JudikaturBVwG

W274 2287253-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
25. März 2025

Spruch

W274 2287253-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch Mag. Lughofer als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX ), geboren am XXXX , syrischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, Münchner Bundesstraße 202, 5020 Salzburg, vom 22.01.2024, Zl. 1343483206/230371160, wegen § 3 AsylG, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:

Der allein gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides gerichteten Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer (BF)) reiste - nachdem er bereits am 08.12.2022 in Griechenland internationalen Schutz beantragt hatte, das Verfahrensergebnis aber nicht abgewartet hatte - am 16.02.2023 ohne gültige Einreisepapiere schlepperunterstützt ins Bundesgebiet ein, beantragte am 17.02.2023 vor der PI Heiligenkreuz internationalen Schutz und gab als Fluchtgrund an, in Syrien herrsche Bürgerkrieg und Hungersnot. Er habe Angst, in Syrien ermordet zu werden.

Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) gab der BF am 20.12.2023 zusammengefasst an, er stamme aus XXXX im Gouvernement Dara‘a, sei verheiratet und habe keine Kinder. Seine Ehefrau lebe nach wie vor in XXXX Er legte einen syrischen Personalausweis, ein Wehrbuch, einen Ehevertrag samt Übersetzung und eine Reisegenehmigung vor. In Syrien habe er in der Landwirtschaft gearbeitet.

Er sei am 18.01.2022 legal mit dem Flugzeug von Damaskus in den Irak ausgereist, weil er sonst bald zur Armee hätte einrücken müssen. Da es familiäre Probleme gegeben habe, sei er nach nur einer Woche illegal nach Syrien zurückgekehrt. Bei diesem Aufenthalt habe er in XXXX , ebenfalls im Gouvernement Dara‘a, an einer Demonstration teilgenommen, weil es kurz zuvor im Hause der Familie des BF eine Razzia gegeben habe, bei der sein älterer Bruder und sein Cousin festgenommen und zum Militär gebracht worden seien. Drei Tage nach der Demonstration seien Angehörige des syrischen Sicherheitsapparates beim BF gewesen und hätten nach ihm gesucht, der BF habe sich jedoch verstecken können, da er schon gewusst habe, dass mit einer Razzia zu rechnen sei. Ein Cousin des BF sei jedoch geflüchtet und dabei getötet worden. Wegen der Demonstrationsteilnahme werde er immer noch vom Regime gesucht. Er habe dann Syrien endgültig im März 2022 verlassen und sei illegal in den Irak ausgereist. Sein eigentliches Ziel sei Deutschland gewesen. In Österreich lebe ein Onkel des BF.

Im Falle einer Rückkehr nach Syrien befürchte er, hingerichtet zu werden. Den Wehrdienst habe er noch nicht abgeleistet, jedoch habe er einen Einberufungsbefehl von seinem Großvater, der Notar sei, erhalten. Den Einberufungsbefehl habe er weggeschmissen. Davor sei er aufgrund einer Reisegenehmigung nicht einberufen worden.

Mit dem bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem BF den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).

Die belangte Behörde ging davon aus, dass die Identität des BF feststehe. Der BF sei am 18.01.2022 legal über den Flughafen Damaskus in den Irak ausgereist. Er habe in Griechenland einen Asylantrag gestellt, sei jedoch noch vor der Entscheidung über diesen wieder aus Griechenland ausgereist. Nicht festgestellt werden habe können, dass er in Syrien zum Wehrdienst einberufen worden sei oder dass er einer individuellen asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei. Der BF wäre aber bei einer Rückkehr nach Syrien einer Gefahr der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK ausgesetzt.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, die Angaben des BF zu seinen persönlichen Lebensumständen seien glaubhaft und gingen außerdem aus den von ihm vorgelegten unbedenklichen Urkunden hervor. Dass er einen Einberufungsbefehl erhalten habe, sei nicht glaubhaft, u.a. da er sich nicht daran erinnern könne, was in diesem gestanden sei. Die Feststellungen hinsichtlich der Lage in Syrien beruhten auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dem BF drohe keine Verfolgung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der politischen Gesinnung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.

Allein gegen Spruchpunkt I. wendet sich die Beschwerde wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, dem BF nach mündlicher Verhandlung den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

Der BF brachte darin zusammengefasst vor, er habe 2021 eine Ausreisegenehmigung erhalten und sei daraufhin in den Irak ausgereist. Nach kurzer Zeit sei er jedoch nach Syrien zurückgekehrt und habe dort an einer Demonstration gegen das Regime teilgenommen. Dadurch hätten die Behörden davon Kenntnis erlangt, dass sich der BF in Syrien aufhalte. Sein Großvater, zugleich der örtliche Mukhtar, habe ihm dann einen Einberufungsbefehl übergeben. In der Folge sei der BF erneut – diesmal illegal – in den Irak ausgereist. Der BF lehne den Wehrdienst in der syrischen Armee aus Gewissengründen ab. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien drohe ihm die Einziehung zur Armee bzw. die Bestrafung wegen der Wehrdienstverweigerung und der BF wäre im Falle der Einziehung gezwungen, sich an völkerrechtswidrigen Kriegshandlungen zu beteiligen. Auch ein Cousin und ein Bruder des BF verweigerten den Wehrdienst, wobei der Cousin deswegen getötet worden sei.

Aufgrund der Wehrdienstverweigerung des BF und seiner Verwandten unterstelle ihm das syrische Regime eine oppositionelle Gesinnung. Der Freikauf vom Wehrdienst durch Leistung einer Befreiungsgebühr sei dem BF nicht möglich. Der BF wolle sich keinesfalls an Kriegsverbrechen beteiligen.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo sie am 26.02.2024 einlangte. Die Beschwerde kam der Abteilung W274 am 14.06.2024 zu.

Am 27.06.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in der der BF als Partei vernommen und die vorgelegten Urkunden eingesehen wurden.

Dabei gab der BF zusammengefasst an, der Einberufungsbefehl sei ihm nicht von einem Notar, sondern vom Dorfvorsteher, seinem Großvater, übergeben worden. Er sei oppositionell eingestellt, weshalb die männlichen Angehörigen seiner Familie nicht zur Armee gegangen seien. Er habe die Pflichtschule absolviert und in der Landwirtschaft der Familie mitgearbeitet. Sein Heimatort sei bei seiner Ausreise unter der Kontrolle des Regimes gestanden, was nach wie vor der Fall sei. Neben seiner Wehrdienstverweigerung werde er auch wegen der Teilnahme an einer Demonstration Mitte Februar 2022 gesucht. Die Demonstration habe stattgefunden, weil einige Tage zuvor junge Männer aus seinem Dorf, unter denen sich auch sein Bruder und sein Cousin befunden hätten, zwangsrekrutiert worden seien. Nach der Demonstration habe es eine Razzia im Haus seiner Familie gegeben, bei der nach ihm gesucht worden sei. Sein Cousin habe dann später versucht zu desertieren und sei dabei erschossen worden. Die Familie des BF lebe unbehelligt in seinem Heimatort. Den Einberufungsbefehl habe er Ende Februar 2022 erhalten. Er wolle nicht zum Militär, da es für ihn nicht denkbar sei, gegen seine Landsleute zu kämpfen. Zwischen dem Erhalt des Einberufungsbefehles und seiner endgültigen Ausreise aus Syrien sei etwa ein Monat vergangen. Das Wehrersatzgeld wolle er nicht leisten.

Nach seiner ersten Ausreise sei er nach Syrien zurückgekehrt, um Streitigkeiten mit der Familie seiner Frau, die bei seiner Familie in seinem Heimatort geblieben sei, zu lösen. Dann hätten sich die Ereignisse überschlagen und er habe flüchten müssen. Als Bruder eines Deserteurs würde er nicht verfolgt, allerdings würden die Einwohner von Dara‘a grundsätzlich vom Regime als Revolutionäre betrachtet.

