Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER LL.M sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen die Höhe des als Bescheid geltenden Behindertenpasses des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom 09.09.2024, OB: XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:
Der Grad der Behinderung beträgt 70 v.H. (70%). Der Behindertenpass ist befristet bis zum 31.12.2026 auszustellen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Am 06.03.2024 langte der Antrag von Herrn XXXX (in der Folge: BF) auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund einer Behinderung“ sowie auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvolutes ein.
2. Im hierzu eingeholten Sachverständigengutachten vom 02.07.2024 hält Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, nach persönlicher Untersuchung des BF am 04.06.2024 fest:
„Anamnese:
Erstbegutachtung
TE, AE, Hernia inguinalis beidseits
Agenesie der linken Niere
2022-9 Darmverschluß mit Durchbruch bei Sigmadivertikulose, lleocoecalresektion
2023-1 enterokutane Fistel
2023-6 Adhäsiolyse, Dünndarmleak Übernähung und CNP-Anlage - mehrfache CNPWechsel und Übernähungen im
2023-12 mit Re Re Lapratomie , im Tiefschlaf Tracheotomie
2024-1 Adhäsiolyse, Dünndarmübernähung, Lavage, Abdominaldressing mit Stoma
2024-2 Port-a Cath Implantation
seither Nutriflex und Infusionen
HIV pos seit ca. 2014, Viruslast unter Therapie nicht nachweisbar
Depressionen seit ca. 2021 mit burnout bekannt, diesbezüglich kein stat. Aufenthalt, 2022
Reha XXXX , was gebessert hatte, dzt. keine Psychotherapie, unter regelmäßiger Medikation stabilisiert. bisher kein niedergelassener Psychiater
Derzeitige Beschwerden:
Der Antragswerber klagt ‚über Schlafstörungen mit schweren Träumen, Kreuzschmerzen bei längerem Gehen, mit dem Stoma komme er zurecht‘
Keine spezifizierte Allergie bekannt
Anderwärtige schwere Krankheiten, Operationen oder Spitalsaufenthalte werden negiert.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Dominal, Sertralin, Triumeq, Durotiv, Molaxole, Quantalan, Kalioral, Resource, Nutriflex, Infusionslösung
Sozialanamnese:
seit ca. 2012 bei der Firma XXXX als Elektrogebäudeinstandhalter beschäftigt, seit 2021 im Krankenstand, geschieden seit ca. 2004, Partner seit ca. 5 Jahren, keine Kinder
wohnt in einer Mietwohnung im EG, barrierefrei.
Pflegegeld abgelehnt
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
2024-2 XXXX krankenhaus, Chirurgie: Mediane Re-Re-Laparotomie am 12.12.2023 bei Zustand nach Re-Laparotomie am 03.06.2023 - Adhäsiolyse, Dünndarmleak Übernähung und CNP-Anlage - mehrfache CNP-Wechsei und Übernähung
(14.,16.,18.,20.,23.,24.,26.,28.12.2023) - Influenza A positiv bei Aufnahme am 12.12.2023 - Zustand nach Re-Laparotomie, Adhäsiolyse, Hemikolektomie rechts mit Excision der entero-cutanen Colonfistel, CNP- Anlage und mehrere CNP-Wechsel 30.05.2023 - Zustand nach Dünndarmteilresektion bei entz. Konglomerattumor, Re-Laparotomie wegen Anastomosendehiszenz und Neuanlage 09/22 Perkutane Tracheotomie am 29.12.2023
Bronchoskopie 31.12.2023
Hypovolämie Delir Herpes simplex Angststörung Einzelniere rechts (von Geburt an) HIV positiv - Erstdiagnose vor 10 Jahren, Viruslast unter Therapie nicht nachweisbar Depressio
Laparotomie, Adhäsioiyse, Dünndarmübernähung, Lavage, Abdominaldressing am 12.02.2024 Schließlich erfolgte die Versorgung der entero-cutanen Colonfistel mittels Stomasack., Mehrfache intraoperative CNP- Wechsel Port a cath Implantation am 03.02.2024
2022-5 XXXX : Burnoutsyndrom, Z.n. Vorwiegend Zwangsgedanken oder Grübelzwang Z.n, Nichtorganische insomnie Z,n. Psychogenes Erbrechen, Nic HiV-Krankheit
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
48 jähriger AW in gutem AZ kommt alleine ins Untersuchungszimmer
Rechtshänder
Ernährungszustand:
gut
Größe: 173,00 cm Gewicht: 68,00 kg Blutdruck: 130/80
Klinischer Status – Fachstatus:
Haut: und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, kein Ikterus, keine periphere oder zentrale Zyanose
Caput: HNAP frei, kein Meningismus, sichtbare Schleimhäute: unauffällig Zunge feucht, wird gerade hervorgestreckt, normal
PR unauffällig, Rachen: bland,
Gebiß: lückenhaft.
