JudikaturBVwG

W135 2304644-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
30. April 2025

Spruch

W135 2304644-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Ivona GRUBESIC als Vorsitzende und die Richterin Mag.a Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland (KOBV), gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 25.06.2024, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Der Grad der Behinderung beträgt 60 v.H.

Der Behindertenpass ist befristet bis 31.12.2029 auszustellen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 26.02.2024 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden: belangte Behörde). Hinsichtlich der vorliegenden Gesundheitsschädigungen verwies sie auf die dem Antrag beigelegten Befunde aus Jänner 2024.

Die belangte Behörde holte ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 07.05.2024 – basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am selben Tag – ein, in dem als Ergebnis der durchgeführten Untersuchung folgende Einschätzungen nach der anzuwendenden Einschätzungsverordnung vorgenommen wurden:

Gesamtgrad der Behinderung 20 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden 1 wird durch 2-4 nicht weiter erhöht, da von zu geringer funktioneller Relevanz.“

Mit Schreiben vom 21.05.2024 übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs das eingeholte Sachverständigengutachten und teilte ihr mit, dass mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorlägen. Der Beschwerdeführerin wurde die Möglichkeit der Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt.

Die Beschwerdeführerin erstattete keine Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs.

Mit Bescheid vom 25.06.2024 stellte die belangte Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt, weshalb der Antrag vom 26.02.2024 abgewiesen wurde. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das eingeholte Gutachten, wonach der Grad der Behinderung 20 v.H. betrage. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Der Beschwerdeführerin sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Da eine Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Dem Bescheid wurde nochmals das Sachverständigengutachten vom 07.05.2024 angeschlossen.

Gegen diesen Bescheid vom 25.06.2024 erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 06.08.2024, eingebracht am 09.08.2024, fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin brachte vor, in der Zwischenzeit leider erfahren zu haben, dass sie an einem Pankreaskarzinom leide. Da sich der Grad der Behinderung damit mit Sicherheit ändere, ersuche sie die neuen Befunde zu berücksichtigen und eine Beschwerdevorentscheidung zu treffen. Mit der Beschwerde legte die Beschwerdeführerin einen stationären Patientenbrief vom 01.07.2024 und einen chirurgischen OP-Bericht vom 11.07.2024 vor.

Die belangte Behörde holte daraufhin ein Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage bei dem zuvor beigezogenen Arzt für Allgemeinmedizin vom 22.08.2024 ein, in welchem unter Berücksichtigung der neu vorgelegten Befunde folgende Einschätzungen vorgenommen wurden und der Gesamtgrad der Behinderung wie folgt begründet wurde:

Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden 1 wird durch 2 mangels relevanter ungünstiger Leidensbeeinflussung nicht weiter erhöht. Leiden 3-5 erhöhen nicht weiter, da von zu geringer funktioneller Relevanz.“

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 22.08.2024 wurde der Beschwerdeführerin das eingeholte Sachverständigengutachten im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt. Der Beschwerdeführerin wurde die Möglichkeit der Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt.

Mit Schreiben vom 03.09.2024 legte die Beschwerdeführerin einen neuen Befund sowie eine neue Medikamentenliste vor. Weiters gab die Beschwerdeführerin an, gerne wissen zu wollen, welche Wegstrecke ihr in welcher Zeit zumutbar sei.

Auf Aufforderung durch die belangte Behörde legte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 20.09.2024 ein aktuelles Reinton-Audiogramm vom 02.09.2024 vor.

Aufgrund der neu vorgelegten medizinischen Unterlagen holte die belangte Behörde in der Folge Sachverständigengutachten aus den Fachbereich der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, der Inneren Medizin sowie eine auf diesen beiden Gutachten basierende Gesamtbeurteilung der beigezogenen Fachärztin für Innere Medizin ein.

