JudikaturBVwG

W164 2282824-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Arbeitsrecht
30. Dezember 2024

Spruch

W164 2282824-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin EGGER (aus dem Kreis der Arbeitgeber:innen) und Mag. Reinhold WIPFEL (aus dem Kreis der Arbeitnehmer:innen) als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas MAJOROS, Wien, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 11.09.2023, VSNR XXXX , AMS 962-Wien Redergasse, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und einer nicht öffentlichen Beratung vom 03.12.2024 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.09.2023 sprach das Arbeitsmarkservice (im Folgenden: belangte Behörde, AMS) aus, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 11 AlVG für den Zeitraum von 01.09.2023 bis 28.09.2023 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe; Nachsicht werde nicht erteilt. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe ihr Dienstverhältnis freiwillig gekündigt. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen bzw. könnten nicht berücksichtigt werden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde, worin sie insbesondere vorbrachte, dass sie ihre Dienstleistung nicht ohne Schaden für ihre Gesundheit und Sittlichkeit fortsetzen hätte können, ferner, dass ihre Dienstgeberin wesentliche Vertragsbedingungen verletzt und sich geweigert habe, gesetzlichen Verpflichtungen zum Schutz der Gesundheit der Beschwerdeführerin nachzukommen.

Die belangte Behörde holte eine schriftliche Stellungnahme der Dienstgeberin ein. In der Folge legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dem Bezug habenden Akt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

Mit Schreiben vom 21.12.2023 brachte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin die Stellungnahme der Dienstgeberin zu ihrem Beschwerdevorbringen zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme ein.

In ihrer Stellungnahme vom 01.02.2024 brachte die Beschwerdeführerin ergänzend vor, ihr sei im Rahmen eines Klärungsgesprächs betreffend die Arbeitszeitaufzeichnungen mit einer fristlosen Entlassung gedroht worden. Sodann sei ihr eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses angeboten worden. Um ihre Rechte zu wahren, habe die Beschwerdeführerin diese jedoch nicht unterschrieben, sondern ihrerseits gekündigt. Die Gesamtsituation habe die Fortsetzung ihres Dienstverhältnisses unzumutbar gemacht und liege daher ein Nachsichtsgrund vor.

Seitens der BF wurden vorgelegt: zwei Arbeitsverträge unterschiedlichen Inhaltes vom 22.08.2022, ein Dienstzeugnis, eine Dienstanweisung bezüglich Zeitliste, Rauchen, Rauchpausen und FFP2-Maske, ein Gedächtnisprotokoll der BF über Wahrnehmungen aus ihrem Arbeitsalltag, ein Bericht über eine psychotherapeutische Sitzung der Praxis für Psychotherapie, Dr . XXXX vom 22.12.2023, der bei der BF eine mittelgradige depressive Episode auswies und einen Reha-Aufenthalt befürwortete, ferner einen Entlassungsbericht der Privatklinik XXXX vom 08.10.2024.

Am 03.12.2024 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung abgehalten, an der die BF in Begleitung ihrer Rechtsvertretung und eine Vertreterin des AMS als Partei teilnahmen. Die Leiterin der Dr. XXXX Gruppenpraxis OG wurde als Zeugin befragt.

Die BF machte zusammengefasst die folgenden Angaben:

Sie sei diplomierte Sozialarbeiterin und habe ihre Ausbildung in Österreich absolviert. Bis zur gegenständlichen Beschäftigung sei sie nach dem Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft Österreich bezahlt worden. Die gegenständliche Gemeinschaftspraxis bezahle nach dem Kollektivertrag für Angestellte bei Ärztinnen, Ärzten und Gruppenpraxen in Wien.

Vor Aufnahme der gegenständlichen Beschäftigung sei im Wesentlichen das in der Praxisgemeinschaft geplante Social Prescribing, besprochen worden. Die BF habe in der zweiten Arbeitswoche einen schriftlichen Arbeitsvertrag erhalten und unterschrieben. Soweit erinnerlich im zweiten Arbeitsmonat habe sie einen neuen schriftlichen Arbeitsvertrag erhalten. Auch diesen habe sie in Anwesenheit der Sekretärin unterschrieben. Beim Durchlesen seien Ihr die Unterschiede aufgefallen. Diese habe sie in der Folge mit der Arbeiterkammer besprochen und habe festgestellt, dass sie dieser Vertrag finanziell schlechter stellte, als der erste Vertrag. Damals habe es gerade neue Kollektivvertragsverhandlungen gegeben. Nach Abschluss der Kollektivvertragsverhandlungen sei die BF angewiesen worden, ihren alten Vertrag mitzubringen. Das von ihr unterschriebene Original des ersten Vertrags sei vernichtet worden. Die BF habe sich aber eine Kopie behalten. Mit der Chefin über den zweiten schriftlichen Vertrag gesprochen habe die BF erst unmittelbar vor dem Ende der Beschäftigung. Am Ende dieses Gesprächs habe die BF die Kündigung ausgesprochen. An späterer Stelle gab die BF an, sie sei gedrängt worden, den zweiten Vertrag zu unterschreiben, ohne ihn genau durchzulesen.