Nach individuellem Parteiengehör vom 27.12.2024, in dem auf die geänderte Lage in Syrien aufgrund des Sturzes von Baschar al-Assad von Dezember 2024 verwiesen wurde, führte der BF im Rahmen seiner Stellungnahme vom 24.01.2025 zusammengefasst aus, die weitere Entwicklung der Lage nach dem Sturz des Assad-Regimes sei völlig unklar, sodass es an einer wesentlichen Grundlage für die Entscheidung fehle. Verwiesen werde in diesem Zusammenhang auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu Afghanistan. Die nunmehr regierende HTS werde von UNO, EU und USA als Terrororganisation eingestuft und sei in der Vergangenheit brutal gegen Andersdenkende vorgegangen und für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gewesen. Seitens der HTS seien Zwangsrekrutierungen und allgemeine Verfolgung von Andersdenkenden zu befürchten. Alle Anträge in der Beschwerde blieben aufrecht.

Mit Beschluss vom 28.01.2025 forderte das Verwaltungsgericht den BF auf, gerade im Hinblick auf die Belehrungen im vorangegangen Parteiengehör (Begründungspflicht eines Antrages auf weitere Verhandlung aufgrund der veränderten Situation in Syrien und der bereits erfolgten Verhandlung) „konkret auszuführen, welche Umstände im Rahmen einer weiteren mündlichen Verhandlung geklärt werden sollen“. Im Sinne der dem BF zukommenden Mitwirkungspflicht bedürfe es aufgrund der geänderten Verhältnisse konkreter Angaben, inwieweit der BF weiterhin gegründete Furcht vor Verfolgung aus den Konventionsgründen habe. In der Stellungnahme würden nur allgemein eine mangelnde Entscheidungsreife, Zwangsrekrutierungen und Verfolgung „Andersdenkender wie des BF“ behauptet und ohne Erläuterung „alle Anträge aufrecht erhalten“.

Eine Reaktion des BF auf diesen Beschluss ist nicht erfolgt.

Aufgrund dessen steht folgender Sachverhalt fest:

Zum Beschwerdeführer:

Der BF wurde am XXXX in XXXX im Gouvernement Dara’a geboren, ist syrischer Staatsangehöriger, Araber und Muslim sunnitische Richtung. Er besuchte in XXXX die Grundschule und war dann in der seiner Familie gehörenden Landwirtschaft tätig. Bis zu seiner Ausreise in den Irak am 18.01.2022 lebte der BF durchgehend in XXXX .

Der BF ist seit dem XXXX mit XXXX verheiratet und hat keine Kinder. Seine Ehefrau, seine Eltern und sein jüngster Bruder leben nach wie vor in XXXX XXXX stand bis Ende November/Anfang Dezember 2024 unter der Kontrolle des Assad-Regimes und wird nach dessen Sturz von der nunmehr von der aus der HTS hervorgehenden Regierung unter Ahmed al-Scharaa kontrolliert.

Der BF ist gesund und in Österreich unbescholten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF Gefahr liefe, in XXXX (samt näherer Umgebung) durch das (nicht mehr existierende) syrische Regime Assad zum Militärdienst rekrutiert bzw. wegen dessen Verweigerung oder aus sonstigen Gründen (etwa Teilnahme an regimekritischen Demonstrationen) bestraft zu werden.

Nicht festgestellt werden konnte auch, dass der BF einer Gefahr einer Verfolgung aus den Konventionsgründen durch das nunmehrige Regime al-Scharaa unterliegt.

Zur relevanten Situation in Syrien:

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Als die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt.

Ab März 2020 trat der Konflikt in eine Patt-Phase ein, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden. Dabei kontrollierte die syrische Regierung unter Präsident Assad („syrisches Regime“) rund 60 % des syrischen Staatsgebiets, während der Nordosten Syriens unter Herrschaft kurdischer Kräfte stand, mit der Türkei alliierte Rebellengruppen Teile des Nordens kontrollierten und die islamistische Gruppierung HTS über einen Teil der Provinzen Idlib und Aleppo im Nordwesten herrschte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 27.03.2024, im Folgenden „LIB“, S. 16).

Für männliche syrische Staatsbürger war im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren in der syrisch-arabischen Armee des syrischen Regimes gesetzlich verpflichtend. Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehrten, mussten mit Zwangsrekrutierung rechnen. Laut Gesetz waren in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wurde man einberufen, um den Wehrdienst zu leisten, sofern kein Ausnahmegrund (Studium, medizinische Gründe, einziger Sohn der Familie) vorlag (LIB S. 119). Nach Ableistung des Pflichtwehrdienstes blieb ein syrischer Mann Reservist und konnte bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden (LIB S. 124). Eine Durchsetzung der Wehrpflicht durch Zwangsrekrutierung war dem syrischen Regime im Wesentlichen nur im eigenen Herrschaftsgebiet möglich (LIB S. 123 f).

Wehrdienstverweigerung wurde aber vom syrischen Regime zuletzt nicht unbedingt als oppositionsnahe gesehen. Das Regime war sich der Tatsache bewusst, dass viele junge Männer nach dem Studium das Land verlassen hatten, einfach um nicht zu sterben. Daher wurde die Möglichkeit geschaffen, sich gegen Bezahlung einer Geldsumme von der Wehrpflicht „freizukaufen“ (LIB S. 144).

Personen, die unter dem Verdacht standen, sich oppositionell zu engagieren, oder als regimekritisch wahrgenommen wurden, unterlagen einem besonders hohen Folterrisiko seitens des Regimes. In vielen Fällen wurden auch Familienmitglieder solcher Personen als vermeintliche Mitwisser oder für vermeintliche Verbrechen ihrer Angehörigen inhaftiert (LIB S. 165).

Die HTS, welche von Seiten der US-Regierung und auch von den Vereinten Nationen als Terrororganisation eingestuft wurde, versuchte in Idlib, eine autoritäre Ordnung mit einer islamistischen Agenda durchzusetzen. Ihr wurden in dieser Zeit Menschenrechtsverletzungen (auch gegenüber religiöser Minderheiten) und u.a. willkürliche Verhaftungen, mangelnde Rechtsstaatlichkeit auf Basis einer religiösen Gerichtsbarkeit, gewaltsame Niederschlagungen von Protesten sowie das Verschwindenlassen von Personen vorgeworfen (LIB S. 11, 35, 90, 169).

Durch eine am 27. November 2024 gestartete Großoffensive der HTS gegen die Regierung von Präsident Assad kam es rund um den 8. Dezember 2024 zu einem Machtwechsel in Syrien (s. dazu näher unten): Assad setzte sich nach Russland ab, die HTS übernahm die Kontrolle über die staatlichen Institutionen und bildete eine unter ihrer Leitung stehende Übergangsregierung. Die nunmehr machtausübenden Akteure haben insgesamt eine Neuordnung des syrischen Staates in Aussicht gestellt, der diesbezügliche Zeitplan beinhaltet die Installation einer neuen Verfassung in drei Jahren und die Abhaltung von Wahlen in vier Jahren. Die Soldaten der von Assad befehligten Syrischen Arabischen Armee wurden vom Armeekommando außer Dienst gestellt. Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Aktuell existiert in Syrien keine staatliche Wehrpflicht.

Kurzinformation der Staatendokumentation zur Sicherheitslage und politischen Lage vom 10. Dezember 2024:

„Nach monatelanger Vorbereitung und Training starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) die Operation „Abschreckung der Aggression“ – auf نن Arabisch: ردع العدوا - Rad’a al-‘Adwan und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende. (…)

Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort. Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12.

Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab. Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen. Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein, nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten. Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab. Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor. Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind, und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben. Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt, die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen. Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt.

Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad. Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt.

(…)

Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo. Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ (auf Arabisch رال ر ح ة يية - Fajr al-Hurriya) nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein.

(…)

Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet. Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen. Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union und der Türkei als Terrororganisation eingestuft. Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden. Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien. Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren.

(…)

Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt. Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben. (…)“

Auszüge aus der „Informationssammlung zu Entwicklungen rund um den Sturz von Präsident Assad“ auf www.ecoi.net:

Wie es dazu kam

Am 27. November 2024 startete die militante islamistische Gruppe Hayat Tahrir al-Scham (HTS), deren Kontrolle sich bis dahin auf Teile der Provinzen Aleppo und Idlib beschränkt hatte, mit verbündeten Rebellenfraktionen eine Großoffensive im Nordwesten Syriens. Die Rebellen eroberten zunächst Aleppo, die zweitgrößte Stadt des Landes. Am 5. Dezember fiel die Stadt Hama und zwei Tage darauf die drittgrößte Stadt Syriens, Homs (BBC, 8. Dezember 2024; siehe auch Der Standard, 8. Dezember 2024, ISPI, 8. Dezember 2024). Am 8. Dezember 2024 marschierten die von der HTS angeführten Rebellen in Damaskus ein. Am selben Tag verließ Baschar al-Assad das Land (ARD, 8. Dezember 2024).