Hörvermögen ohne Hörgerät unauffällig
Collum: Halsorgane unauffällig, keine Einflußstauung, keine Stenosegeräusche
Thorax: symmetrisch, blande Narbenverhältnisse nach Port-a Cath links subclaviculär
Cor: HT rhythmisch, mittellaut, normfrequent Puls: 72 / min
Pulmo: sonorer KS, Vesikuläratmen, Basen atemverschieblich, keine Dyspnoe in Ruhe und beim Gang im Zimmer
Abdomen: Bauchdecken im Thoraxniveau, Hepar nicht vergrößert, Lien nicht palpabel, keine pathologischen Resistenzen tastbar, indolent,
blande NVH nach AE, Hernia inguinalis beidseits und LAP, blandes Stoma im ehem. Nabelbereich,
NL bds. frei
Extremitäten:
OE: Tonus, Trophik und grobe Kraft altersentsprechend unauffällig.
Nacken und Schürzengriff gut möglich,
in den Gelenken altersentsprechend frei beweglich, Faustschluß beidseits unauffällig,
eine Sensibilitätsstörung wird nicht angegeben
Feinmotorik und Fingerfertigkeit ungestört.
UE: Tonus, Trophik und grobe Kraft altersentsprechend unauffällig. In den Gelenken altersentsprechend frei beweglich, Bandstabilität,
keine Sensibilitätsausfälle, selbständige Hebung beider Beine von der Unterlage möglich, Grobe Kraft an beiden Beinen seitengleich normal.
Fußpulse tastbar, verstärkte Venenzeichnung keine Ödeme
PSR: seitengleich unauffällig, Nervenstämme: frei, Lasegue: neg.
Wirbelsäule: In der Aufsicht gerade, weitgehend im Lot, in der Seitenansicht gering verstärkte Brustkyphose und Abflachung der physiologischen Lendenlordose, FBA: 30 cm durchgeführt, Aufrichten frei,
kein Klopfschmerz, endgradig eingeschränkte Seitneigung und Seitdrehung der LWS, altersentsprechend freieBeweglichkeit der HWS, Kinn-Brustabstand: 1 cm,
Hartspann der paravertebralen Muskulatur,
Gesamtmobilität – Gangbild:
kommt mit Halbschuhen frei gehend weitgehend unauffällig, Zehenballen- und Fersengang sowie Einbeinstand beidseits gut möglich. Die tiefe Hocke wird ohne Anhalten zu 1/3 durchgeführt. Vermag sich selbständig aus- und wieder anzuziehen
Status Psychicus:
Bewußtsein klar.
gut kontaktfähig, Allseits orientiert, Gedanken in Form und Inhalt geordnet, psychomotorisch ausgeglichen, Merk- und Konzentrationsfähigkeit erhalten; keine produktive oder psychotische Symptomatik,
Antrieb unauffällig, Affekt: dysthym
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 2-3 erhöht nicht weiter, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.
Leiden 4 erhöht nicht, da von zu geringer funktioneller Relevanz
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
keines vorliegend
Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:
X Nachuntersuchung 06/2026 - da ev. Rückoperation des Stomas
(…)
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Keine, ein Stoma führt zwar zur Beeinträchtigung im Alltag – es ist jedoch dadurch, mangels belegter anhaltender Dichtheitsprobleme, eine erhebliche Erschwernis öffentlicher Verkehrsmittel nicht ausreichend begründbar.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten? Nein
(…)“
3. Im Rahmen des hierzu erteilten Parteiengehörs erhob der BF unter Vorlage weiterer Befunde Einwendungen gegen das Gutachten vom 02.07.2024.
