IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch R1, R2 sowie die fachkundigen Laienrichter L1 und L2 über die Beschwerde des ***1***, vertreten durch V vom 25.03.2021 gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom 11.03.2021, SN, nach der am 22.05.2025 in Abwesenheit der Parteien, in Anwesenheit der Schriftführerin S durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Über die mit dem Gesellschaftsvertrag vom Datum4 errichtete X.GmbH wurde mit dem Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum1, das Konkursverfahren eröffnet, das nach Schlussverteilung mit dem Beschluss des Gerichtes vom Datum2 aufgehoben wurde. Die Firma wurde am Datum3 gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht.
Mit dem Haftungsbescheid vom 07.11.2019 zog das Finanzamt Wien 4/5/10 (nunmehr Finanzamt Österreich) den Beschwerdeführer (Bf.), der von der Errichtung bis zur Auflösung der X.GmbH als deren handelsrechtlicher Geschäftsführer fungierte, gemäß § 9 BAO zur Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft in der Höhe von insgesamt 239.052,27 € (Umsatzsteuer 02-10/2006 und 11/2006, Einfuhrumsatzsteuer 10 und 12/2004, Einfuhrumsatzsteuer 01 und 04-12/2005, Einfuhrumsatzsteuer 01-10/2006, Lohnabgaben 01-12/2002, 01-12/2003, 01-04/2004, 01 und 02/2005 sowie Lohnabgaben 2005 und 2006) heran.
Dem Haftungsbescheid beigelegt waren der Bescheid vom 15.01.2007 über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 02-10/2006 in der Höhe von 74.000 €, die Berufungsvorentscheidung vom 10.05.2007 betreffend die Festsetzung von Umsatzsteuer für 02-10/2006 in der Höhe von 47.997,72 €, und die Haftungs- und Abgabenbescheide vom 03.02.2007 betreffend Lohnsteuer, Diestgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2005 und 2006. Sämtliche angeführten Abgabenbescheide wurden dem Masseverwalter im Konkurs der X.GmbH zugestellt.
In der Eingabe vom 04.12.2019 stellte der Vertreter des Bf. den Antrag auf Mitteilung der zugrunde liegenden Abgabenansprüche. Beim Umsatzsteuerbescheid fehle eine Begründung; die der Berufungsvorentscheidung zugrunde liegende Berufung liege nicht vor. Die in der Begründung der Bescheide betreffend die Lohnabgaben 2005 und 2006 angeführten "Feststellungen der durchgeführten Lohnsteuerprüfung" seien nicht bekannt, auch liege weder eine Niederschrift noch ein Prüfbericht bei. Hinsichtlich der angeführten Einfuhrumsatzsteuern sowie der unterjährigen Lohnabgaben lägen weder Bescheide noch sonstige Angaben vor.
Der Vertreter des Bf. verwies auf die Hemmung der Beschwerdefrist (§ 248 in Verbindung mit § 245 Abs. 2 BAO), stellte aber auch vorsorglich den Antrag, die Beschwerdefrist bis 14.02.2020 zu verlängern.
Der Vertreter des Bf. beantragte in der Folge mehrmals, die Frist zur Einbringung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid zu verlängern (Eingaben vom 12.02.2020, 08.04.2020, 30.06.2020) und wies in jedem dieser Schriftsätze darauf hin, dass seine Anträge vom 04.12.2019 noch unerledigt seien.
Nachdem das Finanzamt das Ansuchen um Verlängerung der Rechtsmittelfrist vom 30.06.2020 mit dem Bescheid vom 07.07.2020 abgewiesen hatte, brachte der Vertreter des Bf. in der Eingabe vom 14.07.2020 gegen den Haftungsbescheid das Rechtsmittel der Beschwerde mit der Begründung ein, er könne diesen nicht nachvollziehen und halte ihn für rechtswidrig. Eine ausführliche Begründung werde er nachreichen, sobald seine Anträge vom 04.12.2019 erledigt worden seien.
