Spruch
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Vorsitzende, sowie die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER und der fachkundige Laienrichter Gerhard PALL, als Beisitzer*innen über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Sozialversicherungsnummer: XXXX , gegen den am 23.09.2024 ausgestellten Behindertenpass betreffend die Festsetzung des Grades der Behinderung, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der BF stellte am 05.04.2024 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpass und auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.
2. Im Rahmen des seitens des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (im Folgenden: belangte Behörde) durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein Sachverständigengutachten von einem Facharzt für Unfallchirurgie, Arzt für Allgemeinmedizin vom 24.07.2024 eingeholt.
In diesem Gutachten wird aufgrund der persönlichen Untersuchung am 22.07.2024 im Wesentlichen Folgendes festgehalten:
Zum Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt:
„Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht erhöht, da dieses Leiden nur geringe funktionelle Relevanz aufweist.“
3. Mit Schreiben vom 25.07.2024 wurde dem BF das eingeholte Sachverständigengutachten übermittelt und wurde ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.
4. Mit E-Mail vom 04.08.2024 brachte der BF vor, bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung seien manche Leiden nicht berücksichtigt worden.
5. Mit Schreiben vom 16.08.2024 wurde der BF von der belangten Behörde aufgefordert, aktuelle Befunde vorzulegen.
6. Mit Schreiben, eingelangt bei der belangten Behörde am 22.08.2024 brachte der BF eine Stellungnahme ein und führte aus, dass er keine 300 Meter gehen könne, er ein operiertes Knie und ein weiteres schwer lädiertes Knie habe. Er sei an beiden Beinen angeschwollen und schmerze sein Rücken. Zudem leide er an einem Drehschwindel. Der BF sei erheblich in seiner Mobilität und in seiner Alltagsbewältigung beeinträchtigt. Der BF legte neue Befunde vor.
7. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde eine Stellungnahme des bereits befassten Arztes für Allgemeinmedizin vom 13.09.2024 eingeholt und wurde im Wesentlichen Folgendes festgehalten:
„Es wird festgehalten, dass aus medizinischer Sicht und nach neuerlicher Durchsicht des Akteninhaltes, keine Änderung der getroffenen Einschätzung vorgeschlagen wird, da de relevanten objektivierbaren Gesundheitsschädigungen und Funktionsbehinderung in der Beurteilung entsprechend berücksichtigt und bewertet wurden. Die neu vorgelegten Befunde bestätigen die Einschätzung vom 22.07.2024. Eine Begleitperson wird bei der Untersuchung natürlich immer dann zugelassen, wenn es erforderlich ist. Dies habe ich OG und seiner Gattin auch mitgeteilt. Die Untersuchung konnte bei OG problemlos ohne Begleitperson durchgeführt werden. Das nachgereichte Ton-Audiogramm vom 19.02.2024 muss HNO-ärztlich eingeschätzt werden.“
8. Am 23.09.2024 wurde dem BF ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 vH und den Zusatzeintragungen „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“, „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn von Osteosynthesematerial“ und „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese“ übermittelt.
9. Gegen den Behindertenpass erhob der BF innerhalb offener Frist Beschwerde. Es wurde ausgeführt, dass sich sein Gesundheitszustand seit der letzten Begutachtung verschlechtert hätte. Er leide an wiederkehrenden Schwindelanfällen, welche seine Gangweise beeinträchtigen würden. Er könne zudem lediglich 100 Meter gehen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt gemäß § 19b BEinstG Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg.cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG. (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013)§ 28 VwGVG Anm. 11).
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn „die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen“ hat.
Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 2. Satz aus, dass vom prinzipiellen Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auszugehen ist. Nach der Bestimmung des§ 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG kommt bereits nach ihrem Wortlaut die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht (vgl. auch Art. 130 Abs. 4 Z 1 B-VG). Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
Ist die Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG erfüllt, hat das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) in der Sache selbst zu entscheiden.
Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im oben angeführten Erkenntnis ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer „Delegierung“ der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
„§ 1. (1) …
(2) Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
…
Behindertenpass
§ 40 (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
…
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
…
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
(2) Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderungen in den Voraussetzungen zu erwarten sind.
