JudikaturBVwG

G310 2312986-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
26. Mai 2025

Spruch

G310 2312986-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch den Erwachsenenvertreter Rechtsanwalt Mag. Martin GÖTZ, gegen den Bescheid der ORF-Beitrags Service GmbH vom 11.06.2024, GZ: XXXX , betreffend die Befreiung zur Entrichtung des ORF-Beitrags:

A) Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang und Feststellungen:

Am 05.01.2024 stellte der Beschwerdeführer (BF) einen Antrag auf Befreiung von Rundfunkgebühren und den damit verbundenen Abgaben und Entgelten bei der damals zuständigen Gebühren Info Service GmbH (GIS).

Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX 2024, XXXX , wurde der Rechtsanwalt Mag. Martin GÖTZ zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter für den BF bestellt. Mag. Martin GÖTZ hat den BF vor Gerichten, Ämtern, Behörden und Sozialversicherungsträgern zu vertreten sowie die Einkünfte, das Vermögen und die Verbindlichkeiten zu verwalten.

Mit dem oben angeführten Bescheid der ORF-Beitrags Service GmbH wurde der Antrag des BF zurückgewiesen und die fristgerechte Bezahlung des ORF-Beitrags angeordnet.

Im Verwaltungsakt finden sich keine Anhaltspunkte, dass der Bescheid nicht an den BF adressiert wurde.

Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus den vorgelegten Verwaltungsakten und dem Gerichtsakt des BVwG. Mangels entscheidungsrelevanter Widersprüche erübrigt sich eine eingehende Beweiswürdigung.

Rechtliche Beurteilung

Die Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit, durch eigene Handlungen oder durch die eines gewillkürten Vertreters prozessuale Rechte und Pflichten zu begründen und rechtswirksame Verfahrenshandlungen zu setzen. Sie richtet sich gemäß § 9 AVG nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, sofern die Verwaltungsvorschriften keine besonderen Regelungen enthalten. Damit wird die prozessuale Rechts- und Handlungsfähigkeit an die materiellrechtliche Rechts- und Handlungsfähigkeit geknüpft. Dafür ist entscheidend, ob die Partei im Zeitpunkt der betreffenden Verfahrensabschnitte in der Lage war, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens sowie der sich aus ihm ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten, was neben den von ihr gesetzten aktiven Verfahrenshandlungen auch Unterlassungen erfasst (siehe VwGH 20.12.2016, Ra 2015/01/0162).

Das Fehlen der Prozessfähigkeit ist als Vorfrage in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2015/01/0162). Mangelnde Prozessfähigkeit führt zur Unwirksamkeit verfahrensrechtlicher Akte der Behörde, zB von Zustellungen. Eine prozessunfähige Person kann keine wirksamen Verfahrenshandlungen setzen (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 130 ff).

Die Zustellung eines Bescheids ist ein Verfahrensakt, der rechtswirksam nur gegen Prozessfähige gesetzt werden kann. Eine an eine prozessunfähige Person vorgenommene Zustellung löst keine Rechtswirkungen aus. Die Behörde hat in diesem Fall den gesetzlichen oder bestellten Vertreter oder einen Kurator als Empfänger festzulegen. Erst mit der rechtmäßigen Zustellung gilt der zugestellte Akt als „erlassen“ (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 198). Wird ein Bescheid an eine handlungsunfähige Person zugestellt, ist die Erlassung des Bescheids unwirksam (VwGH 30.08.2007, 2006/19/0480).

Diese Grundsätze sind gemäß § 17 VwGVG iVm §§ 9, 11 AVG auch vom BVwG anzuwenden, das die Frage der Prozessfähigkeit im Hinblick auf die Zulässigkeit der Beschwerde als Vorfrage (§ 38 AVG) selbständig zu beurteilen hat (siehe VwGH 20.12.2016, Ra 2015/01/0162).

Dem BF fehlt für das gegenständliche Verfahren zweifelsohne die Prozessfähigkeit, und zwar auch schon während des Verfahrens vor der ORF-Beitrags Service GmbH, weswegen ihm der angefochtene Bescheid nicht wirksam zugestellt werden konnte.

Obwohl die ORF-Beitrags Service GmbH keine klassische Behörde ist, erfüllt sie durch ihre gesetzlich übertragenen Aufgaben eine behördenähnliche Funktion. Sie agiert im öffentlichen Auftrag und kann hoheitliche Entscheidungen treffen, weswegen sie in die vom gerichtlichen Erwachsenenvertreter zu besorgenden Angelegenheiten fällt.

Die gegenständlich erhobene Beschwerde richtet sich somit mangels wirksamer Bescheiderlassung gegen einen Nichtbescheid, was den Mangel der Zuständigkeit der Beschwerdeinstanz zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel zur Folge hat (vgl. auch VwGH 20.04.2017, Ra 2017/20/0095). Die vorliegende Beschwerde ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfällt eine mündliche Verhandlung aufgrund der Zurückweisung der Beschwerde.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG bei dieser Entscheidung an der zitierten VwGH-Rechtsprechung orientieren kann und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hat.