JudikaturBVwG

I424 2270857-2 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
13. Januar 2025

Spruch

I424 2270857-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Barbara EBNER, Bakk.phil. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , StA. SYRIEN (in der Folge: BF), vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (in der Folge: BBU GmbH) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.11.2024, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der BF reiste im November 2021 von Syrien in die Türkei aus und gelangte Ende Dezember 2021 nach Österreich. Er stellte am 29.12.2021 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz, den er in der Erstbefragung damit begründete, dass er Syrien wegen des Krieges verlassen habe. Außerdem habe er Angst um das Leben seiner Kinder.

Mit Bescheid vom 21.03.2023 wies die belangte Behörde nach Durchführung einer Einvernahme des BF am 20.02.2023 den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als unbegründet ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs 1 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl BGBl. I. 100/2005 in der geltenden Fassung (in der Folge: AsylG 2005) wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm gemäß § 8 Abs 4 leg. cit. eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt.

Der BF erhob gegen den Spruchpunkt I. des angeführten Bescheides eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Erkenntnis vom 10.01.2024 zur GZ 2270857-1 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis wurde mit Zustellung an den damaligen Rechtsanwalt des BF am 11.01.2024 rechtskräftig.

2. Am 18.01.2024 stellte der BF im Bundesgebiet von Österreich einen Folgeantrag auf Asyl. Im Rahmen der Erstbefragung gab der BF an, er habe mehrere schriftliche Beweise und Gründe, die belegen würden, dass er ein Recht auf Asyl habe. Diese Beweise habe er nicht bei sich und er werde diese erst demnächst erhalten. Er würde in Syrien sowohl vom syrischen Regime, als auch von den Kurden verfolgt werden. Außerdem sei er mit seinem Asylantrag und dem erfolgten Bescheid zu Unrecht bzw. falsch behandelt worden und daher wolle er diesen Folgeantrag stellen.

3. Am 17.07.2024 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.

In der Einvernahme gab er unter anderem an, es habe 2014 ein Massaker im Dorf Hajia gegeben, welches er bislang nicht erwähnt habe. Nach diesem Massaker habe jeder in seinem Dorf Probleme mit den Kurden gehabt. Befragt, was sich seit der letzten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.01.2024 geändert habe, gab er an, die Fluchtgründe, welche er im Vorverfahren erwähnt habe, sollten genügen, um ihm Asyl zu gewähren. Er finde die Entscheidung unfair. Neue Beweismittel könne er keine vorlegen, er habe bei der Ersteinvernahme gemeint, dass er das Massaker noch habe erwähnen wollen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.11.2024 wies die belangte Behörde den Folgeantrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wegen entschiedener Sache zurück.

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die im vollen Umfang erhobene Beschwerde vom 10.12.2024.

Inhaltlich wird vorgebracht, die belangte Behörde hätte den BF nur oberflächlich befragt und sich ungenügend mit der Situation des BF im Falle einer Rückkehr nach Syrien auseinandergesetzt. Außerdem würde aufgrund der neuen Entwicklungen in Syrien eine wesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten sein. Auch das Vorbringen, es habe ein Massaker im Heimatort des BF gegeben, würde ein neues Sachverhaltselement darstellen. In der Beschwerde wurde zudem vorgebracht, der BF würde zur Ableistung des Selbstverteidiungsdienstes im AANES-Gebiet genötigt werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Syrien, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.

Er wurde am XXXX im Dorf XXXX nahe der Stadt XXXX geboren und ist dort aufgewachsen. Der BF besuchte sechs Jahre lang die Schule und arbeitete danach in der Landwirtschaft seines Vaters. Der BF lebte unmittelbar vor seiner Ausreise (von 2018 bis 2021) in seinem Heimatort.

Die drei Kinder sowie die Ehefrau des BF leben nach wie vor in XXXX .

Im November 2021 reiste der BF von Syrien in die Türkei aus und gelangte Ende Dezember 2021 nach Österreich, wo er am 29.12.2021 den ersten Antrag auf internationalen Schutz stellte. Mit Bescheid vom 21.03.2023 wies die belangte Behörde diesen Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als unbegründet ab (Spruchpunkt I.). Dem BF wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt. Der BF erhob gegen den Spruchpunkt I. des angeführten Bescheides eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Erkenntnis vom 10.01.2024 zur GZ 2270857-1 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Am 18.01.2024 stellte der BF im Bundesgebiet von Österreich einen Folgeantrag auf Asyl.

Im gegenständlichen Asylverfahren machte er keine neuen Fluchtgründe geltend. In Bezug auf die Situation in Syrien ist nach dem Abschluss des ersten Asylverfahrens bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides am 14.11.2024 auch keine wesentliche Änderung, welche den Beschwerdeführer konkret und individuell betrifft, eingetreten. Ebenso wenig haben sich nach Abschluss des ersten Asylverfahrens bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides wesentliche Änderungen in Bezug auf die Person des BF und die Rechtslage ergeben.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Syrien.

Ergänzend wurden Auszüge aus dem zentralen Melderegister, dem Strafregister, dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung und der Sozialversicherungsdatenbank eingeholt.

