JudikaturBFG

RV/5100306/2024 – BFG Entscheidung

Entscheidung
Steuerrecht
24. April 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***R1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 7. Dezember 2023 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 16. November 2023 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am 17.04.2023 wurde vom Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf) die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2022 beim zuständigen Finanzamt eingebracht. Darin wurde unter anderem die Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen in der Höhe von (in der Folge kurz: iHv) 13.735,99 Euro für sich bzw die Ehegattin des Bf beantragt.

Mit Ergänzungsansuchen vom 03.10.2023 wurde der Bf seitens der belangten Behörde ersucht, eine Kostenaufstellung der beantragten außergewöhnlichen Belastungen zu übermitteln. Weiters sei um Übermittlung allfälliger Verordnungen und Behandlungspläne ersucht worden.

Im Antwortschreiben vom 02.11.2023 wurde dieser Aufforderung vom Bf gefolgt und die entsprechenden Unterlagen übermittelt.

Mit Einkommensteuerbescheid 2022 vom 16.11.2023 wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2022 abweichend von der eingereichten Arbeitnehmerveranlagung festgesetzt. Als außergewöhnliche Belastung (mit Selbstbehalt) wurde ein Betrag iHv 3.735,99 Euro berücksichtigt. Die Rechnung vom 16.12.2022 der Privatklinik Diakonissen Linz iHv 10.000,00 Euro wurde nicht anerkannt.

Begründend wurde ausgeführt, dass nach ständiger Judikatur des VwGH Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen für die eigene medizinische Betreuung erwachsen, auch dann zwangsläufig iSd § 34 Abs 3 EStG 1988 sein können, wenn sie die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen, sofern diese höheren Aufwendungen aus triftigen medizinischen Gründen getätigt werden. Die triftigen medizinischen Gründe müssen in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden.

Die Gründe haben anhand der nachgereichten Unterlagen nicht erkannt werden können. Die Wahlarzt- bzw. Privatkrankenhausaufwendungen (Re. Klinik Diakonissen vom 16.12.2022 iHv 10.000,00 Euro) haben daher nicht anerkannt werden können.

Mit Eingabe vom 05.12.2023 wurde Bescheidbeschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2022 vom 16.11.2023 eingebracht. Begründend wurde ausgeführt, dass die Entscheidung, die in Rede stehende Operation in der Privatklinik Diakonissen durchführen zu lassen, durchaus medizinischer Natur gewesen sei. Die Wartezeit für ein Hüft-Implantat hätte etwa in der Kepler Universitäts Klinik Linz ca. 60 Wochen betragen, in der Klinik Diakonissen jedoch nur 5 Wochen. Es wäre für den Bf unvorstellbar gewesen, seine Frau, welche starke Schmerzen auf Grund einer weit fortgeschrittenen Coxarthrose hatte, dem Mathyrium einer solch langen Wartezeit auszusetzen.

In einem weiteren Ergänzungsersuchen vom 01.02.2024 wurde der Bf aufgefordert, nachzuweisen, welche triftigen medizinischen Gründe vorlägen, die die Operation in einem Privatspital notwendig gemacht hätten, warum die Operation nicht in einem öffentlichen Krankenhaus durchgeführt hätte werden können, welchen gesundheitlichen Nachteil seine Gattin dadurch erlitten hätte und ob vom Bf versucht wurde, in einem öffentlichen Krankenhaus einen Behandlungstermin zu erhalten.

Mit Schreiben vom 07.03.2024 beantwortete der Bf diese Fragen und brachte weitere Bestätigungen vor.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 02.04.2024 wurde die gegenständliche Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Es wurde an der Begründung zum Einkommensteuerbescheid vom 16.11.2023 festgehalten und weiters ausgeführt, dass eine kürzere Wartezeit für sich alleine noch keinen triftigen medizinischen Grund für eine Behandlung in einem Privatspital darstellen würde und auf die BFG-Entscheidung zu RV/7103988/2017 verwiesen. Aus der Bestätigung des Arztes würde lediglich hervorgehen, dass mit einem früheren OP-Termin im Privatspital versucht wurde, die Schmerzsituation der Patientin zu verbessern. Welcher medizinische Nachteil sich ergeben hätte, hätte die Gattin des Bf auf den Termin im öffentlichen Spital zugewartet, wurde nicht nachgewiesen.

