JudikaturBFG

RV/7200028/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
21. Oktober 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, ***Adr.Bf.***, vertreten durch ***RA***, über die Beschwerde vom 17. Jänner 2023 gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom 19. Dezember 2022, Zl. ***1***, betreffend Altlastenbeitrag und Säumniszuschlag zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Sammelbescheid vom 14.11.2022, Zl. ***2***, setzte das Zollamt Österreich dem nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf.), Herrn ***Bf.***, für die Quartale 1/2013 bis 4/2013, für die Quartale 1/2014 bis 4/2014 und für die Quartale 1/2019 bis 3/2015 (gemeint unzweifelhaft 1/2015 bis 3/2015) den Altlastenbeitrag fest (Bescheid I). Gleichzeitig setzte das Zollamt mit diesem Bescheid auch Säumniszuschlag fest (Bescheid II).

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. mit Schriftsatz vom 07.12.2022 den Rechtsbehelf der Beschwerde und beantragte u.a. die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheids.

Das Zollamt Österreich gab dieser Beschwerde statt und hob mit Beschwerdevorentscheidung vom 19.12.2022, Zl. ***3***, den eben angesprochenen Bescheid vom 14.11.2022 (ersatzlos) auf. Im Zuge der Überprüfung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens habe das Zollamt festgestellt, dass die Festsetzung des Altlastenbeitrages für die Quartale 1-4/2013, 1-4/2014 und 1-3/2015 zu Unrecht in einem Bescheid zusammengefasst erfolgt sei. Der Bescheid vom 14.11.2022 sei daher aufzuheben.

Ebenfalls am 19.12.2022 setzte das Zollamt Österreich dem Bf. mit dem nunmehr angefochtenen Sammelbescheid vom 19.12.2022, Zl. ***1***, neuerlich den Altlastenbeitrag und den Säumniszuschlag fest. Dabei erfolgte gem. § 201 Abs. 4 BAO eine Zusammenfassung pro Kalenderjahr:

Bescheid I betrifft die Festsetzung des Altlastenbeitrages für die Quartale 1/2013 bis 4/2013 und die Vorschreibung des entsprechenden Säumniszuschlags.

Bescheid II betrifft die Festsetzung des Altlastenbeitrages für die Quartale 1/2014 bis 4/2014 und die Vorschreibung des entsprechenden Säumniszuschlags.

Bescheid III betrifft die Festsetzung des Altlastenbeitrages für die Quartale 1/2015 bis 3/2015 und die Vorschreibung des entsprechenden Säumniszuschlags.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 16.01.2023.

Das Zollamt Österreich entschied über diese Beschwerde mit drei Beschwerdevorent-scheidungen vom 06.02.2025:

Mit Beschwerdevorentscheidung Zl. ***4*** wies das Zollamt die Beschwerde gegen den o.a. Bescheid I vom 19.12.2022 als unbegründet ab.

Mit Beschwerdevorentscheidung Zl. ***5*** wies das Zollamt die Beschwerde gegen den o.a. Bescheid II vom 19.12.2022 als unbegründet ab.

Mit Beschwerdevorentscheidung Zl. ***6*** wies das Zollamt die Beschwerde gegen den o.a. Bescheid III vom 19.12.2022 als unbegründet ab.

Der Bf. stellte daraufhin mit Schriftsatz vom 28.02.2025 unter Bezugnahme auf die eben angesprochenen drei Beschwerdevorentscheidungen fristgerecht den Vorlageantrag.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der gegenständlichen Abgabenvorschreibung liegt das Ablagern von Abfällen auf dem Grundstück ***7*** im Zeitraum 2013 bis 2015 zugrunde.

Die Menge der abgelagerten Materialien und deren Abfalleigenschaft steht aufgrund des in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 05.07.2018, GZ. LVwG-AV-1149/001-2015, fest.

2. Beweiswürdigung

Die Beweiserhebung seitens des Bundesfinanzgerichtes erfolgte durch Einsichtnahme in die vom Zollamt elektronisch vorgelegten Verwaltungsakte.

Daraus ergibt sich der oben wiedergegebene Sachverhalt und der geschilderte Verfahrensgang.

Dieser war der vorliegenden Entscheidung unbedenklich zugrunde zu legen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Rechtslage:

§ 263 Abs. 1 BAO bestimmt:

Ist in der Beschwerdevorentscheidung die Bescheidbeschwerde

a. weder als unzulässig oder als nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch

b. als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,

so ist der angefochtene Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

§ 201 Abs. 4 BAO bestimmt:

Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben desselben Kalenderjahres (Wirtschaftsjahres) in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen.

Erwägungen:

Ist in der Beschwerdevorentscheidung die Bescheidbeschwerde vom Zollamt weder zurückzuweisen noch als zurückgenommen oder als gegenstandslos zu erklären, so ist der angefochtene Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen ( § 263 BAO).

Die Entscheidungsbefugnis des Zollamtes umfasst somit die (ersatzlose) Aufhebung des angefochtenen Bescheides, die Abweisung der Beschwerde und die Abänderung des angefochtenen Bescheides. Eine Aufhebung als Sachentscheidung darf nur erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt (Ritz, BAO6, § 263 Tz 4f, mit Hinweisen auf VwGH 18.10.2007, 2006/16/0108).

