Spruch
G316 2312619-1/6Z
Teilerkenntnis
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina MUCKENHUBER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Rumänien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.04.2025, Zl. XXXX , betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, zu Recht:
A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 10.04.2025 wurde gegen den rumänischen Staatsangehörigen XXXX (im Folgenden: BF) gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein für die Dauer von 6 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
Zu Spruchpunkt III. führte die belangte Behörde aus, dass aufgrund des persönlichen und strafbaren Verhaltens des BF, das durch die rechtskräftigen Verurteilungen durch inländische bzw. ausländische Gerichte erwiesen sei und aufgrund der daraus resultierenden eminenten Gefahr der Vereitelung von weiteren behördlichen Maßnahmen die Ausreise des BF dringend erforderlich sei.
Der BF erhob durch seine Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde und verwies darin auf das in der behördlichen Einvernahme vorgebrachte Familienleben im Bundesgebiet, wonach der BF in einer Lebensgemeinschaft mit einer rumänischen Staatsangehörigen und ihrem gemeinsamen 15-jährigen Sohn lebe.
Die gegenständliche Beschwerde wurde mit dem maßgeblichen Verwaltungsakt am 15.05.2025 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist rumänischer Staatsangehöriger und hält sich seit Mai 2022 mit Unterbrechungen im Bundesgebiet auf.
Er ging im Bundesgebiet von Juni bis Oktober 2022, von Mai bis August 2023 und von Juni 2024 bis März 2025 Beschäftigungen mit Unterbrechungen bei fünf verschiedenen Arbeitgebern nach.
Der BF verfügt über keine Anmeldebescheinigung.
1.2. Der BF trat in Österreich wiederholt strafgerichtlich in Erscheinung:
1.2.1. Am 13.09.2023 wurde ein gegen den BF geführtes Strafverfahren diversionell erledigt, nachdem er im Februar 2023 zwei Parfums aus einem Geschäft wegnahm und mit dem Auto flüchtete. Dem BF wurde die Zahlung einer Geldbuße in Höhe von € 400,-- auferlegt.
1.2.2. Am 18.03.2024 wurde der BF von einem Bezirksgericht wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je € 4,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 45 Tage) verurteilt.
Dem Urteil lag zugrunde, dass der BF am XXXX .2023 aus einem Geschäft eine Lederjacke im Wert von €119,-- wegzunehmen versuchte, um sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.
Bei der Strafbemessung wurden der bisher ordentliche Lebenswandel und der Umstand, dass es beim Versuch blieb, als mildernd gewertet.
1.2.3. Am 13.01.2025 wurde der BF von einem Bezirksgericht wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt.
1.2.4. Am 22.05.2024 wurde der BF von einem Landesgericht wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen und räuberischen Diebstahls nach §§127, 130 Abs. 1, 1. Fall, teils 15 StGB unter Bedachtnahme auf das Strafurteil 18.03.2024 zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von 22 Monaten verurteilt.
Dem Urteil lag zugrunde, dass der BF am XXXX .11.2023 zwei Jacken, eine Hose und ein Sakko im Gesamtwert von Euro 979,70 aus einem Kleidungsgeschäft wegnahm bzw. wegzunehmen versuchte, um sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die Taten in der Absicht ausführte, sich durch ihre wiederkehrende Begehung längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen und unter Einsatz besonderer Fähigkeiten oder Mittel handelte, die eine wiederkehrende Begehung nahelegen, indem er mit einem zur Tatbegehung eigens mitgeführten Seitenschneiders in der Umkleidekabine die Diebstahlssicherungen an den Kleidungsstücken entfernte, um mit diesen anschließend das Geschäft zu verlassen, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil er von einer Ladendetektivin beim Verlassen der Kabine beobachtet und dadurch auf frischer Tat betreten wurde, woraufhin er die Kleidungsstücke zurückließ und flüchtete.
Weiters nahm er im Jänner 2024 sieben Kleidungsstücke im Gesamtwert von € 585,-- weg, indem er diese an sich nahm und das Geschäft ohne diese zu bezahlen verließ, wobei er beim Diebstahl auf frischer Tat betreten wurde und Gewalt gegen eine Person anwendete, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten, indem er mit seinem PKW zurückfuhr und den in der geöffneten Fahrertür stehenden Ladendetektiv, der ihn am Parkplatz vor dem Geschäft anhielt, zwei Meter mit seinem PKW nach hinten mitzog, sodass dieser zur Seite springen musste, um durch die offen stehende Fahrertüre nicht weiter mitgeschleift zu werden.
Unter Einbeziehung der Strafzumessungsgründe des Vorurteils wurde der Umstand, dass der BF strafbare Handlungen derselben Art begangen hat und er sieben auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorverurteilungen aufweist, als erschwerend gewertet. Schuldsteigernd wirkte zudem die Begehung der Straftat während des zum Vorurteil anhängigen Strafverfahrens. Als Mildernd wurde gewertete, dass es teilweise beim Versuch blieb und der BF ein reumütiges Geständnis ablegte.
Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Urteil des OLG XXXX dahin Folge gegeben, dass die Zusatzfreiheitsstrafe auf 18,5 Monate herabgesetzt wurde.
Der BF befindet sich derzeit in Strafhaft.