Mit Eingabe vom 29.04.2024 wurde beantragt, gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen (Vorlageantrag). Darin wurde vom Bf ergänzend vorgebracht, er habe versucht, per Mail eine weitere Bestätigung des Arztes der Privatklinik Diakonissen zu bekommen, dieser Bitte sei jedoch nicht nachgekommen worden.

Mit Vorlagebericht vom 14.05.2024 wurde gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Strittig sei laut Finanzamt im Anlassfall nicht die Tatsache, dass die Operation medizinisch notwendig gewesen sei, sondern, ob die mit höheren Kosten verbundenen Aufwendungen für die Privatklinik auch notwendig und zwangläufig im Sinne des § 34 EStG 1988 gewesen seien - also, ob triftige medizinische Gründe für das Vorverlegen eines Operationstermins vorgelegen seien.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf machte in seiner Arbeitnehmerveranlagung vom 17.04.2023 diverse außergewöhnliche Belastungen für sich, aber vorwiegend für seine Ehegattin geltend. Diese Aufwendungen für Arztbesuche, Medikamente sowie Krankenhausaufenthalte sind durch Unterlagen dokumentiert. Der Bf machte weiters den Alleinverdienerabsetzbetrag geltend, da seine Ehegattin im Beschwerdejahr ein Einkommen von weniger als 6.000 Euro (sie bekommt keine Pension) hatte.

Der strittige Teil der Aufwendungen betrifft eine Rechnung der Privatklinik Diakonissen Linz vom 16.12.2022 iHv 10.000,00 Euro. In dieser Klinik wurde die Ehegattin des Bf am 06.12.2022 operiert und bekam linksseitig ein neues Hüftgelenk.

Die Ehegattin des Bf hatte hauptsächlich im Sommer 2022 beginnend über starke Schmerzen geklagt und den Hausarzt konsultiert. Dieser hatte der Ehegattin des Bf zur Abklärung der Ursache die Anfertigung von Röntgenbildern verordnet. Das Ergebnis war, dass das Hüftgelenk bereits stark degeneriert und eine Hüftoperation vorzunehmen war.

Aufgrund der starken Schmerzen und extremen Beschwerden war eine rasche Operation notwendig. Aus medizinischer Sicht war ein Zuwarten nicht zumutbar (Ärztlicher Bericht vom 21.02.2024: "Die Hüfte radiologisch und klinisch hochgradig coxarthrotisch mit zystischen Veränderungen im Acetabulum und ausgeprägter Schmerzsituation, daher wurde versucht, hierorts einen früheren Termin zu finden, um die Schmerzsituation der Patientin vorzeitig zu verbessern."). Die starken Schmerzen einer weit fortgeschrittenen Coxarthrose waren sogar mit hochdosierten Schmerzmitteln nicht mehr zu lindern. Die Ehegattin des Bf hatte weiters auch diverse Nebenwirkungen durch diese hochdosierten Schmerzmittel. Die dringend zeitnahe Operation war aus gesundheitlichen Aspekten (extreme Beschwerden, Bewegungseinschränkungen und Hilfe bei Körperpflege und Anziehen) unbedingt notwendig.

Nachdem in zeitlicher Nähe zu den Beschwerden seiner Ehegattin kein Operationstermin in einem ortsnahen, öffentlichen Krankenhaus zu erwarten war (in der Kepler Universität Klinik Linz betrug die Wartezeit ca 60 Wochen), entschlossen sich der Bf und seine Ehegattin, den Eingriff von einem Arzt in einer Privatklinik (Privatklinik Diakonissen Linz) vornehmen zu lassen. Eine Zusatzkrankenversicherung für die Ehegattin des Bf bestand im Beschwerdejahr nicht, somit musste die angefallenen Kosten der Bf für seine Ehegattin selbst übernehmen.

Dass der Eingriff medizinisch notwendig war, stellte auch die belangte Behörde nicht in Abrede.

2. Beweiswürdigung

Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen gehen klar aus den vorliegenden Arztbriefen vom 14.12.2022 (Beilage zur Bescheidbeschwerde) und 21.02.2024 (Beilage zum Vorlageantrag) hervor.