Wer sind die wichtigsten Rebellengruppen?

Die syrischen Gruppen, die Al-Assad gestürzt und die Hauptstadt Damaskus eingenommen haben, sind heterogen (ARD, 8. Dezember 2024) mit teils gegensätzlichen Ideologien und langfristigen Zielen (DW, 9. Dezember 2024; Reuters, 9. Dezember 2024):

Hayat Tahrir al-Scham (HTS)

Die mächtigste Gruppe in Syrien, die den Vormarsch der Rebellen anführte, ist die islamistische Gruppe Hayat Tahrir al-Scham. Sie begann als offizieller al-Qaida-Ableger in Syrien unter dem Namen Nusra-Front und verübte bereits zu Beginn des Aufstands gegen Assad Angriffe in Damaskus. Die Gruppe durchlief mehrere Namensänderungen und gründete schließlich als die HTS eine Regierung in der Provinz Idlib, im Nordwesten Syriens. Die USA, Türkei und andere stufen die HTS und ihren Anführer, Ahmed al-Scharaa (auch Abu Mohammed al-Dscholani genannt), als Terroristen ein (Reuters, 8. Dezember 2024; siehe auch: BBC, 8. Dezember 2024, DW, 9. Dezember 2024).

Syrische Nationalarmee (SNA)

Die Syrische Nationalarmee (SNA) ist eine zersplitterte Koalition unterschiedlicher bewaffneter Gruppen (DW, 9. Dezember 2024), die mit direkter türkischer Militärunterstützung einen Gebietsabschnitt entlang der syrisch-türkischen Grenze halten (Reuters, 8. Dezember 2024). Trotz interner Spaltungen pflegen viele SNA-Fraktionen enge Bindungen zur Türkei, wie die Sultan-Suleiman-Schah-Brigade, die al-Hamza-Division und die Sultan-Murad-Brigade. Andere Fraktionen der Gruppe versuchen trotz ihrer Zusammenarbeit mit der Türkei ihre eigenen Prioritäten durchzusetzen (DW, 9. Dezember 2024). Als die HTS und verbündete Gruppen aus dem Nordwesten Anfang Dezember auf von Assads Regierung kontrolliertes Gebiet vorrückten, schloss sich ihnen auch die SNA an und kämpfte im Nordosten gegen Regierungstruppen wie auch kurdisch geführte Kräfte (Reuters, 8. Dezember 2024).

Der Vormarsch der Rebellen gegen Assads Regierungstruppen wurde Berichten zufolge von der Türkei mit unterstützt (ARD, 8. Dezember 2024).

Syrische Demokratische Kräfte (SDF)

Die Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) sind ein Bündnis kurdischer und arabischer Milizen, das von den USA und ihren Verbündeten unterstützt wird. Die SDF kontrollieren den größten Teil Syriens östlich des Euphrat, sowie einige Gebiete westlich des Flusses. Mit der aktuellen Offensive kam es auch zu Kämpfen zwischen den SDF und der SNA (Reuters, 8. Dezember 2024).

Sonstige

Neben den genannten Gruppen gibt es in Syrien eine Vielzahl lokaler Gruppierungen, die sich gegen al-Assad gestellt haben. Diese vertreten ein breites Spektrum islamistischer und nationalistischer Ideologien. Im Norden schlossen sich einige von ihnen dem Militäroperationskommando der HTS an. Im Süden dominierende Gruppen erhoben sich in der aktuellen Situation und nahmen den Südwesten Syriens ein (Reuters, 8. Dezember 2024).

Neueste Entwicklungen:

Die neue Übergangsregierung und Ahmed Al-Sharaa (Führer der HTS)

Mohammed Al-Baschir, der bis zum Sturz Baschar Al-Assads die mit Hay'at Tahrir al-Sham (HTS) verbundenen Syrischen Heilsregierung im Nordwesten Syriens geleitet hatte, wurde am 10. Dezember 2024 als Interimspremierminister mit der Leitung der Übergangsregierung des Landes bis zum 1. März 2025 beauftragt (MEE, 10. Dezember 2024; siehe auch: Al Jazeera, 10. Dezember 2024). Die Minister der Syrischen Heilsregierung übernahmen vorerst die nationalen Ministerposten. Laut dem Congressional Research Service (CRS) seien einige Regierungsbeamten und Staatsangestellte der ehemaligen Regierung weiterhin im Regierungsapparat beschäftigt (CRS, 13. Dezember 2024). Am 21. Dezember ernannte die Übergangregierung Asaad Hassan Al-Schibani zum Außenminister und Murhaf Abu Qasra zum Verteidigungsminister. Beide seien Verbündete des HTS-Anführers Ahmed Al-Scharaa (Al-Jazeera, 21. Dezember 2024). Am 29. Dezember legte Al-Sharaa in einem Interview mit dem saudischen Fernsehsender Al-Arabiyya dar, dass es bis zu vier Jahren dauern könne, bis Wahlen stattfinden werden, da die verschiedenen Kräfte Syrien einen politischen Dialog führen und eine neue Verfassung schreiben müssten (AP, 29. Dezember 2024). Die Ausarbeitung einer solchen könnte bis zu drei Jahren in Anspruch nehmen. Die Rebellengruppe HTS soll im Rahmen eines nationalen Dialogs aufgelöst werden (DiePresse.com, 29. Dezember 2024).

Al-Sharaa erklärte am 17. Dezember, dass alle Rebellenfraktionen aufgelöst und in die Reihen des Verteidigungsministeriums integriert würden (The Guardian, 17. Dezember 2024, DiePresse.com, 24. Dezember 2024). Am 29. Dezember sagte Al-Sharaa in einem Interview aus, dass das syrische Verteidigungsministerium plant, auch die kurdischen Streitkräfte in seine Reihen aufzunehmen. Es gebe Gespräche mit den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) zur Lösung der Probleme im Nordosten Syriens (Kurdistan24, 29. Dezember 2024). Am 10. Jänner 2025 bestätigte der Kommandeur der SDF, Mazloum Abdi, dass sich seine Streitkräfte in ein umstrukturiertes syrisches Militär integrieren würden (Shafaq News, 10. Jänner 2025). AFP berichtete am 8. Jänner, dass laut einem Sprecher des Southern Operations Room, einer Koalition bewaffneter Gruppen aus der südlichen Provinz Daraa, die am 6. Dezember gebildet wurde, um beim Sturz Assads zu helfen, die Kämpfer Südsyriens nicht mit einer Auflösung ihrer Gruppen einverstanden seien. Sie könnten sich jedoch eine Integration in das Verteidigungsministerium in ihrer momentanen Form vorstellen (France24, 8. Jänner 2025).

Am 29. Dezember wurde eine Liste mit 49 Personen, die zu Kommandeuren der neuen syrischen Armee ernannt wurden, veröffentlicht. Unter den Namen sind einige Mitglieder der HTS, sowie ehemalige Armeeoffiziere, die zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs desertierten. Laut Haid Haid, beratender Mitarbeiter beim britischen Think Tank Chatham Haus, wurden die sieben höchsten Ränge von HTS-Mitgliedern besetzt. Laut einem weiteren Experten seien auch mindestens sechs Nicht-Syrer unter den neuen Kommandeuren (France24, 30. Dezember 2024, DiePresse.com, 30. Dezember 2024).

Die neue Führung hatte sich seit ihrer Machtübernahme verpflichtet, die Rechte der Minderheiten zu wahren (The New Arab, 7. Jänner 2025). Anfang Jänner kündigte das Bildungsministerium der Übergangsregierung auf seiner Facebook-Seite einen neuen Lehrplan für alle Altersgruppen an, der eine stärker islamische Perspektive widerspiegelt und alle Bezüge zur Assad-Ära aus allen Fächern entfernt. Zu den vorgeschlagenen Änderungen gehörte unter anderem die Streichung der Evolutionstheorie und der Urknalltheorie aus dem naturwissenschaftlichen Unterricht. Aktivisten zeigten sich besorgt über die Reformen (BBC News, 2. Jänner 2025).

