BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Dr. Werner DAJANI, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, 1020 Wien, Leopold-Moses-Gasse 4, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.06.2024, Zl. 1327218503/223106838, den Beschluss:
A) Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Vorabentscheidungsverfahren hinsichtlich des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.09.2024, Zl. W261 2289490-1/11Z, gemäß § 38a Abs 1 AVG iVm § 17 VwGVG ausgesetzt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte infolge illegaler Einreise am 04.10.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich seiner niederschriftlichen Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab er an, dass er aus der Stadt Aleppo im gleichnamigen Gouvernement stamme und Syrien im Jahr 2017 illegal verlassen habe. Befragt zu seinem Fluchtgrund führte er aus, dass er von einer Gruppe entführt bzw. als Geisel genommen worden sei und sein Vater an die Entführer Geld zahlen habe müssen, um ihn zu befreien.
2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 04.06.2024 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er an, dass er Syrien im Jahr 2015 wegen des Krieges verlassen habe und nicht zum Militär wolle.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) ab. In Spruchpunkt II. wurde ihm gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 für die Dauer von einem Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde auf das Wesentlichste zusammengefasst ausgeführt, dass das syrische Militär vom Beschwerdeführer keine Kenntnis habe, da dieser im Zeitpunkt seiner Ausreise wegen seinen jungen Alters noch nicht wehrdienstpflichtig gewesen sei. Zudem würde es keine großflächigen militärischen Kampfhandlungen mehr geben, daher sei selbst bei Ableistung des Militärdienstes nicht damit zu rechnen, dass der Beschwerdeführer in deren Zuge Menschenrechtsverletzungen begehen müsste. Zudem sei ihm die Bezahlung einer Befreiungsgebühr möglich. Die Wehrpflicht allein stelle keinen Grund iSd GFK dar. Dem Beschwerdeführer würde darüber hinaus auch keine oppositionelle Gesinnung wegen seiner Ausreise aus Syrien und der Asylantragstellung in Österreich unterstellt werden.
4. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 19.07.2024 binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin führte er sinngemäß und zusammengefasst aus, dass ihm im Fall einer Rückkehr nach Syrien eine Zwangsrekrutierung durch das syrische Militär drohe, da er sich im wehrpflichtigen Alter befinde und das syrische Regime in Aleppo an der Macht sei. Hinsichtlich der Zahlung einer Befreiungsgebühr brachte er vor, dass er hierfür nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen würde und das Regime mit einer solchen Zahlung auch nicht unterstützen wolle. Zudem würde ihm im Fall der Rückkehr nach Syrien wegen seiner Herkunft aus einem ehemaligen Oppositionsgebiet sowie wegen des Auslandsaufenthaltes und der Asylantragstellung in Österreich eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden.
5. Mit Schreiben vom 26.08.2024, hg eingelangt am 28.08.2024, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habendem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
6. Mit Beschluss vom 12.09.2024, W261 2289490-1/11Z, legte das Bundesverwaltungsgericht dem Gerichtshof der Europäischen Union im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens folgende Fragen vor:
„1.) Ist Art. 9 Abs 2 lit. e der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes dahin auszulegen, dass die Möglichkeit der Zahlung einer in einem Herkunftsstaat gesetzlich vorgesehenen Gebühr, die von der Verpflichtung zur Ableistung eines Militärdienstes im Sinne dieser Bestimmung tatsächlich befreien würde, das Vorliegen einer Verfolgungshandlung ausschließt, wenn die Zahlung einer solchen Gebühr das einzige Mittel darstellt, um einer Einziehung zu diesem Militärdienst zu entgehen?
1.a.) Wenn Frage 1 zu bejahen ist: Ist Art. 9 Abs 2 lit. e der Richtlinie 2011/95 dahin auszulegen, dass die Möglichkeit der Zahlung einer in einem Herkunftsstaat gesetzlich vorgesehenen Gebühr, die für im Ausland lebende Staatsangehörige eine Befreiung von der Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes für den Herkunftsstaat bedeuten würde, das Vorliegen einer Verfolgungshandlung ausschließt, wenn die Zahlung einer solchen Gebühr das einzige Mittel darstellt, um bei Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Einziehung zu diesem Militärdienst zu entgehen, und diese Gebühr nach der Anzahl der Jahre des Auslandsaufenthalts bemessen ist, wobei 10.000,– US-Dollar bei einem Jahr, 9.000,– US Dollar bei zwei Jahren, 8.000,– US-Dollar bei drei Jahren und 7.000,– US-Dollar bei vier Jahren Auslandsaufenthalt zu entrichten sind und für jedes weitere Jahr jeweils eine Gebühr von 200,– US-Dollar anfällt?
1.b.) Wenn Frage 1 zu bejahen ist: Ist auch Art. 9 Abs 2 lit. c der Richtlinie 2011/95/EU dahin auszulegen, dass die Möglichkeit der Zahlung einer in einem Herkunftsstaat gesetzlich vorgesehenen Gebühr, die von der Verpflichtung zur Ableistung eines Militärdienstes tatsächlich befreien würde, das Vorliegen einer Verfolgungshandlung ausschließt, wenn die Zahlung einer solchen Gebühr das einzige Mittel darstellt, um einer Einziehung zu diesem Militärdienst zu entgehen?