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zur Person des BF:

Die Feststellungen ergeben sich primär aus den Unterlagen zum ersten Asylverfahren, insbesondere aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.01.2024 zur GZ W265 2270857-1/8E, sowie aus den Aussagen des BF im gegenständlichen Verfahren in den Einvernahmen am 18.01.2024 und 17.07.2024.

2.3. Zu den Fluchtgründen des BF und zu den Feststellungen, dass sich nach dem ersten Asylverfahren bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides keine maßgeblichen Änderungen ergeben haben:

Der BF hatte im Verfahren zu seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz erklärt, Syrien verlassen zu haben, da er Gefahr laufe in Syrien als Reservist zum Militärdienst eingezogen zu werden. Außerdem habe er kurz vor seiner Ausreise aus Syrien eine Vorladung bekommen, wonach er sich für den Selbstverteidigungsdienst zu melden habe. Zudem brachte der BF vor, seit 2017 Probleme mit einigen kurdischen Gruppierungen wie zum Beispiel der PKK gehabt zu haben.

Im gegenständlichen zweiten Asylverfahren brachte der BK keine neuen entscheidungswesentlichen Fluchtgründe vor, wie den Niederschriften zur Erstbefragung und der niederschriftlichen Einvernahme zu entnehmen ist. Dass der BF nun ein Massaker erwähnte, das 2014 stattfand, stellt nach Ansicht des Gerichtes keinen neuen Sachverhalt dar, da der BF aus diesem Massaker eine Verfolgung durch kurdische Gruppierungen ableitet. Eine solche Verfolgung wurde jedoch bereits im ersten Asylverfahren vorgebracht und geprüft. Außerdem bezieht sich der BF mit diesem Vorbringen auf Umstände, die bereits während des ersten Asylverfahrens vorgelegen sind.

Der BF gab überdies in den Einvernahmen durchwegs an, er fühle sich durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes falsch behandelt (s. Ersteinvernahme) bzw. hätten seine Fluchtgründe im ersten Asylverfahren schon gereicht, um ihm Asyl zu gewähren (s. Einvernahme vor dem BFA vom 17.07.2024).

Eine wesentliche Verschlechterung der Sicherheits- und Versorgungslage in Syrien, welche den BF individuell und konkret betreffen würde, ist nach Abschluss des ersten Asylverfahrens bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht eingetreten.

Zudem sind in der Zeit zwischen dem Abschluss des ersten Asylverfahrens und der Erlassung des angefochtenen Bescheides auch keine wesentlichen in der Person des BF liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, welche eine neuerliche umfassende Prüfung notwendig erscheinen ließen.

Der BF gab vor der belangten Behörde an, er sei gesund und es gäbe seit dem Abschluss des Asylverfahrens keine Änderungen in seinem Privat- und Familienleben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Zurückweisung des Asylfolgeantrages wegen entschiedener Sache:

Da die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Folgeantrag des BF auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst.

Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (VwGH 21. 3. 1985, 83/06/0023, u.a.). Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 8. 9. 1977, 2609/76).

Von verschiedenen "Sachen" im Sinn des § 68 Abs. 1 AVG ist auszugehen, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. VwGH 24.02.2005, 2004/20/0010). Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen. Die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der vom BFA unter dem Gesichtspunkt "entschiedene Sache" vorgenommenen Antragszurückweisung ist jener der Erlassung des behördlichen Bescheides (vgl. VwGH 26.6.2020, Ra 2017/22/0183, wonach für diese Prüfung jene Umstände maßgeblich sind, die bis zum erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheid eingetreten sind).

Für das Bundesverwaltungsgericht ist Sache des gegenständlichen Verfahrens die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers zu Recht gemäß § 68 Abs 1 AVG zurückgewiesen hat. Maßgeblich für die Prüfung sind jene Umstände, die bis zum erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheid eingetreten sind (vgl. VwGH 10.12.2013, 2013/22/0362).

Die Anwendbarkeit des § 68 AVG setzt gemäß Abs. 1 das Vorliegen eines der „Berufung“ nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides, dh eines Bescheides, der mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht (mehr) bekämpft werden kann, voraus. Diese Voraussetzung ist hier gegeben, weil die damals ergangene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, mit der das erste Asylverfahren negativ abgeschlossen wurde, in Rechtskraft erwuchs.

In Bezug auf das Vorbringen des BF, 2014 habe sich ein Massaker in seinem Heimatort ereignet, ist darauf hinzuweisen, dass, wenn ein Asylwerber einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz auf behauptete Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die dieser jedoch nicht bereits im ersten Verfahren vorgebracht hat, schon aus diesem Grund keine Sachverhaltsänderung vorliegt und ist der weitere Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen ist (VwGH 04.11.2004, Zl. 2002/20/0391).

Der BF brachte im gegenständlichen Verfahren keine neuen Fluchtgründe vor. Wesentliche in der Person des Beschwerdeführers gelegene oder die Lage in Syrien betreffende Änderungen haben sich bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ebenfalls nicht ergeben.

Die Zurückweisung des verfahrensgegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache durch das Bundesamt war somit rechtmäßig, weshalb die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.

3.2. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach § 24 Abs 2 VwGVG entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist.

Da der verfahrenseinleitende Folgeantrag auf Asyl wegen entschiedener Sache zurückzuweisen war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 VwGVG unterbleiben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.