Aus medizinischer Sicht war eine unmittelbare und zeitnahe Operation jedenfalls notwendig (siehe Ärztlicher Bericht vom 21.02.2024 als Beilage zum Vorlageantrag vom 29.04.2024).

Im Rahmen der Beweiswürdigung ist den Darstellungen des Bf jedenfalls Glauben zu schenken, wenn er darstellt, dass er in öffentlichen Krankenhäusern längere Wartezeiten für die Operation seiner Ehegattin gehabt hätte, als in der gewählten Privatklinik. Gerade durch die zeitliche Nähe zur Covid 19 Pandemie ist es jedenfalls glaubwürdig, dass die öffentlichen Krankenhäuser viele Operationen, welche in den Jahren 2020 und 2021 auf Grund der Pandemie verschoben wurden, nachzuholen hätten und somit weitere, neue Operationstermine erst in ferner Zukunft vergeben würden.

Der Bf und seine Ehegattin hatten nach telefonischer Vorsprache (am 13.10.2022 lt. Vorhaltsbeantwortung vom 07.07.2024) in der KUK Linz einen Arzttermin zur Besprechung der Röntgenbilder erst in der zweiten Dezemberwoche des Beschwerdejahres erhalten. Im Privatklinikum Diakonissen wurde mit Ihnen bereits neun Tage nach telefonischer Vorsprache ein Termin vereinbart. Sogar im Privatklinikum wurde auf Grund der Dringlichkeit der Operation versucht, von einem möglichen OP-Termin im April 2023 auf einen früheren OP-Termin am 06.12.2022 zu verlegen (siehe Darstellung des Bf in seiner Vorhaltsbeantwortung vom 07.03.2024).

Hier ist den Darstellungen des Bf Glaube zu schenken, dass er den Schritt zur privaten medizinischen Versorgung für seine Ehegattin getätigt hat, um schnellstmöglich ihre Schmerzen zu lindern, wieder selbstständig bewegungsfähig zu werden und um auch den Nebenwirkungen der Schmerzmittel entgegenzuwirken. Dass der von der belangten Behörde geforderte gesundheitliche Nachteil nicht nur in den starken Schmerzen allein bestand, sondern darüber hinaus in den Nebenwirkungen der hochdosierten Schmerzmittel, in möglichen Schonhaltungen und daraus folgenden Fehlstellungen etc, entspricht dem allgemeinem Erfahrungsgut und ist für das Gericht glaubhaft. Ein weiteres Indiz, dass die Vorverlegung der Operation zwangsläufig erwachsen ist, war, dass die Ehegattin des Bf durch ihren um knapp drei Jahre älteren Mann zu pflegen war (die Ehegattin des Bf bezog keine Pension und erhielt auch kein Pflegegeld), was in dem fortgeschrittenen Alter ebenso eine enorme körperliche sowie auch physische Belastung für beide darstellte.

Tatsache ist, dass die Ehegattin des Bf bereits - noch vor dem im öffentlichen Krankenhaus möglichen Arzttermin zur Besprechung der Röntgenbilder - einen Operationstermin im Privatklinikum Diakonissen bekommen hat. Ein weiteres wesentliches Kriterium war auch, dass auch die anschließende REHA, welche absolut notwendig war bei einem derartigen operativen Eingriff, unmittelbar an die Operation begonnen werden konnte (siehe Absage einer Terminvereinbarung vom 02.01.2023 als Beilage zur Vorhaltsbeantwortung vom 07.07.2024).

Der Bf hat den Schritt zur privaten medizinischen Versorgung getätigt, um schnellstmöglich die Schmerzen seiner Ehegattin zu lindern und keine weitere Verschlechterung der allgemeinen körperlichen Verfassung zu riskieren.

Der vom Bf gewählte Weg einer vorgezogenen Operation in einer Privatklinik war medizinisch indiziert und ist zwangsläufig erwachsen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Im gegenständlichen Verfahren ist strittig, ob die Operation der Ehegattin des Bf in der gewählten Privatklinik auch zwangsläufig erwachsen ist, oder ob diese nicht auch (zu einem späteren Termin) in einem öffentlichen Krankenhaus vorgenommen hätte werden können.

Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs 2 leg cit) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18 leg cit) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss vor allem folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs 2)

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs 3)

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentliche beeinträchtigen (Abs 4)

{
  "type": "ul",
  "children": [
    {
      "type": "li",
      "children": [
        {
          "type": "em",
          "children": [
            "Gemäß Abs 3 leg cit erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann."
          ]
        }
      ],
      "attributes": {
        "style": ";text-indent:0;"
      }
    }
  ],
  "attributes": {
    "class": "ListeAufzhlung",
    "style": "margin-left:43pt !important;"
  }
}

Zu den beantragten Krankheitskosten für die Ehegattin des Bf ist weiters festzuhalten, dass gemäß § 34 Abs 7 Z 4 EStG 1988 Unterhaltsleistungen infolge Übernahme von Krankheitskosten für die Ehegattin als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sein können (vgl VwGH 28.05.1998, 94/15/0028). Für das Tragen von Krankheitskosten für unterhaltsberechtigte Personen ergibt sich aus der Unterhaltspflicht eine rechtliche Verpflichtung iSd § 34 Abs 3 EStG 1988 (vgl VwGH 31.03.2017, Ra 2016/13/0053). Grundsätzlich sind Krankheitskosten vom erkrankten (Ehe)Partner selbst zu tragen. Ist dieser auf Grund eigener Einkünfte selbst in der Lage, die Kosten zu tragen, kann der Unterhaltsverpflichtete sie nicht geltend machen (vgl VwGH 28.04.1987, 85/14/0049).

Nachdem, wie oben festgestellt, die Ehegattin des Bf selbst keine Pensionseinkünfte im Beschwerdejahr erzielte und sie somit nicht fähig war, die Krankheitskosten selbst zu tragen, stellten die vom Bf bezahlten Krankheitskosten seiner Ehegattin somit grundsätzlich beim Bf außergewöhnliche Belastungen dar.

Im Beschwerdefall wird eine infolge eines operativen Eingriffs mit dem Aufenthalt in einer Privatklinik einhergehende Belastung, somit eine aus tatsächlichen Gründen eingetretene Belastung, geltend gemacht.

Die belangte Behörde bestreitet im Ergebnis die Zwangsläufigkeit der in Rede stehenden Aufwendungen.

Solche tatsächlichen Gründe, die die Zwangsläufigkeit der Belastung zu begründen vermögen, können insbesondere in der Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit des Steuerpflichtigen gelegen sein (vgl VwGH 1.9.2015, 2012/15/0117; VwGH 4.9.2014, 2012/15/0136; VwGH 26.5.2010, 2007/13/0051).

Wie auch der VwGH in seinem Erkenntnis vom 11.2.2016, 2003/13/0064 ausgeführt hat, ist die Zwangsläufigkeit des Aufwands stets nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen (vgl VwGH 21.11.2013, 2010/15/0130). Bloße Wünsche, Befürchtungen oder Standesrücksichten der Betroffenen reichen nicht, um die Zwangsläufigkeit zu rechtfertigen. Zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Krankheitskosten zählen nur Aufwendungen für solche Maßnahmen, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (vgl VwGH 4.9.2014, 2012/15/0136; VwGH 22.12.2004, 2001/15/0116). Auch Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, können dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind (vgl Fuchs/Unger in Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer-Kommentar, § 34 EStG 1988 Anhang II - ABC Tz 35, mit Judikaturhinweisen). Die Beweislast dafür trägt der Steuerpflichtige, der selbst alle Umstände darzulegen hat, auf welche die Berücksichtigung bestimmter Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung gestützt werden kann (vgl VwGH 20.09.2023, Ro 2021/13/0025, VwGH 13.3.2023, Ra 2020/13/0057).

Die triftigen medizinischen Gründe müssen in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden (vgl VwGH 13.5.1986, 85/14/0181; BFG 26.2.2018, RV/5100307/2018).

Unter Krankheit ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu verstehen, die eine Heilbehandlung bzw Heilbetreuung erfordert. Liegt eine Krankheit vor, so sind jene Kosten abzugsfähig, die der Heilung, Besserung oder dem Erträglich machen einer Krankheit dienen. Nicht absetzbar sind Aufwendungen für die Vorbeugung von Krankheiten und die Erhaltung der Gesundheit, für Verhütungsmittel, eine künstliche Befruchtung, eine Frischzellenkur oder eine Schönheitsoperation, weil in diesen Fällen keine oder keine unmittelbare Verbindung zwischen den Aufwendungen und einer Krankheit besteht.