Kontrolle der Demokratischen Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) und der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF)

Die von der Türkei unterstütze Syrische Nationalarmee (SNA) führte ihre Offensive gegen die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) und das Gebiet der Demokratischen Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) fort. Die SNA nahm in den vergangenen Tagen Gebiete der nordwestlichen Region Shahba sowie die Stadt Manbidsch ein. Mit 10. Dezember griffen SNA-Kämpfer den strategisch wichtigen Tischreen-Staudamm unter kurdischer Kontrolle in der Provinz Aleppo an (Rudaw, 10. Dezember 2024), und rückten auf die Stadt Kobane vor (Al-Monitor, 10. Dezember 2024). Am 11. Dezember kam es nach Vermittlungen der US-Behörden zu einem Waffenstillstand in der Stadt Manbidsch. Das Abkommen sieht den Abzug der (mit den SDF verbundenen) „Manbij Military Council Forces“ vor (SOHR, 11. Dezember 2024). Am 17. Dezember wurde dieser Waffenstillstand bis zum Ende derselben Woche verlängert (Reuters, 17. Dezember 2024). Am 18. Dezember trat ein Waffenstillstandsabkommen in der Region Ain Al-Arab (auch Kobani) in Kraft (SOHR, 18. Dezember 2024). Die SDF warfen der Türkei und ihren Verbündeten vor, sich nicht an das Waffenstillstandsabkommen zu halten und ihre Angriffe südlich von Kobani fortzusetzen. Zur gleichen Zeit gingen Einwohner der nordostsyrischen Stadt Qamischli auf die Straße, um den Widerstand der SDF gegen die Angriffe protürkischer Kämpfer in der Region zu unterstützen (France24, 19. Dezember 2024). Am 21. Dezember wurden laut SDF fünf ihrer Kämpfer bei Angriffen durch von der Türkei unterstützte Streitkräfte auf die Stadt Manbidsch getötet (Reuters, 21. Dezember 2024). Das Pentagon erklärte am 30. Dezember, dass der Waffenstillstand zwischen der Türkei und den von den USA unterstützten SDF rund um die Stadt Manbidsch anhält (Reuters, 30. Dezember 2024). Am selben Tag behauptete die SDF, dass die Türkei zwei Militärstützpunkte in der Nähe von Manbidsch aufbaut und mehrere Militärfahrzeuge und Radarsystem von den SDF zerstört wurden (Rudaw, 30. Dezember 2024). Zur gleichen Zeit kam es erneuten Schusswechseln zwischen von der Türkei unterstützen Streitkräften und den SDF. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) griffen türkische Streitkräfte und mit ihnen verbündete bewaffnete Gruppen das Dorf al-Terwaziyah südlich von Slouk im ländlichen Raqqa mit schwerer Artillerie und Maschinengewehren an, was anschließend zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führte. Spezialeinheiten der SDF drangen in Stellungen von durch die Türkei unterstützen Fraktionen im Dorf Al-Reyhaniyah in der Nähe von Tel Tamer in der Provinz Hasaka ein (Kurdistan24, 30. Dezember 2024). Anfang Jänner kamen bei Zusammenstößen in mehreren Dörfern rund um die Stadt Manbidsch über hundert Menschen ums Leben (The New Arab, 5. Jänner 2025). Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete von heftigen Kämpfen in der Region von Manbidsch zwischen der SNA und der SDF und steigenden Opferzahlen (Shafaq News, 9. Jänner 2025).

Am 11. Dezember übernahm die Koalition ehemaliger oppositioneller Kräfte unter der Führung der HTS die vollständige Kontrolle der ostsyrischen Stadt Deir ez-Zor (Al Jazeera, 11. Dezember 2024). Im Osten der Provinz Deir ez-Zor kam es zu Demonstrationen und der Forderung, die von HTS geführten Streitkräfte sollten die Kontrolle über das Gebiet übernehmen. Einige Kommandanten der SDF seien in Folge desertiert (Syria Direct, 13. Dezember 2024).

Israelische Angriffe in Syrien

Die israelische Luftwaffe und Marine führten zwischen 7. und 11. Dezember mehr als 350 Angriffe in Syrien durch und zerstörten dabei schätzungsweise 70 bis 80 Prozent der strategischen Militärgüter Syriens zwischen Damaskus und Latakia. Die israelischen Streitkräfte haben außerdem Bodentruppen aus den von Israel besetzten Golanhöhen nach Osten in eine entmilitarisierte Pufferzone in Syrien sowie, laut israelischen Angaben, auch knapp darüber hinaus verlegt (BBC News, 11. Dezember 2024). Laut arabischen Medien rückten israelische Streitkräfte bis in ländliche Gebiete der Provinz Damaskus vor. Dies wurde von israelischer Seite dementiert (Enab Baladi, 10. Dezember 2024; Reuters, 10. Dezember 2024). In der Nacht vom 14. zum 15. Dezember griff Israel Dutzende Ziele in Syrien mit Luftangriffen an. Den Luftangriffen ging eine Erklärung des israelischen Verteidigungsministers voraus, wonach die israelischen Truppen auf dem in der vergangenen Woche eingenommenen Berg Hermon (Arabisch: Jabel Sheikh) den Winter über verbleiben würden. Israels Ministierpräsident gab weiters bekannt, dass er einem Plan zur Ausweitung des Siedlungsbaus auf den von Israel besetzten Golanhöhen zugestimmt habe (The Guardian, 15. Dezember 2024; siehe auch: BBC News, 15. Dezember 2024). Am 20. Dezember schossen israelische Streitkräfte auf DemonstrantInnen in einem Dorf in der Gegend von Maariya im Süden Syriens, die gegen die Aktivitäten der Armee protestierten, und verletzten dabei einen Demonstranten. Die israelischen Streitkräfte operierten auch in syrisch kontrollierten Gebieten außerhalb der Pufferzone (The Guardian, 21. Dezember 2024). Am 29. Dezember griff Israel ein Waffendepot nahe der Stadt Adra an. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden bei dem Angriff mindestens 11 Personen, hauptsächlich Zivilisten, getötet (Euro News, 29. Dezember 2024). Laut syrischen Medien drang die israelische Armee am 30. Dezember tief in das Gebiet Quneitra vor und vertrieb Angestellte aus Regierungsbüros (Shafaq News, 30. Dezember 2024).

Erklärungen der UN-Organisationen (Sicherheit, Sozioökonomische Situation, Flüchtlinge)

Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) berichtet, dass zwischen dem Beginn der Offensive am 27. November und dem 11. Dezember etwa eine Million Menschen aus den Provinzen Aleppo, Hama, Homs und Idlib vertrieben wurden. Es liegen keine Zahlen vor, Berichten zufolge kehrten im selben Zeitraum Tausende syrischer Flüchtlinge aus dem Libanon ins Land zurück. Auch aus der Türkei kehrten Flüchtlinge in den Nordwesten Syriens zurück. Gleichzeitig flohen einige SyrerInnen in den Libanon (UNHCR, 11. Dezember 2024).

Der UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher berichtet am 17. Dezember über kritische Engpässe bei Nahrungsmitteln, Treibstoff und Vorräten aufgrund unterbrochener Handelsrouten und Grenzschließungen (UN News, 17. Dezember 2024).

Laut UNICEF benötigen 7,5 Million Kinder in Syrien humanitäre Hilfe. Mehr als 2,4 Millionen Kinder gehen nicht zur Schule, und eine weitere Million Kinder laufen Gefahr, die Schule abzubrechen. Auch die Gesundheitsversorgung sei fragil. Fast 40 Prozent der Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen sind teilweise oder vollständig funktionslos. Fast 13,6 Millionen Menschen benötigen Wasser, Sanitäranlagen und Hygienedienste; und 5,7 Millionen Menschen, darunter 3,7 Millionen Kinder, benötigen Ernährungshilfe (UNICEF, 18. Dezember 2024).

Die UN berichtet, dass es in der Woche vom 23. Dezember weiterhin zu Feindseligkeiten und Unsicherheiten in den Provinzen Aleppo, Homs, Hama, Latakia, Tartus, Deir-ez-Zor und Quneitra kam. Aufgrund der angespannten Sicherheitslage waren humanitäre Einsätze mit 30. Dezember in mehreren Gebieten weiterhin ausgesetzt. Im November hatten rund zwei Millionen Menschen in ganz Syrien Nahrungsmittelhilfe in unterschiedlicher Form erhalten. Die instabile Sicherheitslage in den ländlichen Gebieten von Hama, Quneitra, Latakia und Tartous beeinträchtigte die Möglichkeit des Schulbesuchs für Kinder (UN News, 30. Dezember 2024).