Der Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde führte in seinem Aktengutachten vom 26.09.2024 auszugsweise Folgendes aus:

„Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Gesamtgrad der Behinderung 20 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Der GdB des ersten Leidens wird durch das zweite nicht erhöht, da die entsprechende funktionelle Einschränkung zur Gänze beim ersten Leiden berücksichtigt ist.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Die chronische Laryngitis kann nicht eingestuft werden, da keine Angaben über eine evtl. funktionelle Einschränkung vorliegen.“

Die beigezogene Fachärztin für Innere Medizin führte in ihrem Sachverständigengutachten vom 09.12.2024, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 06.12.2024, Folgendes aus:

„Anamnese: letztes Gutachten vom 7.5.2024: GdB 20vH wegen Zöliakie, RR, SD, Reflux Stellungnahme vom 6.9.2024: Pankreas Karzinom neu

Derzeitige Beschwerden: " Am Mittwoch bekomme ich die 11. Chemotherapie. Am 7.1. ist dann ein CT und eine Besprechung geplant. Ich leide vor allem unter der Polyneuropathie am ganzen Körper.

Mein Hautschicht ist wie eine Watte. ich habe auch Gleichgewichtsstörungen,

Mundtrockenheit, der Geschmacksinn ist gestört. Ich habe Gewicht verloren, ein ständiges Kältegefühl, die Augen sind trocken. Ich kann auch die öffentlichen Verkehrsmittel nicht benützen, weil ich ins AKH über eine Stunde zur Therapie fahre. Es ist mir viel leichter, wenn ich mit dem Auto fahre."

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: Pantoprazol, Paspertin, Zofran, Emend, Legalon, OleoVit, Ferrogradumet, Folsan, Amlodipin, Thyrex, Novalgin (b)

Sozialanamnese: verwitwet, keine Heimhilfe, lebt alleine

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe): Arztbrief XXXX 20.6.-22.6.2024: Pankreas Ca, Feinnadelpunktion Arztbrief XXXX 9.7.-12.7.2024 inkl OP Bericht : Adeno Ca der Cauda pankreatis, Netzmetastasen

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: gut

Ernährungszustand: normal

Größe: 154,00 cm Gewicht: 56,00 kg Blutdruck: 120/70

Klinischer Status – Fachstatus: HNAP: frei Hals: Z.n. STE, keine pathologischen Lymphknoten Thorax: Port a cat rechts in situ, Pulmo: VA, SKS HT: rein, rhythmisch, normofrequent Abdomen: Leber und Milz n.p., keine DP, keine Resistenzen, Darmgeräusche: lebhaft UE: keine Ödeme Pulse: beidseits palpabel FBA: möglich, NSG: möglich, FS: möglich Untersuchung im Sitzen und Liegen, selbständiges An- und Ausziehen

Gesamtmobilität – Gangbild: ausreichend trittsicher, keine Hilfsmittel

Status Psychicus:

allseits orientiert, Ductus kohärent

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden 1 wird von den Leiden 2-5 nicht weiter erhöht, da diese von geringer funktioneller Relevanz sind.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

siehe auch HNO Gutachten

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

erstmalige Berücksichtigung von Leiden 1

Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:

siehe Gesamtgutachten

Auf Grundlage der vorgenannten Sachverständigengutachten führte die beigezogene Fachärztin für Innere Medizin in ihrer Gesamtbeurteilung vom 12.12.2024 Folgendes aus:

„Auflistung der Diagnosen aus oa. Einzelgutachten zur Gesamtbeurteilung:

Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden 1 wird von den Leiden 2-7 nicht weiter erhöht, da diese von geringer funktioneller Relevanz sind.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

erstmalige Berücksichtigung der Leiden 1,2 und 4

Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:

siehe oben, der GdB wird um 4 Stufen höher eingestuft

In Folge des Ablaufes der Beschwerdevorentscheidungsfrist legte die belangte Behörde die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 19.12.2024 zur Entscheidung vor.

Mit Parteiengehörsschreiben vom 11.02.2025 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht der nunmehr durch den KOBV vertretenen Beschwerdeführerin die von der belangten Behörde im Rahmen des Beschwerdevorentscheidungsverfahrens eingeholten Sachverständigengutachten und räumte ihr die Möglichkeit ein, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens zu den Gutachten schriftlich Stellung zu nehmen.