4. In seiner Stellungnahme vom 05.09.2024 führt der bereits befasste Arzt für Allgemeinmedizin aus:
„Antwort(en):
Der Antragswerber gab im Rahmen des Parteiengehörs vom 17.7.2024 an, daß er mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht einverstanden sei, da insbesondere die Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel‘ nicht berücksichtigt wurde.
Beigelegt wurde der Bescheid über die Ablehnung auf Gewährung eines Pflegeldes vom 24.4.2024,
ein Operationsbericht der chirurgischen Abteilung des XXXX krankenhaus, vom 30.5.2023 der die Re-Laparotomie, Adhäsiolyse, Hemikolektomie rechts mit Excision der enterocutanen Colonfistel wegen Entero-cutaner-Fistel bei Z.n. mehrfacher Laparotomie mit Cöcumresektion wegen eines Konglomerattumors mit Dünndarmperforation beschreibt.
Sowie den Entlassungsbericht des XXXX vom 10.5.2022 mit den relevanten Diagnosen: Burnoutsyndrom, Z.n. vorwiegend Zwangsgedanken oder Grübelzwang, Z.n. nichtorganische Insomnie, Z.n. psychogenem Erbrechen und HIVKrankheit
Ein weiterer Befund wurde bis jetzt noch nicht vorgelegt.
Die vom Antragsteller beim Antrag und bei der Untersuchung vorgebrachten Leiden wurden von allgemeinmedizinischer Seite unter Beachtung der vom Antragsteller zur Verfügung gestellten Befunde zur Kenntnis genommen und einer Einschätzung gemäß der geltenden EVO unterzogen.
Die nachgereichten Befunde bestätigen im Wesentlichen die getroffene Einstufung. Eine maßgebliche Undichtigkeit des Stomas ist nicht beschrieben.
Insgesamt beinhalten die nachgereichten Einwendungen daher keine ausreichend relevanten Sachverhalte, welche eine Änderung des Gutachtens bewirken würden, sodaß daran festgehalten wird, insbesondere konnte auch in der hierortigen Begutachtung eine derartige Einschränkung der Gehfähigkeit oder körperlichen Leistungsfähigkeit, welche eine erhebliche Erschwernis der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bewirken könnte, gerade eben nicht objektiviert werden – und ist auch den vorhandenen Befundberichten nicht zu entnehmen.“
5. Mit Schreiben vom 06.09.2024 teilte die belangte Behörde dem BF mit, dass im Ermittlungsverfahren ein GdB von 50% festgestellt worden sei. Die Voraussetzungen für folgende Zusatzeintragungen würden vorliegen: „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“; „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“. Der Behindertenpass werde befristet mit 30.09.2026, weil nach diesem Zeitpunkt eine Überprüfung seines Gesundheitszustandes erforderlich sei.
Diesem Schreiben waren das Gutachten von Dr. XXXX vom 02.07.2024 sowie dessen Stellungnahme vom 05.09.2024 beigelegt.
6. Dem BF wurde mit Schreiben vom 09.09.2024 ein Behindertenpass mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 %, befristet mit 30.09.2026, ausgestellt.
7. Fristgerecht erhob der BF Beschwerde gegen den im Behindertenpass festgesetzten Grad der Behinderung. Inhaltlich brachte der BF im Wesentlichen vor, gerade jetzt müsse die Einzelniere alles bewerkstelligen mit weniger Flüssigkeit, da er den Großteil der Flüssigkeit über das Stoma verliere und zusätzlich Flüssigkeit zunehmen müsse über den Port a Cat. Eine Rück-OP könne nicht erfolgen, da ein hohes Risiko bestehe, dass die Situation schlimmer würde. Die Schlafstörungen und schweren Träume würden sehr wohl seinen Alltag beeinflussen und seien nicht durch die Medikation komplett weg. Die Medikation schlage sich auch auf die Einzelniere. Neue Befunde wurden keine vorgelegt.
8. In der Folge wurde mit Schreiben vom 26.09.2024 die Beschwerde samt Fremdakt dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zur Entscheidung vorgelegt.
9. Das BVwG ersuchte sodann Frau Prim. Dr. XXXX , Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie, um Erstellung eines Sachverständigengutachtens aufgrund persönlicher Untersuchung des BF.