Mit 29. Dezember haben 94 der 114 von UNHCR unterstützten Gemeindezentren in ganz Syrien ihre Arbeit wiederaufgenommen. Seit dem 27. November haben sich 58.500 Personen an die Gemeindezentren gewandt, um sich anzumelden und um Zugang zu Schutzdiensten zu erhalten. Laut UNHCR kehrten zwischen 8. und 29. Dezember 58.400 Personen nach Syrien (hauptsächlich aus dem Libanon, Jordanien und der Türkei) zurück. Seit Anfang 2024 (bis zum 29. Dezember) kehrten ungefähr 419.200 syrische Flüchtlinge zurück; die Mehrheit von ihnen nach Raqqa (25%), Aleppo (20%) und Daraa (20%) (UNHCR, 30. Dezember 2024).

Der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, erklärte in seinem Briefing an den UN-Sicherheitsrat am 8. Jänner 2025, dass sich die Sicherheitssituation in einigen Regionen zwar verbesserte, es jedoch weiterhin zu Unruhen in den Küstenregionen, Homs und Hama kam. Bewaffnete Gruppen, darunter das Terrornetzwerk Islamischer Staat – und über 60 Gruppen mit widersprüchlichen Agenden – stellten ebenfalls eine anhaltende Bedrohung für die territoriale Integrität Syriens dar. Pederson berichtete weiters über den oben beschriebenen Konflikt zwischen SNA und SDF, sowie die Verstöße Israels. Auch die humanitäre Lage war nach wie vor kritisch: Fast 15 Millionen Syrer benötigten Gesundheitsversorgung, 13 Millionen waren von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen und über 620.000 waren Binnenflüchtlinge. Die am Tischreen-Staudamm verursachten Schäden schränkten die Wasser- und Stromversorgung für mehr als 400.000 Menschen ein (UN News, 8. Jänner 2025).

Weiteres

Human Rights Watch bestätigt am 16. Dezember den Fund eines Massengrabs im südlichen Damaskus (HRW, 16. Dezember 2024).

Am 18. Dezember startete der erste kommerzielle Flug seit dem Sturz von Baschar Al-Assad, ein Inlandsflug nach Aleppo, vom Flughafen Damaskus (Al-Jazeera, 18. Dezember 2024).

Am Abend des 23. Dezember setzten Unbekannte in Al-Suqaylabiyah in der Provinz Hama einen öffentlichen Weihnachtsbaum in Brand. Eine Person sei festgenommen worden, hieß es aus Kreisen der örtlichen Sicherheitsbehörden. Der Baum solle ausgebessert werden. Es würden keine Beleidigungen irgendeines Teils des syrischen Volkes geduldet.

Mit der Machtübernahme der HTS fürchteten Christen und andere Minderheiten Repressionen. „Wir haben das Recht, Angst zu haben“, sagte Priester Andrew Bahi der dpa in Damaskus. Die Atmosphäre bleibe weiterhin zweideutig. Die Aussagen der neuen Führung seien jedoch beruhigend. HTS-Anführer Ahmed al-Sharaa, auch bekannt als Abu Mohammed al-Golani, hatte nach Assads Sturz wiederholt betont, alle Volksgruppen in dem gespaltenen Land müssten respektiert und berücksichtigt werden. Ein christlicher Bewohner von Damaskus sagte, bisher habe es keine Beleidigungen oder Auseinandersetzungen mit der von den Rebellen gebildeten Übergangsregierung gegeben. „Wir haben die Geschäfte und Häuser nicht so dekoriert, wie wir es gewohnt sind, obwohl uns niemand davon abgehalten hat“, sagte er. Auf Social Media kursierten aber Berichte, die ihm Angst machten (DiePresse.com, 24. Dezember 2024).

Ebenfalls rund um Weihnachten soll Berichten zufolge in Nordsyrien ein alawitischer Schrein in Brand gesetzt worden sein, was zu Protesten Tausender Alawiten an mehreren Orten des Landes führte. In Homs soll ein Demonstrant getötet worden sein, als Sicherheitskräfte das Feuer eröffneten, um die Menge zu zerstreuen. Die neue Regierung verhängte eine Ausgangssperre und sprach von „Gerüchten“, die von Assad-Anhängern ausgenützt würden, um das Land zu destabilisieren. Wer genau für den Angriff verantwortlich sei, bleibe laut Innenministerium unklar (ZEIT ONLINE, 25. Dezember 2024).

Am 27. Dezember töteten Anhänger von Baschar Al-Assad 14 Menschen bei Zusammenstößen mit Soldaten der neuen Regierung im Westen des Landes, nahe der Stadt Tartus (BBC News, 27. Dezember 2024).

Syriens neuer Geheimdienstchef Anas Khattab hat die Auflösung aller Geheimdienstorganisationen und eine grundlegende Neuorganisation angekündigt (DiePresse.com, 29. Dezember 2024).

Die Übergangsregierung in Syrien hat erstmals eine Frau zur geschäftsführenden Direktorin der Zentralbank ernannt. Maysaa Sabrine habe bereits zuvor wichtige Ämter in der Bank innegehabt, darunter die Position der ersten stellvertretenden Direktorin, teilte die Regierung unter der Führung der Islamistengruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) weiter mit. Die Zentralbankchefin ist bereits die zweite Frau in einer Schlüsselposition der neuen Regierung, die das Land nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Bashar al-Assad übernommen hat. Anfang Dezember war Aisha al-Dibas zur Leiterin des Büros für Frauenangelegenheiten ernannt worden (DiePresse.com, 30. Dezember 2024).

Am 7. Jänner 2025 landete der erste international Flug seit der Absetzung von Al-Assad auf dem international Flughaften von Damaskus (Al-Jazeera, 7. Jänner 2025).

Anfang Jänner erteilten die USA eine sechsmonatige Ausnahme von den Sanktionen, eine sogenannte Generallizenz, um humanitäre Hilfe nach dem Ende der Herrschaft von Bashar al-Assad in Syrien zu ermöglichen. Die Ausnahme, die bis zum 7. Juli gültig ist, erlaubt bestimmte Transaktionen mit Regierungsinstitutionen, darunter Krankenhäuser, Schulen und Versorgungsunternehmen auf Bundes-, Regional- und lokaler Ebene sowie mit HTS verbundenen Einrichtungen in ganz Syrien. Zwar wurden keine Sanktionen aufgehoben, die Lizenz erlaubt jedoch auch Transaktionen im Zusammenhang mit dem Verkauf, der Lieferung, der Speicherung oder der Spende von Energie, einschließlich Erdöl und Strom, nach oder innerhalb Syriens. Darüber hinaus erlaubt sie persönliche Überweisungen und bestimmte energiebezogene Aktivitäten zur Unterstützung der Wiederaufbaubemühungen (Reuters, 6. Jänner 2025). Nach der Ausnahme von den Sanktionen kündigte Katar eine Hilfe bei der Finanzierung einer 400-prozentigen Erhöhung der Gehälter im öffentlichen Sektor an, die die syrische Übergangsregierung zugesagt hatte (Reuters, 7. Jänner 2025).

Die neue Übergangsregierung unter der Führung von Ahmed al-Scharaa wird von einer Reihe an hochrangigen Treffen ausländischer diplomatischer und politischer Vertreter legitimiert. Am 30.12.2024 besuchte der ukrainische Außenminister Andri Sibiha seinen neuen syrischen Amtskollegen, Asaad Hassan al-Shaibani, in Damaskus und sicherte Syrien Unterstützung zu. Gefolgt vom EU-Diplomat Michael Ohnmacht reisten zuletzt die deutsche Außenministerin, Annalena Baerbock, sowie ihr Amtskollege Jean-Noël Barrot in enger Absprache mit der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas im Auftrag der EU nach Damaskus, wodurch sich bereits ein politischer Neuanfang zwischen Syrien und Europa abzeichnete.

