschäftigung jedenfalls zwei Stunden. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, insbesondere wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar.
(3) bis (7) […]
(8) Wenn im Zuge von Maßnahmen des Arbeitsmarktservice Arbeitserprobungen stattfinden, so haben diese Arbeitserprobungen den in den Richtlinien des Verwaltungsrates geregelten Qualitätsstandards zu entsprechen. Arbeitserprobungen dürfen nur zur Überprüfung vorhandener oder im Rahmen der Maßnahme erworbener Kenntnisse und Fertigkeiten sowie der Einsatzmöglichkeiten in einem Betrieb eingesetzt werden und eine diesen Zielen angemessene Dauer nicht überschreiten. Bei Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt hat das Arbeitsmarktservice der arbeitslosen Person die Gründe anzugeben, die eine Teilnahme an einer derartigen Maßnahme als zur Verbesserung der Wiederbeschäftigungschancen notwendig oder nützlich erscheinen lassen, so weit diese nicht auf Grund der vorliegenden Umstände wie insbesondere einer längeren Arbeitslosigkeit in Verbindung mit bestimmten bereits zB im Betreuungsplan (§ 38c AMSG) erörterten Problemlagen, die einer erfolgreichen Arbeitsaufnahme entgegen stehen, als bekannt angenommen werden können. Eine Maßnahme zur Wiedereingliederung kann auch auf die persönliche Unterstützung bei der Arbeitssuche abzielen.“
„§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person 1.sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder 2. sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch ihr Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder 3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder 4. auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen,
so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.
(2) […]
(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.
(4) […]“
„Notstandshilfe
Voraussetzungen des Anspruches
§ 33. (1) Arbeitslosen, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld erschöpft haben, kann auf Antrag Notstandshilfe gewährt werden.
(2) Notstandshilfe ist nur zu gewähren, wenn der (die) Arbeitslose der Vermittlung zur Verfügung steht (§ 7 Abs. 2 und 3) und sich in Notlage befindet.
(3) bis (8) […]“
„§ 38. Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden.“
3.2. Arbeitswilligkeit:
3.2.1. Nach § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer unter anderem bereit ist, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen.Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AlVG verliert eine arbeitslose Person, die ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen - bzw. unter näher umschriebenen Voraussetzungen acht Wochen - den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
3.3. Zur Erforderlichkeit der Wiedereingliederungsmaßnahme:
3.3.1. „Wiedereingliederungsmaßnahmen“ sind Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Sie sollen dem Arbeitslosen die Integration in den Arbeitsmarkt erleichtern, was durch optimale Unterstützung bei der konkreten Arbeitssuche bzw. Orientierung erreicht werden soll. Sie dienen – wenn auch nicht in derselben berufsbezogenen Weise wie eine Nach(Um)schulung – der im konkreten Fall jeweils erforderlichen Verbesserung von Kenntnissen und Fähigkeiten des Arbeitslosen (vgl. Zechner, Arbeitslosenversicherungsgesetz (21. Lfg 2023) § 10 AlVG).
Der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z 3 AlVG wird jedoch nur verwirklicht, wenn die Wiedereingliederungsmaßnahme zumutbar ist. Das Gesetz enthält keine Beschränkung auf bestimmte Zumutbarkeitsgesichtspunkte wie bei der Beschäftigungszuweisung und führt in § 10 Abs 1 Z 3 AlVG den unbestimmten Gesetzesbegriff „wichtiger Grund“ an. Es besteht daher ein viel weitergehender Entscheidungsspielraum bei Beurteilung der Zumutbarkeit und der Arbeitswilligkeit im Falle der Nichtteilnahme an einer Maßnahme als bei der Zuweisung einer Beschäftigung. Es ist somit eine verstärkte Bedachtnahme insbesondere auf familiäre Gesichtspunkte (zB Betreuungspflichten) möglich (VwGH 18. 10. 2000, 98/08/0304).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht es nicht im freien Belieben des AMS, Arbeitslosen (Langzeitarbeitslosen) entweder eine Arbeitsstelle zu vermitteln oder sie zu einer Nach- oder Umschulung oder zu einer Wiedereingliederungsmaßnahme zuzuweisen. Für die Zuweisung zu einer solchen Maßnahme ist vielmehr Voraussetzung, dass die Kenntnisse des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend sind. Eine Wiedereingliederungsmaßnahme ist nur dann erforderlich und zumutbar im Sinne des § 9 AlVG, wenn sie allein oder gemeinsam mit anderen Maßnahmen im Hinblick auf eine tatsächliche Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt Erfolg versprechend erscheint (vgl. VwGH vom 31.07.2014, 2013/08/0279).