1.3. Der BF weist zumindest acht strafgerichtliche Vorverurteilungen in Frankreich, Rumänien, Belgien, Italien sowie Deutschland auf.
1.4. Der BF führt eine Beziehung zu einer rumänischen Staatsangehörigen und lebte vor seiner Inhaftierung mit dieser und ihrem 15-jährigen Sohn im Bundesgebiet im gemeinsamen Haushalt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Identität des BF steht aufgrund des im Akt als Kopie befindlichen rumänischen Personalausweises unstrittig fest.
Auch wenn der BF zwischen August 2023 und Jänner 2024 Meldelücken im Bundesgebiet aufweist und in dieser Zeit auch keiner angemeldeten Beschäftigung nachging, ist von zumindest tageweisen Aufenthalten in diesem Zeitraum auszugehen, zumal sich aus den Strafurteilen ergibt, dass sich der BF zumindest am XXXX . und XXXX .11.2023 im Bundesgebiet zur Begehung von Ladendiebstählen aufhielt und auch die Verhandlung vor dem Bezirksgericht XXXX am 13.09.2023 in Anwesenheit des BF stattfand.
Die Beschäftigungen im Bundesgebiet beruhen auf dem aktenkundigen Auszug der Sozialversicherungsdaten des BF.
Dass der BF über keine Anmeldebescheinigung verfügt, ergibt sich einerseits aus dem Zentralen Fremdenregister und andererseits aus der Anzeige der belangten Behörde an die LPD XXXX vom 17.04.2023. Dahingehend in Einklang steht auch das Beschwerdevorbringen, wonach der BF bereits eine Anmeldebescheinigung beantragt habe, bis dato jedoch noch keine Entscheidung ergangen sei.
2.2. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen im Bundesgebiet samt genauen Tatumständen und Strafbemessungsgründen konnten den Urteilen des Bezirksgerichtes XXXX vom 18.03.2024, XXXX , des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 22.05.2024, XXXX dem Urteil des Oberlandesgerichts XXXX vom 26.02.2025. XXXX sowie einem aktuellen Strafregisterauszug entnommen werden. Der Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 13.09.2023, XXXX liegt ebenso im Verwaltungsakt ein.
Die derzeitige Anhaltung in Strafhaft beruht auf einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
2.3. Die Feststellungen zu den Verurteilungen im Ausland beruhen auf den aktenkundigen ECRIS-Auszügen zu Deutschland und Italien sowie den Ausführungen im Strafurteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 22.05.2024. Während das Strafurteil von sieben strafgerichtlichen Vorverurteilungen in Frankreich, Rumänien, Belgien und Italien ausging, liegt im Verwaltungsakt noch ein ECRIS-Auszug zu Deutschland mit einer weiteren Verurteilung auf und war daher von zumindest acht Verurteilungen auszugehen.
2.4. Die Feststellungen zum Familienleben des BF im Bundesgebiet beruhen auf den dahingehend gleichbleibenden Angaben des BF. Auch die Strafgerichte gingen davon aus, dass der BF in Lebensgemeinschaft lebt (Beschluss des Bezirksgericht XXXX vom 13.09.2023) und er Sorgepflichten für ein minderjähriges im gemeinsamen Haushalt lebendes Kind hat (Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 22.05.2024). Die Geburtsurkunde des Kindes wurde vom BF auch in Vorlage gebracht.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Vorweg ist festzuhalten, dass Gegenstand der vorliegenden Entscheidung nur jener – trennbare – Spruchteil des mit der Beschwerde angefochtenen Bescheides ist, mit dem gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt wurde, weshalb sich die Prüfung auf jene Teile des Beschwerdevorbringens beschränkt, die sich gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides) richten.
Die Entscheidung in der Hauptsache (dh. konkret gegen die Spruchpunkte I.-II. des angefochtenen Bescheides) ergeht zu einem späteren Zeitpunkt gesondert.
3.2. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
Zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden genügt es nicht, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (VwGH vom 27.08.2020, Ra 2020/21/0172).
Der BF wurde im Bundesgebiet innerhalb von 14 Monaten dreimal wegen Diebstahlsdelikten (zuletzt versuchter gewerbsmäßiger und räubersicher Diebstahl) verurteilt und weist er auch in Frankreich, Rumänien, Belgien, Italien und Deutschland insgesamt acht Vorverurteilungen auf.
Gegenständlich konnte jedoch festgestellt werden, dass sich der BF - wenn auch mit Unterbrechungen – seit drei Jahren im Bundesgebiet aufhält und vor seiner Inhaftierung mit seiner Lebensgefährtin und ihrem 15-jährigen Sohn im gemeinsamen Haushalt lebte.
Auch wenn eine sofortige Ausreise gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG aufgrund der Straffälligkeit und der bereits verwirklichten Wiederholungsgefahr grundsätzlich indiziert ist, macht der BF mit seinem Vorbringen ein reales Risiko einer Verletzung von Artikel 8 EMRK geltend. Weitere Ermittlungen sind daher notwendig, um im gegenständlichen Fall eine Verletzung von Artikel 8 EMRK ausschließen zu können.
Es war daher der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. stattzugeben und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuzuerkennen.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und solche sind auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Im Ergebnis war die Revision daher nicht zuzulassen.