JudikaturBFG

RV/2100182/2018 – BFG Entscheidung

Entscheidung
26. Mai 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende ***Ri1***, die Richterin***Ri2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***LRi1*** und***LRi2*** in der Beschwerdesache

***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch***stVBf1***, ***stV-Adresse***, über die Beschwerde vom 24. August 2017 gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom 25. Juli 2017 betreffend Haftungsbescheid Lohnsteuer 2013, Haftungsbescheid Lohnsteuer 2014, Haftungsbescheid Lohnsteuer 2015 und Haftungsbescheid Lohnsteuer 2016, zu der Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30. April 2025 in Anwesenheit der Schriftführerin ***SF1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am 25.07.2017 ergingen im Anschluss einer Prüfung lohnabhängiger Abgaben Haftungsbescheide betreffend Lohnsteuer für die Jahres 2013 - 2016. Begründend wurde unter Verweis auf den Bericht und die Niederschrift über die Schlussbesprechung ausgeführt, dass in der Tätigkeit der ArbeitnehmerInnen keine erschwerten Bedingungen, die eine steuerfreie Auszahlung von Zulagen rechtfertigen könnten, vorherrschen.

Betreffend die materiellen Voraussetzungen der Gefahren- und Erschwerniszulagen gem § 68 EStG fand im Zuge der Gemeinsamen Prüfung von Lohnabgaben und Beiträgen (in der Folge kurz "GPLA") eine Betriebsbesichtigung statt. Darüber wurde ein Aktenvermerk aufgenommen:

Laut den Feststellungen der GPLA fanden die Dialysen in einem großen offenen Raum statt, in welchem die Dialysevorrichtungen in sechs Reihen angeordnet waren. Das Krankenpflegepersonal war je für eine Reihe zuständig und hatte die Aufgabe, das Dialysegerät an- und abzuschließen sowie die Therapie zu überwachen. Bei der Tätigkeitsverrichtung trugen die ArbeitnehmerInnen entsprechende Schutzkleidung (insbesondere auch Schutzhandschuhe), die mehrmals gewechselt wurde. Die Maschinen, in denen das Blut in geschlossenen Leitungen behandelt wurde, waren sauber.

Während das Anlegen der Leitungen nur einen minimalen Teil der Arbeitszeit einnahm, bestand der überwiegende Teil der Arbeitszeit darin, die Blutwäsche zu überwachen und gegebenenfalls die Behälter zu tauschen. Kam es zu medizinischen Abweichungen, so wurde Herr ***Gf Bf1*** beigezogen, der die weiteren Maßnahmen veranlasste. Der letzte medizinische Notfall ereignete sich zehn Tage vor Betriebsbesichtigung durch die GPLA.

Nach Beendigung der Dialyse verließen die Patienten den Raum. Das Pflegepersonal führte eine Reinigung der Plätze durch und bereitet diese für die nächsten Patienten vor.

Nach Angaben von ***Gf Bf1*** erfolgt die Dialyse nach denselben medizinischen Standards wie in öffentl. Krankenhäusern und auch das Pflegepersonal hat dieselben Qualifikationen.

In rechtlicher Hinsichtlich führte das Finanzamt zur Erschwerniszulage aus, dass eine solche nur dann steuerfrei gegeben sei, wenn die Tätigkeiten im Vergleich zu den allgemein üblichen Tätigkeiten der Berufsgruppe (im vorliegenden Fall sei dies die Berufsgruppe "diplomiertes Krankenpflegepersonal") außerordentlich erschwerte Tätigkeiten umfassen.

Hinsichtlich die Gefahrenzulage wurde ausgeführt, dass eine solche erst steuerfrei zustehe, wenn die Arbeiten zwangsläufig unter gesundheitsgefährdeten Bedingungen erfolgen, was vorliegend aber mangels Überwiegens nicht festgestellt werden konnte.

Eine Dokumentation der Tätigkeiten wurde dem Finanzamt nicht übergeben.

Seitens des Finanzamtes wurde in Umsetzung der Ergebnisse der Prüfung die Steuerfreiheit versagt und kam es zu einer Lohnsteuernachforderung in der Höhe von 60.101,61 Euro.

In der Beschwerde vom 28. August 2017 argumentierte die steuerliche Vertretung, dass auf Grund der realen Gefahr des In-Kontakt-Kommens mit Blut und anderem infektiösem Material sowie der dauerhaften Erwartungsangst und des permanenten Stresses bei allen Dienstnehmern eine Gefahrenzulage und eine Erschwerniszulage lohnsteuerfrei abgerechnet wurde.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 09. Jänner 2018 ab und führte begründend im Wesentlichen aus, dass das diplomierte Krankenpflegepersonal während der Arbeitszeit nicht überwiegend mit Arbeiten betraut war, bei denen es einer Gefahr iSd einschlägigen Bestimmungen ausgesetzt war. Das Überwiegen sei für die Steuerfreiheit gem § 68 Abs 1 EStG 1988 jedoch entscheidend.

Auch stelle die Tätigkeit des Krankenpflegepersonals im Dialyseinstitut keine außerordentliche Erschwernis gegenüber den üblichen Arbeitsbedingungen von diplomiertem Krankenpflegepersonal dar.

Ferner seien von der Beschwerdeführerin keine Aufzeichnungen geführt worden.

Gegen die Beschwerdevorentscheidung wurde am 06. Februar 2018 ein Vorlageantrag eingebracht. Die Bf. brachte begründend im Wesentlichen vor, dass die Arbeitsbedingungen von Krankenpflegepersonal einer Dialysestation nicht mit den üblichen Arbeitsbedingungen von diplomiertem Krankenpersonal vergleichbar seien. Es sei sowohl eine spezielle Ausbildung, als auch besonderes Fachwissen erforderlich.

Auch seien die Feststellungen im Zuge der Betriebsbesichtigung, dass die Dienstnehmer der Bf nicht der ständigen möglichen Gefahr des In-Kontakt-Kommens mit infektiösem Material ausgeliefert sind, nicht nachvollziehbar. Die Dienstnehmer würden einen Großteil ihrer Arbeit am Patienten oder im Labor verrichten. Verwiesen wurde auch auf ein Erkenntnis des BFG vom 04.11.2015 (RV/3100091/2011; Anmerkung: Ordinationsgehilfin, die lt. Feststellungen des BFG überwiegend (mehr als 50 % ihrer Arbeitszeit) mit infektiösem Material hantiert).

Die Bf beantragte die Aufhebung bzw Abänderung der Bescheide im Sinne des Vorbringens sowie die Abhaltung einer mündlichen Senatsverhandlung.

Der Beschwerdeakt wurde am 25.02.2018 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 27.06.2024 wurde die Gerichtsabteilung GA 3002 zuständig gemacht.

Am 30. April 2025 fand eine mündliche Senatsverhandlung statt. Im Rahmen der Verhandlung erläuterte der Gesellschafter-Geschäftsführer ***Gf Bf1*** detailliert die Vorgehensweise bei der Dialyse im Unternehmen der Bf. Die Vorgehensweise entspricht im Wesentlichen den Feststellungen des Finanzamtes und blieb in den Details seitens des Finanzamtes unwidersprochen. Um Wiederholungen zu vermeiden, werden diese Ausführungen als festgestellter Sachverhalt wiedergegeben.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die beschwerdeführende Gesellschaft, die ***Bf1*** betrieb (bzw betreibt) ein Dialysezentrum in ***1***. In diesem Dialysezentrum waren einerseits diplomiertes Krankenpflegepersonal sowie andererseits Pflegeassistenten (zum Teil mit Zusatzausbildung für Nephrologie) sowie Personen, die Stationshilfsdienste verrichten, tätig. Für alle MitarbeiterInnen wurden Gefahren- bzw. Erschwerniszulagen steuerfrei ausbezahlt.

Bei einer Dialyse handelt es sich um einen intensivmedizinischen Eingriff, der für jeden Patienten individuell abgestimmt ist. Herr ***Gf Bf1*** erstellt die Therapiepläne für die Patienten, nach denen sich dann die MitarbeiterInnen zu richten haben.

Das Personal arbeitete in 12-Stunden-Schichten. In diesen 12-Stunden-Schichten werden zwei Patienten-Schichten betreut. An einem Tag gibt es vier Patienten-Schichten, wobei die erste um 05:15 Uhr beginnt (zu dieser Uhrzeit kommen die ersten Patienten zur Dialyse) und die letzte (vierte) Schicht um 23:00 Uhr beginnt.

Pro Patientenschicht sind in der Regel drei diplomierte Pflegefachkräfte, drei Pflegehilfsdienste und ein übergeordnetes Personal (Springer) im Einsatz. Daneben werden noch Pflegeassistenten (meist auch drei) für die Patientenbetreuung eingesetzt.

Das eingesetzte Pflegepersonal ist je für 8 Patienten zuständig. Das weitere Personal wird für administrative Tätigkeiten eingesetzt, kann aber bei Bedarf auch zur Hilfe gerufen werden. In der Mitte des Raumes befindet sich eine Überwachungsstation mit Monitoren. Um sich vor Infektionen zu schützen (zB ansteckende Blutkrankheiten wie Hepatitis C und B) tragen die MitarbeiterInnen Schutzkleidung.

Nach dem Ankommen der Patienten ist es die Aufgabe des diplomierten Krankenpflegepersonals, Zugänge zum Katheder freizulegen und die Leitungen anzuschließen sowie Shunts zu stechen. Rund die Hälfte der Patienten hat einen zentralvenösen Katheder, die andere Hälfte hat einen Dialyseshunt eingebaut. Ferner werden intravenöse Injektionen wie etwa blutverdünnende Mittel, Eisen, blutbildende Hormone, nebenschilddrüsenunterdrückende Medikamente und Infusionen über Gummi-Noppen im Dialyseschlauch verabreicht.

Während der Dialyse werden andere medizinische Behandlungen, wie etwa das Verbinden eines offenen Fußes, etc. durchgeführt. Diese Tätigkeiten werden von den Pflegeassistenten übernommen. In vereinzelten Fällen kann es vorkommen, dass der Patient auch während der Dialyse (vom diplomierten Personal) abgehängt und dann wieder an die Leitungen angehängt wird, wenn er etwa auf das WC muss. Die Begleitung der Patienten auf das WC übernehmen - wenn notwendig - die Stationshilfsdienste.

Nach dem Abschluss der Behandlung werden die Leitungen abgehängt und in der Folge der Dialyseplatz gesäubert. Dies geschieht in der Regel durch die Stationshilfsdienste.

Zusammenfassend ergibt sich, dass das Pflegepersonal 12 Stunden - davon abzüglich einer ca. einstündigen Pause 11 Stunden in reiner Arbeitszeit - arbeitet. Mit dem An- und Abschließen der Leitungen sind sie in Summe drei Stunden beschäftigt. Die übrigen acht Stunden bestehen aus Beobachtung, medizinischer Versorgung, Reinigung des zentralvenösen Zuganges sowie Reagieren auf Notfälle.

Bei Notfällen, wie beispielsweise einem Herzinfarkt wird Herr ***Gf Bf1*** zur Hilfe gerufen. Andere Ereignisse, etwa Punktionsnotfälle ("Verstechen") werden vom Pflegepersonal selbständig gelöst.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt gründet sich im Wesentlichen auf die Ausführungen des Herrn ***Gf Bf1*** im Zuge der mündlichen Verhandlung, da sich diese Ausführungen mit den Feststellungen aus der seitens der GPLA durchgeführten Betriebsbesichtigung vom 06. Juni 2017 decken.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Steuerfreiheit von Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen

§ 68 EStG 1988 in der im Beschwerdezeitraum anzuwendenden Fassung lautet auszugsweise:

"(1) Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen Arbeiten zusammenhängende Überstundenzuschläge sind insgesamt bis 360 Euro monatlich steuerfrei ( § 68 Abs 1 EStG 1988 in der in den Streitjahren geltenden Fassung).

[…]

(5) Unter Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sind jene Teile des Arbeitslohnes zu verstehen, die dem Arbeitnehmer deshalb gewährt werden, weil die von ihm zu leistenden Arbeiten überwiegend unter Umständen erfolgen, die

- in erheblichem Maß zwangsläufig eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung bewirken,

- im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellen, oder

- infolge der schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Strahlen, von Hitze, Kälte oder Nässe, von Gasen, Dämpfen, Säuren, Laugen, Staub oder Erschütterungen oder infolge einer Sturz- oder anderen Gefahr zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen.

[…]

Steuerbefreit sind durch § 68 EStG 1988 im Wesentlichen Arbeiten, für die erschwerte Arbeitsbedingungen gelten (vgl Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG24 (2024) § 68 Rz 2).

Nach der herrschenden Lehre ist § 68 EStG 1988 so auszulegen, dass für eine begünstigte Besteuerung von Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen (SEG-Zulagen) drei Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sein müssen. Liegt nur eine Bedingung nicht vor, dann kommt eine Begünstigung nicht in Betracht (siehe u.a. Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG24 § 68 Rz 11 ff.).

Die funktionelle Voraussetzung (Zahlung neben dem Grundlohn) und die formelle Voraussetzung (Zahlung aufgrund einer lohngestaltenden Vorschrift) sind nicht strittig. Beschwerdegegenständlich stellt sich die Frage, ob die materielle Voraussetzung im Sinne der Legaldefinition des § 68 Abs 5 EStG (definierte Arbeitserschwernis) erfüllt ist.

Unter welchen Bedingungen die tatsächlich geleisteten Tätigkeiten überwiegend ausgeführt werden müssen, damit eine dafür gewährte Zulage für die Steuerfreiheit zu qualifizieren ist, bestimmt § 68 Abs 5 EStG 1988. Anhand dieser Kriterien ist zu prüfen, ob die vom Arbeitgeber bezahlte Zulage steuerfrei gewährt werden kann. Es reicht nicht aus, wenn die in den drei Teilstrichen des § 68 Abs 5 EStG 1988 genannten Umstände vorliegen, sondern der Arbeitnehmer muss vielmehr während der gesamten Arbeitszeit überwiegend mit Arbeiten betraut sein, die eine erhebliche Verschmutzung zwangsläufig bewirken (vgl VwGH 22.11.2018, Ra 2017/15/0025), eine außerordentliche Erschwernis darstellen (vgl VwGH 22.4.1998, 97/13/0163) oder zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen (VwGH 20.10.2022, Ra 2021/13/0121).

Die von den MitarbeiterInnen der Beschwerdeführerin in den beschwerdegegenständlichen Jahren 2013 - 2016 erbrachten Arbeitsleistungen mussten daher überwiegend unter Umständen ausgeführt worden sein, die im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellten oder zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit mit sich brachten. Nicht nur jene Arbeiten, mit denen diese Erschwernis oder Gefährdung verbunden ist, waren zu untersuchen, sondern es war - bezogen auf alle innerhalb eines Lohnzahlungszeitraumes im Sinne des § 77 EStG 1988 geleisteten Arbeiten - zu prüfen, ob diese überwiegend eine Erschwernis oder Gefahrenlage bewirken. Die Tätigkeiten, die mit einer Gefährdung oder Erschwernis verbunden sind, müssen in zeitlicher Hinsicht überwiegen (siehe VwGH 31.3.2011, 2008/15/0322). Das Überwiegen ist aber auch inhaltlich zu verstehen (siehe Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG24 § 68 Rz 16).

Tätigkeiten unter außerordentlicher Erschwernis gemäß § 68 Abs 5 zweiter Teilstrich EStG 1988 erweisen sich entweder selbst als außerordentlich schwierig, sind unter außerordentlich schwierigen Bedingungen auszuführen oder besonders dringlich (vgl VwGH 28.9.2011, 2007/13/0138). Das Gesetz liefert keine Anhaltspunkte für eine Einschränkung des Begriffes der außerordentlichen Erschwernis auf "nur körperliche Erschwernisse". Die Erschwernis kann demnach auch in Schwierigkeiten der Arbeit selbst oder der Dringlichkeit ihrer Durchführung liegen (siehe VwGH 5.10.1993, 93/14/0101). Jede höher qualifizierte Tätigkeit im Berufsleben setzt auch höhere geistige und psychische Belastungen voraus (VwGH 19.1.1988, 85/14/0124). Der Vergleich zu den üblichen Arbeitsbedingungen muss innerhalb der jeweiligen Berufssparte gezogen werden (vgl. VwGH 30.1.2014, 2011/15/0040).

Mit einer höher qualifizierten Tätigkeit einhergehende höhere geistige und psychische Anforderungen, die Übernahme von Verantwortung, Stresssituationen sowie das Erfordernis höherer Konzentration und Flexibilität sind keine im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen außerordentliche Erschwernisse.

Vergleichsmaßstab der Erschwernis sind die innerhalb der jeweiligen Berufssparte allgemein üblichen Arbeitsbedingungen. Die Vergleichsgruppe ist daher das Pflegepersonal in Altersheimen und Krankenanstalten, nicht Krankenschwestern in bestimmten Fachrichtungen (vgl VwGH 21.01.1987, 85/13/0213, wonach der Vergleichsmaßstab für Sozialhelferinnen in der mobilen Altenpflege die üblichen Arbeitsbedingungen von vergleichbaren Pflegepersonalen in Altersheimen und Pflegeanstalten sind; so auch RZ 1136 LStR 2002).