Gemäß § 9 Abs. 8 AlVG hat das AMS bei Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt der arbeitslosen Person die Gründe anzugeben, die eine Teilnahme an einer derartigen Maßnahme als zur Verbesserung der Wiederbeschäftigungschancen notwendig oder nützlich erscheinen lassen, soweit diese nicht auf Grund der vorliegenden Umstände wie insbesondere einer längeren Arbeitslosigkeit in Verbindung mit bestimmten bereits z.B. im Betreuungsplan (§ 38c AMSG) erörterten Problemlagen, die einer erfolgreichen Arbeitsaufnahme entgegen stehen, als bekannt angenommen werden können. Daraus ergibt sich, dass - bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen - eine (ausführlichere) Begründung der Maßnahme vor Zuweisung entfallen und sohin die Begründung der Notwendigkeit oder auch Nützlichkeit der Maßnahme noch im Verwaltungsverfahren nachgeholt werden kann. Ein Ausschluss vom Bezug der Geldleistung setzt aber jedenfalls voraus, dass entsprechende Gründe für die Zuweisung zu einer Maßnahme vorliegen (vgl. VwGH vom 09.05.2022, Ra 2020/08/0185, sowie VwGH vom 31.07.2014, 2013/08/0279).
3.3.2. Ein Arbeitstraining, worunter systematische Arbeitsübungen zur Verbesserung der Arbeitshaltung und Steigerung der Arbeitsbelastung zu verstehen sind, stellt laut Judikatur des VwGH eine Wiedereingliederungsmaßnahme im Sinne des AlVG dar (vgl. VwGH vom 02.06.2016, Ra 2015/08/0044).
3.3.3. Im gegenständlichen Fall wurden, wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, in der einvernehmlich abgeschlossenen Betreuungsvereinbarung vom 23.08.2018 die Defizite des Beschwerdeführers dargelegt.
Der Beschwerdeführer wurde, wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, auch ausreichend über die Inhalte der Wiedereingliederungsmaßnahme informiert.
Abgesehen davon, ist angesichts der jahrelangen Abwesenheit des Beschwerdeführers vom Arbeitsmarkt davon auszugehen, dass eine (ausführlichere) Begründung der verfahrensgegenständlichen Wiedereingliederungsmaßnahme vor der Zuweisung gemäß § 9 Abs. 8 AlVG entfallen konnte (vgl. VwGH vom 09.05.2022, Ra 2020/08/0185).
Laut Verwaltungsgerichtshof ist es notorisch und bedarf keiner näheren Begründung, dass eine langjährige Absenz vom Arbeitsmarkt den arbeitsplatzbezogenen Einordnungs- und Kommunikationsfähigkeiten eines potenziellen Mitarbeiters in der Regel nicht förderlich ist, was wiederum in den Augen von Arbeitgebern einen Bewerbungsnachteil bei sonst durchaus gleicher Qualifikation darstellen kann, was ein Vermittlungsdefizit darstellt, das eine Wiedereingliederungsmaßnahme notwendig macht (vgl. VwGH vom 02.05.2012, 2011/08/0389; 07.09.2011, 2010/08/0245; 06.07.2011, 2011/08/0013 und 2009/08/0114).
Eben aufgrund der langen Abwesenheit des Beschwerdeführers vom Arbeitsmarkt ist von einem positiven Effekt der durch die Maßnahme vermittelten praktischen Tätigkeiten in Bezug auf die weitere Qualifizierung der Beschwerdeführerin auszugehen und die zugewiesene Maßnahme daher als notwendig (und nützlich) anzusehen (vgl. VwGH vom 14.11.2012, 2010/08/0023), um die Wiederbeschäftigungschancen zu erhöhen. Die Problemlagen, die einer erfolgreichen Arbeitsaufnahme entgegenstehen, wurden dem Beschwerdeführer auch ausreichend deklariert.
Die gegenständliche Maßnahme diente, wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, der Feststellung der Eignung und der Behebung der individuellen Problemlage des Beschwerdeführers und war in Hinblick auf die lange Absenz vom Arbeitsmarkt und die damit verbundenen arbeitsplatzbezogenen Einordnungs- und Kommunikationsschwierigkeiten notwendig und nützlich. Die Wiedereingliederungsmaßnahme erschien erfolgsversprechend, war gesetzlich zugelassen und erfüllte auch sonst die Zumutbarkeitskriterien.
