JudikaturBFG

RS/7100049/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
12. März 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Union Tax&Law, Donau-City-Straße, DC Tower-30th floor 7, 1220 Wien, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Finanzamtes Österreich in einer Angelegenheit betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022 Steuernummer ***Nr.***

1.) beschlossen:

Da von der UnionTAX & LAW Rechtsanwälte regelmäßig steuerliche Vertretungen vor den Abgabenbehörden in Österreich übernommen werden, liegt hier keine bloß vorübergehende Dienstleistung iSd § 6 Abs. 1 WTBG mehr vor, weshalb dieser Vertreter im gegenständlichen Verfahren gem. § 269 Abs. 1 BAO iVm § 84 Abs. 1 BAO abzulehnen ist.

2.) zu Recht erkannt:

I. Die Säumnisbeschwerde wird gemäß § 284 Abs. 4 BAO abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am 12.06.2024 wurde von der Beschwerdeführerin (Bf) die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2022 (Formular L1) in Papierform eingebracht. Kurze Zeit danach, am 21.06.2024, brachte die steuerliche Vertretung UnionTAX & LAW für das selbe Veranlagungsjahr die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2022 (Formular L1 inkl. Beilage L1i, E9) in Papierform ein. Der Erklärung beigelegt war eine Vollmacht der UnionTAX & LAW in 8590 Romanshorn, Schweiz, Handelsregister-Nr. CHE-379.441.506, Inh. F. Niedermann, Rechtsanwältin-DE (inkl. Zustellvollmacht) und eine Geldvollmacht der UnionTAX International Swiss, 8590 Romanshorn, Schweiz, Handelsregister-Nr. CHE-247.640.892.

Am 23.07.2024 wurde der Einkommensteuerbescheid 2022 antragsgemäß erlassen. Die Zustellung erfolgte an die Wohnanschrift von Frau ***Bf1*** in ***Bf.Adr***. Die aus der Arbeitnehmerveranlagung 2022 resultierte Gutschrift (inkl. Anspruchszinsen) wurde auf das österreichische Bankkonto von Frau ***Bf1*** überwiesen.

In der Säumnisbeschwerde vom 18.2.2025 wurde eingewendet, dass der Antrag vom 8.7.2024 auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung für 2022 noch nicht erledigt wurde und somit eine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.

Die Abgabenbehörde hat in einer Stellungnahme (Email vom 7.3.2025) dazu mitgeteilt, dass die vorgelegte Vollmacht nicht anzuerkennen wäre, weil von der steuerlichen Vertretung die zulässige Möglichkeit eines gelegentlichen bzw. vorübergehenden Einschreitens ausgeschöpft wurde und diese darüber hinaus tätig geworden ist, weshalb die Vollmachten - mit Ausnahme der Zustellvollmacht - gem. § 84 Abs. 1 BAO abzulehnen seien. Ein bescheidmäßige Ablehnung erfolgte bis dato allerdings nicht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Dem Erkenntnis wird nachstehender - aus dem Akteninhalt und dem Parteivorbringen ableitbarer - Sachverhalt zu Grunde gelegt:

Es steht fest, dass die Bf am 12.06.2024 eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2022 (Formular L1) in Papierform und am 21.06.2024, die steuerliche Vertretung UnionTAX & LAW nochmals dieselbe Erklärung (Formular L1 inkl. Beilage L1i, E9), ebenfalls in Papierform, einbrachte. Mit dieser Erklärung wurde eine Vollmacht, die auch eine Zustell- sowie Geldvollmacht umfasste - vorgelegt.

Fest steht weiters, dass am 23.07.2024 der Einkommensteuerbescheid 2022 antragsgemäß erlassen und die Zustellung an die Wohnanschrift der Bf erfolgte. Die daraus resultierende Gutschrift wurde auf ihr österreichisches Bankkonto überwiesen.

In der am 18.2.2025 mittels Fax eingebrachten Säumnisbeschwerde wurde begehrt, dass vom Bundesfinanzgericht (BFG) über den Antrag vom 8.7.2024 auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung für 2022 entschieden wird.

Da bislang keine Ablehnung des Vertreters durch die Abgabenbehörde erfolgte, war diese Frage durch das Bundesfinanzgericht vorab zu entscheiden, um das Vorliegen einer allfälligen Säumnis beurteilen zu können.

2. Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. In Befolgung dieser Grundsätze ist der oben dargestellte Sachverhalt deshalb wie folgt zu würdigen. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der elektronisch eingebrachten Säumnisbeschwerde sowie der Stellungnahme der Abgabenbehörde.

Vom bevollmächtigten Vertreter wird dabei im Wesentlichen vorgebracht, dass ein aufrechtes Vollmachtsverhältnis nicht berücksichtigt wurde und der Antrag vom 8.7.2024 auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung für 2022 demnach noch unerledigt ist, wodurch eine Säumnis eingetreten sei. Die belangte Behörde erkannte demgegenüber die gegenständliche Vollmacht nicht an und stellte den antragsgemäß erlassen Einkommensteuerbescheid 2022 direkt an die Wohnanschrift der Bf zu.

Bezüglich weiterer Erwägungen zur Beweiswürdigung wird auf die Ausführungen unter Punkt 3.1.2. dieses Erkenntnisses, die verständnishalber im Kontext mit der rechtlichen Beurteilung behandelt wird, verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

3.1.1. Rechtsgrundlagen/Allgemeines:

Gem. § 6 Abs. 1 WTBG sind Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der EU oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) oder Staatsangehörige der Schweiz, die in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Vertragsstaat des EWR oder in der Schweiz niedergelassen sind und dort den Beruf eines selbständigen, freiberuflichen Wirtschaftstreuhänders auf einem bestimmten diesem Bundesgesetz entsprechenden Fachgebiet gemäß § 2 und § 3 befugt ausüben, berechtigt, nach Maßgabe des Abs. 2, vorübergehend und gelegentlich Dienstleistungen auf diesem Fachgebiet zu erbringen.

§ 84 BAO lautet:

(1) Die Abgabenbehörde hat solche Personen (Personengesellschaften) als Bevollmächtigte abzulehnen, die die Vertretung anderer geschäftsmäßig, wenn auch unentgeltlich betreiben, ohne hiezu befugt zu sein. Gleichzeitig ist der Vollmachtgeber von der Ablehnung in Kenntnis zu setzen.

(2) Das von einer abgelehnten Person (Personengesellschaft) in Sachen des Vollmachtgebers nach der Ablehnung schriftlich oder mündlich Vorgebrachte ist ohne abgabenrechtliche Wirkung.

§ 284 BAO lautet:

(1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.

(3) Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.

(4) Säumnisbeschwerden sind mit Erkenntnis abzuweisen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist.

(5) Das Verwaltungsgericht kann sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Abgabenbehörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Abgabenbehörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst.

(6) Partei im Beschwerdeverfahren ist auch die Abgabenbehörde, deren Säumnis geltend gemacht wird.

(7) Sinngemäß sind anzuwenden:

a) § 256 Abs. 1 und 3 (Zurücknahme der Beschwerde),

b) § 260 Abs. 1 lit. a (Unzulässigkeit),

c) § 265 Abs. 6 (Verständigungspflichten),

d) § 266 (Vorlage der Akten),

e) § 268 (Ablehnung wegen Befangenheit oder Wettbewerbsgefährdung),

f) § 269 (Obliegenheiten und Befugnisse, Ermittlungen, Erörterungstermin),

g) §§ 272 bis 277 (Verfahren),

h) § 280 (Inhalt des Erkenntnisses oder des Beschlusses).

Mit Eingabe des Vertreters der Beschwerdeführerin (Bf) vom 18.2.2025 wurde die Verletzung der Entscheidungsplicht durch die Abgabenbehörde behauptet, da über einen Antrag vom 8.7.2024 auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2022 nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden wurde.

Grund für die gegenständliche Säumnisbeschwerde war der Umstand, dass kurz nach Einlangen der Papiererklärung durch die Bf am 21.06.2024 für dasselbe Veranlagungsjahr auch von der steuerlichen Vertretung die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2022 in Papierform eingebracht wurde. Der Erklärung beigelegt war eine Vollmacht der UnionTAX & LAW, die auch eine Zustellvollmacht sowie eine Geldvollmacht umfasste.

Die Abgabenbehörde hat in einer Stellungnahme (Email vom 7.3.2025) dazu mitgeteilt, dass die Vollmacht nicht anzuerkennen wäre, weil von der steuerlichen Vertretung die zulässige Möglichkeit eines gelegentlichen bzw. vorübergehenden Einschreitens ausgeschöpft wurde und diese darüber hinaus tätig geworden ist.

