Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Cornelia Pretis-Pösinger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Hämmerle Rechtsanwaltskanzlei, Hauptplatz 36, 8970 Schladming, über die Beschwerde vom 26. März 2025 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 14. März 2025 betreffend Rückforderung Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für die Kinder ***1***, geb. ***2*** und ***3***, geb. ***4***, Ordnungsbegriff ***5***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Im Zuge der Überprüfung des Familienbeihilfenanspruchs erhob das Finanzamt Österreich (FAÖ), dass der Sohn der Beschwerdeführerin (Bf.) ***1*** - vom im WS 2020/21 begonnenen Bachelorstudium Industrial Data Sciences an der ***6***universität - im WS 2023/24 auf das Bachelorstudium Informatik an der Universität ***7*** gewechselt hat. Die Universität ***7*** rechnete vom erstbetriebenen Studium 62 ECTS-Credits für das zweitbetriebene Studium an. Dadurch hat sich die Wartezeit für die Gewährung der Familienbeihilfe von sechs auf drei Semester verkürzt. Das FAÖ forderte mit Bescheid vom 14.03.2025 die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum 10/2023 - 02/2025 für den Sohn der Bf. sowie das weitere Kind ***3*** (Geschwisterstaffel) zurück.
Mit 26.03.2025 wurde die Vollmacht der Rechtsvertretung der Bf. dem FAÖ bekanntgegeben und Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass ***1*** mehr als die vorgeschriebenen "Prüfungsstunden", die für die Familienbeihilfe notwendig seien, absolviert habe. Somit seien die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe gegeben gewesen. Beigelegt wurde der Bescheid der Universität ***7*** vom 17.10.2023 über die Anerkennung von Prüfungen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 11.06.2025 wies das FAÖ die Beschwerde vom 26.03.2025 ab, weil es sich nach § 17 Abs. 2 Z 1 StudFG um einen beihilfenschädlichen Studienwechsel gehandelt habe, da nicht die gesamte Vorstudienzeit anerkannt worden sei. Die 62-ECTS-Credits aus dem Studium Industrial Data Science entsprechen drei Semestern, die die Wartezeit im nunmehr betriebenen Studium verkürzten. Die Beschwerdevorentscheidung wurde an die Bf. direkt adressiert und die Zustellung erfolgte am 12.06.2025 in die Databox der Bf.
Der Vertreter der Bf. stellte mit Schriftsatz vom 15.07.2025 den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
Das FAÖ legte die Beschwerde mit Vorlagebericht vom 22.10.2025 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor; es beantragte die Zurückweisung infolge Verspätung der Beschwerde bzw. in eventu die Abweisung.
Das Bundesfinanzgericht erhob bei der Rechtsvertretung der Bf., dass ihm die Beschwerdevorentscheidung am 17.06.2025 tatsächlich zugekommen ist.
Der Sohn der Bf., geb. am ***2***, begann im WS 2020/21 mit dem Bachelorstudium Industrial Data Sciences an der ***6***universität ***8***.Mit WS 2023/24 wechselte er in das Bachelorstudium Informatik an die Technischen Universität ***7***.
Mit Bescheid vom 17.10.2023 der TU ***7*** wurden 62 ECTS-Credits aus dem Bachelorstudium Industrial Data Science von der ***6***universität ***8*** für das Bachelorstudium Informatik an der TU anerkannt.
Mit Bescheid vom 14.03.2025 forderte das FAÖ die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum 10/2023 - 02/2025 für Sohn ***1*** sowie die "Geschwisterstaffel" für die 2004 geborene Tochter ***3*** zurück.
Am 26.03.2025 wurde die Vollmacht durch den Rechtsvertreter dem FAÖ bekanntgegeben und die Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid eingebracht.
Das FAÖ wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 11.06.2025 ab. Die Zustellung der Beschwerde erfolgte fälschlicherweise direkt an die Bf., und zwar mit 12.06.2025 in deren Databox.