In der Eingabe vom 16.07.2020 beantragte der Vertreter des Bf.:
"..... in Ergänzung meiner Beschwerde vom 14. d.M. betreffend den Haftungsbescheid vom 7. November 2019 stelle ich hiermit folgende
ANTRÄGE:
1. Die Einhebung des Gesamtbetrages von € 239.052,27 möge gemäß § 212a BAO ausgesetzt werden.2. Gemäß § 274 (1) Z. 1 wird eine mündliche Verhandlung beantragt.3. Die Erledigung meiner Beschwerde möge durch den Senat erfolgen (§ 272 (2) Z. 1 BAO)."
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 11.03.2021 wies das Finanzamt die Ergänzung der Beschwerde vom 16.07.2020 als nicht fristgerecht zurück.
Die Begründung des Bescheides lautet: "Ihre Eingabe wurde nicht fristgerecht eingebracht."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 25.03.2021, in der ausgeführt wurde, die Begründung des Bescheides sei grundlegend verfehlt. Gemäß § 260 Abs. 1 BAO könne nur eine Bescheidbeschwerde oder ein sonstiger Antrag (z.B. auf Zeugenbefragung) zurückgewiesen werden, bloß ergänzendes Vorbringen hingegen nicht. Dafür spreche auch der Umstand, dass Gegenstand der meritorischen Erledigung nicht der Nachtrag, sondern der Einspruch sei.
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom 23.09.2021 wies das Finanzamt die Bescheidbeschwerde vom 25.03.2021 als unbegründet ab.
Die Rechtsmittelfrist sei durch den Bescheid vom 08.06.2020 bis 30.06.2020 verlängert worden. Aufgrund des Fristverlängerungsantrages vom 30.06.2020 sei die Beschwerdefrist gemäß § 245 Abs. 2 BAO gehemmt worden; es sei eine Restfrist von einem Tag verblieben. Die Hemmung habe mit Ablauf des 10.07.2020 (Tag der Bekanntmachung des Bescheides vom 07.07.2020 über die Abweisung des Fristverlängerungsansuchens) geendet; die eintägige Restfrist habe am 11.07.2020 (Samstag) zu laufen begonnen. Montag, 13.07.2020, sei daher als letzter Tag der Frist anzusehen. Die Beschwerde sei erst am 14.07.2020 zur Post gegeben worden, weshalb sie gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückzuweisen sei.
Daraufhin stellte der Vertreter des Bf. im Schriftsatz vom 21.10.2021 ohne weitere Begründung den Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat.
Zu der am 22.05.2025 abgehaltenen mündlichen Verhandlung sind die Parteien nicht erschienen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Im vorliegenden Fall hat der Bf. gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes 4/5/10 vom 07.11.2019 am 14.07.2020 das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht.
In der Ergänzung der Beschwerde vom 16.07.2020 beantragte der Bf. die Aussetzung der Einhebung des Haftungsbetrages, die Entscheidung durch den Senat sowie die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.
Gegenstand dieses Verfahrens ist der Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom 11.03.2021, mit dem im Bescheidspruch ausdrücklich die Ergänzung der Beschwerde vom 16.07.2020 zurückgewiesen wurde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurden daher die (in Ergänzung der Beschwerde eingebrachten) Anträge des Bf. auf Aussetzung der Einhebung des Haftungsbetrages, die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung sowie die Entscheidung durch einen Senat im Beschwerdeverfahren gegen den Haftungsbescheid (als verspätet) zurückgewiesen.
Gemäß § 212a Abs. 3 BAO können Anträge auf Aussetzung der Einhebung bis zur Entscheidung über die Bescheidbeschwerde (Abs. 1) gestellt werden. Sie haben die Darstellung der Ermittlung des gemäß Abs. 1 für die Aussetzung in Betracht kommenden Abgabenbetrages zu enthalten. Weicht der vom Abgabenpflichtigen ermittelte Abgabenbetrag von dem sich aus Abs. 1 ergebenden nicht wesentlich ab, so steht dies der Bewilligung der Aussetzung im beantragten Ausmaß nicht entgegen.