Diese führt in ihrem Gutachten vom 01.12.2024 aus:
„Anamnese:
Herr XXXX hat in den vergangenen Jahren mehrmalige operative Eingriffe am Abdomen erlitten. Zuletzt war ein prolongierter Aufenthalt im XXXX Krankenhaus mit Intensivaufenthalt postoperativ vom 12.12.2023-12.02.2024. Aufgrund schlecht heilender Wunden am Abdomen sowie wiederkehrender Kreislaufinstabilität wurde der Pat. über einen längeren Zeitraum auch intensivmedizinisch betreut und parenteral ernährt. Der postoperative Verlauf war verlängert mit zahlreichen Relaparotomien bei wiederkehrender Adhäsiolyse und Hemikolektomie rechts. Es besteht bereits ein Zustand nach Dünndarmteilresektion bei Konglomerattumor. Bei Zustand nach Stomaanlage erfolgt der Stomawechsel selbständig, Unterstützung erhält Hr. XXXX durch seinen Bekannten.
Das zwischenzeitlich notwendige Tracheostoma wurde entfernt und ist abgeheilt.
Seit dem letzten stationären Aufenthalt erholt sich Herr XXXX nur sehr schwer. er ist insgesamt im AZ und EZ geschwächt, die Ernährung erfolgt teilweise parenteral. Er beschreibt anhaltend massive Schmerzen im Abdomen, insbesondere nach Nahrungsaufnahme, eine analgetische Therapie ist etabliert und verschafft nur teilweise Linderung.
Auch bei dem Besuch in der Ordination präsentiert sich Herr XXXX in deutlich reduziertem AZ und EZ, die Stimmung ist dysthym, der freie Stand im Rahmen der Untersuchung ist nur erschwert möglich, es besteht ein laufender Gewichtsverlust (dzt. 59-60kg).
Befunde aus dem medizinischen Akt:
OP Bericht, XXXX Krankenhaus, 30.05.2023, ABL 49:
Re-laparotomie, Adhäsiolyse, Hemikolektomie rechts mit Excision der enterocutanen Colonfistel
Befundbericht Gesundheitspark XXXX , 10.05.2022, ABL 48ff/ABL 25 ff:
Aufenthalt vom 29.03.2022 - 10.05.2022:
Burnoutsyndrom
z.n. vorwiegend Zwangsgedanken oder Grübelzwang
z.n. nichtorganischer Insomnie
z.n. psychogenem Erbrechen
HIV Krankheit
Kurzarztbrief LK XXXX , 12.01.- 17.01.2023, ABL 36 ff:
Enterokutane Fistel bei 20cm im Sigma bei vorbekannter Sigmadivertikulose
Zustand nach TAPP rechts bei Hernia inguinalis Text. rec.
Status post Inguinalherniotomie bds. als Kind
Agenesie der linken Niere
Status post Appendektomie
Status post Tonsillektomie
Befund Chirurgische Ambulanz KH XXXX , 02.01.2023, ABL 34 ff:
Vorstellung bei Verdacht auf Stuhl und Gasaustritt aus dem Fistelgang - Procedere Aufnahme planen am 11.01.2023 zur CT und ev. Fistulografie
Entlassungsbericht XXXX -Krankenhaus, 08.05.2023, ABL 27 ff:
enterokutane Fistel nach Dünndarm OP 09/2022 mit Revision bei Anastomosendehiszenz
02.09.2022 Dünndarmteilreseektion bei entzündlichem Konglomerattumor st.p. TAPP 2020
ED HIV vor ca. 10 Jahren
Entlassungsbericht XXXX -Krankenhaus 13.02.2024, ABL 19 ff
12.12.2023 - 12.12. 2023 CHIR
12.12.2023 - 09.01.2024 Intensiv
09.01.2024 bis 12.02.2024 CHIR
Mediane Re-Re Laparotomie am 12.12.2023 bei Zustand nach Re-Laparotomie am 03.06.2023:
CNP Anlage und mehrfacher CNP Wechsel und Übernähung
Zustand nach Dünndarmteilresektion bei Netz. Konglomerattumor, Re-Laparotommie wegen
Anatomosendehiszenz und Neuanlage 09/2022
Perkutane Tracheotomie am 29.12.2023
Bronchoskopie am 29.12.2023
Vorläufiger Entlassungsbericht XXXX -Krankenhaus, 30.05.2023-12.07.2023, ABL 10ff:
enterokutane Fistel nach Dünndarmoperation 09/2022 mit Revision und Anastomosendehiszenz.