In ihrer diesbezüglichen Stellungnahme vom 25.02.2025 führte die vertretene Beschwerdeführerin aus, dass sie aufgrund der notwendigen Chemotherapie unter einem CTS beidseits sowie einer Schädigung des Nervus peronäus beidseits leide. Durch diese Erkrankung komme es zu Sensibilitätsstörungen im Bereich beider Hände und dazu, dass der Beschwerdeführerin immer wieder Dinge aus der Hand fielen. Durch die Sensibilitätsstörungen im Bereich der unteren Extremitäten sei die Gehfähigkeit der Beschwerdeführerin stark eingeschränkt. Es bestehe ein schwankendes Gangbild und bestehe aufgrund der Polyneuropathie eine erhöhte Sturzgefahr. Es handle sich dabei um eine Gesundheitsschädigung, die bereits zum Zeitpunkt der Untersuchung am 06.12.2024 vorgelegen sei. Diese Erkrankung erreiche jedoch aufgrund der Schwere der damit einhergehenden Einschränkungen auch einen Grad der Behinderung und hätte daher bei der Feststellung des Grades berücksichtigt werden müssen. Aufgrund dieser Erkrankung sei die Beschwerdeführerin nicht in der Lage, eine Wegstrecke von rund 300 bis 400m zurückzulegen, sodass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ jedenfalls vorliegen würden. Es werde daher beantragt, das internistische Gutachten vom 06.12.2024 entsprechend zu ergänzen und festzustellen, dass ein höherer Grad der Behinderung als 60 v.H. vorliege und der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der Beschwerdeführerin liegen aktuell folgende Funktionseinschränkungen vor, wobei es sich bei der Funktionsbeeinträchtigung 1. um das führende Leiden handelt:

1. bösartige Neubildung der Bauchspeicheldrüse

2. Hörstörung beidseits

3. Zöliakie

4. Tinnitus

5. arterielle Hypertonie

6. Hypothyreose

7. Refluxösophagitis

Das mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 60 v.H. einzuschätzende Leiden 1. wird durch die übrigen Leiden nicht weiter erhöht, da diese von zu geringer funktioneller Relevanz sind.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt somit 60 v.H.

Hinsichtlich des Leidens 1. ist eine Nachuntersuchung nach Ablauf der Heilbewährungsphase im Dezember 2029 geboten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf die im Beschwerdevorentscheidungsverfahren von der belangten Behörde eingeholten und in den Ausführungen zum Verfahrensgang wiedergegebenen Sachverständigengutachten aus den Fachbereich der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, der Inneren Medizin sowie eine auf diesen beiden Gutachten basierende Gesamtbeurteilung der beigezogenen Fachärztin für Innere Medizin. In diesen medizinischen Sachverständigengutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die sachverständigen Gutachter setzten sich auch mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Die erstmals im Beschwerdevorentscheidungsverfahren vorgebrachten Leiden 2. „Hörstörung beidseits“ und 4. „Tinnitus“ wurden vom hals-, nasen- und ohrenfachärztliche Sachverständigen in seinem Aktengutachten vom 26.09.2024 eingeschätzt.

Dabei wurde das Leiden 2. „Hörstörung beidseits“ vom beigezogenen Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde korrekt der Position 12.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung (Ohren und Gleichgewichtsorgane – Hörorgan – Einschränkungen des Hörvermögens) mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. zugeordnet. Der untere Rahmensatz wurde damit begründet, dass beidseits nur eine knapp mittelgradige Hörstörung vorliege. Diese Zuordnung wurde seitens der Beschwerdeführerin im Rahmen des ihr vom Bundesverwaltungsgericht gewährten Parteiengehörs nicht beanstandet.

Das Leiden 4. „Tinnitus“ wurde zutreffend dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 12.02.02 (Ohren und Gleichgewichtsorgan – Hörorgan – Ohrgeräusche [Tinnitus] leichten bis mittleren Grades) zugeordnet und mit einem Grad der Behinderung von 10 v.H. eingestuft (die diesbezüglichen Parameter lauten: „10 %: Kompensiert und ohne nennenswerte psychische oder vegetative Begleiterscheinungen 20%: Dekompensiert mit erhebliche psychovegetativen Begleiterscheinungen 30 – 40 %: Mit wesentlichen Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ist ein zusätzliches psychiatrisches Sachverständigengutachten erforderlich“). Die vorgenommene Zuordnung wurde nachvollziehbar damit begründet, dass das Leiden nicht dekompensiert sei. Dieser Einschätzung trat die vertretene Beschwerdeführerin ebenfalls nicht entgegen.

Der beigezogene Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde kam schließlich nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass das Leiden „Hörstörung beidseits“ durch das Leiden „Tinnitus“ nicht erhöht werde, da die entsprechende funktionelle Einschränkung zur Gänze beim Leiden „Hörstörung beidseits“ berücksichtigt werde.