Die Rechtsvertretung der Bf. stellte mit 15.07.2025 den Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
Erhebungen durch das Bundesfinanzgericht ergaben, dass der Rechtsvertretung die Beschwerdevorentscheidung am 17.06.2025 tatsächlich zugekommen ist.
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage. Sie sind unstrittig. Weiters ist erwiesen, dass die Beschwerdevorentscheidung vom 11. Juni 2025 dem Rechtsvertreter der Bf. am 17.06.2025 tatsächlich zugekommen ist.
Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist ( § 9 Abs. 3 ZustG).
Das Unterbleiben der Bezeichnung des Zustellungsbevollmächtigten in der Beschwerdevorentscheidung bewirkt aufgrund des § 9 Abs. 3 ZustG, dass dieser Mangel als saniert anzusehen ist.
Die Beschwerdevorentscheidung vom 11. Juni 2025 kam dem Rechtsvertreter der Bf. am 17.06.2025 tatsächlich zu. Der Vorlageantrag vom 15.07.2025 ist demnach rechtzeitig eingebracht.
In der Sache selbst ist auszuführen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten..... ….(10. Satz) Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß. …. ….
Nach § 8 Abs. 1 FLAG 1967 bestimmt sich der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird. Nach Abs. 3 leg. cit. erhöht sich die Familienbeihilfe monatlich für jedes Kind ab 1. Jänner 2018, wenn sie a) für zwei Kinder gewährt wird, um 8,6 €.
Folgende Regelungen des § 17 Studienförderungsgesetz 1992 ( StudFG 1992) idF BGBl. I Nr. 54/2016 (Studienwechsel) sind für den vorliegenden Fall von Bedeutung:
"§ 17 Abs. 1: Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende
1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder2. das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.Abs. 2: Nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 gelten:1. Studienwechsel, bei welchen die gesamte Studienzeit des vor dem Studienwechsel betriebenen Studiums für die Anspruchsdauer des nach dem Studienwechsel betriebenen Studiums berücksichtigt wird, weil auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen Gleichwertigkeit nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gegeben ist,2. Studienwechsel, die durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt wurden,3. Studienwechsel, die unmittelbar nach Absolvierung der Reifeprüfung einer höheren Schule erfolgen, wenn für das während des Besuchs der höheren Schule betriebene Studium keine Studienbeihilfe bezogen wurde,4. die Aufnahme eines Masterstudiums gemäß § 15 Abs. 3,5. die Aufnahme eines Doktoratsstudiums gemäß § 15 Abs. 4.Abs. 3: Ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z 2 ist nicht mehr zu beachten, wenn die Studierenden danach so viele Semester zurückgelegt haben, wie sie in dem gemäß Abs. 1 Z 2 zu spät gewechselten Studium verbracht haben. Anerkannte Prüfungen aus dem verspätet gewechselten Vorstudium verkürzen diese Wartezeiten; dabei ist auf ganze Semester aufzurunden."
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG 1967) Familienbeihilfe gewährt wird, steht gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein monatlicher Kinderabsetzbetrag für jedes Kind zu.
§ 26 FLAG 1967 ist gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 letzter Satz auch für zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge anzuwenden.
Strittig ist im beschwerdegegenständlichen Fall, ob nach dem Studienwechsel des Sohnes der Bf. Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbeträgen (für den Rückforderungszeitraum) zusteht.Unstrittig ist, dass der Sohn der Bf. nach dem sechsten Semester sein Erststudium gewechselt hat, für das nach Ansicht des FAÖ aufgrund des Vorliegens eines günstigen Studienerfolges Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge bezogen wurden.
Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992 angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe, dh das Vorliegen einer Berufsausbildung ist bei einem Studienwechsel nur gegeben, wenn ein nach § 17 StudFG günstiger Studienerfolg vorliegt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Studienwechsel iSd § 17 StudFG vor, wenn der Studierende das von ihm begonnene und bisher betriebene, aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht mehr fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes unter den Geltungsbereich des StudFG fallendes Studium beginnt (VwGH 26.5.2011, 2011/16/0060 mwN).