Darauf angesprochen, dass die BF aufgrund des zweiten schriftlichen Vertrages bis August 2023 Anspruch auf ein überkollektivvertragliches Entgelt hatte und ab September 2023 nur mehr Anspruch auf das kollektivvertragliche Entgelt, sodass die BF kurz vor der vertraglichen Rückstufung gekündigt habe, was nahe lege, dass sie gekündigt habe, weil sie ab September 2023 weniger Entgelt erhalten hätte, gab die BF an, dies sei einer von vielen Gründen gewesen. Der ab September 2023 vertraglich gebührende Kollektivvertrags-Lohn wäre ihrer Meinung nach nicht zumutbar gewesen. Der Kollektivvertrag für Sozialwirtschaft, nach dem sie normalerweise bezahlt werde, sehe genau die Entlohnung vor, die dem ersten Vertrag entsprochen hätte. Die BF hätte mit der Überzahlung überdies ihr Büromaterial gekauft und ihre Supervisionsstunden finanziert. Nach dem Kollektivvertrag für Sozialwirtschaft hätte die BF Anspruch auf eine dienstgeberseitig finanzierte Supervision gehabt.

Das Vertrauensverhältnis zur Chefin sei geschädigt gewesen, da diese ihr vorgeworfen habe, sich nicht an die Dienstzeiten gehalten zu haben; die Chefin habe behauptet, nun das Recht zu haben, die BF fristlos zu entlassen. Die BF sei zu diesem Gespräch vom 17.07.2023 eigentlich aufgrund einer Ankündigung, dort werde ein neuer Vertrag geschlossen, gegangen. Dann seien die neuen Vertragsverhandlungen mit so einem Satz begonnen werden. Die BF habe darauf geantwortet, dass die Arbeiterkammer und sie selbst dies anders sehen, dann sei das Thema vom Tisch gewesen. Am 29.06.2023 habe sich die BF mit dem Projektleiter und der Personalverantwortlichen schon geeinigt gehabt. Die Leiterin habe dann aber nicht ihre Zustimmung gegeben.

Im Rahmen ihrer Aufgabe, Social Prescribing aufzubauen, habe die BF Kontakt zur Gesundheit Österreich aufgenommen, habe sich um Förderungen bemüht, habe das Konzept auf die spezielle Ordinationssituation übertragen und Kontakte zu sozialen Organisationen in der Umgebung hergestellt. Zusätzlich habe die BF gemeinsam mit dem diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger Hausbesuche gemacht. Dass das erste Jahr aufwendiger sein würde, als die Folgejahre, habe die BF zunächst auch so gesehen. Zum Schluss habe sie es aber anders gesehen: Sie hätte die von ihr geforderte Überbezahlung des Kollektivvertrages dazu verwendet, Büromaterial und einen PC zu besorgen ferner ihre Jahreskarte und Computerprogramme zu bezahlen. Auch ihre Supervision und Kaffees für sich und ihre Patient:innen. In der Gruppenpraxis habe die BF zu wenig Büromaterial bekommen. Die Räume der Gruppenpraxis seien ausgelastet gewesen, sodass die BF regelmäßig mit ihren Patien:innen in ein nahegelegenes Kaffee ausgewichen sei, um in Ruhe reden zu können. Die BF habe dann ferner begonnen, sich selbst Büromaterial zu besorgen. Dass es Diensthandys gab, habe die BF erst spät erfahren. Sie habe mit dem eigenen Mobiltelefon dienstlich telefoniert.

Was die Arbeitszeit betraf, so habe die BF die vertraglich festgelegte Gleitzeit so verstanden, dass sie auch schon um 06:00 Uhr in der Früh zu arbeiten beginnen könnte. Dies habe sie auch gemacht und als Arbeitszeit verzeichnet. Um 06:00 Uhr in der Früh habe die BF problemlos einem freien Computer vorgefunden. Später am Tag sei dies nicht mehr der Fall gewesen. Manche Beratungen habe die BF abends gemacht, da ihre Patien:innen nur abends Zeit hatten. Am Samstag habe es anfangs kaum Patient:innen gegeben. Dann habe die BF versucht, Samstags mit jenen Patient:innen längere Gespräche zu führen, die ein besonders ungestörtes Gesprächsklima brauchten, jedoch sei es Samstags sehr laut gewesen in der Ordination und habe es nicht genügend Räume gegeben. Die BF habe sich auch vergeblich darum bemüht, einen Raum für eine fixe Sprechstunde zu bekommen. Ihr Projektleiter habe ihr immer wieder zugesichert, dass sie einen Raum bekommen würde. Tatsächlich habe sie aber regelmäßig in den Aufenthaltsraum ausweichen müssen. Dieser sei schlecht ausgestattet gewesen. Die BF habe dort Knieschmerzen bekommen. Gemeinsam mit der Sekretärin habe die BF dann versucht, einen sinnvollen Dienstplan zu erstellen – ohne Samstage. Der Leiterin habe die BF angeboten, ab 06:00 früh im Homeoffice Berichte zu schreiben. Die Leiterin sei jedoch dagegen gewesen und habe darauf gepocht, dass die BF innerhalb der vertraglichen Rahmenarbeitszeit arbeiten sollte. Später sei es der Leiterin dann egal gewesen. Grundsätzlich habe sich die BF bezüglich ihrs Dienstplanes mit den diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger:innen, mit denen sie zusammenarbeiten musste, abgesprochen.