Medikamente:
Sertralin, PPI, Durotiv, Imodium, Oleovit, parenterale Ernährung, Ringerlactat, Opiate
Status:
Größe: 174 cm Gewicht: 60 kg
Kopf frei beweglich
Herz: Herztöne leise, rhythmisch, rein, tachycard
Lunge: va, keine Rasselgerausche, Lungenbasen verschieblich
Abdomen: Zustand nach Platzbauch - Narben verheilt, Stoma in situ, Platte sitzt regelrecht
WS: im Lot
OE: frei beweglich, UE: frei beweglich keine Beinödeme Haut: gräulich, blass
Status psychicus:
klar, orientiert, Ductus kohärent, Stimmung dysphorisch/dysthym
Gangbild:
unauffälliges Gangbild, Lagewechsel schmerzbedingt und aufgrund Schwäche erschwert, der freie Stand ist nicht sicher möglich
Zusammenfassung:
Frage 1 und 2.)
Diagnosen:
Zustand nach entzündlichem Konglomerattumor und Ileumteilresektion 09/2022
Zustand nach Hemikolektomie bei Zustand nach Enterokutaner Colonfistel 12/2023
Zustand nach mehrfachen operativen Re-Laparotomien bei Adhäsiolyse bei Zustand nach Hemikolektomie im Zeitraum 12.2023 bis 02.2024 mit Intensivaufenthalt und Katecholaminpflicht
Colostomaanlage
Agenesie der linken Niere
St.p. Burnoutsituation mit Zustand nach stationärem Aufenthalt 03-05/2022
Angststörung
Depressio
HIV positiv - keine Nachweis der Viruslast unter Therapie
Leiden 1
Zustand nach partieller Dickdarm und Dünndarmentfernung
PosNr.: 07.04.12 GdB 50%
Fixer Richtsatz bei Zustand nach zahlreichen operativen Eingriffen am Abdomen, Zustand nach Platzbauch mit schlechter Wundheilung, enterokutaner Fistelbildung und infolge der Eingriffe Mangelernährung, die parenterale Flüssigkeitssubstitution und Ernährung sind hier mit erfasst.
Leiden 2
Colostoma
PosNr.: 07.04.18 GdB 50%
Fixer Richtsatz
Leiden 3
Depressio, Zustand nach Burnoutsyndrom
PosNr.: 03.06.01 GdB 30%
2 Stufen über dem unteren Rahmensatz bei Zustand nach stationärem Aufenthalt 2022, die bestehende Angststörung ist hier mit erfasst und eingeschätzt, es besteht ein sozialer Rückzug.
Leiden 4
Agenesie der linken Niere
PosNr.: 08.01.01 GdB 30%
Oberer Rahmensatz bei funktioneller Einzelniere.
Leiden 5
Erworbene Immunschwäche
PosNr.: 10.03.13 GdB 10%
Unterer Rahmensatz da Viruslast unter Therapie nicht nachweisbar.
Gesamtgrad der Behinderung GdB 70%
Das führende Leiden 1 wird aufgrund der funktionellen Relevanz des Leiden 2 bis 5 und aufgrund der besonders negativen Leidensbeeinflussung durch die Leiden 2 und 3 um zwei Stufen erhöht.
Frage 3.)
Eine Nachuntersuchung ist in 2 Jahren indiziert, da eine relevante Besserung möglich scheint
Frage 4.)
Der Gesamtgrad ist ab Antragstellung anzunehmen.
Frage 5 a. bis j.)
Leiden 1 wurde als eigenes Leiden aufgenommen, da erhebliche funktionelle Einschränkungen draus resultieren.
Leiden 2 ist idem zum Vorgutachten (ehemals Leiden 1)
Leiden 3 wurde erhöht bei Zustand nach Rehabilitation 2022, weiterhin bestehender Angststörung wie auch im ABL 19ff beschrieben (ehemals Leiden 3).
Die Leiden 4 und 5 sind idem zum Vorgutachten (ehemals Leiden 2 und 4).
Bei dem Pat. besteht ein Zustand nach mehrmaligen langen Krankenhausaufenthalten und zahlreichen operativen Eingriffen am Abdomen mit prolongierter Wundheilung. Aufgrund der komplexen Erkrankungssituation mit Zustand nach mehrmaligen operativen Eingriffen und Resektion sowohl Teilen von Dick- als auch Dünndarm, besteht neben der erheblichen Einschränkung des Allgemeinzustandes, eine deutliche Mangelernährung (eine Zusatzernährung erfolgt bereits parenteral). Die Schwäche führt dazu, dass lange Stehzeiten nicht ausreichend sicher möglich sind und Herr XXXX seine Tage vor allem im Sitzen und Liegen verbringt.
