Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER über die Beschwerde von XXXX gegen das Disziplinarerkenntnis des Militärkommandanten von Kärnten als Disziplinarvorgesetzen vom 10.06.2024, Zl. P676871/102-MilKdoK/Kdo/2023, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 04.09.2024, Zl. P676871/111-MilKdoK/Kdo/2024, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als der Spruchpunkt 2. und die Wortfolge „und hinsichtlich Spruchpunkt 2 zumindest fahrlässig gegen § 43 Abs. 2 BDG 1979“ ersatzlos behoben werden.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum bisherigen Verfahrensgang:
Mit Disziplinarerkenntnis der Behörde vom 10.06.2024 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldbuße in der Höhe von € 200,- verhängt. Der Spruch lautet (auszugsweise) wörtlich (Anonymisierung durch das Bundeverwaltungsgericht):
„Sie haben
1. während des Wachdienstes als Wachkommandant in der XXXX -Kaserne in der Garnison
KLAGENFURT,
am 14.09.2023 um 1032 Uhr durch das eigenmächtige Verlassen des Wachbereiches,
am 14.09.2023 von 0630 bis 0700 Uhr und um 1155 Uhr sowie am 04.05.2023 durch das Einschalten des TV-Geräts,
am 13.09.2023, am 04.05.2023, am 11.05.2O23 sowie am 06.09.2023 durch Videoschauen am Handy
und
2. am 13.05.2023 als Lenker eines Privat-PKWs durch Davonfahren und Verstecken um sich der AlkohoIkontroIIe der amtshandelnden Verkehrspolizei zu entziehen
vorsätzlich gegen die § 43 Abs 1 und fahrlässig gegen 43 Abs 2 BDG 1979 verstoßen und dadurch Pflichtverletzungen gem. § 2 Abs 1 des Heeresdisziplinargesetzes 2014 (HDG 2O14), BGBI. I Nr. 2, begangen.“
1.2. Dagegen wurde rechtzeitig Beschwerde erhoben. Zu Spruchpunkt 1. wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer den Wachbereich niemals verlassen hätte, weil der Wachbereich die gesamte Kaserne umfasse. Den Fernseher habe er zwar eingeschalten, jedoch hätte Vzlt XXXX bei der Einweisung in die Wachvorschrift im Frühjahr 2023 wortwörtlich gesagt, dass er (der Beschwerdeführer) Sicherheitsdienst und keine Wache sei, weshalb er den Fernseher einschalten dürfe. Als Torposten habe er nie Videos geschaut, nur als Wachkommandant, was seine Aufmerksamkeit nicht gestört habe. Außerdem ersuche er um Prüfung eventueller Verjährung.
1.3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 04.09.2024 wurde die Beschwerde mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Spruch nunmehr lautet (wörtlich, auszugsweise):
„[Der Beschwerdeführer] hat
1. während des Wachdienstes als Wachkommandant in der XXXX -Kaserne in der Garnison
KLAGENFURT,
am 14.09.2023 um 1032 Uhr durch das eigenmächtige Verlassen seines zugewiesenen Wachbereiches und Nichteinhaltung der Essenszeit,
am 14.09.2023 von 0630 bis 0700 Uhr und um 1155 Uhr sowie am 04.05.2023 durch das verbotswidrige Verwenden des TV-Geräts,
am 13.09.2023, am 04.05.2023, am 11.05.2O23 sowie am 06.09.2023 durch verbotswidrige Videoschauen am Handy beim Schranken im Einfahrtsbereich der Kaserne
und
2. am 13.05.2023 durch Lenken seines Privat-PKWs im stark alkoholisierten Zustand,
hinsichtlich Spruchpunkt 1 vorsätzlich gegen § 44 Abs 1 BDG 1979 in Verbindung mit Punkt 22 der Dienstanweisung für die Wache der XXXX -Kaserne und hinsichtlich Spruchpunkt 2 zumindest fahrlässig gegen 43 Abs 2 BDG 1979 verstoßen und dadurch Pflichtverletzungen gem. § 2 Abs 1 des Heeresdisziplinargesetzes 2014 (HDG 2014), BGBI. I Nr. 2, begangen.“
Aufgrund des rechtzeitigen Vorlageantrages des Beschwerdeführers wurde mit Note vom 20.09.2024 die Beschwerde und der Verfahrensakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
Am 17.12.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein des Beschwerdeführers und eines Vertreters der belangten Behörde statt, bei der ein Zeuge befragt wurde und die Rechtssache umfassend erörtert wurde.
2. Zum relevanten Sachverhalt wird festgestellt:
2.1. Der Beschwerdeführer ist Wirtschaftsunteroffizier beim Bundesheer. Zum Zeitpunkt der unter Spruchpunkt 1. angelasteten Pflichtverletzungen leistete er Wachdienst in der XXXX Kaserne in Kärnten.