Den Zutrittschip habe die BF stets verwendet und nur ausnahmsweise vergessen. Zu den Öffnungszeiten habe man die Ordination auch ohne Chip betreten können. Wenn die BF direkt vom Außendienst heimging, habe sie eine Kollegin angerufen, damit diese sie aus der Liste austrug. Die BF habe ihre Arbeitszeiten stets selbst aufgezeichnet. Die Sekretärin habe diese in den Computer übertragen. Es sei aber vorgekommen, dass dabei etwas verändert wurde. Seitens der Leitung seien die Aufzeichnungen der BF angezweifelt worden. Einmal habe die Leiterin sie am Sonntag angerufen und gemeint, die BF sei mit ihren Arbeitsstunden im Minus. Sie solle dies durch einen Urlaubstag am Montag kompensieren. Die Forderung habe sich erübrigt, da am nächsten Tag ein wichtiger Termin angesetzt war.

Was die Pausen betraf, so habe die Leiterin die BF – aus Sorge wegen der Besuche des Arbeitsinspektorats - darauf angesprochen, dass sie die Pausenzeiten einhalten solle. Die BF habe zu wenig Pausen gemacht. Nach anstrengenden Hausbesuchen habe sie sich allerdings manchmal etwas Zeit genommen, sei z.B. zu Fuß zur Praxis zurückgegangen, um das Erlebte zu verarbeiten. Die Leiterin habe dann ein Fahrtenbuch verlangt und die BF habe daraufhin auf ihren Fußwegen Telefonate mit Ämtern geführt und die Zeit als Arbeitszeit eingetragen. Nach etwa drei bis vier Monaten habe es aus ihrer Sicht keinen Konflikt mit der Leiterin mehr wegen der Dienstzeiten gegeben.

Die BF habe für die Gruppenpraxis eine Förderung für Supervision erzielt. Die Jahreskarte hätte in die Förderung hineingenommen werden können. Der Projektleiter habe der BF dann die Jahreskarte für die Zukunft zugesagt und habe sie angewiesen, jetzt noch einmal die Monatskarte zu kaufen. Das sei kurz vor Ende der Beschäftigung gewesen. Die BF habe dann auch selbst regelmäßig Supervision machen wollen und habe deshalb das Gespräch mit der Leiterin gesucht. Aufgrund ihrer bisherigen Berufstätigkeit sei die BF gewöhnt gewesen, einmal im Monat auf Kosten des DG in der Freizeit Supervision zu machen. Die Leiterin habe jedoch verlangt, dass die BF - wie alle Mitarbeiter:innen der Gruppenpraxis - nur einmal im Quartal auf Dienstgeberkosten Supervision nehmen sollte. Das habe die BF dann gemacht und zwar in der Dienstzeit. Die Förderung wäre nach Meinung der BF auf ihre Arbeit als Sozialarbeiterin zugeschnitten gewesen. Sie hätte noch aufgestockt werden können. Dies habe die Leiterin der Gruppenpraxis jedoch nicht interessiert. Das diesbezügliche Gespräch sei im vorletzten Monat der Beschäftigung gewesen.

Patiennt:innendaten hätte die BF per E-Mail, also ungesichert an die Gruppenpraxis verschicken sollen. Die BF habe dies aber nicht gemacht. Die Sekretärin habe sie dann aufgefordert, die Liste ihrer Patienten handschriftlich in die Ordination zu bringen.

Eine sehr junge Sekretärin habe die Lohnzettel in der Ordination verteilt und einfach offen hingelegt. Wenn jemand nicht anwesend war, sei der Lohnzettel in einen Glaskasten gekommen und für alle sichtbar gewesen. Nachdem sich die BF beschwert hatte, seien die Lohnzettel gefaltet worden. Die BF habe vorgeschlagen, die Kuverts von Labors wiederzuverwenden und die Lohnunterlagen dort hineinzugeben. Dies sei nicht umgesetzt worden.

Es sei vorgekommen, dass am Nachmittag kein Toilettenpapier mehr auf den Toiletten war. Die Sekretärin habe der BF mitgeteilt, dass das Toilettenpapier rationiert sei. Die BF habe sich dann eigenes Toilettenpapier in ihren Spind gelegt. Die Toilette sei nur einmal am Tag gereinigt worden. Dies sei die Aufgabe der Ordinationshilfe bei ihrem Schlussdienst gewesen. Nach dem Besuch des Gesundheitsamtes habe es positive Veränderungen gegeben, die später wieder verschwanden.

Die BF habe sich beschwert, da sie ihren Spind mit einer Mitarbeiterin teilen musste, die mit Harn und Blut zu hantieren hatte. Die BF habe einen Spind mit einer Mitarbeiterin teilen wollen, die nicht mit Harn und Blut zu tun hatte. Einen solchen habe sie zum Schluss bekommen. Ein Mitarbeiter habe der BF erzählt, ihm wäre vorgeschlagen worden, die medizinischen Handschuhe nach einmaliger Benützung auszuziehen und nochmals andersherum zu verwenden. Er habe ferner erzählt, dass Einmalkappen für Untersuchungsgeräte in Reinigungsmittel eingelegt und wiederverwendet worden seien. Eine Kollegin habe der BF erzählt, dass die Leiterin trotz eines positives COVID-Tests ohne Maske in der Gruppenpraxis gesehen worden sei. Am nächsten Tag sei die Kollegin selbst COVID-positiv gewesen. Ferner wisse die BF, dass eine Mitarbeiterin nach einem positiven COVID-Test in einer Phase des Personalmangels so lange nachgetestet wurde, bis ein Test negativ ausfiel und dass diese Kollegin am nächsten Tag an COVID erkrankte.