Im vorliegenden Fall beantragte der Bf. die Aussetzung der Einhebung des gesamten Haftungsbetrages in der Höhe von 239.052,27 €. Der Bf. hat den Haftungsbescheid, mit dem er zur Haftung für einen Betrag in der Höhe von 239.052,27 € herangezogen wurde, zur Gänze angefochten ("weil ich diesen in keiner Weise nachvollziehen kann und für rechtswidrig halte"), weshalb die Anführung des gesamten Haftungsbetrages im Antrag als ausreichende Darstellung des für die Aussetzung der Einhebung in Betracht kommenden Betrages angesehen werden kann.
Da im Zeitpunkt der Antragstellung eine Entscheidung über die (zwei Tage zuvor eingebrachte) Beschwerde gegen den Haftungsbescheid noch nicht ergangen war, wäre vom Finanzamt über den gemäß § 212a Abs. 3 BAO zeitgerecht gestellten Antrag auf Aussetzung der Einhebung meritorisch abzusprechen gewesen.
Der Zurückweisungsbescheid wurde daher in diesem Punkt rechtswidrig erlassen.
Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß.
§ 245 BAO lautet:(1) Die Beschwerdefrist beträgt einen Monat. Enthält ein Bescheid die Ankündigung, dass noch eine Begründung zum Bescheid ergehen wird, so wird die Beschwerdefrist nicht vor Bekanntgabe der fehlenden Begründung oder der Mitteilung, dass die Ankündigung als gegenstandslos zu betrachten ist, in Lauf gesetzt. Dies gilt sinngemäß, wenn ein Bescheid auf einen Bericht (§ 150) verweist.(2) Durch einen Antrag auf Mitteilung der einem Bescheid ganz oder teilweise fehlenden Begründung (§ 93 Abs. 3 lit. a) wird der Lauf der Beschwerdefrist gehemmt.(3) Die Beschwerdefrist ist auf Antrag von der Abgabenbehörde aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, zu verlängern. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Beschwerdefrist gehemmt.(4) Die Hemmung des Fristenlaufes beginnt mit dem Tag der Einbringung des Antrages (Abs. 2 oder 3) und endet mit dem Tag, an dem die Mitteilung (Abs. 2) oder die Entscheidung (Abs. 3) über den Antrag dem Antragsteller zugestellt wird. In den Fällen des Abs. 3 kann jedoch die Hemmung nicht dazu führen, dass die Beschwerdefrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmals ihre Verlängerung beantragt wurde, abläuft.(5) Abs. 3 und 4 gelten sinngemäß für Anträge auf Verlängerung der Frist des § 85 Abs. 2 bei Mängeln von Beschwerden.
Aus § 248 BAO ergibt sich, dass der zur Haftung Herangezogene jedenfalls den gegen ihn geltend gemachten Abgabenanspruch dem Grunde und der Höhe nach bekämpfen können muss (VwGH 26.01.1982, 81/14/0090, 81/14/0118).
Aus dem dem Haftungspflichtigen eingeräumten Beschwerderecht ergibt sich, dass ihm anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis zu verschaffen ist (VwGH 18.03.1994, 92/17/0003), und zwar vor allem über Grund und Höhe des feststehenden Abgabenanspruches (VwGH 11.07.2000, 2000/16/0227, VwGH 19.03.2015, 2011/16/0188).
Im vorliegenden Fall lagen dem Haftungsbescheid folgende an den Masseverwalter im Konkursverfahren der X.GmbH adressierte Abgabenbescheide bei:
1. Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 02-10/2006 vom 15.01.2007Die Begründung dieses Bescheides, mit dem die Umsatzsteuer für den Zeitraum 02-10/2006 mit 74.000 € festgesetzt wurde, lautete:"Die Festsetzung war erforderlich, weil sich Ihre Selbstberechnung als unrichtig erwiesen hat bzw. weil Sie, obwohl eine Verpflichtung zur Einreichung der Voranmeldung(en) bestand, keine/unvollständige Voranmeldung(en) eingereicht haben".
2. Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 02-10/2006 (Berufungsvorentscheidung gem. § 276 BAO) vom 10.05.2007Mit der Berufungsvorentscheidung wurde die Umsatzsteuer für den Zeitraum 02-10/2006 mit 47.997,72 € (statt 74.000 €) festgesetzt. Eine Begründung enthält der Bescheid nicht.
3. Haftungs- und Abgabenbescheide für das Jahr 2005 und für das Jahr 2006 vom 03.02.2007Die Begründung dieser Bescheide, mit denen die Gesellschaft zur Haftung für Lohnsteuer 2005 und 2006 herangezogen wurde und Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag 2005 und 2006 festgesetzt wurden, lautete:"Die Festsetzung erfolgt aufgrund der Feststellungen der durchgeführten Lohnsteuerprüfung".
Weitere Unterlagen lagen dem Haftungsbescheid nicht bei.
Ist dem Festsetzungsbescheid vom 15.01.2007 in Verbindung mit der Buchungsabfrage des Abgabenkontos der X.GmbH entnehmbar, dass die Besteuerungsgrundlagen für die Voranmeldungszeiträume 02-10/2006 vom Finanzamt geschätzt werden mussten, weil in diesem Zeitraum keine Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht wurden - wobei die Schätzungsmethode mangels Begründung nicht nachvollziehbar ist -, und wurde die Berufungsvorentscheidung vom 10.05.2007 offensichtlich entsprechend dem Vorbringen in der Berufung vom 16.02.2007 erlassen, ist mangels Vorliegen der Berufung gegen den Festsetzungsbescheid nicht nachvollziehbar, welche Beträge auf die einzelnen Monate entfallen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass das Konkursverfahren über die X.GmbH am Datum1 eröffnet wurde und der Bf. als Geschäftsführer nicht mehr verpflichtet war, die am 15.12.2006 fällige Umsatzsteuer 10/2006 abzuführen. Welcher Betrag an Umsatzsteuer auf den Zeitraum 10/2006 entfällt, ist nicht bekannt, weil dem Bf. über den einzelnen haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch (monatliche Umsatzsteuer) keine Kenntnis verschafft wurde.Die Haftungs- und Abgabenbescheide für das Jahr 2005 und für das Jahr 2006 vom 03.02.2007 verweisen auf die Feststellungen der durchgeführten Lohnsteuerprüfung, wobei ein Bericht, aus dem der Grund und die Höhe der einzelnen monatlichen Abgabenansprüche entnehmbar wäre, dem Bf. ebenfalls nicht zugekommen ist.
Der Bf. hat daher zu Recht die Mitteilung der ihm nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenansprüche beantragt. Eine Erledigung dieses Antrages ist seitens des Finanzamtes nie erfolgt, weshalb gemäß § 248 in Verbindung mit § 245 Abs. 2 BAO der Lauf der Beschwerdefrist für den Haftungsbescheid gehemmt war.
Nach der Rechtsprechung des VwGH (Erkenntnis vom 20.12.1994, 94/14/0133) ist der in einem ergänzenden Schriftsatz gestellte Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung dann nicht abzulehnen, wenn der Bf. einen Antrag auf Mitteilung der fehlenden Begründung gemäß § 245 Abs. 2 BAO gestellt hat.