Auch Nachbarstaaten nahmen die Beziehungen zu Syrien wieder auf. Auf Einladung reiste Najib Mikati am 11.01.2025 als erster libanesische Premierminister seit 2010 nach Syrien, um sich mit Ahmed al-Sharaa in Damaskus zu treffen. Am 15.01.2025 besuchte der neue syrische Außenminister Asaad Hassan al-Shaybani gemeinsam mit dem syrischen Verteidigungsminister Murhaf Abu Kasra und Geheimdienstchef Anas Chattab erstmals die Türkei. Dabei fand ein Treffen mit dem türkischen Außenminister sowie mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan statt (ZDF 03.01.2025, Tagesschau 29.12.2024, ENR 03.01.2025, Reuters 11.01.2025, FR 17.01.2025).

Die Außenminister der EU-Staaten haben eine schrittweise Lockerung von Sanktionen gegen Syrien gebilligt. Das am Montag, 27. 1., bei einem Treffen in Brüssel vereinbarte Vorgehen sieht vor, den neuen Machthabern Anreize zu geben, eine echte Demokratie in Syrien aufzubauen. Dabei besteht auch die Hoffnung, dass Hunderttausende syrische Flüchtlinge in der EU eines Tages in ihre Heimat zurückkehren können. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sagte nach dem Treffen, die Lockerungen sollten den Wiederaufbau erleichtern und Syrien helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Zugleich betonte sie, der Plan beinhalte auch, Lockerungen wieder rückgängig zu machen, wenn die neuen Machthaber Schritte einleiten, die aus EU-Sicht in die falsche Richtung gehen. Zu den Sanktionen, die aufgehoben werden sollen, gehören demnach vor allem Maßnahmen, die die Energieversorgung negativ beeinträchtigen und den Personen- und Warenverkehr erschweren. Zudem sind auch Lockerungen für den Bankensektor geplant (NZZ online, 28.01.2025).

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat am Donnerstag (6.2.) mit dem syrischen Übergangspräsidenten Ahmed al-Sharaa telefoniert und diesen dabei nach Frankreich eingeladen. Das teilte die syrische Präsidentschaft mit. Aus Paris gab es für die Einladung zunächst keine Bestätigung. Wie es aus dem Élysée-Palast hiess, habe Macron die Initiative für das Telefonat mit Blick auf die internationale Syrien-Konferenz ergriffen, die am Donnerstag kommender Woche in Paris organisiert wird. Macron habe den Wunsch geäussert, dass der von den Interimsbehörden eingeleitete Prozess den Bestrebungen des syrischen Volkes in vollem Umfang gerecht wird. Auch habe Macron die Treue Frankreichs zu den demokratischen Kräften in Syrien betont und zu deren vollständiger Integration in den syrischen Übergangsprozess aufgerufen, hiess es in Paris (NZZ online, 12.02.2025).

Am Donnerstag, 6.3.2025, haben Sicherheitskräfte eine Razzia bei einer gesuchten Person durchgeführt, welche mit Baschar al-Assad in Verbindung stand. Dabei kam es zu einem Schusswechsel, bei dem Dutzende der Sicherheitskräfte ums Leben kamen. Diese Nachricht hat in den sunnitischen Zentren im Land regelrecht eine Rachewelle ausgelöst. Heerscharen von bewaffneten Milizen und militanten Männern sind in die alawitischen Dörfer an der Küste gezogen und haben – wie es nun danach aussieht – ein Massaker angerichtet. Wie viele Zivilisten dem jüngsten Gewaltausbruch zum Opfer fielen, darüber gibt es keine gesicherten Informationen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London geht von 1000 Menschen aus. Andere Quellen, wie etwa das Syrische Netzwerk für Menschenrechte, sprechen von 300 Personen. Sicher aber ist es die schlimmste Gewalteskalation in Syrien seit dem Sturz des Assad-Regimes. Zum Opfer gefallen ist dem Hass vor allem der arme Teil der Alawiten, darunter auch Kinder (SRF, 9.3.2025).

Bei der neuen Eskalation in Syrien sind Aktivisten zufolge insgesamt mehr als 1000 Menschen bei Massakern und Gefechten getötet worden. Sicherheitskräfte der Übergangsregierung hätten 745 Menschen getötet oder exekutiert, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London. Unter den Opfern seien auch Frauen und Kinder. Neben den Zivilisten wurden auch 273 Kombattanten auf beiden Seiten getötet. Die in Großbritannien ansässige Beobachtungsstelle, die den Konflikt über ein Netzwerk von Informanten verfolgt, sprach von Massakern in mehr als 20 Orten der Gouvernements Latakia, Tartus und Hama. Die westlichen Küstenregionen gelten als Hochburgen der Alawiten, einer religiösen Gemeinschaft, der auch der gestürzte Machthaber Bashar al-Assad angehört. Die Beobachtungsstelle warf Kämpfern der islamistischen Interimsregierung Kriegsverbrechen vor. Übergangspräsident Ahmed Sharaa wandte sich am Freitagabend an die Bevölkerung. Überbleibsel der gestürzten Ex-Regierung hätten mit Angriffen versucht, „das neue Syrien zu testen“. Sharaa lobte die Reaktion der Sicherheitskräfte und rief die Angreifer auf, ihre Waffen niederzulegen. Jeder, der Übergriffe gegen Zivilisten begehe, werde hart bestraft, kündigte der frühere Rebellenchef zugleich an. Berichte über Massaker erwähnte er nicht. „Es wurden Massaker an der alawitischen Religionsgemeinschaft verübt“, sagte der Direktor der Beobachtungsstelle, Rami Abdel-Rahman, der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Aktivisten aus der Stadt Idlib, mit denen die dpa sprechen konnte, machten bewaffnete Unterstützer der Übergangsregierung dafür verantwortlich. Sie sollen sich Befehlen aus Damaskus widersetzt haben. Dagegen meldete das syrische Staatsfernsehen, dass sich Unbekannte mit Uniformen der Regierungstruppen verkleidet und die Taten begangen haben sollen, um einen Bürgerkrieg anzustiften (Die Presse, 9.3.2025).

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der persönlichen Umstände des BF, seiner Familie, der Umstände seiner endgültigen Ausreise aus Syrien und der Aufenthaltsorte der Familienmitglieder beruhen auf den diesbezüglich unbedenklichen Angaben des BF gegenüber der Polizei, dem BFA sowie dem erkennenden Gericht sowie den von ihm vorgelegten syrischen Urkunden. Bereits die belangte Behörde ging von einer feststehenden Identität aus.

Die Unbescholtenheit des BF in Österreich ergibt sich aus dem eingeholten Strafregisterauszug.

Der Umstand, dass XXXX bis etwa Ende November 2024 unter Kontrolle des syrischen Regimes stand und nunmehr unter Kontrolle des al-Scharaa-Regimes steht, beruht auf den Informationen von syria.liveuamap.com, bzw. https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-in-syria.html in Übereinstimmung mit dem Vorbringen des BF.

Zu den geltend gemachten Fluchtgründen:

Der BF brachte konkret im gesamten Verfahren ausschließlich auf das Assad-Regime bezogene Flucht- bzw Asylgründe vor:

Vor dem BFA gab der BF an, an einer gegen das Assad-Regime gerichteten Demonstration teilgenommen zu haben, weil es kurz zuvor im Hause der Familie des BF eine Razzia gegeben habe, bei der sein älterer Bruder und sein Cousin festgenommen und zum Militär gebracht worden seien. Drei Tage nach der Demonstration seien Angehörige des syrischen Sicherheitsapparates beim BF gewesen und hätten nach ihm gesucht, der BF habe sich jedoch verstecken können, da er schon gewusst habe, dass mit einer Razzia zu rechnen sei. Ein Cousin des BF sei jedoch geflüchtet und dabei getötet worden. Wegen der Demonstrationsteilnahme werde er immer noch vom Regime gesucht. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien befürchte er, hingerichtet zu werden. Den Wehrdienst habe er noch nicht abgeleistet, jedoch habe er einen Einberufungsbefehl von seinem Großvater, der Notar sei, erhalten. Den Einberufungsbefehl habe er weggeschmissen. Davor sei er aufgrund einer Reisegenehmigung nicht einberufen worden.

In seiner Beschwerde stützte sich der BF ebenfalls auf den nicht abgeleisteten Wehrdienst beim Assad-Regime: Im Falle einer Rückkehr nach Syrien drohe ihm die Einziehung zur Armee bzw. die Bestrafung wegen der Wehrdienstverweigerung. Der BF wäre im Falle der Einziehung gezwungen, sich an völkerrechtswidrigen Kriegshandlungen zu beteiligen. Auch ein Cousin und ein Bruder des BF verweigerten den Wehrdienst, wobei der Cousin deswegen getötet worden sei.