Es habe am Arbeitsplatz auch Probleme mit der Sonneneinstrahlung gegeben. Die Jalousien seien nicht heruntergezogen worden und habe sich das Metall an den Stühlen stark erhitzt. Wenn die Jalousien heruntergelassen wurden, sei es extrem dunkel gewesen. Es sei aber nicht erwünscht gewesen, das Licht einzuschalten. Man habe versucht einen Mittelweg zu finden.

Der Anlass zu kündigen sei das zerbrochene Vertrauensverhältnis zur Leiterin gewesen. Ohne die geforderte Überbezahlung wäre der BF ein Arbeiten als gute Sozialarbeiterin nicht möglich gewesen. Die BF habe nach dem Ende des Dienstverhältnisses Burn out bekommen. Das letzte Gespräch habe ferner am Todestag ihres Vaters stattgefunden. Die BF habe sich dann selbst ein paar Supervisionsstunden bezahlt und habe gemerkt, dass sie im Burn out sei. Auch der Supervisor habe geschrieben, dass sie sehr belastet sei. Seither arbeite die BF nur hin und wieder ehrenamtlich. Ferner habe sie einen Rehabilitationsaufenthalt absolviert.

Die Leiterin der Gruppenpraxis (im Folgenden Z) gab nach Wahrheitserinnerung an, sie habe die Beschäftigung der BF noch in Erinnerung. Die Ordination habe damals dringend eine Sozialarbeiterin gebraucht.

Befragt zu den zwei schriftlichen Arbeitsverträgen gab die Z an, das überkollektivvertragliche Entgelt sei soweit erinnerlich für ein Jahr vereinbart worden und danach das kollektivvertragliche, denn im ersten Jahr habe die BF zusätzlich zu den Hausbesuchen ein Netzwerk aufzubauen gehabt. Dies sei ein Mehraufwand gewesen. Damit konfrontiert, dass der erste schriftliche Vertrag unbefristet eine überkollektivvertragliche Bezahlung vorgesehen habe, gab die Z an, die schriftlichen Verträge würden vom Büro geschrieben. Hier sei beim ersten Vertrag offenbar etwas passiert. Denn es habe das Aufbaujahr besonders berücksichtigt werden sollen.

Vor der Kündigung habe es Ende Juni 2023 ein Gespräch mit der BF gegeben: Die BF habe die Wochenstunden reduzieren wollen. Die BF habe weniger Arbeitszeit wollen und gleichzeitig 490,00 Euro mehr zum aliquoten Gehalt. Die Z legte eine von der BF mit handschriftlichen Änderungen versehene Ausfertigung des schriftlichen Arbeitsvertrages vor. Die Z bezahle nach dem für sie geltenden Kollektivvertrag für Angestellte bei Ärztinnen, Ärzten und Gruppenpraxen in Wien.

Der Dienstplan gelte für alle Mitarbeiter. Er beinhalte eine Rahmenarbeitszeit, für die keine Überstunden zu verrechnen seien. Die BF habe bereits um 06:00 in der Früh zu arbeiten begonnen. Dies sei praktisch nicht überprüfbar gewesen. Die BF habe sich damit außerhalb der Rahmenarbeitszeit bewegt. Daher sei sie aufgefordert worden, sich an die Rahmenarbeitszeiten zu halten. Innerhalb dieser Rahmenarbeitszeit habe jeder seinen Dienstplan gehabt. Die BF habe dann weiterhin außerhalb der Rahmendienstzeit gearbeitet und es sei eigentlich ok gewesen.

Die Aufzeichnung der Arbeitszeit sei ein schwieriges Thema gewesen. Es sei praktisch nicht möglich gewesen sei, die Arbeitszeit der BF nachzuvollziehen. Anweisungen diesbezüglich seien fruchtlos geblieben. Das Thema Arbeitszeit sei für die Z jedoch nicht wirklich ein Konflikt gewesen.

Raum wäre immer verfügbar gewesen bzw. hätte die BF die Dokumentation auch am Samstag erledigen können. Am Samstag sei die Ordination zu zwei Drittel leer gewesen.

Jeder Mitarbeiter der Gruppenpraxis könne einmal im Quartal Supervision nehmen. Die Z erinnere sich nicht an Konfliktgespräche diesbezüglich.

Bei dem Gespräch von Juni 2023 sei es um die Arbeitszeit gegangen. Die BF habe diese auf 20 Wochenstunden reduzieren wollen. Das sei für die Z ok gewesen. Denn die Aufbauarbeit sei gemacht gewesen und die laufenden Hausbesuche wären mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden möglich gewesen. Was die Bezahlung betrifft, habe die Z auf den Kollektivvertrag bestanden. Über das Entgelt sei nur kurz gesprochen worden.

In einem zweiten Gespräch am 17.07.2023 sei der von der BF abgeänderte Vertragsentwurf vorgelegt worden. Über dieses Gespräch gebe es ein Protokoll der Personalmanagerin. Dieses wurde vorgelegt.

Die BF äußerte sich zur handschriftlich abgeänderten Vertragskopie wie folgt:

Dieser Vertragsentwurf sei als Verhandlungsbasis gedacht gewesen. 300,00 Euro Überbezahlung habe ihr der Projektleiter und die Personalverantwortlichen zugesichert, als Angleichung an den Kollektivvertrag für Sozialwirtschaft. 190,00 Euro Zulage seien dafür gedacht gewesen, dass die BF selbst für Supervision aufkommen würde. Die Personalverantwortliche habe der BF allerdings gleich gesagt, dass das nicht durchgehen werde. Deshalb habe die BF dann in ihrem Entwurf ein paar Sachen durchgestrichen bzw dazugeschrieben.