Zusätzlich gibt der Beschwerdeführer erhebliche Schmerzen im gesamten Abdomen an, welche oftmals das aufrechte Stehen verunmöglichen. Die Schmerzsymptomatik ist aufgrund der komplexen abdominellen Vorgeschichte durchaus nachvollziehbar, eine analgetische Therapie ist etabliert.
Die Stomaplatte ist in situ und dicht. Ein Ausrinnen des Stomas ist bei üblicher Versorgung desselben an sich nicht gegeben und auch bei korrektem Sitz der Stomaplatte nicht erwartbar.
Trotz uneingeschränkter Gelenkbeweglichkeit ist aufgrund des reduzierten Allgemeinzustandes sowie der generellen Schwäche eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel derzeit nicht möglich, da die körperliche Belastbarkeit erheblich eingeschränkt ist.
Insgesamt ist festzuhalten, dass das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300 bis 400m in 10 min aus eigener Kraft derzeit nicht ohne Pause möglich ist. Niveauunterschiede können überwunden werden, da keine Beeinträchtigung der Gelenkbeweglichkeit besteht. Freies Stehen im öffentlichen Verkehrsmittel ist aufgrund der Schwäche und der abdominellen Schmerzen nicht ausreichend sicher gegeben, der Transport muss im Sitzen erfolgen.
Aufgrund der Befundzusammenschau, der ausführlichen Anamnese sowie der körperlichen Untersuchung wird hier eine abweichende Einschätzung denn im Vorgutachten Dr. XXXX (ABL 37-40) getroffen.
Eine Nachuntersuchung betreffend die Unzumutbarkeit ist indiziert, da eine relevante Besserung der Gesamtsituation möglich scheint.“
10. Gegen dieses Gutachten sind in der Folge keine Einwendungen beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
11.Mit Erkenntnis des BVwG vom 10.01.2025, Zl. W217 2299750-1/9E, wurde der Beschwerde des BF gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom 06.09.2024, OB XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme einer Zusatzeintragung in den Behindertenpass, stattgegeben und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vorliegen und die Eintragung des Zusatzvermerkes befristet bis 31.12.2026 vorzunehmen ist.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist am XXXX geboren, besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft und hat seinen Wohnsitz im Inland.
1.2. Der BF begehrte am 06.03.2024 bei der belangten Behörde einlangend die Ausstellung eines Behindertenpasses, die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund einer Behinderung“ sowie die Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung. Der Behindertenpass wurde ihm mit Schreiben vom 09.09.2024, mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50%, befristet zum 30.09.2026 zugestellt.
1.3. Beim BF liegen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden, vor:
1.4. Der Gesamtgrad der Behinderung des BF beträgt ab Antragstellung 70 v.H.
Eine Nachuntersuchung ist in zwei Jahren indiziert.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1) Die getroffenen Feststellungen gründen auf dem diesbezüglich unbedenklichen Eintrag im Zentralen Melderegister und stehen überdies im Einklang mit den Angaben des BF.
Zu 1.2) Die Feststellungen hinsichtlich der Antragsstellung auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund einer Behinderung“ sowie auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung gründen auf dem diesbezüglich schlüssigen Akteninhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Fremdaktes.
Zu 1.3) bis 1.4) Die Feststellungen zur Höhe des Gesamtgrades der Behinderung und zur Art und zum Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich auf das vom BVwG eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von Prim. Dr. XXXX , Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie, vom 01.12.2024, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am 28.10.2024.
In diesem Gutachten wird auf die Art der Leiden des BF und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und im Einklang mit der medizinischen Wissenschaft und den Denkgesetzen eingegangen, wobei die vom BF vorgelegten Befunde und Beweismittel im Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme umfassend Berücksichtigung gefunden haben. Der Gesamtgrad der Behinderung des BF wurde mit einem Grad der Behinderung von 70 v.H. eingeschätzt.