2.2. Sowohl die Dienstanweisung des Kasernkommandanten für die Wache der XXXX -Kaserne, gültig ab 01.07.2018 als auch jene mit Gültigkeit ab 01.07.2023 sehen in Punkt 4.4. gleichlautend vor, dass die Wache das Mittagessen zwischen 10:45 und 11:30 im Wachlokal oder - unter der Voraussetzung, dass die Wachstärke 1:1 beträgt und sich der OvT beim Wachbereich befindet, - im Speisesaal zu sich zu nehmen hat. Beide Dienstanweisungen untersagen gleichlautend in Punkt 22 das Fernsehen im Wachlokal an Diensttagen in der Zeit von 06:00 bis 16:00 Uhr. Ebenso ist die Mitnahme/Verwendung von privaten Mobiltelefonen für Soldaten im Wachdienst verboten. Allerdings hat der zuständige Offizier vom Tag (OvT) dem Beschwerdeführer mündlich die Mitnahme eines Mobiltelefons in das Wachlokal gestattet, eine Mitnahme bzw. Verwendung im Bereich der Schrankenanlage jedoch ausdrücklich untersagt.
2.3. Der Beschwerdeführer gesteht die als Pflichtverletzung angelasteten Handlungen grundsätzlich zu, macht jedoch geltend, dass diese keine Dienstpflichtverletzungen seien oder dass er eine unrichtige rechtliche Belehrung über den Inhalt der Dienstanweisung bekommen hätte. (siehe dazu unter 3. Rechtliche Beurteilung).
Zum Vorwurf des Videoschauens am Handy beim Schranken gibt der BF an, dass er dies niemals beim Schranken, sondern nur im Wachlokal gemacht habe, räumt jedoch gleichzeitig ein, dass er im Bereich des Schrankens mit dem Handy kurz per Video telefoniert habe. Dass der Beschwerdeführer am 04. und 11.05.2023 sowie am 06.09.2023 im Bereich des Schrankens am Handy Videos geschaut hat, ergibt sich aus den glaubhaften niederschriftlichen Aussagen zweier Zeugen ( XXXX ), die angeben, den Beschwerdeführer dabei beobachtet zu haben. Der Beschwerdeführer gab auf die Frage, warum ihn diese Personen wahrheitswidrig belasten sollten, nur an, dass er zu diesen kein gutes Verhältnis hätte und dass ihn viele andere nicht beim Videoschauen gesehen hätten. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer selbst zugesteht, dass er im Bereich der Schrankenanlage per Videoanruf telefoniert habe, was auch der Zeuge XXXX für den 13.09.2023 bestätigt, kann letztlich dahingestellt bleiben, ob er Videos geschaut oder per Video telefoniert hat, weil ein Videoanruf das Schauen eines Videos vom Gesprächspartner mitumfasst.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt 1.
Gemäß § 41 Abs. 3 WG 2001 haben alle Soldaten die von einem Vorgesetzten an sie gerichteten Anordnungen zu einem bestimmten Verhalten (Befehle), sowie verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist zu befolgen. Gemäß § 46 Abs. 1 WG 2001 gelten für Soldaten, die dem Bundesheer aufgrund eines Dienstverhältnisses angehören, die wehrrechtlichen Vorschriften nur insoweit, als die dienstrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmen.
Gemäß § 44 Abs. 1 BDG hat der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Weisungen können nämlich individuelle oder generelle Normen sein. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.
Der Beschwerdeführer hat mehrfach gegen die als Weisung zu qualifizierende oben unter Punkt 2.2. genannte Dienstanweisung (DA) verstoßen. Seinen Einwendungen, wonach keine Dienstpflichtverletzung vorliegen sollte, kommt keine Berechtigung zu.
Wenn der Beschwerdeführer argumentiert, er hätte nicht gegen Punkt 4.4. der DA betreffend Einnahme des Mittagessens verstoßen, weil der Wachbereich die gesamte Kaserne wäre, ist dem nicht zu folgen. Zum einen ist der Wachbereich nicht in der vom Beschwerdeführer behaupteten Sinn in der DA definiert, zum anderen gesteht selbst der Beschwerdeführer zu, dass die von ihm vorgenommene Gleichsetzung des Begriffes „Wachbereich“ mit dem zu bewachenden Bereich der Kaserne, in ihrer Anwendung auf die gegenständliche DA dazu führen würden, dass weite Teile der Anordnungen inhaltsleer würden. Vielmehr kann kein Zweifel daran bestehen, dass in der gegenständlichen Bestimmung mit Wachbereich der Bereich des Wachlokals und der Schrankenanlage bzw. der Einfahrtsbereich der Kaserne zu verstehen ist und der BF daher, indem er sich am 14.09.2023 um 10:32 Uhr vorzeitig – ohne dass der OvT im Wachbereich anwesend gewesen wäre - in den Speisesaal begab, gegen die DA verstoßen hat.
Der Einwand des Beschwerdeführers, dass der OvT seinerseits gegen die für ihn geltende Dienstanweisung (DA für den OvT der XXXX -Kaserne) verstoßen hätte, deren Inhalt der Beschwerdeführer, wie er selbst zugesteht, nicht kennt, und dass ein angebliches Fehlverhalten des OvT für das Verhalten des Beschwerdeführers ursächlich wäre, erscheint umso unverständlicher, als der Beschwerdeführer sich gerade ohne die gebotene, von ihm vorzunehmende, Verständigung des OvT vorzeitig zur Einnahme des Mittagessens in den Speisesaal begeben hat.