Im Beschwerdefall liegt ein Studienwechsel vor, somit ist § 17 StudFG anzuwenden.
Mit dem Verweis in § 2 Abs. 1 lit. b (10. Satz) FLAG 1967 ist der Begriff "günstiger Studienerfolg" auch für die Beurteilung, ob eine Berufsausbildung vorliegt, maßgeblich.Kein günstiger Studienerfolg und damit ein - für den Anspruch auf Familienbeihilfe - "schädlicher" Studienwechsel liegt nach § 17 Abs. 1 Z 1 bis 3 StudFG vor, wenn Z 1: das Studium öfter als zweimal gewechselt wird oder Z 2: das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester gewechselt wird oderZ 3: nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium kein günstiger Studienerfolg nachgewiesen wird, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.
Da ***1*** das an der Montanuniversität im WS 2020/21 begonnene Studium nach dem sechsten Semester ohne entsprechenden Abschluss abgebrochen hat, um in der Folge an der Technischen Universität ***7*** ein neues Studium zu beginnen, ist von einen "schädlichen" Studienwechsel (nur) für den (nahtlosen) Weiterbezug der Familienbeihilfe auszugehen.
Die Folge des verspäteten Studienwechsels ist, dass der Familienbeihilfenanspruch erst wieder "auflebt", wenn der Sohn im (neuen) Studium an der TU-***7*** so viele Semester zurückgelegt hat, wie er in dem vorhergehenden Studium an der Montanuniversität verbraucht hat. Somit betrüge die "Wartezeit" für den Anspruch auf Familienbeihilfe im Beschwerdefall sechs Semester.Da aber seitens der TU-***7*** 62 ECTS-Credits vom Vorstudium angerechnet wurden, verkürzt sich die "Wartezeit" um drei Semester.
Aus § 54 Abs. 2 Universitätsgesetz 2002 werden nämlich dem Arbeitspensum eines Studienjahres 60 ECTS-Credits zugeteilt. Die Verwaltungspraxis setzt den Vorstudienleistungen im Ausmaß von 1 - 30 ECTS-Credits eine Vorstudienzeit von einem Semester gleich; Vorstudienleistungen von 31 - 60 ECTS-Credits entsprechen somit einer Vorstudienzeit von zwei Semestern und Vorstudienleistungen von 61 - 90 ECTS-Credits einer Vorstudienzeit von drei Semestern.
Aus den angeführten Regelungen in Verbindung mit der Verwaltungspraxis ergibt sich, dass sich im Beschwerdefall - es wurden 62 ECTS-Credits seitens der TU-***7*** anerkannt - die "Wartezeit" für den Anspruch auf Familienbeihilfe von sechs auf drei Semester verkürzt.
Die Rückforderung der Familienbeihilfe (inkl. Geschwisterstaffel) samt Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum 10/2023 - 02/2025 erfolgte somit zu Recht.
Wie der VwGH judiziert, normiert § 26 Abs. 1 FLAG 1967 eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Diese Verpflichtung zur Rückerstattung ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls, wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (vgl. VwGH 28.10.2009, 2008/15/0329 mit Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung wie Erkenntnisse VwGH vom 22.4.2009, 2008/15/0323).
Aufgrund der sich aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergebenden objektiven Erstattungspflicht besteht für die Abgabenbehörde insofern kein Vollzugsspielraum. Nach der genannten Gesetzesstelle hat vielmehr derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Dies liegt im Beschwerdefall nicht vor. Die Rechtsfolgen ergeben sich aus den angeführten gesetzlichen Vorschriften sowie der o.a. maßgebenden Judikatur.
Klagenfurt am Wörthersee, am 3. November 2025
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