Aufgrund der Wehrdienstverweigerung des BF und seiner Verwandten unterstelle ihm das syrische Regime eine oppositionelle Gesinnung. Der Freikauf vom Wehrdienst durch Leistung einer Befreiungsgebühr sei dem BF nicht möglich. Der BF wolle sich keinesfalls an Kriegsverbrechen beteiligen und lehne den Wehrdienst in der syrischen Armee aus Gewissengründen ab. Außerdem habe er an einer Demonstration gegen das Regime teilgenommen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 27.06.2024 verwies der BF wiederum auf seine Wehrdienstverweigerung beim Assad-Regime sowie seine Teilnahme an regimekritischen Demonstrationen.

In der Stellungnahme vom 24.01.2025 brachte der BF durch seine Rechtsvertretung vor, dass die weitere Entwicklung der Lage nach dem Sturz des Assad-Regimes völlig unklar sei, sodass es an einer wesentlichen Grundlage für die Entscheidung fehle. Verwiesen werde in diesem Zusammenhang auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu Afghanistan. Die nunmehr regierende HTS werde von UNO, EU und USA als Terrororganisation eingestuft und sei in der Vergangenheit brutal gegen Andersdenkende vorgegangen und für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gewesen. Seitens der HTS seien Zwangsrekrutierungen und allgemein Verfolgung von Andersdenkenden zu befürchten.

Daraus folgt:

Eine Verfolgungsgefahr aus den auf das Assad-Regime bezogenen Gründen ist schon deshalb mittlerweile auszuschließen, weil das syrische Regime unter Präsident Assad infolge der erfolgreichen Großoffensive der HTS Ende November/Anfang Dezember 2024 nicht mehr existiert (siehe die obigen Länderfeststellungen). Dem setzte der BF in seiner letzten Stellungnahme nichts Substantiiertes entgegen.

Was die in der Stellungnahme vom 24.01.2025 vage vorgebrachte drohende Verfolgung durch das aus dem HTS hervorgegangene nunmehr - auch in XXXX - regierende Regime al-Scharaa betrifft, wird auf den gänzlich allgemeinen Charakter dieses Vorbringens und dessen nicht erfolgte Konkretisierung trotz Auftrages vom 28.01.2025 sowie die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen stützen sich auf die auszugsweise wiedergegebenen aktuellen Länderberichte zu Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes sowie rezente Medienberichte. Die Ausführungen in der Stellungnahme vom 24.01.2025 stehen dem sich insgesamt abzeichnenden, in den Feststellungen dargestellten aktuellen Lagebild in Syrien nicht entgegen. Das durch den Machtwechsel veraltete LIB vom 27.03.2024 wurde dort zitiert, wo sich trotz dieses Machtwechsels keine wesentliche Änderung ergeben hat und es daher nach wie vor Aktualität besitzt, oder wo es um einen Vergleich mit der Situation vor dem Machtwechsel geht.

Angesichts der Aktualität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf verschiedenen voneinander unabhängigen dort wiedergegebenen Quellen beruhen und ein übereinstimmendes, in sich schlüssiges und nachvollziehbares Gesamtbild liefern, besteht für das Gericht kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.

Rechtlich folgt:

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm in seinem Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Heimatstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Antrag abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht oder er einen Asylausschlussgrund gesetzt hat.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 11 und 12 AsylG ist Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, Verfolgungsgrund ein in Art. 10 StatusRL genannter Grund.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der politischen Gesinnung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach Art. 9 der StatusRL muss eine Verfolgungshandlung i.S.d. GFK aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist, bestehen.

Unter anderem können als Verfolgung folgende Handlungen gelten: Anwendung physischer oder psychischer, einschließlich sexueller Gewalt; gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewendet werden; unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung; Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung; Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 2 fallen; Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt AZ 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht vor dieser Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht.

Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, dass dem Asylwerber in seinem Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der politischen Gesinnung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht.

Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kommt es nicht bloß auf die tatsächliche politische Gesinnung an, auch eine seitens des Verfolgers dem Asylwerber unterstellte politische Gesinnung ist asylrechtlich relevant.

Im Fall der Behauptung einer asylrelevanten Verfolgung durch die Strafjustiz im Herkunftsstaat bedarf es einer Abgrenzung zwischen der legitimen Strafverfolgung („prosecution“) einerseits und der die Gewährung von Asyl rechtfertigenden Verfolgung aus einem der Gründe des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK („persecution“) andererseits. Keine Verfolgung im asylrechtlichen Sinn ist im Allgemeinen in der staatlichen Strafverfolgung zu erblicken. Allerdings kann auch die Anwendung einer gesetzlich für den Fall der Zuwiderhandlung angeordneten, jeden Bürger des Herkunftsstaates gleichermaßen treffenden Sanktion unter bestimmten Umständen eine Verfolgung im Sinne der GFK aus einem dort genannten Grund sein; etwa dann, wenn das den nationalen Normen zuwiderlaufende Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt.

Um feststellen zu können, ob die strafrechtliche Verfolgung wegen eines auf politischer Überzeugung beruhenden Verhaltens des Asylwerbers einer Verfolgung im Sinne der GFK gleichkommt, kommt es auf die angewendeten Rechtsvorschriften, aber auch auf die tatsächlichen Umstände ihrer Anwendung und die Verhältnismäßigkeit der verhängten Strafe an.

Der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung kann asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt, wie dies etwa bei der Anwendung von Folter grundsätzlich der Fall ist (VwGH 27.04.2011, 2008/23/0124; VwGH 23.01.2019, Ra 2019/19/0009; jüngst VwGH 19.06.2019, Ra 2018/18/0548). Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zur Teilnahme an völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe eine asylrelevante Verfolgung darstellen (VwGH 25.03.2003, 2001/01/0009; VwGH 28.03.2023, Ra 2023/20/0027, m.w.N.; Putzer, Leitfaden Asylrecht2 (2011), Rn. 97; EuGH 26.02.2015, C-472/13 (Shepherd)). Wird der Asylwerber in seinem Herkunftsstaat dazu gezwungen, gegen Angehörige seiner eigenen Volksgruppe vorzugehen, kann dies ebenfalls in asylrechtlicher Hinsicht relevant sein (VwGH 27.04.2011, 2008/23/0124, m.w.N.).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Gewährung von Asyl zum einen nicht zwingend erforderlich, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist eine solche Vorverfolgung für sich genommen auch nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob die betroffene Person im Zeitpunkt der Entscheidung bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste. Relevant kann also nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten hat (VwGH 23.05.2023, Ra 2023/20/0110, m.w.N.).

Zum Beschwerdeführer:

Zur Wehrdienstverweigerung bei der syrischen Armee bzw. sonstigen Verfolgung durch das Assad-Regime:

Wie festgestellt, existiert das syrische Regime unter Präsident Assad seit dem Umsturz im Dezember 2024 nicht mehr. Der Befürchtung der Einberufung zum Militärdienst beim vom BF allein genannten syrischen Regime mit der Gefahr der Heranziehung zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist damit der Boden entzogen. Eine Verfolgung (aus welchen Gründen immer) seitens dieses nicht mehr vorhandenen Regimes ist daher nicht anzunehmen.

Im Umstand, dass im Heimatland des BF Bürgerkrieg herrscht(e), liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. VwGH 26.11.1998, 98/20/0309, 0310 und VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. Eine solche hat der BF aber nicht hinreichend nachvollziehbar glaubhaft machen bzw. dartun können.

Zur Befürchtung einer Verfolgung durch das nunmehr in Syrien regierende Regime unter Ahmed al-Scharaa:

Neben der Behauptung mangelnder Entscheidungsreife aufgrund der in Veränderung begriffenen Situation stützte der BF in der Stellungnahme vom 24.01.2025 sein Asylvorbringen ganz vage nun auch auf eine Verfolgung durch die seit dem Sturz des Assad-Regimes aus der HTS hervorgegangene Übergangsregierung. Die HTS werde von UNO, EU und USA als Terrororganisation eingestuft und sei in der Vergangenheit brutal gegen Andersdenkende vorgegangen und für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gewesen.