Die Maßnahme war daher im Sinne des § 9 Abs. 8 AlVG zumutbar.
3.4. Zum Vorliegen einer Vereitelungshandlung:
3.4.1. Eine arbeitslose Person, die einer zur Behebung ihrer Vermittlungsdefizite erforderlichen und zumutbaren Wiedereingliederungsmaßnahme zugeteilt wurde, hat nach der Rechtsprechung die Verpflichtung, alles zu unterlassen, was den Erfolg der Maßnahme vereiteln könnte. Eine solche Vereitelung kann durch eine ungerechtfertigte Weigerung bewirkt werden, an der Maßnahme überhaupt teilzunehmen (vgl. VwGH vom 19.09.2007, 2006/08/0241, sowie Julcher in Pfeil/Auer-Mayer/Schrattbauer, AlV-Komm § 10 AlVG).
Eine ungerechtfertigte Vereitelung liegt vor, wenn (1) es sich überhaupt um eine wirksam zugewiesene zumutbare Maßnahme handelt, (2) feststeht, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitslosen für die Erlangung bzw. Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend sind und es deshalb einer solchen Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bedarf und (3) das Arbeitsmarktservice das Ergebnis des diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung - aus den Verwaltungsakten nachvollziehbar zur Kenntnis gebracht hat und (4) der Arbeitslose dennoch ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme abgelehnt bzw. den Erfolg der Maßnahme vereitelt hat.
Um somit in Bezug auf eine bestimmte Maßnahme von der Vereitelung ihres Erfolges sprechen zu können, ist daher Voraussetzung, dass der Arbeitslose weiß, an welchen Defiziten er leidet, und die Ziele kennt, die mit der Maßnahme erreicht werden sollen (vgl. VwGH 15.03.2005, 2004/08/0210; 21.12.2005, 2004/08/0244).
Wurde eine arbeitslose Person zur Behebung ihrer Vermittlungsdefizite einer erforderlichen und zumutbaren Schulungs-, Umschulungs- oder Eingliederungsmaßnahme zugeteilt, dann hat sie die Verpflichtung alles zu unterlassen, was den Erfolg der Maßnahme vereiteln könnte, widrigenfalls eine Sperrfrist nach § 10 Abs. 1 AlVG verhängt werden kann (vgl. VwGH 19.09.2007, 2006/08/0241).
Als Vereitelung der Annahme einer Beschäftigung gilt nur ein für deren Nichtzustandekommen ursächliches und auf den Eintritt dieser Wirkung gerichtetes oder sie zumindest in Kauf nehmendes, somit vorsätzliches Verhalten (vgl. VwGH 03.07.2002, 2002/08/0036). Weitere Voraussetzung dafür, dass die Vereitelung des Erfolges einer (Um)Schulungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme angenommen werden kann, ist somit ein Verschulden des Leistungsbeziehers in Form des (zumindest bedingten) Vorsatzes (vgl. VwGH 23.01.2015, Ra 2014/08/0051). Die Vereitelung des Erfolges der Maßnahme kann durch eine ungerechtfertigte Weigerung bewirkt werden, an der Maßnahme überhaupt teilzunehmen, aber auch durch ein sonstiges vorsätzliches Verhalten, welches objektiv geeignet ist, den Erfolg der Maßnahme zu verhindern (vgl. VwGH 15.03.2005, 2004/08/0047; 19.09.2007, 2006/08/0241, mwN).
3.4.2. Im vorliegenden Fall wurden die Gründe dem Beschwerdeführer in der Betreuungsvereinbarung vom 23.08.2018 ausreichend dargelegt. Der Beschwerdeführer nahm ordnungsgemäß an der Wiedereingliederungsmaßnahme teil und setzte, wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, kein Verhalten, welches den Erfolg der Maßnahme vereiteln hätte können.
Der Beschwerdeführer war, wie festgestellt und beweiswürdigend erörtert, nicht unpünktlich und verhielt sich weder gegenüber seinen Kolleg:innen noch gegenüber seinen Vorgesetzten respektlos, sondern legte in zulässiger Form seinen Standpunkt dar. Dies stellt kein Verhalten dar, das objektiv dazu geeignet wäre, den Erfolg der Maßnahme zu vereiteln.
3.4.3. Der Beschwerdeführer hat somit keine Vereitelungshandlung im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG gesetzt.
3.5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 und § 10 AlVG ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.