Zu dem in der mündlichen Verhandlung seitens der Z vorgelegten Gesprächsprotokoll vom 17.07. 2023 merkte die BF an, dieses sei heimlich angefertigt worden. Es halte ferner fest, dass die BF mit einer Reduktion auf 20 Wochenstunden einverstanden sei, dies impliziere, dass nicht die BF sondern die die Dienstgeberin die 20 Wochenstunden vorgeschlagen habe. So sei es auch gewesen. Es habe damals geheißen, es werde neu verhandelt. Der BF sei gesagt worden, die Ordination vertrage nur 20 Wochenstunden. Die BF sei damit einverstanden gewesen, nicht umgekehrt. Die Reduktion der 20 Wochen sei von der DG ausgegangen, aber es sei für die BF ok gewesen. Die BF habe dafür eine Bezahlung entsprechend dem Kollektivvertrag für Sozialwirtschaft wollen. Der Projektleiter habe ihr noch halbjährlich Ausgleichszahlungen oder Gewinnbeteiligung in Aussicht gestellt. Damit wäre die BF einverstanden gewesen. Die nachfolgende strenge Haltung der Leiterin habe sie jedoch sehr gestört und das Verhältnis dadurch noch mehr zerrüttet. Für die BF habe dies den Anschein gehabt, als wäre es genau so geplant gewesen. Viele Mitarbeiter hätten ihr ähnliches erzählt: zuerst werde gedroht, dann werde der Kollektivvertragslohn durchgesetzt. Im Protokoll stehe nichts davon, dass die Leiterin die BF habe mündlich fristlos entlassen wollen. Dieser Ausspruch sei mit Sicherheit während dieses Gesprächs gemacht worden. Es sei ferner im Protokoll nicht festgehalten worden, dass die BF, da es ihrem Vater bereits sehr schlecht ging, auch geäußert habe, dass ihr wegen ihres Vaters noch 2 Tage weitere zustehen würden. Die Leiterin habe dann einen Urlaubsantrag unterschrieben und habe gesagt, sie habe nun ihr Wort, dass die BF kündigen werde.

Bei dem Gespräch vom 17.07.23 seien der BF zum ersten Mal die von der Dienstgeberseite verwendeten Arbeitszeitaufzeichnungen vorgezeigt worden und sei verlangt worden, dass sie diese einfach so unterschreibe. Die BF habe dann unter Vorbehalt ihrer Rechte unterschrieben. Dann habe sie die erste Woche mit ihren Aufzeichnungen verglichen und habe festgestellt, dass jeder Tag falsch eingetragen gewesen sei.

Eine einvernehmliche Lösung sei der BF zwei Mal angeboten worden: Bei der Besprechung am 17.07.2023 von der Leiterin; das habe die BF abgelehnt, da ihr keine Dienstzeitenaufzeichnungen vorlagen, außer ihren eigenen. Im Probemonat habe die BF eine Mitarbeiterin kennengelernt, die nach dem Ende des Dienstverhältnisses noch nacharbeiten musste, um die Stundenzahl auszugleichen. Weiters wurden bei dieser Kollegin auch Zeitbestätigungen für Gesundenuntersuchungen, so wurde ihr berichtet, nicht anerkannt. Ein zweites Mal wurde der BF durch das AMS mitgeteilt, dass die Leiterin bereit sei, im Nachhinein einer einvernehmlichen Lösung zuzustimmen. Dies habe die BF erneut abgelehnt, da sie weiterhin befürchtet habe, damit auf Rechte zu verzichten.

Die Leiterin selbst habe eine Kündigung ihrerseits ausgeschlossen. Dies habe hat das Vertrauensverhältnis der BF zur Leiterin weiter zerstört.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin war von 22.08.2022 bis 31.08.2023 bei der Dienstgeberin Dr XXXX Gruppenpraxis für Allgemeinmedizin OG als Sozialarbeiterin beschäftigt. Ihre Aufgabe war es, die in der Praxis beschäftigten diplomierten Gesundheits- und Krankelpfleger:innen zu Hausbesuchen zu begleiten, Beratungsgespräche mit Patient:innen zu führen und das Ergebnis ihrer Arbeit zu dokumentieren. Im ersten Beschäftigungsjahr hatte sie darüber hinaus die Aufgabe, ein Netzwerk für Social-Prescribing für die Gruppenpraxis aufzubauen. Mit schriftlichem Vertrag datiert mit 22.08.2022 wurde festgehalten, dass die BF im ersten Beschäftigungsjahr ein über dem Kollektivvertrag für Ärztinnen und Ärzte und Gruppenpraxen Wien liegendes Entgelt bei Vollbeschäftigung (€ 2.500,--) erhalten würde. Für die Zeit danach wurde das kollektivvertragliche Entgelt bei Vollbeschäftigung vereinbart. Wenige Wochen davor war der BF ein anderslautender Vertrag ausgehändigt und von ihr unterschrieben worden, der unbefristet ein überkollektivvertragliches Entgelt (€ 2500,--) inclusive einer Zulage von € 60,-- vorgesehen hätte. Die BF unterschrieb den zweiten ungünstigeren Vertrag. Da sie den Eindruck hatte, zum Unterschreiben gedrängt worden zu sein, ließ sie den Vertrag hernach durch die Arbeiterkammer prüfen. Die BF war im Zuge ihrer bisherigen Dienstverhältnisse nach dem Kollektivvertrag für Sozialwirtschaft entlohnt worden. Der in der Gruppenpraxis geltende Kollektivvertrag bedeutete für sie finanzielle Nachteile.