In seiner o.a. Beschwerdevorentscheidung vom 19.12.2022 gab das Zollamt dem Beschwerdevorbringen des Bf. vom 07.12.2022, der u.a. eine ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheids begehrt hatte, ausdrücklich statt. Das Zollamt traf mit diesem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid eine Sachentscheidung dahingehend, dass die in Rede stehenden Altlastenbeiträge und Säumniszuschläge nicht festgesetzt werden.

Erfolgt eine Aufhebung eines Bescheides in der Sache selbst, kommt eine weitere Entscheidung in derselben Sache gegenüber derselben Partei nicht in Betracht (vgl. VwGH 23.9.2010, 2010/15/0108).

Durch eine in Rechtskraft erwachsene meritorische Aufhebung eines Bescheides liegt somit "res iudicata" vor, welche eine neuerliche Bescheiderlassung in derselben Sache aufgrund des Grundsatzes "ne bis in idem", einem Grundprinzip der österreichischen Rechtsordnung, verhindert. Die Sache ist dabei jene Angelegenheit, die den Spruch des Bescheides gebildet hat (vgl. VwGH 21.3.2005, 2004/17/0089).

Der VwGH sprach mit seinem Erkenntnis vom 24.01.2017, Ro 2016/16/0004, aus, dass eine Berufungsvorentscheidung oder Berufungsentscheidung, die eine in Betracht kommende ersatzlose Aufhebung des bekämpften Bescheides zu Unrecht ausspricht, anstatt diesen abzuändern, das Hindernis der entschiedenen Sache für eine neuerliche Bescheiderlassung darstellt (VwGH 11.09.2014, 2013/16/0156; VwGH 29.08.2013, 2011/16/0105 und VwGH 23.09.2010, 2010/15/0108). Dies auch dann, wenn die Aufhebung lediglich auf die Ermöglichung des Ergehens "formal richtiger" Bescheide abzielt (VwGH 29.07.2014, 2011/13/0005).

Im Beschwerdefall kam eine ersatzlose Aufhebung des bekämpften Festsetzungsbescheides vom 14.11.2022 durchaus in Betracht, wenn nämlich der Ansicht des Bf. folgend von der fehlenden Abfalleigenschaft der streitgegenständlichen Materialien auszugehen gewesen wäre.

Der mit Beschwerdevorentscheidung vom 19.12.2022 aufgehobene Sammelbescheid vom 14.11.2022 betraf die Abgabenfestsetzung betreffend das gleiche Ablagern derselben Abfälle in den gleichen Zeiträumen wie der nunmehr angefochtene Sammelbescheid vom 19.12.2022. Auch die Art der Abgaben, die Abgabenhöhe, die dem Bf. zu Last gelegte Tatbestandsver-wirklichung und vor allem der Bescheidadressat sind in beiden Fällen identisch.

Es liegt somit zweifellos Sachidentität vor.

Der Ansicht des Zollamtes in den o.a. Beschwerdevorentscheidungen vom 06.02.2025, wonach die Beschwerdevorentscheidung vom 19.12.2022 (also die ersatzlose Aufhebung) keine Sachentscheidung sei, wird nicht gefolgt.

Denn das Zollamt hob mit der Beschwerdevorentscheidung vom 19.12.2022 - wie oben ausgeführt - den Bescheid vom 14.11.2022 laut Bescheidspruch (der im Gegensatz zur Begründung Rechtswirkungen erzeugt) ersatzlos auf. Bei einer "ersatzlosen" Aufhebung handelt es sich aber jedenfalls um eine meritorische Beschwerdeerledigung (vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, Rz. 5 zu § 279).

Das bloße Motiv einer Behörde, eine Aufhebung auszusprechen, um - in der Folge - formal richtige Bescheide zu ermöglichen, verhindert die "Sperrwirkung" der entschiedenen Sache nicht (Summersberger, AVR - Abgabenverfahren und Rechtsschutz (4), August 2020, S 144, letzter Satz).

Dadurch, dass es das Zollamt unterließ, mit der Beschwerdevorentscheidung vom 19.12.2022 den Spruch des angefochtenen Bescheides vom 14.11.2022 abzuändern, war es ihm verwehrt, eine neuerliche Abgabenvorschreibung vorzunehmen (vgl. BFG 30.06.2020, RV/5200249/2013 und die dort zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung).

Mit der mit 19.12.2022 datierten und am 21.12.2022 zugestellten o.a. rechtskräftigen Berufungsvorentscheidung steht der mit demselben Tag (19.12.2022) datierten und ebenfalls am 21.12.2022 (gleichzeitig mit der eben angesprochenen BVE) zugestellten und wirksam gewordenen Festsetzung der Altlastenbeiträge und Säumniszuschläge mittels des nunmehr angefochtenen Sammelbescheids daher jedenfalls das Hindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen (VwGH 24.01.2017, Ro 2016/16/0004).

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die vorliegende Entscheidung kann sich auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen. Es musste daher der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.

Wien, am 21. Oktober 2025