Die Leiden 1. „bösartige Neubildung der Bauchspeicheldrüse“, 3. „Zöliakie“, 5. „arterielle Hypertonie“, 6. „Hypothyreose“ und 7. „Refluxösophagitis“ wurden von der Sachverständigen für Innere Medizin im Gutachten vom 09.12.2024 nach einer umfassenden Begutachtung der Beschwerdeführerin in Übereinstimmung mit dem davor eingeholten allgemeinmedizinischen Aktengutachten vom 22.08.2024 eingeschätzt.

Dabei wurde das nunmehr vorliegende führende Leiden 1. der Beschwerdeführerin „bösartige Neubildung der Bauchspeicheldrüse“ rechtsrichtig unter der Positionsnummer 13.01.03 (Malignome – Entfernte Malignome mit weiterführender Behandlungsnotwendigkeit innerhalb der Heilungsbewährung je nach Funktionsstörung) mit einem Einzelgrad der Behinderung in Höhe von 60 v.H. eingeschätzt. Der gewählte Rahmensatz wurde damit begründet, dass Netzmetastasen vorliegen. Eine Nachuntersuchung nach Ablauf der Heilbewährungsphase im Dezember 2029 wurde angeordnet.

Was die von der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 25.02.2025 vorgebrachten Sensibilitätsstörungen im Bereich der oberen und unteren Extremitäten betrifft, ist – wie in der Stellungnahme selbst angeführt –, festzuhalten, dass die im Rahmen der Chemotherapie aufgetretenen Beschwerden, darunter die beschriebenen Sensibilitätsstörungen, bereits im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung am 06.12.2024 angegeben wurden („Am Mittwoch bekomme ich die 11. Chemotherapie. Am 7.1. ist dann ein CT und eine Besprechung geplant. Ich leide vor allem unter der Polyneuropathie am ganzen Körper. Meine Hautschicht ist wie eine Watte. ich habe auch Gleichgewichtsstörungen, Mundtrockenheit, der Geschmacksinn ist gestört. Ich habe Gewicht verloren, ein ständiges Kältegefühl, die Augen sind trocken. Ich kann auch die öffentlichen Verkehrsmittel nicht benützen, weil ich ins AKH über eine Stunde zur Therapie fahre. Es ist mir viel leichter, wenn ich mit dem Auto fahre.“) und in die Beurteilung der Sachverständigen eingeflossen sind. Dass es sich bei der Polyneuropathie als Folge der Chemotherapie um eine – über eine Nebenwirkung der Chemotherapie hinausgehende – weitere dauerhafte, als eigenständige Diagnose einzuschätzende Gesundheitsschädigung handelt, wie in der Stellungnahme behauptet, wurde von der Beschwerdeführerin nicht durch entsprechende Befunde belegt und ist solches auch aus dem mit der Stellungnahme vorgelegten elektroneudiagnostischen Befund vom 28.01.2025, nicht abzuleiten. Wie bereits festgehalten, lag die Behandlungsnotwendigkeit in Form der Chemotherapie hinsichtlich des Leidens 1. und die damit einhergehenden Nebenwirkungen bereits zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung vor und spiegeln sich in dem gewählten Rahmensatz in Höhe von 60 v.H. wider.

Insoweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vorbringt, dass aufgrund der Polyneuropathie ein schwankendes Gangbild bestehe und eine erhöhte Sturzgefahr vorliege und sie damit auf die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass Bezug nimmt, so ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid nicht über die Vornahme von Zusatzeintragungen in den Behindertenpass, sondern – als entsprechende Vorfrage hierzu – über den von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgesprochen hat. Die Klärung der Frage der Vornahme der genannten Zusatzeintragung in den Behindertenpass ist daher auch nicht Gegenstand des gegenständlich geführten Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Das Leiden 3. „Zöliakie“ wurde von der sachverständigen Fachärztin für Innere Medizin nachvollziehbar der Position 09.03.01 (Stoffwechselerkrankung leichten Grades) mit einem Rahmensatz von 20 v.H. zugeordnet („10 – 20 %: Ausschließlich diätische Maßnahmen ermöglichen die Aufrechterhaltung der Körperfunktion. Die Erkrankung ist weitgehend stabil. Arbeits- und Alltagsleben ist weitgehend ungehindert möglich. Freizeitgestaltung ist nicht oder wenig eingeschränkt.“). Die Wahl der Position wurde schlüssig damit begründet, dass das Leiden mittels Diät stabilisierbar sei.