Während der nachfolgenden Beschäftigung von etwa einem Jahr widmete sich die BF ihren Aufgaben. Sie hielt sich dabei nicht strikt an die vorgegebene Rahmenarbeitszeit und die vorgegebenen Pausenregelungen löste damit Gespräche mit der Leiterin aus. Letztendlich wurden ihr, was die Arbeitszeit betraf jedoch die gewünschten Freiheiten zugestanden. Die BF hatte Mühe, für ihre Arbeit (es waren vertraute Gespräche zu führen) immer genügend und passenden Raum zu finden. Sie entschied sich, Patient:innen im Kaffeehaus zu treffen. Auch was die Hygiene betraf, war die BF nicht zufrieden und entschied sich in ihrem Spind eigenes Toilettenpapier für alle Fälle aufzubewahren. Zunächst hatte sich die BF ihren Spind mit einer Kollegin zu teilen, die mit Blut und Harn hantieren musste. Auf ihr Verlangen erhielt sie in der Folge einen anderen Spind. Von Kolleg:innen erfuhr die BF, dass im medizinischen Bereich bedenkliche hygienische Anweisungen gegeben worden seien und die Gefahren einer Covid-Ansteckung nicht immer korrekt vermieden worden seien.

Im Juni 2023 trat die Dienstgeberin an die BF mit dem Vorschlag heran, die Wochendienstzeit auf 20 Stunden zu reduzieren. Die BF war damit einverstanden, wollte jedoch unbefristet eine überkollektivvertragliche Bezahlung in der Höhe von € 300,00 über dem Kollektivvertragslohn plus einer Zulage von € 190,00. Im Rahmen eines mit dem Projektleiter und der Personalverantwortlichen geführten Vorgesprächs von Juni 2023 wurden diverse Möglichkeiten und auch ein allenfalls zu verhandelndes Entgegenkommen der Dienstgeberseite zur Sprache gebracht. Die BF überarbeitete ein Exemplar des für sie geltenden schriftlichen Vertrags und legte dieses vor. Sie bot an, sich von der Zulage ihre Supervision selbst zu finanzieren und auch eigenes Büromaterial anzuschaffen. Seitens der Dienstgeberin beharrte man auf dem kollektivvertraglichen Entgelt. Um dem Nachdruck zu verleihen stellte die Leiterin im Zuge des Gesprächs die Behauptung auf, sie könnte die BF nun entlassen, da diese sich im Zuge ihrer Arbeit die oben beschrieben Freiheiten bezüglich ihrer Arbeitszeit genommen hatte. Die BF teilte daraufhin mit, dass sie kündigen werde. Dem Vorschlag der Dienstgeberin, das Vertragsverhältnis einvernehmlich zu beenden, stimmte die BF aus Sorge, dass sie sich damit um Rechte bringen könnte, und dass ihr die Aufarbeitung von angeblichen Minusstunden aufgetragen werden würde, nicht zu. Sie kündigte das Dienstverhältnis. Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem AMS erhielt die BF erneut das Angebot, ihre Kündigung in eine einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses zu ändern. Sie stimmte dem nicht zu.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, die Beschwerde, die von der BF im Zuge des Beschwerdeverfahrens vorgelegten Dokumente, durch Abhaltung der mündlichen Verhandlung vom 03.12.2024 und durch Einsichtnahme in die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Dokumente.

Die seitens der Dienstgeberin behauptete Zugehörigkeit zum Kollektivvertrag für Angestellte bei Ärztinnen, Ärzten und Gruppenpraxen ist unbestritten. Ebenso unbestritten ist, dass die BF den zweiten Vertrag vom 22.08.2022 unterschrieben und in der Folge nicht angefochten hat.

Dass die BF sich bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit Freiheiten nahm, die über das vertraglich Festgelegte hinausgingen, blieb unbestritten, ebenso, dass dies zunächst zu Gesprächen mit der Leitung führte, dann aber von Dienstgeberseite akzeptiert wurde.

Dass die von der BF als störend erlebten Umstände in der Gruppenpraxis auf ihr Verlangen stets besprochen wurden, ergibt sich aus den Vorbringen der BF selbst, auch, dass die BF mit ihren Anliegen nicht immer den Dienstweg beschritt, sondern sich statt dessenauf eigene Kosten behalf.

Dass die Reduktion der Arbeitszeit ab September 2023 nicht von der BF vorgeschlagen wurde, wie seitens der Z vorgebracht wurde, sondern dass dieser Vorschlag von der Z kam, war der BF zu glauben: Zu Recht wies diese in der mündlichen Verhandlung auf die dem entsprechende Formulierung in dem von der Z vorgelegten Ergebnisprotokoll des Gesprächs vom 17.07.2023 hin. Die BF ließ andererseits unbestritten, dass sie mit einer Reduktion der Wochenarbeitszeit einverstanden war.