…
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.“
Auszug aus der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) idgF:
„Grad der Behinderung
§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn - sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt, - zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Grundlage der Einschätzung
§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.“
Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:
Zur Beurteilung des Leidenszustandes des BF wurde im Verfahren vor der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Chirurgie, Arztes für Allgemeinmedizin vom 24.07.2024 eingeholt. Darin wurden die in den vorgelegten Befunden dokumentierten Leiden des Beschwerdeführers unter der Bezeichnung „Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates“ mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. unter der Positionsnummer 02.02.03 der Anlage zur Einschätzungsverordnung und „Koronare Herzkrankheit, abgelaufener Herzinfarkt, Vorhofflimmern, Bluthochdruck“ mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. gemäß der Positionsnummer 05.05.01, sowie der Gesamtgrad der Behinderung wegen zu geringer funktioneller Relevanz des Leidens 2 mit 50 v.H. eingestuft.
Weitere Funktionseinschränkungen wurde vom beigezogenen orthopädischen Sachverständigen nicht in die Liste der Funktionseinschränkungen aufgenommen und nicht nach den Kriterien der Anlage zur Einschätzungsverordnung eingestuft. Hierbei wurde ausgeführt, dass eine Schwerhörigkeit ohne fachärztlichen Befund bzw. Audiogramm nicht eingestuft werden könne.
Im Zuge des Schreibens vom 22.08.2024 legte der BF ein Ton Audiogramm vom 19.02.2024 vor.
Aufgrund der Einwendungen und der neu vorgelegten Befunde des BF holte die belangte Behörde jedoch lediglich eine Stellungnahme des bereits befassten Facharztes für Chirurgie, Arzt für Allgemeinmedizin vom 13.09.2024 ein, in der dieser anführt: „Das nachgereichte Ton-Audiogramm vom 19.02.2024 muss HNO- ärztlich eingeschätzt werden.“ Dieser sachverständigen Stellungnahme ist sohin bereits zu entnehmen, dass der beigezogene Sachverständige lediglich eine Einstufung der beim BF vorliegenden Funktionseinschränkungen betreffend sein Fachgebiet vorgenommen hat und die Einholung eines weiteren medizinischen Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Hals-, Nasen und Ohrenheilkunde für erforderlich erachtet hat.
Obwohl sich in den vorgelegten Befunden sohin Hinweise auf, dem HNO Fachgebiet zuzuordnende Leiden ergeben, holte die belangte Behörde zur Beurteilung des Leidenszustandes des BF im verwaltungsbehördlichen Verfahren lediglich ein allgemeinmedizinisches, chirurgisches Sachverständigengutachten ein.
Zwar besteht kein Anspruch auf die Zuziehung von Sachverständigen eines bestimmten medizinischen Teilgebietes, jedoch ist im vorliegenden Fall das von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Chirurgie zur Beurteilung der beim BF vorliegenden Schwerhörigkeit nicht geeignet.
Hierzu ist anzuführen, dass der beigezogene chirurgische Sachverständige in der Stellungnahme vom 13.09.2024 selbst anführte, dass ein weiteres Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde einzuholen ist, um die Schwerhörigkeit – nach adäquater Befundvorlage – einzustufen.
Die belangte Behörde forderte den BF weder zur Vorlage weiterer Befunde auf, noch hat sie weitere Sachverständigengutachten eingeholt, sondern auf Grundlage des chirurgischen Sachverständigengutachtens den angefochtenen Bescheid erlassen. Dieses Sachverständigengutachten ist jedoch für sich alleine nicht geeignet, zur ausreichenden Sachverhaltsklärung beizutragen. Im gegenständlichen Fall ist daher davon auszugehen, dass die belangte Behörde im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den wesentlichen Sachverhalt nur ansatzweise ermittelt hat bzw. die Ermittlung des Sachverhaltes in einer entscheidungswesentlichen Frage an das Verwaltungsgericht delegiert hat. Der Sachverhalt ist daher im gegebenen Zusammenhang nicht ausreichend ermittelt, um zur rechtsrichtigen rechtlichen Beurteilung beizutragen.
Es liegen sohin konkrete Anhaltspunkte vor, dass zusätzlich zur bereits erfolgten Einholung von Sachverständigengutachten der Fachrichtung Chirurgie auch die Einholung eines Gutachtens der Fachrichtung Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde erforderlich ist, um eine vollständige und ausreichend qualifizierte Prüfung der Schwerhörigkeit des BF zu gewährleisten.
Darüber hinaus ist in weiterer Folge eine Gesamtbeurteilung durch eine Ärztin für Allgemeinmedizin / einen Arzt für Allgemeinmedizin – unter Berücksichtigung des bereits eingeholten Sachverständigengutachtens einer Fachärztin für Chirurgie – einzuholen.
Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird der BF mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht „im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden“ wäre, ist – angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes – nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des BF noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückzuverweisen.
3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) ausgeführt, warum die Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen geboten war.