Auch das Leiden 5. „arterielle Hypertonie“ wurde durch die beigezogene Gutachterin richtigerweise der Positionsnummer 05.01.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung (Herz und Kreislauf – Hypertonie – Leichte Hypertonie) zugeordnet und mit dem fixen Rahmensatz mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 v.H. bewertet. Diese Einstufung ist nicht zu beanstanden und wurde auch von der vertretenen Beschwerdeführerin nicht bestritten.

Das Leiden 6. „Hypothyreose“ schätzte die beigezogene Sachverständige unter der Position 09.01.01 (Endokrines System – Endokrine Störungen – Endokrine Störungen leichten Grades) nach dem unteren Rahmensatz mit einem Grad der Behinderung von 10 v.H. ein. Die Sachverständige begründete dies schlüssig damit, dass das Leiden medikamentös gut behandelbar sei.

Letztlich wurde auch das Leiden 7. „Refluxösophagitis“ zutreffend dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 07.03.05 (Verdauungssystem – Speiseröhre – Gastroösophagealer Reflux) mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 v.H. zugeordnet und nachvollziehbar damit begründet, dass ein stabiler Verlauf vorliege.

Die beigezogene Fachärztin für Innere Medizin begründete weiters auch den Gesamtgrad der Behinderung schlüssig damit, dass das mit 60 v.H. eingeschätzte führende Leiden 1. durch die Leiden 2. bis 7. nicht erhöht werde, da diese von geringer funktioneller Relevanz seien. Diese Ausführungen sind für das Bundesverwaltungsgericht nachvollziehbar und stehen mit § 3 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung in Einklang. Das Vorliegen einer maßgeblich ungünstigen wechselseitigen Leidensbeeinflussung wurde im Übrigen auch von der Beschwerdeführerin nicht behauptet.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen daher insgesamt keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachten eines Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde vom 26.09.2024, einer Fachärztin für Innere Medizin vom 09.12.2024 sowie eine auf diesen beiden Gutachten basierende Gesamtbeurteilung der beigezogenen Fachärztin für Innere Medizin vom 12.12.2024. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt. Die Beschwerdeführerin hat kein Gegengutachten oder medizinische Befunde vorgelegt, welche Anlass gegeben hätten, die Schlüssigkeit der vorliegenden Gutachten in Zweifel zu ziehen.

Im Ergebnis ist daher bei der Beschwerdeführerin von einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. auszugehen.

Doch hielt die beigezogene Gutachterin für Innere Medizin in ihrem Gutachten vom 09.12.2024 vor dem Hintergrund der Parameter der Position 13.01.03 („Nach Entfernung eines Malignoms innerhalb der Heilungsbewährung [5 Jahre]“) nachvollziehbar fest, dass eine nach Ablauf der Heilungsbewährungsphase hinsichtlich des Leidens 1. eine Nachuntersuchung im Dezember 2029 geboten ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Zu A)

Gemäß § 40 Abs. 1 Bundesbehindertengesetz (BBG) ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigen Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 43 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen eingetretene Änderungen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 46 BBG dürfen in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung), BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, lautet auszugsweise:

„Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.“

Die Anlage zur Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sieht – soweit im gegenständlichen Fall relevant – auszugsweise Folgendes vor:

„05 Herz und Kreislauf

05.01 Hypertonie

Liegt eine schwerere (über mäßig hinausgehende) Hypertonie vor, stehen die Folgeerkrankungen weit im Vordergrund. Es sind folglich diese Funktionseinschränkungen einzuschätzen. Die ursächliche Hypertonie ist bei dieser Einschätzung dann mit umfasst.