Was die von der BF geltend gemachten hygienischen Mängel betrifft, so war der BF zu glauben, dass sie die Toiletten manchmal in einer nicht korrekten Ausstattung vorfand. Ihr Wunsch, den Spind mit einer Kollegin zu teilen, die nicht mit Blut und Harn zu hantieren hatte wurde auf ihre Intervention hin unstrittig eingegangen. Die der BF laut ihrer Aussage, von einem nicht näher genannten Kollegen zugetragenen Missstände im medizinischen Bereich werden mangels entsprechender Beweismittel oder Beweisanbote nicht als erwiesen angenommen, ebenso nicht die der BF von einer nicht näher genannten Kollegin zugetragene Behauptung, die Leiterin hätte bewusst riskiert, dass in der Ordination anwesenden Personen mit COVID angesteckt werden. Die BF hat auch nicht behauptet, bezüglich solcher beunruhigender Wahrnehmungen je um ein Gespräch mit ihrem Vorgesetzten ersucht zu haben.

Dass die Leiterin aufgrund der Lohnforderungen der BF während des Gesprächs vom 17.07.2023, behauptete, sie würde die BF wegen der von dieser praktizierten Gestaltung ihrer Arbeitszeit nun fristlos entlassen können, war der BF zu glauben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter:innen angehören, je eine:r aus dem Kreis der Arbeitgeber:innen und eine:r aus dem Kreis der Arbeitnehmer:innen. Im vorliegenden Fall war daher Senatszuständigkeit gegeben.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 11 Abs. 1 AlVG erhalten Arbeitslose, deren Dienstverhältnis in Folge eigenen Verschuldens beendet worden ist oder die ihr Dienstverhältnis freiwillig gelöst haben, für die Dauer von vier Wochen, gerechnet vom Tage der Beendigung des Dienstverhältnisses an, kein Arbeitslosengeld. Dies gilt auch für gemäß § 3 versicherte Personen, deren Erwerbstätigkeit in Folge eigenen Verschuldens oder freiwillig beendet worden ist

Abs. 2 leg. cit. bestimmt, dass der Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z.B. wegen Aufnahme einer anderen Beschäftigung, freiwilliger Beendigung eines Dienstverhältnisses oder einer Erwerbstätigkeit aus zwingenden gesundheitlichen Gründen oder Einstellung der Erwerbstätigkeit wegen drohender Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit oder bei Saisonabhängigkeit wegen Saisonende, nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen ist.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist die in § 11 Abs 2 AlVG vorgenommene Aufzählung berücksichtigungswürdiger Gründe nicht taxativ (erschöpfend). Berücksichtigungswürdige Gründe im Sinne einer Nachsicht nach § 11 Abs 2 AlVG können sich über die im Gesetz ausdrücklich aufgezählten Beispiele hinaus aus den Zumutbarkeitsbestimmungen des § 9 Abs 2 AlVG und aus den gesetzlichen Regelungen betreffend Austrittgründe (§ 26 AngG und verwandte Rechtsvorschriften) ergeben, wobei auch Gründe, die einem Austrittsgrund nahekommen, einen Nachsichtsgrund iSd § 11 Abs 2 AlVG bilden können. Der Begriff „berücksichtigungswürdige Gründe“ iSd § 11 Abs 2 AlVG in der geltenden Fassung ist ferner dem in der älteren Fassung des § 11 AlVG verwendeten Begriff „triftige Gründe“ gleichzuhalten (vgl. VwGH2007/08/0063 vom 04.06.2008).

Gemäß § 9 Abs 2 AlVG ist eine Beschäftigung zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung. Die zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg beträgt jedenfalls eineinhalb Stunden und bei einer Vollzeitbeschäftigung jedenfalls zwei Stunden. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, insbesondere wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar.

§ 26 AngG bestimmt:

„Als ein wichtiger Grund, der den Angestellten zum vorzeitigen Austritte berechtigt, ist insbesondere anzusehen:

1. Wenn der Angestellte zur Fortsetzung seiner Dienstleistung unfähig wird oder diese ohne Schaden für seine Gesundheit oder Sittlichkeit nicht fortsetzen kann;

2.wenn der Dienstgeber das dem Angestellten zukommende Entgelt ungebührlich schmälert oder vorenthält, ihn bei Naturalbezügen durch Gewährung ungesunder oder unzureichender Kost oder ungesunder Wohnung benachteiligt oder andere wesentliche Vertragsbestimmungen verletzt;

3. wenn der Dienstgeber den ihm zum Schutze des Lebens, der Gesundheit oder der Sittlichkeit des Angestellten gesetzlich obliegenden Verpflichtungen nachzukommen verweigert;

4. wenn der Dienstgeber sich Tätlichkeiten, Verletzungen der Sittlichkeit oder erhebliche Ehrverletzungen gegen den Angestellten oder dessen Angehörige zuschulden kommen lässt oder es verweigert, den Angestellten gegen solche Handlungen eines Mitbediensteten oder eines Angehörigen des Dienstgebers zu schützen.“

Ein angespanntes Arbeitsklima beurteilte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 03.07.1990, 90/08/0106, für sich allein betrachtet nicht als triftigen Grund im Sinne des in der damaligen Fassung anzuwendenden § 11 Abs. 2 AlVG, selbst wenn dieses beim Betroffenen zu Nervosität und Schlaflosigkeit geführt haben sollte.

Ob ein Tatbestand einen wichtigen Austrittsgrund darstellt, ist nicht nach der subjektiven Einschätzung des Dienstnehmers, sondern stets nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen (vgl. OGH 4Ob170/55).

