Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Maga. Ulrike Nussbaumer LL.M. M.B.L. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH, Renngasse/Freyung 1, 1013 Wien, über die Beschwerden gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom 5.11.2024 und 26.5.2025 betreffend Umsatzsteuer 2022 und 2023 zu Recht erkannt (Steuernummer ***BF1StNr1***):
I. Die Beschwerdevorentscheidungen des Finanzamtes Österreich vom 17.7.2025, mit welchen über die Beschwerden gegen die Bescheide des Finanzamtes für Großbetriebe vom 5.11.2024 (USt 2022) und 26.5.2025 (USt 2023) abgesprochen wurde, werden wegen Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz ( B-VG) nicht zulässig.
Zwischen den Parteien ist vorerst die Frage strittig, ob das Finanzamt Österreich (in der Folge kurz: FAÖ) zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidungen im Zusammenhang mit vom Finanzamt für Großbetriebe (in der Folge kurz: FAG) erlassenen Bescheiden zuständig ist.
Das FAG erließ am 21.8.2024 einen Bescheid über die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 2022 vom 8.9.2023 und verband diese mit dem ebenfalls vom selben Tag datierenden Sachbescheid. Dagegen erhob die steuerlich vertretene Bf. am 20.9.2024 das Rechtsmittel der Beschwerde. Am 5.11.2024 hob das FAG den Umsatzsteuerbescheid 2022 vom 21.8.2024 erneut nach § 299 BAO auf und erließ einen neuen Jahresbescheid. Weiters hob das FAG am 26.5.2025 den Umsatzsteuerbescheid des Jahres 2023 gemäß § 299 BAO auf und verband diese Aufhebung mit der Erlassung eines neuen Sachbescheides für dieses Veranlagungsjahr. Dagegen wurde von der Bf. am 16.6.2025 Beschwerde, eingebracht beim FAG, erhoben.
Mit Schreiben vom 11.7.2025 teilte das FAG der Bf. mit, dass die Steuernummer auf das FAÖ übergegangen sei.
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 17.7.2025 wies das FAÖ die Beschwerden sowohl gegen den Umsatzsteuerbescheid 2022 vom 5.11.2024, als auch jene das Jahr 2023 betreffend vom 26.5.2025, als unbegründet ab.
Die Bf. richtete daraufhin am 13.8.2025 einen Vorlageantrag an das FAÖ, dies verbunden mit dem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat. Inhaltlich monierte die Bf. insbesondere, dass rücksichtlich der Bestimmung des § 59 BAO die Beschwerdevorentscheidungen von der unzuständigen Behörde, nämlich dem FAÖ anstatt dem FAG, erlassen worden seien.
Am 17.10.2025 langte beim BFG eine Vorlageerinnerung der Bf. datierend mit 15.10.2025 ein.
Das Verwaltungsgericht forderte sowohl das FAÖ als auch das FAG am 21.10.2025 auf, die bezughabenden Akten vorzulegen und umfassend zum Vorbringen der Bf. Stellung zu nehmen. Daraufhin teilte das FAG am 22.10.2025 mit, dass es den Einwand, wonach die Beschwerdevorentscheidungen vom 17.7.2025 von der unzuständigen Behörde erlassen worden seien, teile. Das FAÖ gab am selben Tag bekannt, sich der Stellungnahme des FAG vollinhaltlich anzuschließen.
Die Bf. zog mit Schriftsatz vom 28.10.2025, beim BFG eingelangt am 3.11.2025, ihre Anträge auf Entscheidung durch den Senat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.
Die Bf. ist eine Personengesellschaft mit dem Sitz in ***Bf1-Adr***; sie ist im Tunnelbau tätig.
Mit Bescheid vom 21.8.2024 wurde der Umsatzsteuerbescheid 2022 vom 8.9.2023 aufgehoben und ein neuer Sachbescheid erlassen. Dagegen erhob die steuerlich vertretene Bf. am 20.9.2024 das Rechtsmittel der Beschwerde. Am 5.11.2024 wurde der Umsatzsteuerbescheid 2022 vom 21.8.2024 nach § 299 BAO aufgehoben und ein neuer Jahresbescheid erlassen. Datierend mit 26.5.2025 wurde sodann der Umsatzsteuerbescheid des Jahres 2023 gemäß § 299 BAO aufgehoben und eine neue Sachentscheidung für dieses Jahr erlassen. Auch dagegen wurde von der Bf. am 16.6.2025 Beschwerde, eingebracht. Alle genannten Bescheide wurden vom FAG als damals für die Bf. zuständige Behörde erlassen; die Beschwerden wurden allesamt beim FAG eingebracht.
Mit Schreiben vom 11.7.2025 wurde die Bf. darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Steuernummer auf das FAÖ übergegangen sei.
Mit Beschwerdevorentscheidungen je vom 17.7.2025 wies nunmehr das FAÖ die Beschwerden gegen die Umsatzsteuerbescheide 2022 und 2023 als unbegründet ab.
Die Bf. richtete daraufhin am 13.8.2025 einen Vorlageantrag an das FAÖ, dies verbunden mit dem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat. Dieser langte am selben Tag bei der genannten Behörde ein. Inhaltlich monierte die Bf. - soweit für die vorerst maßgebliche Rechtsfrage von Relevanz -, dass rücksichtlich der Bestimmung des § 59 BAO die Beschwerdevorentscheidungen von der unzuständigen Behörde, nämlich dem FAÖ anstatt dem FAG, erlassen worden seien.
