JudikaturBVwG

L503 2303592-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
27. Januar 2025

Spruch

L503 2303592-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin DIEHSBACHER als Vorsitzenden und die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA sowie den fachkundigen Laienrichter RgR Johann PHILIPP über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch den Oberösterreichischen Kriegsopfer- und Behindertenverband, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, vom 09.07.2024, OB XXXX , zu Recht erkannt:

A.)

Der Beschwerde wird stattgegeben und gemäß § 2 und § 14 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) festgestellt, dass XXXX weiterhin dem Kreis der begünstigten Behinderten gemäß § 2 Abs 1 BEinstG angehört. Der Grad der Behinderung beträgt fünfzig von Hundert (50 v. H.).

B.)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz: „BF“) gehört seit 14.4.2020 dem Kreis der begünstigten Behinderten im Sinne der §§ 2 und 14 BEinstG an; der Grad der Behinderung wurde zuletzt mit 50 vH festgesetzt.

2. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 9.7.2024 sprach das Sozialministeriumservice (im Folgenden kurz: „SMS“) – unter Hinweis auf ein Gutachten von Dr. K. B. vom 25.3.2024 – von Amts wegen aus, dass die BF mit einem Grad der Behinderung von 40 vH die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten nicht mehr erfülle; es werde daher festgestellt, dass die BF mit Ablauf des Monats, der auf die Zustellung dieses Bescheides folgt, nicht mehr zum Kreis der begünstigten Behinderten gehört.

3. Mit Schreiben ihrer Rechtsvertretung vom 12.8.2024 erhob die BF fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 9.7.2024.

4. Im Gefolge der Beschwerde holte das SMS ein weiteres Sachverständigengutachten ein und wurde die BF am 16.10.2024 von Dr. J. M., Fachärztin für Neurologie, untersucht.

In dem in weiterer Folge von Dr. J. M. am 24.10.2024 erstellten medizinischen Sachverständigengutachten wird als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung zusammengefasst wie folgt festgehalten:

Begründend zum Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, führend sei das Leiden Nummer 1 mit 40 %. Das Leiden Nummer 2 steigere, da es das Gesamtbild verschlechtere, um eine Stufe. Die restlichen Leiden würden aufgrund von Geringfügigkeit nicht weiter steigern.

5. Mit Schreiben vom 28.10.2024 gewährte das SMS der BF Parteiengehör hinsichtlich des Gutachtens vom 24.10.2024; ihr Grad der Behinderung betrage 50% und sie gehöre dem Kreis der begünstigten Behinderten an.

Eine Stellungnahme der BF ist nicht aktenkundig.

6. Am 29.11.2024 legte das SMS den Akt dem BVwG vor.

7. Mit Schreiben vom 9.12.2024 teilte die rechtliche Vertretung der BF dem BVwG mit, dass die BF mit dem Ergebnis des Gutachtens vom 24.10.2024 einverstanden sei und ersuchte in diesem Sinne um Beschleunigung des Verfahrens.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Bei der BF, einer 1966 geborenen, österreichischen Staatsbürgerin, bestehen folgende Funktionseinschränkungen und daraus resultierend folgender Gesamtgrad der Behinderung:

Führend ist das Leiden Nummer 1 mit 40 %. Das Leiden Nummer 2 steigert, da es das Gesamtbild verschlechtert, um eine Stufe. Die restlichen Leiden steigern aufgrund von Geringfügigkeit nicht weiter.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des SMS.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen zu den bei der BF bestehenden Funktionseinschränkungen beruhen auf dem vom SMS – aufgrund des Beschwerdevorbringens der BF – eingeholten (weiteren) Sachverständigengutachten von Dr. J. M. vom 24.10.2024. Dieses Sachverständigengutachten ist ausführlich begründet, schlüssig und nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Die Leiden der BF wurden entsprechend der Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Die BF hat dem BVwG gegenüber mit Schreiben vom 9.12.2024 (OZ 3) ausdrücklich angegeben, dass sie mit dem Ergebnis des Gutachtens einverstanden sei.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde

3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 19b Abs 1 BEinstG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht unter anderem in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des § 14 Abs 2 BEinstG durch den Senat. Gemäß § 19b Abs 6 erster Satz BEinstG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 14 Abs 2 BEinstG eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken.

Gegenständlich liegt somit die Zuständigkeit eines Senats vor.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Die hier einschlägigen Bestimmungen des BEinstG lauten:

Begünstigte Behinderte

§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. […]

Behinderung

§ 3. Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Feststellung der Begünstigung

§ 14. (1) Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt die letzte rechtskräftige Entscheidung über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH […]

Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. […]

(2) Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung der Entscheidung folgt, mit der der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird.

[…]

3.3. Im konkreten Fall bedeutet dies:

Das vom SMS zuletzt eingeholte Sachverständigengutachten vom 24.10.2024 ist - wie bereits im Zuge der Beweiswürdigung dargelegt - richtig, vollständig und schlüssig. Die Funktionseinschränkungen der BF wurden gemäß der Einschätzungsverordnung eingestuft, es ist bei der BF sohin von einem Grad der Behinderung von 50 v. H. auszugehen. Somit erfüllt die BF die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gemäß § 14 Abs 1 BEinstG nach wie vor; es liegen keine Ausschlussgründe gemäß § 2 Abs 2 BEinstG vor.

Der Beschwerde ist daher spruchgemäß stattzugeben und festzustellen, dass die BF weiterhin dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört, wobei der Grad der Behinderung der BF 50 v. H. beträgt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Das BVwG konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des VwGH bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage betreffend Verfahren und Voraussetzungen der Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten stützen.

Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen.

Die Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist am Maßstab des Art 6 EMRK zu beurteilen. Dessen Garantien werden zum Teil absolut gewährleistet, zum Teil stehen sie unter einem ausdrücklichen (so etwa zur Öffentlichkeit einer Verhandlung) oder einem ungeschriebenen Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkungen (wie etwa das Recht auf Zugang zu Gericht). Dem entspricht es, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung für gerechtfertigt ansieht, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Döry / S, RN 37). Der Verfassungsgerichtshof hat im Hinblick auf Art 6 EMRK für Art 47 GRC festgestellt, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten der Parteien im vorangegangenen Verwaltungsverfahren regelmäßig dann unterbleiben könne, wenn durch das Vorbringen vor der Gerichtsinstanz erkennbar werde, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lasse (vgl. VfGH 21.02.2014, B1446/2012; 27.06.2013, B823/2012; 14.03.2012, U466/11; VwGH 24.01.2013, 2012/21/0224; 23.01.2013, 2010/15/0196).

Im gegenständlichen Fall ergab sich aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung des Sachverhalts zu erwarten war. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt erweist sich aufgrund der Aktenlage als geklärt.