Schließlich hat der Beschwerdeführer zur Anlastung, dass er entgegen Punkt 22 der Dienstanweisung ferngesehen hätte, angegeben, dass er dies aufgrund einer unrichtigen diesbezüglichen Einweisung durch Vzlt XXXX für zulässig erachtet hätte. Abgesehen davon, dass ein diesbezüglicher Rechtsirrtum unbeachtlich wäre, weil der Beschwerdeführer verpflichtet war, sich mit der gegenständlichen DA vertraut zu machen, war dieses Vorbringen nicht glaubhaft, hat doch der diesbezüglich als Zeuge befragte Vzlt XXXX die vom Beschwerdeführer behauptete unrichtige Belehrung entschieden in Abrede gestellt.
3.2. Zu Spruchpunkt 2.
Dem Beschwerdevorbringen zu Spruchpunkt 2. war hingegen zu folgen.
Tatsächlich hat der Beschwerdeführer in seiner Freizeit alkoholisiert ein Fahrzeug gelenkt und wurde er dafür verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen und ihm der Führerschein entzogen. Wie die Behörde zutreffend ausgeführt hat, kommt es im Zusammenhang mit einem außerdienstlichen Fehlverhalten eines Beamten im Hinblick auf seine disziplinarrechtliche Verantwortung darauf an, ob der Schutz des betreffenden Rechtsgutes allgemein zu den Berufspflichten des Beamten gehört. Allerdings hat die Behörde nicht weiter ausgeführt, inwiefern das außerdienstliche Verhalten im konkreten Fall einen Dienstbezug im Sinne des § 43 Abs. 2 BDG 1979 hat und kann ein solcher vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht erkannt werden. Nachdem der Beschwerdeführer glaubhaft dargestellt hat, dass es sich bei dem Vorkommnis um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat und zudem der Führerscheinentzug ihn in weiterer Folge während der Zeit des Führerscheinentzuges auch nicht bei der ordnungsgemäßen Verrichtung seines Dienstes gehindert hat, war dem Antrag auf diesbezügliche Behebung des Schuldspruches stattzugeben.
3.3. Zur Strafbemessung
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begründet der Verstoß gegen eine Weisung bzw. die Verletzung der Gehorsamspflicht im militärischen Bereich grundsätzlich den Verdacht einer nicht geringfügigen Pflichtverletzung (vgl. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/09/0265, 12.11.2013, Zl. 2013/09/0044)
Gemäß § 51 Abs 1 HDG sind Disziplinarstrafen für Soldaten, die weder den Grundwehrdienst noch im Anschluss an diesen den Aufschubpräsenzdienst leisten, (1.) der Verweis, (2.) die Geldbuße, (3.) die Geldstrafe und (4.) bei Soldaten, die dem Bundesheer auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses angehören, die Entlassung bzw. bei anderen Soldaten die Unfähigkeit zur Beförderung und die Degradierung.
Gemäß § 52 Abs 1 HDG ist die Geldbuße höchstens mit 15 vH, die Geldstrafe mindestens mit einem höheren Betrag als 15 vH, höchstens mit 350 vH der Bemessungsgrundlage – das sind gemäß § 52 Abs 2 HDG die Dienstbezüge des Beschuldigten im Monat der Erlassung der Disziplinarverfügung oder des Disziplinarerkenntnisses durch die Disziplinarbehörde – festzusetzen.
Zwar hat die belangte Behörde keine Ausführungen zur für die Höhe einer Disziplinarstrafe maßgeblichen Schwere der vorliegenden Pflichtverletzungen getroffen, allerdings erscheint die Disziplinarstrafe einer Geldbuße von € 200,- für einen mehrfachen vorsätzlichen Weisungsverstoß als Soldat im Wachdienst als nicht zu hoch bemessen. Wenn die Behörde dem Beschwerdeführer sein teilweises Tateingeständnis als mildernd anrechnet, erscheint dies im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht die geringste Schuldeinsicht gezeigt hat, mithin ein reumütiges Geständnis nicht vorliegt, als verfehlt.
Auch der Umstand, dass ein außerdienstliches Verhalten dem Beschwerdeführer nicht als Pflichtverletzung im Sinne des § 43 Abs. 2 BDG 1979 anzulasten und Schuldspruch Punkt 2. aufzuheben war, kann nicht zu einer Minderung der Strafbemessung durch das Bundesverwaltungsgericht führen, da sich die verhängte Geldbuße angesichts des verletzten Rechtsgutes aus generalpräventiven Gründen und in Anbetracht der mangelnden Schuldeinsicht des Beschwerdeführers auch aus spezialpräventiven Gründen als jedenfalls erforderlich erweist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es finden sich im Lichte der unter A) zitierten Rechtsprechung und im Lichte des im wesentlichen unstrittigen Sachverhalts keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung.