JudikaturBFG

RV/7102384/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
26. August 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 15. Juli 2025 gegen den Grundsteuermessbescheid des ***FA*** vom 12. Juni 2025, ***1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am 12. Juni 2025 erließ das Finanzamt unter ***1*** für den Grundbesitz ***2*** zum 01.01.2020 gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 und Abs. 4 BewG 1955 einen Art- und Zurechnungsfortschreibungsbescheid sowie gemäß § 21 GrStG 1955 den hier angefochtenen Grundsteuermessbescheid (Fortschreibungsveranlagung). Am 15.07.2025 brachte die Beschwerdeführerin (Bf) via FinanzOnline gegen den Grundsteuermessbescheid mit der Begründung Beschwerde ein, eine rückwirkende Datierung von 5 Jahren verstoße klar gegen das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, weshalb das Finanzamt die Beschwerde mit Hinweis auf § 262 Abs. 3 BAO ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung an das BFG zur Entscheidung vorlegte.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Am 12. Juni 2025 erließ das Finanzamt unter ***1*** zum 01.01.2020 gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 und Abs. 4 BewG 1955 einen Art- und Zurechnungsfortschreibungsbescheid für den Grundbesitz ***2***, mit der Lageadresse ***3***. Das Grundstück wurde als Mietwohngrundstück bewertet, der (erhöhte) Einheitswert wurde mit 65.000 Euro festgestellt, die Zurechnung erfolgte anteilig an die Beschwerdeführerin (Bf), ***4***, sowie an ***5*** und ***6***. Die Fortschreibung war erforderlich, weil eine Änderung in der Nutzung des Bewertungsgegenstandes eingetreten ist und weil ein Gebäudeumbau vorgenommen worden ist.

Ebenfalls am 12. Juni 2025 erließ das Finanzamt den nunmehr bekämpften Grundsteuermessbescheid zum 01.01.2020, Fortschreibungsveranlagung gemäß § 21 GrStG 1955. Mit dem Grundsteuermessbescheid wurde der Grundsteuermessbetrag für den im Feststellungsbescheid (Einheitswert) des Finanzamtes Österreich vom 12. Juni 2025 zu ***1*** angeführten Grundbesitz und für die genannten Personen festgesetzt. Ausgehend vom Einheitswert in Höhe von 65.000 Euro wurde ein Steuermessbetrag in Höhe von 124,52 Euro errechnet und festgesetzt.

Der Grundsteuermessbescheid war auf Grund der Feststellung des Einheitswertes zu erlassen.

Am 15.07.2025 brachte die Bf. über FinanzOnline gegen den Grundsteuermessbescheid Beschwerde ein, mit der ausschließlichen Begründung, "eine rückwirkende Datierung von 5 Jahren" verstoße klar gegen das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit.

Das Finanzamt legte die Beschwerde mit dem Hinweis auf § 262 Abs. 3 BAO ohne vorherige Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung am 31.07.2025 an das BFG zur Entscheidung vor.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die auf elektronischem Wege übermittelten Aktenteile des Finanzamtes. Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind grundsätzlich unstrittig bzw. ergeben sich diese aus den aktenkundigen Unterlagen und können somit gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Vorab ist festzustellen, dass ausschließlich die Rechtmäßigkeit des Grundsteuermessbescheid bzw. dessen "rückwirkende" Erlassung Gegenstand vorliegenden Verfahrens ist. Dennoch ist auch auf den Einheitswertbescheid als Grundlagenbescheid für den Grundsteuermessbescheid einzugehen.

1. Zum Einheitswertbescheid und Grundsteuermessbescheid

Streitgegenständlich ist die Bescheiderlassung des Grundsteuermessbescheides am 12.06.2025 für den zurückliegenden Stichtag 01.01.2020.

Gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 BewG wird der Einheitswert neu festgestellt, wenn die Art des Bewertungsgegenstandes von der zuletzt im Einheitswertbescheid festgestellten Art abweicht (Artfortschreibung), (vgl. zB VwGH 5.10.1987, 87/15/0016). Im Zuge einer Artfortschreibung darf unabhängig von der neuen Art auch ein neuer Wert festgestellt werden (vgl. Ritz, Die Wert-, Art- und Zurechnungsfortschreibung 1983). Eine Artfortschreibung wird in der Regel auch die Änderung des Wertes bewirken. Bei Änderungen in der steuerlichen Zurechnung ist gemäß § 21 Abs. 4 BewG eine Zurechnungsfortschreibung durchzuführen. Eine Zurechnungsfortschreibung kann erforderlichenfalls mit einer Wert- oder Artfortschreibung verbunden werden (Twaroch/Wittmann/Frühwald, BewG, § 21 Rz 57 in Ritz/Koran, BAO8 § 193 BAO Rz 13f).

Allen Fortschreibungen einschließlich der Fortschreibungen auf Grund einer Änderung der steuerlichen Zurechnung des Bewertungsgegenstandes (Zurechnungsfortschreibung) sind die Verhältnisse bei Beginn des Kalenderjahres zugrunde zu legen, das auf die Änderung folgt (Fortschreibungszeitpunkt). Dementsprechend erging in vorliegendem Fall eine Art- und Zurechnungsfortschreibung zum 01.01.2020 (Fertigstellung Umbau 2019).

Einheitswertbescheide sind Grundlagenbescheide zB für Grundsteuermessbescheide (VwGH 21.6.1977, 2183, 2184/75; BFG 3.11.2022, RV/7101548/2021); [Ritz/Koran, BAO8 § 186 Rz 16].

Gemäß § 21 Abs. 1 Grundsteuergesetz (GrStG) ist im Falle einer Fortschreibung des Feststellungsbescheides über einen Einheitswert der neuen Veranlagung des Steuermessbetrages (Fortschreibungsveranlagung) der Einheitswert zugrunde zu legen, der auf den Fortschreibungszeitpunkt (§ 21 Abs. 4 Bewertungsgesetz 1955) festgestellt worden ist. Entsprechendes gilt für die anderen im Fortschreibungsbescheid getroffenen Feststellungen.

Gemäß § 207 (1) BAO beträgt das Recht eine Abgabe festzusetzen grundsätzlich fünf Jahre.

Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 22.02.2007, 2006/14/0018, ausgeführt:

Nach § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nicht aber die Erlassung von Feststellungsbescheiden der Verjährung. Die BAO beinhaltet kein Verbot, der Festsetzung vorangehende, abgabenrechtliche Schritte zu unternehmen. Grundlagenbescheide (z.B. Mess- und Einheitswertbescheide) können daher ohne Bedachtnahme auf Verjährungsfristen erlassen werden.

Die Frage der Verjährung ist erst im Zusammenhang mit einer Abgabenfestsetzung zu beurteilen (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO4, § 207 E 26 mit Hinweisen auf die hg. Judikatur). Die Erlassung von Einheitswertbescheiden ist durch die Abgabenbemessungsverjährung somit zeitlich nicht begrenzt. Einheitswertbescheide sind nicht deswegen rechtswidrig, wenn und weil sie nach Ablauf der für die abgeleiteten Abgaben geltenden Verjährungsvorschriften ergehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2004, 99/15/0127, 0131, mit Hinweis auf Stoll, BAO, 1967). Daran ändert auch die in § 186 Abs. 1 BAO - aus Zweckmäßigkeitsgründen - getroffene Anordnung nichts, wonach eine Einheitswertfeststellung (nur) zu erfolgen hat, "wenn und soweit diese Feststellung für die Geltendmachung von Abgabenansprüchen von Bedeutung ist" (vgl. Stoll, aaO, 2040 und 2161 ff). [VwGH 22.02.2007, 2006/14/0018]

Feststellungsbescheide können ohne Bedachtnahme auf Verjährungsfristen erlassen werden (vgl allgemein VwGH 27.3.1996, 92/13/0299; 25.9.2001, 95/14/0098; 17.12.2003, 99/13/0131 und 11.11.2008, 2006/13/0187; betreffend Bescheide gem. § 188, VwGH 14.5.1991, 90/14/0149; 22.4.1998, 93/13/0277; 3.9.2008, 2006/13/0167; 25.4.2013, 2010/15/0131, 2011 /15/0143; 10.9.2020, Ro 2019/15/0181; 20.3.2024, Ra 2023/15/0065; BFG 30.6.2024, RV/7103193/2019; betreffend Messbescheide, VwGH 10.6.1991, 90/15/0021 und 22.2.2007, 2006/14/0018; betreffend Einheitswertbescheide, VwGH 22.2.2007, 2006/14/0018; betreffend Gruppenfeststellungsbescheid gem § 24a KStG 1988, BFG 3.10.2023, RV/7103350/2019; aM Breustedt, ÖStZ 1970, 49). Dies gilt auch für Zerlegungsbescheide und für Zuteilungsbescheide [Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 207 Anm. 3 in Ritz/Koran, BAO8 § 207 BAO Rz 8]

2. Zur Rechtsstaatlichkeit

Gemäß Artikel 18 B-VG darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden. Das Legalitätsprinzip bedeutet, dass die gesamte staatliche Vollziehung nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden darf.

Das Finanzamt als Verwaltungsbehörde ist daher an die Gesetze und an die dazu erlassenen Verordnungen gebunden. Der Grundsteuermessbescheid ist ein vom Einheitswert abgeleiteter Bescheid. Die Höhe des Messbetrages ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. (§ 27 GrStG).

Wie aus den oben dargestellten gesetzlichen Grundlagen ersichtlich ist, sowie anhand der zitierten Judikatur und Literatur dargestellt wurde, entspricht die Erlassung des streitgegenständlichen Grundsteuermessbescheides zu einem zurückliegenden Stichtag (hier: 5 Jahre) dem Gesetz und widerspricht somit nicht dem Legalitätsprinzip. Auch eine Verfassungswidrigkeit kann darin nicht erblickt werden.

Es sind auch sonst keine rechtsstaatlichen Versäumnisse der belangten Behörde in Bezug auf den angefochtenen Bescheid zu erkennen.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im Beschwerdefall keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Wien, am 26. August 2025