3.1.2. Erwägungen:

Hinsichtlich des für die Beurteilung einer Säumnis (als Vorfrage) zu klärenden Umstandes, ob die vorgelegte Vollmacht dieser Rechtsanwaltskanzlei berücksichtigt werden kann, ist gem. § 269 Abs. 1 BAO iVm § 84 Abs. 1 BAO vom Bundesfinanzgericht darüber mit Beschluss abzusprechen, der wie folgt lautet:

Da von der UnionTAX & LAW Rechtsanwälte die steuerliche Vertretung vor den Abgabenbehörden in ganz Österreich mittlerweile regelmäßig und flächendeckend in einer Vielzahl von Fällen übernommen wird, liegt hier keine bloß vorübergehende Dienstleistung iSd § 6 Abs. 1 WTBG mehr vor (vgl. UFS 10.04.2012, RV/0419-I/11), weshalb dieser Vertreter im gegenständlichen Verfahren gem. § 269 Abs. 1 BAO iVm § 84 Abs. 1 BAO abzulehnen ist.

Da bislang von der Abgabenbehörde kein Ablehnungsbescheid erlassen wurde, sind die vom Vertreter bis dahin vorgenommene Prozesshandlungen gültig (vgl. Ritz, BAO7, § 84 BAO, Tz 11). Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass infolge nicht korrekter Zustellung an die Bf der Einkommensteuerbescheid vom 23.7.2024 keine Rechtswirkungen entfalten konnte und somit auch die Abgabengutschrift nicht hätte überwiesen werden dürfen.

Durch die nunmehr erfolgte beschlussmäßige Ablehnung des ausgewiesenen Vertreters ist das von der Abgabenbehörde vorweggenommene Ergebnis im Ergebnis aber richtig, weil nunmehr eine Zustellung an den Vertreter nicht mehr in Betracht kommt. Da es sich beim Einkommensteuerbescheid vom 23.7.2024 um einen Nichtbescheid (vgl. VwGH 27.4.1995, 93/17/0075) handelt, der keine Rechtswirkungen entfaltet, braucht dieser auch nicht aufgehoben werden. Folgerichtig hätte auch die Auszahlung des Steuerguthabens noch nicht erfolgen dürfen. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass dieses Guthaben nach korrekter Bescheiderlassung vom Vertreter ohnehin wieder rückgefordert werden kann. Ein allfälliger Honoraranspruch des Vertreters wäre auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen.

Hinsichtlich der Frage, ob ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde vorliegt, ist ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl.VwGH 18.10.2005, 2005/03/0163). Ein Verschulden iSd § 284 Abs. 4 BAO kann im vorliegenden Fall nach Ansicht des erkennenden Richters allenfalls darin erblickt werden, dass trotz aufrechter Vollmacht, nicht bereits vor Bescheiderlassung eine Ablehnung des steuerlichen Vertreters gem. § 84 Abs. 1 BAO erfolgte. Das Ignorieren dieser Vollmacht seitens der Abgabenbehörde kann aber - im Hinblick auf eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle bei diesem Vertreter in ganz Österreich - nicht als überwiegendes Verschulden bzgl. der Verspätung angesehen werden.

Vom BFG wird festgestellt, dass es sich beim Einkommensteuerbescheid 2022 vom 23.7.2024 infolge falscher Zustellung um einen sogenannten "Nichtbescheid" handelt. Um einen rechtskonformen Zustand herzustellen ist es daher notwendig, einen wirksamen Erstbescheid für 2022 zu erlassen.

Im Hinblick darauf, dass nach Auffassung des erkennenden Richters der Abgabenbehörde trotz Erstellung eines Nichtbescheides aus den angeführten Gründen kein überwiegendes Verschulden an der Verspätung angelastet werden kann, war die Säumnisbeschwerde gem. § 284 Abs. 4 BAO abzuweisen.

Die Abgabenbehörde wird abschließend darauf hingewiesen, dass die gegenständliche Ablehnung des Vertreters für die Bescheiderlassung nach Maßgabe des § 84 Abs. 2 BAO keine Wirkung für bei der Abgabenbehörde anhängige oder zukünftige Arbeitnehmer-Veranlagungen entfaltet (vgl. Ritz, BAO7, § 84 BAO, Tz 10a).

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen beschränkten sich einerseits auf Rechtsfragen, welche bereits in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet wurden. Im Übrigen hing der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab. Eine Revision war daher nicht zuzulassen.

Linz, am 12. März 2025