Ganz allgemein wird nicht verkannt, dass es vor der zum Sturz des syrischen Regimes führenden Offensive in den HTS-beherrschten Gebieten im Nordwesten Syriens (in der Provinz Idlib und angrenzenden Provinzen) zu Menschenrechtsverletzungen seitens der HTS-Machthaber kam. Doch ist nach Art. 9 Abs. 1 StatusRL und der dazu ergangenen Rechtsprechung (EuGH 19.11.2020, C-238/19 (BAMF), Rn. 22) nicht jede Menschenrechtsverletzung als Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A GFK zu betrachten, sondern nur eine Handlung, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend ist, dass sie eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte darstellt (Art. 9 Abs. 1 lit. a StatusRL) oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, besteht, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise wie unter lit. a leg. cit. beschrieben betroffen ist (lit. b leg. cit.).

Die der HTS-Regierung in Idlib vorgeworfenen Menschenrechtsverletzungen betrafen vor allem Frauen, (vermeintliche) Oppositionelle und Angehörige von Minderheiten (z.B. Christen). Dass dem männlichen BF, der Araber, Sunnit und nicht durch oppositionelle Aktivitäten gegenüber der HTS (nach seinen Angaben aber dem Assad-Regime) in Erscheinung getreten ist, im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsort, der nunmehr unter Kontrolle des Regimes al-Scharaa steht, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht, Opfer derartiger Menschenrechtsverletzungen zu werden, ist nicht zu erwarten, zumal noch überhaupt nicht absehbar ist, wie sich die Politik dieser derzeit moderat agierenden Regierung in Zukunft entwickeln wird und die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht für deren Glaubhaftmachung genügt. Gleiches gilt für das Vorbringen hinsichtlich drohender Zwangsrekrutierungen seitens der aktuellen Regierung, welche aus der derzeitigen Berichtslage nicht hervorgehen und nicht absehbar sind.

Zur Volatilität der Lage in Syrien:

Der BF verwies auch darauf, dass infolge des Sturzes des Assad-Regimes gegenwärtig nicht absehbar sei, wie sich die Lage in Syrien entwickeln werde, weshalb es an einer wesentlichen Grundlage für eine Entscheidung über Anträge auf internationalen Schutz von syrischen Staatsangehörigen fehle. Er berief sich dabei auch auf ein zur Lage in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban ergangenes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 19.09.2022, E 3015/2021), demzufolge das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet sei, die laufende Entwicklung zu prüfen.

Das vom BF angeführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Lage nach der (letzten) Machtübernahme der Taliban in Afghanistan bezieht sich indes auf die Zurückweisung von Anträgen auf subsidiären Schutz und auf ein Erkenntnis des BVwG, das sich nicht auf die aktuelle Version der relevanten Länderberichte gestützt hat. Im gegenständlichen Verfahren gibt es jedoch (abgesehen von einem ganz aktuellen Bericht der EUAA mit im Wesentlichen den Feststellungen entsprechendem Inhalt) keine neueren oder umfassenderen Berichte als jene, die in den Feststellungen referiert werden und es ist dem BF ohnehin subsidiärer Schutz gewährt worden.

Das Verwaltungsgericht verkennt nicht, dass sich die Lage in Syrien in der ersten Dezemberhälfte des Jahres 2024 sehr rasch verändert hat, dass eine neuerliche Lageveränderung durchaus möglich ist und dass noch weitgehend unklar ist, wie sich die Lage in den kommenden Monaten entwickeln wird. Seit dem Sturz des Assad-Regimes am 8. Dezember 2024 gab es allerdings – von den Kämpfen zwischen der SNA und den SDF im Norden und einem niedergeschlagenen Aufstand von Assad-Anhängern Anfang März in der Küstenregion abgesehen – keine größeren Kampfhandlungen mehr (siehe zu den Kampfhandlungen im Nordwesten in den allerletzten Tagen unten). Zudem sprechen die zuletzt stattgefundenen Besuche hochrangiger Vertreter der Europäischen Union sowie die Lockerung der Sanktionen gegenüber Syrien seitens der USA und der EU für eine gewisse Konsolidierung der Verhältnisse in Syrien. Es wäre untunlich, mit einer Entscheidung zuzuwarten, bis völlige Klarheit über die künftigen Verhältnisse herrscht, weil nicht abschätzbar ist, ob und wann ein solches Szenario eintritt. Die verfügbaren aktuellen Berichte zur Lage in Syrien wurden – im Wesentlichen nach vorheriger Gelegenheit zur Stellungnahme – dem Verfahren zugrunde gelegt. Der volatilen Sicherheitslage in Syrien wurde durch die Gewährung subsidiären Schutzes ohnehin Rechnung getragen.

Zu berücksichtigen ist auch, dass nach der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht für deren nach § 3 Abs 1 AsylG 2005 erforderliche Glaubhaftmachung im Sinne der zum Entscheidungszeitpunkt anzustellenden Prognose genügt (vgl. etwa VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN; Ra 2021/01/0003). Eine potentiell immer und zumal im generell volatilen Syrien mögliche Änderung der Lage zum Schlechteren für einen konkreten Beschwerdeführer kann daher nicht zu einer Asylgewährung führen. Sollte sich die Lage in Syrien dergestalt ändern, dass dem subsidiär schutzberechtigten BF in Syrien (konkret absehbare) asylrelevante Verfolgung droht, steht ihm schließlich die Möglichkeit offen, einen Folgeantrag zu stellen.

Kurz ist auch auf die ganz aktuelle Gewalteskalation in Teilen Syriens einzugehen (siehe Medienberichte insbesondere vom 09.03.2025 und 10.03.2025), die allerdings in erster Linie regional begrenzte Konflikte (Departments Latakia, Tartus, Hama und Homs) zwischen von Alawiten geführten Milizen und HTS zum Gegenstand hatten. Diese Entwicklungen sind zwar ernst zu nehmen, ändern nach Ansicht des Verwaltungsgerichts aber nichts daran, dass sie betreffend den BF als Araber in der Region Dara‘a nicht asylrelevant sind und dem BF ohnehin derzeit Subsidiärschutz zukommt.

Dem BF ist es daher im Rahmen der Beschwerde und der daraufhin durchgeführten Befragung insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, die ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

Auch vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Syrien kann nicht erkannt werden, dass dem BF aktuell in Syrien eine asylrelevante Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründen droht.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides kommt daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG kein Erfolg zu.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß Abs 4 kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Ein Absehen von der mündlichen Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 21 Abs 7 BFA-VG unter anderem dann zulässig, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Im konkreten Fall hat bereits eine Verhandlung stattgefunden, in der der BF ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Zwischenzeitlich ist der bisher im Wesentlichen vorgetragene Fluchtgrund, eine Verfolgung durch das Assad-Regime, durch dessen Sturz weggefallen. In seiner Stellungnahme vom 24. Jänner 2025 verwies der BF auch nicht mehr auf eine drohende Verfolgung durch das Assad-Regime. Zum anderen ist das Vorbringen in dieser Stellungnahme (nicht abschätzbare Entwicklung in Syrien und Politik von HTS) schon aus rechtlichen Gründen nicht geeignet, zu einer Asylgewährung zu führen, weil – wie ausgeführt – die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht für deren Glaubhaftmachung genügt.

Eine weitere mündliche Verhandlung konnte daher unterbleiben, weil dem BF (nach der bereits erfolgten Verhandlung zur Situation vor dem Assad-Regime) bereits Parteiengehör zur neuen Situation in Syrien gewährt wurde und nicht ersichtlich ist, weshalb es einer mündlichen Erörterung der (auch nach den Worten des BF) gerade nicht abschätzbaren Lage in Syrien bedürfte. Das Verwaltungsgericht räumte dem BF überdies noch ein weiteres Mal (mit Beschluss vom 28.01.2025) die Möglichkeit ein, sein Vorbringen hinsichtlich der Notwendigkeit einer weiteren mündlichen Verhandlung zu substantiieren. Darauf erfolgte keine Reaktion, sodass davon auszugehen ist, dass der BF selbst eine weitere mündliche Verhandlung nicht für notwendig erachtete.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision folgt dem Umstand, dass im Wesentlichen Umstände des Einzelfalles zu beurteilen waren und im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden wurde.