05.01.01 Leichte Hypertonie 10 %

[…]

07 Verdauungssystem

[…]

07.03 Speiseröhre

[…]

07.03.05 Gastroösophagealer Reflux 10 – 40%

Einteilung nach Savary und Miller:

10 %:

Stadium I – isolierte Schleimhauterosion

Ia: oberflächliche Erosion – roter Fleck

Ib: tiefe Erosion mit fibrinoider Nekrose (roter Fleck und weißliches Zentrum)

20 – 30 %:

Stadium II – longitudinal konfluierende Erosionen entlang der Schleimhautfalten

[…]

09 Endokrines System

Der Grad der Behinderung bei Störungen des Stoffwechsels und der inneren Sekretion ist von den Auswirkungen dieser Störungen an den einzelnen Organsystemen abhängig. Sofern im Abschnitt 09 keine Einschätzung vorgesehen ist, sind die funktionellen Defizite unter den jeweiligen Abschnitten, bei gesicherter Diagnose ohne wesentliche funktionelle Defizite mit 10 % einzuschätzen.

Normabweichungen der Laborwerte bedingen für sich alleine noch keinen Grad der Behinderung.

Übergewicht (Adipositas) an sich bedingt keine Einschätzung. Ist das Übergewicht gravierend (BMI 40) und mit funktionellen Einschränkungen verbunden, sind diese abhängig von den Einschränkungen unter den jeweiligen Abschnitten einzuschätzen.

Maligne Formen sind unter Abschnitt 13 einzuschätzen. Liegen zusätzlich psychische Funktionseinschränkung vor, sind diese gesondert unter Abschnitt 03 einzuschätzen.

09.01 Endokrine Störung

Endokrine Organe sondern ihr Sekret (Hormone) nach innen, direkt ins Blut ab. Funktionell zu unterscheiden sind Über- und Unterfunktionen, die abhängig vom Ausmaß und Wirkmechanismus in den einzelnen Organsystemen zu komplexen funktionellen Einschränkungen führen. Sie werden durch ein Überangebot oder einen Mangel an Hormonen ausgelöst. Sind diese Symptome in typischer Weise kombiniert, spricht man von Syndromen

Die Steuerung der Hormonabgabe (endokrine Sekretion) erfolgt durch aktivierende und hemmende (neuro)sekretorische Überträgerstoffe. Das Ausmaß der meist komplexen, mehrere Organsysteme betreffenden Erkrankung und demnach die Höhe des Grades der Behinderung, wird von der Wirkung auf die Endorgane und der möglichen medikamentösen Behandlung (hormonelle Substitution bzw. Inhibition) bestimmt.

Die häufigste endokrine Erkrankung – Diabetes mellitus – wird unter 09.02 hinsichtlich Einschätzungs- und Abgrenzungskriterien im Detail abgebildet. Die Funktionseinschränkungen aller anderen endokrinen Drüsen (wie beispielsweise Schilddrüsenerkrankungen, Adrenogenitales Syndrom, Kleinwuchs, Nebennieren- und Nebenschilddrüsenerkrankungen, Hypophysenerkrankungen, Pankreaserkrankungen und hormonelle Störungen der Sexualorgane) wären entsprechend der Funktionseinschränkungen und Therapiemöglichkeiten einzuschätzen.

09.01.01 Endokrine Störungen leichten Grades 10 - 40 %

Wenn therapeutische Maßnahmen die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen gewährleisten

10 – 20%: Medikamentöse Substitution/Inhibition gut einstellbar. Keine bis geringste Entgleisungswahrscheinlichkeit. Subjektive Wahrnehmbarkeit bei beginnender medikamentöser Überdosierung/Unterdosierung der Substitutions-, Inhibitionstherapie ist sehr gut. Die Erkrankung ist weitgehend stabil, Alltagsleben ist weitestgehend ungehindert möglich, Freizeitgestaltung ist nicht oder wenig eingeschränkt

[…]

09.03 Stoffwechselstörungen

09.03.01 Stoffwechselstörungen leichten Grades 10 – 40 %

Wenn therapeutische Maßnahmen die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen gewährleisten. Je umfassender die Therapiemaßnahmen desto höher die Einschätzung.

10 – 20%: Ausschließlich diätetische Maßnahmen ermöglichen die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen. Die Erkrankung ist weitgehend stabil. Arbeits- und Alltagsleben ist weitgehend ungehindert möglich. Freizeitgestaltung ist nicht oder wenig eingeschränkt.

30 – 40%: Zusätzliche therapeutische Maßnahmen sind notwendig, um die Körperfunktionen aufrecht zu halten. Die Erkrankung ist weitgehend stabil. Arbeits- und Alltagsleben ist weitgehend ungehindert möglich. Freizeitgestaltung ist nicht oder wenig eingeschränkt.