2.) Wenn zumindest Frage 1 zu bejahen ist: Sind Art. 9 Abs 2 lit. e und – soweit Frage 1.b. zu bejahen ist – c in Verbindung mit Art. 4 Abs 3 lit. b und c der Richtlinie 2011/95 dahin auszulegen, dass die Möglichkeit der Zahlung einer in einem Herkunftsstaat gesetzlich vorgesehenen Gebühr, die von der Verpflichtung zur Ableistung eines Militärdienstes tatsächlich befreien würde, das Vorliegen einer Verfolgungshandlung dann nicht ausschließt, wenn ein Antragsteller im Sinne des Art. 2 lit. i dieser Richtlinie eine religiöse beziehungsweise moralische Grundhaltung oder eine politische Meinung, Anschauung beziehungsweise Überzeugung hat, aufgrund derer er die Zahlung dieser Gebühr nicht leisten möchte?
3.) Wenn zumindest Frage 1 zu bejahen ist: Sind Art. 9 Abs 2 lit. e und – soweit Frage 1.b. zu bejahen ist – c in Verbindung mit Art. 4 Abs 3 lit. a und Art. 5 Abs 1 der Richtlinie 2011/95 sowie Art. 46 Abs 3 der Richtlinie 2013/32 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes dahin auszulegen, dass es für die Frage, ob die Möglichkeit der Zahlung einer in einem Herkunftsstaat gesetzlich vorgesehenen Gebühr, die von der Verpflichtung zur Ableistung eines Militärdienstes tatsächlich befreien würde, das Vorliegen einer Verfolgungshandlung ausschließt, auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz beziehungsweise den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über einen Rechtsbehelf gegen die behördliche Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ankommt?
4.) Stehen die unionsrechtlichen Bestimmungen der Verordnung Nr. 36/2012 des Rates vom 18. Januar 2012 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Syrien und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 442/2011 in der geltenden Fassung der Annahme entgegen, dass die Möglichkeit der Zahlung einer in Syrien gesetzlich vorgesehenen Gebühr, die für im Ausland lebende syrische Staatsangehörige eine Befreiung von der Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes für den Herkunftsstaat bedeuten würde, das Vorliegen einer Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Abs 2 lit. e oder c der Richtlinie 2011/95 ausschließt, wenn die Zahlung einer solchen Gebühr das einzige Mittel darstellt, um bei Rückkehr nach Syrien einer Einziehung zu diesem Militärdienst zu entgehen, und diese Gebühr nach der Anzahl der Jahre des Auslandsaufenthalts bemessen ist, wobei 10.000,– US-Dollar bei einem Jahr, 9.000,– US-Dollar bei zwei Jahren, 8.000,– US-Dollar bei drei Jahren und 7.000,– US-Dollar bei vier Jahren Auslandsaufenthalt zu entrichten sind und für jedes weitere Jahr jeweils eine Gebühr von 200,– US-Dollar anfällt?“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter I. beschriebene Verfahrensgang wird festgestellt.
Der Beschwerdeführer ist ein männlicher, am XXXX geborener, syrischer Staatsangehöriger, der sich in einem für den syrischen Wehrdienst potentiell relevanten Alter befindet. Er stammt aus der Stadt Aleppo im gleichnamigen Gouvernement, sohin aus einem Gebiet, in dem aktuell das syrische Regime die Kontrolle ausübt. Weiters brachte der Beschwerdeführer im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vor, Furcht vor einer Einziehung zum syrischen Militärdienst zu haben.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu den aktuellen Machtverhältnissen in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers gründen auf einer Nachschau auf https://syria.liveuamap.com/de (zuletzt abgerufen am 14.10.2024). Die übrigen Feststellungen gründen auf dem unbedenklichen Verwaltungsakt sowie einer Einsichtnahme in den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.09.2024, Zl. W261 2289490-1/11Z.
3. Rechtliche Beurteilung:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchpunkt A)
3.1. § 38a Abs 1 AVG lautet:
„Hat die Behörde dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Frage zur Vorabentscheidung nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgelegt, so dürfen bis zum Einlangen der Vorabentscheidung nur solche Handlungen vorgenommen oder Entscheidungen und Verfügungen getroffen werden, die durch die Vorabentscheidung nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.“
3.2. Daraus folgt für den vorliegenden Fall:
Gegenständlich hat das Bundesverwaltungsgericht die unter Punkt I. 6. wiedergegebenen Fragen dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt. Diese Fragen werden auch im gegenständlichen Verfahren entscheidungsrelevant sein, da der Beschwerdeführer vorbrachte, Syrien aus Angst vor der Einziehung in den Militärdienst bei der syrischen Armee verlassen zu haben und die Zahlung einer Befreiungsgebühr grundsätzlich in Frage kommt.
Daher ist die Rechtsache bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß § 38a Abs 1 AVG iVm § 17 VwGVG auszusetzen.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts-hofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich auf die klare Rechtslage bzw. den eindeutigen Gesetzeswortlaut der anzuwendenden Bestimmung (§ 38a AVG) stützen.
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