Am 17.10.2025 langte beim BFG eine Vorlageerinnerung der Bf. datierend mit 15.10.2025 ein. Sowohl das FAG als auch das FAÖ teilten in der Folge die Rechtsansicht der Bf., wonach die Beschwerdevorentscheidungen vom 17.7.2025 nicht vom FAÖ, sondern vom FAG hätten erlassen werden müssen.
Der oben dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes und der Einsichtnahme in den elektronischen Veranlagungsakt der Bf.. Im Übrigen ist er - auch was die Frage der Zuständigkeiten zwischen dem FAG und dem FAÖ anlangt - unstrittig (vgl. dazu insbesondere die Schreiben des FAG und des FAÖ vom 22.10.2025).
a. Zur Vorlageerinnerung vom 15.10.2025:
§ 264 Abs 6 BAO sieht ua vor, dass dann, wenn die Vorlage der Bescheidbeschwerde an das Verwaltungsgericht nicht innerhalb von zwei Monaten ab Einbringung des Vorlageantrages erfolgt, die Partei (§ 78) beim Verwaltungsgericht eine Vorlageerinnerung einbringen kann. Diese wirkt wie eine Vorlage der Beschwerde. Sie hat die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung und des Vorlageantrages zu enthalten.
Unstrittig wurden Bescheidbeschwerden gegen die Umsatzsteuerbescheide 2022 und 2023 eingebracht; unstrittig ist weiters, dass - nach Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen - am 13.8.2025 ein Vorlageantrag der Bf. beim FAÖ einlangte. Am Tag des Einlangens der Vorlageerinnerung beim Verwaltungsgericht am 17.10.2025 war somit die zweimonatige Frist zur Vorlage der Beschwerden bereits abgelaufen. Die Vorlageerinnerung der Bf. erweist sich sohin als berechtigt. Als Zwischenergebnis ist an dieser Stelle festzuhalten, dass das BFG seit 17.10.2025 zur Entscheidung über die Bescheidbeschwerden zuständig ist.
b. Zu den Beschwerdevorentscheidungen:
Nach § 262 Abs 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, - abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen - mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen. Fraglich ist, wie der Übergang der Zuständigkeit vom FAG an das FAÖ - wie aus der Mitteilung vom 11.7.2025 entnommen werden kann - auf die anhängigen Beschwerdeverfahren wirkt. Maßgeblich zur Beantwortung dieser Rechtsfrage ist die Bestimmung des § 59 BAO, der anordnet, dass die Übertragung oder der Übergang der Zuständigkeit von einem Finanzamt auf ein anderes nicht die Zuständigkeit des bisher zuständig gewesenen Finanzamtes im Beschwerdeverfahren betreffend der von diesem erlassenen Bescheide betrifft. Daraus folgt sohin, dass zwar die Zuständigkeit vom FAG auf das FAÖ übergegangen sein mag, das FAG bleibt aber weiterhin für jene Beschwerdeverfahren zuständig, die bis zum Übergang dieser Zuständigkeit bei ihr anhängig gemacht wurden. Wie aus dem elektronischen Akt unzweifelhaft hervorgeht, waren die Beschwerden ab dem 5.11.2024 bzw. 26.5.2025 beim FAG anhängig; die Änderung der Zuständigkeit erfolgte jedoch erst zeitlich später, sodass nicht das FAÖ, sondern richtigerweise das FAG zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidungen zuständig gewesen wäre.
Nur der Ordnung halber wird an dieser Stelle noch angemerkt, dass aufgrund der nach außen in Erscheinung tretenden Umstände (ausdrückliche Nennung des FAÖ im Briefkopf, deren Telefonnummer für das Kundenservice, deren Bankverbindung) es auch offensichtlich ist, welches Finanzamt die Beschwerdevorentscheidungen erlassen hat und kann hier etwa nicht mit einem einfachen Schreibfehler iSd § 293 BAO argumentiert werden. Ebenso wie § 293 BAO es nicht ermöglicht, den Bescheidadressaten auszutauschen (vgl. dazu Ritz, BAO6, § 293 Tz 3, und die dort angeführte Judikatur), kann nach § 293 BAO auch die bescheiderlassende Behörde nicht "berichtigt" (iSv ausgetauscht) werden.
Da somit das FAÖ für die Erlassung der Beschwerdevorentscheidungen nicht zuständig war, erweisen sich diese in ihrer Gesamtheit als rechtswidrig, weshalb sie aufzuheben waren.
Nach § 264 Abs 7 BAO scheidet der Vorlageantrag der Bf. somit durch die Aufhebung der Beschwerdevorentscheidungen aus dem Rechtsbestand aus. Die Aufhebung der von einer unzuständigen Behörde erlassenen Beschwerdevorentscheidung steht aber einer Fortsetzung des Verfahrens durch die erstmalige Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die zuständige Behörde nicht entgegen. Es wird somit nun das FAG die Beschwerdevorentscheidungen zu erlassen haben.
Abschließend ist noch anzumerken, dass gegenständlich kein Anwendungsfall des § 281a BAO vorliegt, da sich diese Bestimmung auf Fälle bezieht, in welchen eine Beschwerdevorentscheidung zu Unrecht nicht oder nicht wirksam erlassen wurde oder ein Vorlageantrag nicht oder nicht wirksam eingebracht wurde. Nicht anwendbar ist diese Bestimmung daher jedenfalls auf Fälle, in welchen eine Beschwerdevorentscheidung von einer unzuständigen Behörde rechtswirksam erlassen wurde, weshalb wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden war (vgl. auch BFG 8.8.2025, RV/3100095/2019 mwN).
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche liegt nicht vor, da sich das Gericht an die klare Rechtslage, insbesondere den unzweideutigen Wortlaut des § 59 BAO gehalten hat.
Klagenfurt am Wörthersee, am 3. November 2025
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