Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Josef HERMANN sowie Mag. Rudolf NORTH als Beisitzer in der Beschwerdesache von XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Schönbrunner Straße vom 29.05.2024, VSNR XXXX , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 19.07.2024, GZ: XXXX , in nicht öffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung vom 19.07.2024 wird ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Schönbrunner Straße (in der Folge: AMS) vom 29.05.2024, VSNR XXXX , wurde der Bezug des Arbeitslosengeldes gemäß § 24 Abs. 2 AlVG für den Zeitraum 01.02.2024 bis 06.03.2024 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und wurde XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von € 2.497,95 verpflichtet. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer das Arbeitslosengeld für den angeführten Zeitraum zu Unrecht bezogen habe, da eine Selbständigkeit sowie eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung bestanden habe und der Beschwerdeführer dies dem AMS nicht bzw. verspätet gemeldet habe. Arbeitslosigkeit sei damit nicht vorgelegen.
2. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 31.05.2024 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin führte er zusammengefasst aus, dass er seit Februar 2020 nicht mehr selbständig gewesen sei und könne daher eine Beitragspflicht bei der SVS im verfahrensrelevanten Zeitraum ab 01.02.2024 nicht mehr bestehen.
3. Im Verfahren über die Beschwerde erließ das AMS als belangte Behörde gemäß§ 14 VwGVG iVm § 56 AlVG eine mit 19.07.2024 datierte Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde abgewiesen wurde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer von 05.02.2020 bis 31.01.2024 bei der XXXX GmbH in einem arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden sei und er auch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses seine Geschäftsführerfunktion beibehalten habe. Die Sozialversicherung der Selbständigen (SVS) habe dem AMS bekannt gegeben, dass von der Beendigung der Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers mit 05.03.2024 ausgegangen werden müsse und die Pflichtversicherung daher erst mit 31.03.2024 beendet worden sei. Demzufolge habe der Beschwerdeführer bis 31.03.2024 als selbständig tätig gegolten und sei im verfahrensrelevanten Zeitraum daher keine Arbeitslosigkeit vorgelegen. Das dem Beschwerdeführer ausbezahlte Arbeitslosengeld sei daher zu widerrufen und zurückzufordern.
4. Mit Schreiben vom 25.07.2024 stellte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Antrag auf Vorlage. Darin führte er aus, dass er seit Februar 2024 nicht mehr bei der XXXX GmbH angestellt und auch nicht selbständig tätig gewesen sei. Die SVS habe den Beschwerdeführer fälschlicherweise dennoch weiterhin im System eingetragen gehabt. Der Beschwerdeführer habe nie gesagt, dass er zum Zeitpunkt seiner Arbeitslosmeldung noch die Organstellung bzw. die Geschäftsführung innegehabt habe.
5. Der Vorlageantrag und die Beschwerde wurden gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 12.08.2024 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
6. Am 04.11.2024 langte eine Nachreichung und Unterlagenvorlage der belangten Behörde beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer stand als handelsrechtlicher Geschäftsführer von 05.02.2020 bis 31.01.2024 bei der XXXX GmbH in einem arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Aufgrund des Umstandes, dass das Dienstverhältnis zur XXXX GmbH am 31.01.2024 geendet hat, entstand ab 01.02.2024 wieder die GSVG-Pflichtversicherung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer.
Mit Geltendmachung 01.02.2024 stellte der Beschwerdeführer beim AMS einen Antrag auf Arbeitslosengeld und wurde dem Beschwerdeführer in weiterer Folge das Arbeitslosengeld ab 01.02.2024 zuerkannt.
Am 05.03.2024 beantragte der Beschwerdeführer beim Handelsgericht XXXX die Löschung als Geschäftsführer der XXXX GmbH im Firmenbuch per 01.02.2024.
Da die Löschung der Geschäftsführerfunktion binnen sechs Wochen ab Beginn der GSVG-Pflichtversicherung erfolgt ist, wurde die GSVG-Pflichtversicherung des Beschwerdeführers mit 31.01.2024 beendet.
In einer Gesamtschau ist daher festzustellen, dass sich der Beschwerdeführer im verfahrensrelevanten Zeitraum 01.02.2024 bis 06.03.2024 in keinem Dienstverhältnis befand, nicht der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterlag und auch nicht selbstständig erwerbstätig war.
2. Beweiswürdigung:
Das arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers als handelsrechtlicher Geschäftsführer bei der XXXX GmbH von 05.02.2020 bis 31.01.2024 ist unstrittig.
Der Antrag auf Arbeitslosengeld vom 01.02.2024 liegt im Akt ein.
Ebenso liegt der am 05.03.2024 gestellte Antrag auf Löschung im Firmenbuch im Akt ein.
Die Feststellung, dass die GSVG-Pflichtversicherung mit 31.01.2024 beendet wurde, ergibt sich aus der Nachreichung des AMS vom 04.11.2024, mit welcher ein Schreiben der SVS vom 06.08.2024 übermittelt wurde. Aus diesem Schreiben geht unzweifelhaft hervor, dass die GSVG-Pflichtversicherung mit 31.01.2024 beendet wurde.
Der Sachverhalt ist in den wesentlichen Punkten unstrittig. Es handelt sich um die Beurteilung einer Rechtsfrage.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend sohin das AMS Wien Schönbrunner Straße.
§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung des § 56 Abs. 2 AlVG normiert ist, dass über Beschwerden gegen Bescheide der Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservices das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer angehören, zu entscheiden ist, liegt im vorliegenden Fall Senatszuständigkeit mit Laienrichterbeteiligung vor.
Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages, der gegenständlich nicht vorliegt, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden, sodass dies zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides ausreichte. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, Zl. 2005/05/0080). Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.
Zu A) Stattgebung der Beschwerde:
Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat, nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund eines Einheitswertes, der kein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erwarten lässt, unterliegt oder auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt.
Das arbeitslosenversicherungspflichtige Dienstverhältnis des Beschwerdeführers als handelsrechtlicher Geschäftsführer bei der XXXX GmbH endete mit 31.01.2024. Wie festgestellt, wurde auch die GSVG-Pflichtversicherung mit 31.01.2024 beendet und unterlag der Beschwerdeführer daher im verfahrensrelevanten Zeitraum 01.02.2024 bis 06.03.2024 nicht der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung.
Da der Beschwerdeführer sohin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum in keinem Dienstverhältnis stand, nicht der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterlag und auch kein anderer die Arbeitslosigkeit ausschließender Tatbestand gemäß § 12 AlVG erfüllt war, lag im verfahrensrelevanten Zeitraum 01.02.2024 bis 06.03.2024 Arbeitslosigkeit vor. Der Beschwerdeführer hat daher in diesem Zeitraum zu Recht Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen und erfolgte der Widerruf des im Zeitraum 01.02.2024 bis 06.03.2024 bezogenen Arbeitslosengeldes zu Unrecht.
Da somit kein rechtmäßiger Widerruf erfolgte, erfolgte auch die Rückforderung gemäß§ 25 AlVG zu Unrecht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.