Absetzbar sind v.a. Arzt- und Krankenhaushonorare, Aufwendungen für Medikamente einschließlich medizinisch verordneter homöopathische Präparate und Aufwendungen für Heilbehelfe (vgl Doralt, EStG 11, § 34 Tz 78).

Im Beschwerdefall werden die triftigen medizinischen Gründe aufgrund folgender Tatsachen als gegeben angesehen:

Das Vorliegen der Zwangsläufigkeit wäre jedenfalls zu verneinen, wenn die Aufwendungen lediglich auf bloße Wünsche und Vorstellungen des Bf über eine bestimmte medizinische Behandlung zurückzuführen gewesen wären.

Dies war aber keineswegs der Fall. Es bestand bloß der Wunsch, aufgrund der medizinischen Notwendigkeit, so rasch wie möglich eine Operation durchführen zu lassen, um ein weitgehend erträgliches - schmerzfreies - Leben wieder führen zu können. Dadurch wollte man in weiterer Folge auch die Nebenwirkungen der hochdosierten Schmerzmittel sowie mögliche Schonhaltungen und daraus entstehende Fehlstellungen begrenzen.

Wenn das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung vom 02.04.2024 anführt, dass eine kürzere Wartezeit für sich alleine noch keinen triftigen Grund für die Behandlung in einem Privatspital darstellt, so wird dem hier auch nicht widersprochen. Die kürzere Wartezeit alleine ist nicht ausschlaggebend.

Ausschlaggebend ist das körperliche Befinden (die vorhandenen Schmerzen der Ehegattin des Bf, die Nebenwirkungen der Schmerzmittel, die Hilfe bei der körperlichen Pflege), welches eine zeitnahe Operation jedenfalls zwangsläufig erfordert hat. Der behandelnde Arzt stellte in seinem Bericht vom 21.02.2024 unmissverständlich klar, dass die Hüfte "radiologisch und klinisch hochgradig coxarthrothisch mit zystischen Veränderungen im Acetabulum und ausgeprägter Schmerzsituation" war. Dadurch hatte man sogar im Privatklinikum versucht, einen erst im April 2023 avisierten OP-Termin vorzuverlegen, um der Ehegattin des Bf die akuten Schmerzen zu nehmen.

Ein Zuwarten hätte sich somit jedenfalls nachträglich auf den Gesundheitszustand der Ehegattin des Bf ausgewirkt, da die Schmerzen in der Hüfte glaubhaft zu einer wesentlichen gesundheitlichen Beeinträchtigung geführt hätten.

Wie also bereits ausgeführt wurde, sind die mit dem stationären Aufenthalt der Ehegattin des Bf in der Privatklinik verbundenen Aufwendungen als zwangsläufig zu qualifizieren, weil der stationäre Aufenthalt nicht auf bloße Wünsche und Vorstellungen des Bf/Ehegattin des Bf über eine bestimmte medizinische Behandlung, sondern auf den Umstand, dass ein Zuwarten auf einen öffentlichen Platz aus medizinischer Sicht nicht tragbar war, zurückzuführen ist.

Die nunmehr verursachten Kosten sind vor diesem Hintergrund aufgrund der hierfür gegebenen medizinischen Notwendigkeit dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.

Die Belastung beeinträchtigt nach § 34 Abs 3 EStG 1988 wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, "soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs 2 iVm Abs 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt."

Die im gegenständlichen Fall anzuerkennenden Belastungen sind weiters um eine allfällige Haushaltserparnis zu kürzen (10 Tage*5,23 Euro) und den nach der Maßgabe des § 34 Abs 4 EStG 1988 berechneten Selbstbehalt zu vermindern.

Hinsichtlich der festgesetzten Einkommensteuer wird auf das als Beilage angeschlossene Berechnungsblatt verwiesen.

Aus diesem Grund war der Beschwerde somit Folge zu geben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision erklärt das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, weil die Berücksichtigung von Mehrkosten für eine Krankenbehandlung als außergewöhnliche Belastung bei Vorliegen triftiger Gründe in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Deckung findet. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt in Zusammenhang mit der Beweiswürdigung lediglich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen hat.

Graz, am 24. April 2025