Wörtlich führte der VwGH im zitierten Erkenntnis aus:"Das Institut des § 245 Abs 2 BAO bezweckt die endgültige Klarstellung des Inhaltes der Entscheidung und damit der Ausgangsbasis für das Rechtsmittel. Macht die Partei von dieser Möglichkeit Gebrauch, bringt sie solcherart zum Ausdruck, dass eine von ihr überreichte Rechtsmittelschrift noch unvollständig sein kann, sie sich also weiteres Vorbringen als Teil der Rechtsmittelschrift nach Maßgabe der Erledigung ihres Ergänzungsantrages vorbehält. Der Vortrag weiterer Berufungsinhalte nach Erledigung des Antrages und innerhalb der noch offenen restlichen Berufungsfrist bedeutet daher lediglich die Fertigstellung einer begonnenen Berufungsschrift, nicht jedoch ihre nachträgliche Ergänzung im Sinne der erwähnten ständigen Rechtsprechung. Ein Verhandlungsantrag, der gleichzeitig mit einer solchen Fertigstellung der Berufungsschrift gestellt wird, ist daher mit der Berufungsschrift, also auch gemäß der Vorjudikatur dem § 284 BAO gemäß erhoben. ..... Verantwortungsvolle Antragstellung auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird aber in Fällen des § 245 Abs. 2 BAO oft erst nach Kenntnis der Erledigung des Antrages auf Ergänzung der Bescheidbegründung möglich sein. Es widerspräche dem Sachlichkeitsgebot aber auch, wollte man dem Gesetzgeber unterstellen, er habe die Partei gleichsam zu vorsorglicher Antragstellung auf mündliche Verhandlung zwingen wollen, wenn sie den Teil der Berufung, den sie auf Grund der ihr schon mitgeteilten Entscheidungsgründe der Behörde bereits ausführen zu können glaubt, bei der Behörde einbringt, oder der Gesetzgeber habe der Partei in solchen Fällen, wenn sie die Notwendigkeit weiteren Berufungsvorbringens nach Maßgabe der Erledigung ihres Antrages um Ergänzung der Entscheidungsgründe für möglich hält, die Einbringung der Berufungsschrift in zwei Teilen überhaupt verwehren wollen. ....."
In der Beschwerde vom 14.07.2020 hat der Vertreter des Bf. vorgebracht, sein Antrag auf Mitteilung der fehlenden Begründung vom 04.12.2019 sei noch nicht erledigt worden. Er werde die Beschwerde aber mit ausführlicher Begründung ergänzen, sobald ihm die urgierten Unterlagen vorliegen.
Nach der Aktenlage hat das Finanzamt den - berechtigten - Antrag auf Mitteilung der zugrunde liegenden Abgabenansprüche bis dato nicht erledigt; die in der Beschwerde vom 04.12.2019 angeforderten Unterlagen betreffend die dem Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Abgabenansprüche wurden dem Bf. bis dato nicht übermittelt.
Der vorliegende Fall, in dem der Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung zu einem Zeitpunkt gestellt wurde, in dem dem Bf. die beantragten Unterlagen zu den dem Haftungsbescheid zugrunde liegenden Abgaben noch nicht mitgeteilt waren (und bis dato auch nicht mitgeteilt wurden), kann nicht anders behandelt werden als der vom VwGH beurteilte Sachverhalt, bei dem der Antrag auf mündliche Verhandlung zeitgleich mit dem auf die Übermittlung der Unterlagen folgenden ergänzten Berufungsschriftsatz beantragt wurde.
Ein Zurückweisungsbescheid hatte daher auch zu diesem Antrag nicht zu ergehen.
Zum Antrag auf Entscheidung der Beschwerde durch den gesamten Senat gilt das Gesagte wie zum Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Die Entscheidung, ob die Fällung des Erkenntnisses durch einen Einzelrichter erfolgen oder die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor einem Senat beantragt werden soll, wird vom Bf. bzw. seinem Vertreter erst nach Kenntnis der Erledigung des Antrages auf Ergänzung der Bescheidbegründung möglich sein.
Der innerhalb der gehemmten Rechtsmittelfrist gestellte Antrag auf Entscheidung durch den Senat ist daher als rechtzeitig anzusehen.
Im Übrigen obliegt die Beurteilung, ob die Entscheidung über die Beschwerde von einem Einzelrichter oder einem Senat zu fällen ist, dem Bundesfinanzgericht.
Da auch hinsichtlich dieses Antrages eine Zurückweisung der "Ergänzung der Beschwerde" vom 16.07.2020 wegen nicht fristgerechter Einbringung nicht hätte erfolgen dürfen, war der angefochtene Zurückweisungsbescheid aufzuheben.
Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung stützt sich auf die klaren gesetzlichen Bestimmungen sowie die vom VwGH im Erkenntnis zitierte Judikatur. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, weshalb eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.
Wien, am 22. Mai 2025