Der Arbeitnehmer muss darüber aufklären, dass seine bisherige Tätigkeit seine Gesundheit gefährdet; er darf den Arbeitgeber durch seine Kündigung nicht überraschen (vgl. OGH 9ObA93/88).

Der Arbeitgeber ist vor dem Austritt in die Lage zu versetzen, seiner Fürsorgepflicht nachzukommen und die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass das Leben und die Gesundheit des Arbeitnehmers möglichst geschützt sind. (vgl. OGH 9ObA93/88).

Bezogen auf den vorliegenden Fall ergibt sich daraus:

Die BF war mit der Reduktion ihrer Arbeitszeit ab September 2023 auf 20 statt der ursprünglich unbefristet vereinbarten 40 Wochenstunden einverstanden. Ihr wurde das nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag gebührende – somit ein zumutbares – Entgelt angeboten. Eine Überzahlung wie von ihr gewünscht wurde abgelehnt. Dieser Sachverhalt bildet keine ungebührliche Entgeltschmälerung. Er kommt einem Austrittgrund auch nicht nahe. Auch aus den weiteren von der BF vorgelegten schriftlichen Dokumenten ist kein Umstand erkennbar, der erkennen lassen würde, dass ein Arbeiten am genannten Arbeitsplatz unzumutbar gewesen wäre. Soweit die BF ein Gedächtnisprotokoll über von ihr im Arbeitsalltag wahrgenommene Missstände festhielt, war zu berücksichtigen, dass es sich hier subjektive Wahrnehmungen handelt, die schriftlich aufgezeichnet wurden und wurde die BF diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung näher befragt.

Dass die BF im Zuge ihrer etwa einjährigen Beschäftigung immer wieder Umstände wahrnahm, die ihr aus ihrer Sicht das Arbeiten erschwerten, ist für sich genommen nicht geeignet, einen einem Austrittsgrund nahekommenden Tatbestand zu begründen: Die BF war ein Dienstverhältnis, somit eine fremdbestimmte Erwerbstätigkeit eingegangen. Dass die von ihr kritisierten Umstände ein Arbeiten objektiv betrachtet unzumutbar gemacht hätten und ihre Anstrengungen, diesbezüglich im Dienstweg Abhilfe zu erreichen, ungehört geblieben wären, oder dass ihr das Gespräch verweigert worden wäre, ist im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen, auch nicht, dass die BF in eine ausweglose, etwa einer von Mobbing oder Bossing betroffenen Person gleichzuhaltende, Lage geraten wäre.

Dass die von der BF unmittelbar erlebten hygienischen Mängel ein Ausmaß erreicht hätten, das ihre Gesundheit gefährdet hätte, ist nicht erwiesen. Unstrittig hat die BF in dieser Frage auch gar nicht versucht, nach ihrer Anfrage bei der Sekretärin betreffend den Mangel an Toilettenpapier den Dienstweg einzuschlagen, um Abhilfe zu schaffen. Ihrem Wunsch, den Spind nicht mit einer Kollegin teilen zu müssen, die mit Blut und Harn zu hantieren hatte, wurde nach ihrer Intervention entsprochen. Soweit die BF Erzählungen anderer nicht näher genannter Mitarbeiter:innen über Missstände im medizinischen Bereich wiedergab, konnte auf Basis der sich so ergebenden Beweislage eine die BF unmittelbar betreffende Gesundheitsgefährdung nicht als erwiesen angenommen werden, ebenso nicht die auf einer bloßen Erzählung einer nicht näher genannten Person beruhende Annahme, die Leiterin hätte bewusst riskiert, dass in der Ordination anwesende Personen mit COVID angesteckt werden. Dass die BF etwa vergeblich versucht hätte, ihre Vorgesetzte auf die ihr zugetragene Gesundheitsgefährdung anzusprechen kam nicht hervor. Ein einem Austrittgrund nahekommender Sachverhalt war diesbezüglich nicht festzustellen.

Dass seitens der Leitung der BF gegenüber zunächst auf die Einhaltung der vorgegebenen Rahmenarbeitszeit gepocht wurde, begründet keinen Austrittsgrund. Unstrittig wurden der BF hernach die von ihr gewünschten Freiheiten bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeitgewährt. Dass die Leiterin der Gruppenpraxis während des Gesprächs vom 17.07.2023 - mit dem Ziel, ihre Haltung, was das angebotene Entgelt betrifft, durchzusetzen – die Behauptung aufstellte, die BF könnte nun aufgrund der von ihr praktizierten Arbeitszeitgestaltung entlassen werden, ist im vorliegenden Gesamtzusammenhang nicht geeignet, das Vorliegen eines einem Austrittsgrund nahe kommenden Sachverhalts zu begründen.

Unstrittig hat die Leiterin der BF ferner zwei Mal den Abschluss einer einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses angeboten, sodass die BF auch nicht zur Kündigung - die die hier gegenständliche Sperre des Arbeitslosengeldes zur Folge hatte - gedrängt wurde.

Zusammenfassend ergibt sich, dass die von der BF veranlasste Beendigung des verfahrensgegenständlichen Dienstverhältnisses nicht aus berücksichtigungswürdigen Gründen im Sinne des § 11 Abs 2 AlVG geschah. Die BF hat während der Ausschlussfrist keine andere vollversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.