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12 Ohren und Gleichgewichtsorgane

12.02 Hörorgan

12.02.01 Einschränkungen des Hörvermögens nach Tabelle

Die Prüfung des Hörvermögens ist ohne Hörhilfe am besser hörenden Ohr durchzuführen.

Neben der groben Prüfung der Hörweite für Umgangssprache und der Einbeziehung vorliegender Audiogramme in die Beurteilung ist die Hörprüfung nach der orientierenden Tabelle für Allgemeinmediziner durchzuführen.

Bei der fachärztlichen Beurteilung ist der prozentuelle Hörverlust (beiliegenden Tabellen) aus den Ergebnissen des Tonschwellenaudiogramms bzw. Sprachaudiogramms für die Beurteilung heranzuziehen.

Hörbedingte Sprachstörungen erhöhten den Wert um 10 % und bei Stummheit um 20 %.

[…]

Kriterium ist das besser hörende Ohr.

Ermittlung des GdB entsprechend dem Hörverlust in Prozent (beide Ohren)

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12.02.02 Ohrgeräusche (Tinnitus) leichten bis mittleren Grades 10 – 40 %

10 %:

Kompensiert und ohne nennenswerte psychische oder vegetative Begleiterscheinungen

20%:

Dekompensiert mit erhebliche psychovegetativen Begleiterscheinungen

30 – 40 %:

Mit wesentlichen Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ist ein zusätzliches psychiatrisches Sachverständigengutachten erforderlich

[…]

13 Malignome

Die Einschätzung des Grades der Behinderung richtet sich nach Lokalisation, Art und Ausdehnung, Therapie und Funktionseinschränkung.

Ausgenommen sind maligne Erkrankungen des Blutes, der blutbildenden Organe und des Immunsystems. Diese sind nach den dafür vorgesehenen Einschätzungskriterien unter Abschnitt 10 einzuschätzen.

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13.01.03 Entfernte Malignome mit weiterführender Behandlungsnotwendigkeit innerhalb der Heilungsbewährung je nach Funktionsstörung 50 – 100 %

Nach Entfernung eines Malignoms innerhalb der Heilungsbewährung (5 Jahre)

[…]“

Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen hat nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010, sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH vom 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN).

Bei ihrer Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen, wobei es dem Antragsteller freisteht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH vom 30.04.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014, Ro 2014/11/0023). Gemäß § 3 Abs. 2 dritter Satz der Einschätzungsverordnung sind Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten. Die Behörden sind iZm der Einschätzung des Grades der Behinderung nach dem BEinstG verpflichtet, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Das Gesetz enthält aber keine Regelung, aus der erschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtungen bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit des eingeholten Gutachtens an (VwGH 24.06.1997, 96/08/0114).

Wie oben unter Punkt II. 2. ausgeführt, werden der gegenständlichen Entscheidung die im Beschwerdevorentscheidungsverfahren von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten aus den Fachbereich der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde vom 26.09.2024, der Inneren Medizin vom 09.12.2024 sowie eine auf diesen beiden Gutachten basierende Gesamtbeurteilung der beigezogenen Fachärztin für Innere Medizin vom 12.12.2024 zugrunde gelegt, wonach der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin in Anwendung der Einschätzungsverordnung 60 v.H. beträgt.

Da der Sachverhalt feststeht und die Sache daher entscheidungsreif ist, war dem in der Beschwerde gestellten Antrag auf Ergänzung des internistischen Sachverständigengutachtens nicht Folge zu geben, zumal bereits Sachverständigengutachten eingeholt wurden und der Entscheidung zu Grunde gelegt werden.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 60 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, erfüllt.

Wie oben festgestellt, ist hinsichtlich des Leidens 1. eine Nachuntersuchung nach Ablauf der Heilbewährungsphase im Dezember 2029 geboten.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben.

Die belangte Behörde wird somit der Beschwerdeführerin in der Folge einen befristeten Behindertenpass auszustellen haben.

Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;

3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und den von der belangten Behörde im Beschwerdevorentscheidungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten. Die von den Sachverständigen gewählten Positionsnummern und Rahmensätze wurden nicht substantiiert bestritten. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.