Die Sachverständige berücksichtigt den „Zustand nach partieller Dickdarm- und Dünndarmentfernung“ zusätzlich als neues Leiden 1 unter der Pos.Nr. 07.04.12 mit der Fixeinstufung von 50% und erläutert dieses mit „Zustand nach zahlreichen operativen Eingriffen am Abdomen, Zustand nach Platzbauch mit schlechter Wundheilung, enterokutaner Fistelbildung und infolge der Eingriffe Mangelernährung“. Zudem begründet sie die Aufnahme von Leiden 1 als eigenes Leiden nachvollziehbar mit den erheblichen funktionellen Einschränkungen, die daraus resultieren. Sie betont, dass die parenterale Flüssigkeitssubstitution und Ernährung hier miterfasst sind. So konnte sich die Sachverständige im Rahmen der persönlichen Untersuchung von der aktuellen Schwäche des BF und somit der erheblichen Einschränkung seines Allgemeinzustandes selbst ein Bild machen: Wog der BF bei der Untersuchung am 04.06.2024 bei einer Körpergröße von 173 cm noch 68 kg, so betrug sein Körpergewicht am 28.10.2024 nur mehr 59 – 60 kg.
Leiden 2 („Colostoma“), vormals Leiden 1, ist mit der Einstufung von 50% unter der Pos.Nr. 07.04.18 gleichgeblieben.
Leiden 3 („Depressio, Zustand nach Burnoutsyndrom“) wurde gegenüber dem Vorgutachten von Dr. XXXX um eine Stufe erhöht und unter der Pos.Nr. 03.06.01 mit einem GdB von 30% eingestuft. Nachvollziehbar begründet die Sachverständige, dass zwar ein stationärer Aufenthalt 2022 erfolgte, die Angststörung jedoch weiterhin besteht und miterfasst und eingeschätzt ist und zudem ein sozialer Rückzug besteht. So wurde auch im Gutachten vom 01.12.2024 festgehalten, dass die Stimmung des BF beim Besuch in der Ordination dysthym ist.
Leiden 4 („Agenesie der linken Niere“), vormals Leiden 2, ist mit der Einstufung von 30% unter der Pos.Nr. 08.01.01 sowie Leiden 5 („Erworbene Immunschwäche“), vormals Leiden 4, mit der Einstufung von 10% unter der Pos.Nr. 10.03.13 gleichgeblieben.
Sodann kam die Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar zum Ergebnis, dass das führende Leiden 1 aufgrund der funktionellen Relevanz der Leiden 2 bis 5 und aufgrund der besonders negativen Leidensbeeinflussung durch die Leiden 2 und 3 um zwei Stufen erhöht wird, sodass der Gesamtgrad der Behinderung 70 v.H. beträgt.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit dieses Gutachtens vom 01.12.2024. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
Es steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchpunkt A)
Zur Entscheidung in der Sache
Unter Behinderung iSd Bundesbehindertengesetz (BBG) ist gemäß dessen § 1 Abs 2 leg.cit. die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktion zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
§ 40 Abs. 1 BBG normiert, dass behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen ist, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist (§ 40 Abs. 2 BBG).
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 idF BGBl II 251/2012) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:
§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Grad der Behinderung:
§ 2 Abs. 1 Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
Gemäß § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit diese durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war.
Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten vom 01.12.2024 zu Grunde gelegt. Daraus ergibt sich der Grad der Behinderung des BF von 70 v.H.
In diesem Gutachten wird auf die Art der Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die medizinische Sachverständige setzte sich mit den vorgelegten Befunden, die in dem Gutachten angeführt sind, sowie auch mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden objektivierten Gesundheitsschädigungen auseinander. Auch wurden im Rahmen des hierzu gewährten Parteiengehörs keine Einwendungen vorgebracht.
Da eine relevante Besserung der Gesamtsituation des BF betreffend die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel möglich erscheint, und somit eine Änderung in den Voraussetzungen iSd § 42 Abs. 2 BBG möglich ist, ist der Behindertenpass befristet bis 31.12.2026 auszustellen. Eine Nachuntersuchung ist in zwei Jahren erforderlich.
Die belangte Behörde wird dem BF somit in der Folge einen bis 31.12.2026 befristeten Behindertenpass mit einem Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 70 v.H. auszustellen haben.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt. Dem steht auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegen, vgl. dazu auch das Erkenntnis des VwGH vom 21.02.2019, Ra 2019/08/0027.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.