Für den medizinischen Bereich ergingen bereits einige (höchst-)gerichtliche Entscheidungen. So rechtfertigen etwa Ärzte in Unfall-, Intensivstationen und psychiatrischen Stationen Erschwerniszulagen; nicht dagegen ein Anästhesist (vgl VwGH 19.01.1988, 85/14/0124: "Die Tätigkeit eines Anästhesisten stellt im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen der Ärzte keine außerordentliche Erschwernis dar. Denn nicht nur die Tätigkeit eines Anästhesisten, sondern die eines jeden Arztes ist verbunden mit einem besonders hohen Maß an Verantwortung, Höchstkonzentration und psychischer Belastung. Die daraus resultierenden Erschwernisse sind der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit immanent, sie stellen somit typische Merkmale des Arztberufes dar.") oder Kurarzt (VwGH 16.3.1988, 87/13/0194) (Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG24 (2024) § 68 Rz 34).

Eine Begünstigung des § 68 Abs 1 in Verbindung mit Abs 5 3. Teilstrich EStG 1988 setzt voraus, dass tatsächlich Arbeiten verrichtet werden, die überwiegend unter Umständen erfolgen, welche die Voraussetzung einer Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit erfüllen. Der Arbeitnehmer muss also während der Arbeitszeit überwiegend mit Arbeiten betraut sein, die zwangsläufig eine Gefahr darstellen (VwGH 15.9.2011, 2011/15/0067). Die Gefahrenzulage ist nur begünstigt, wenn sie eine typische Berufsgefahr abgilt (siehe VwGH 5.6.1982, 17/2382/80). Die Möglichkeit einer Gefahreinwirkung ist ausreichend.

Die Gefahr bestehe gegenständlich in der Tatsache, dass die MitarbeiterInnen erhöhter Infektionsgefahr durch ansteckende Blutkrankheiten (zB Hepatitis C und B) ausgesetzt sowie im ständigen Kontakt mit Blut, infizierten Wunden, Erbrochenem, Harn und gegebenenfalls mit Eitererregern im Blut seien.

Das Bundesfinanzgericht stellte in einem Fall von Ordinationsgehilfen einer Landarztpraxis auf den Umstand ab, dass "im Hinblick auf die ausschließlich in der Behandlung von Patienten bestehende Tätigkeit eine permanente Gefährdung der beiden Ordinationsgehilfinnen gegeben war" (vgl BFG 11.01.2022, RV/7102510/2021; BFGjournal 2022, 59; Seebacher in PV-Info 9/2022, 20). Der Entscheidung des BFG lag der festgestellte Sachverhalt zu Grunde, dass die betroffenen Arbeitnehmerinnen während mehr als 95% ihrer tatsächlichen Arbeitszeit im direkten Patientenkontakt standen, während noch zwei weitere, mit reinen Verwaltungsarbeiten betraute Mitarbeiterinnen bei der Beschwerdeführerin tätig waren.

Im vorliegenden Beschwerdefall waren alle MitarbeiterInnen der Beschwerdeführerin in unterschiedlichem Ausmaß mit Arbeiten am Patienten betraut (durch An- und Abhängen von Leitungen, Wundversorgung, Patientenbetreuung, Reinigung der Dialyseplätze, Überwachung der Monitore, etc.). Es ist daher eine differenzierte Betrachtung geboten:

Zu den Aufgaben des diplomierten Krankenpflegepersonals:

Es die Aufgabe des diplomierten Krankenpflegepersonals, Zugänge zum Katheder freizulegen und die Leitungen anzuschließen sowie Shunts zu stechen. Es ist nicht bestreitbar, dass diese Tätigkeiten eine potentielle Gefahrenquelle durch Ansteckung darstellen. Um dieser Gefahr zu begegnen wurden entsprechende Schutzmaßnahmen - wie etwas das Tragen von Schutzkleidung - getroffen. Von der reinen Arbeitszeit einer Schicht (12 Stunden abzüglich 1 Stunde Pause) macht diese potentiell gefährliche Tätigkeit allerdings nur 3 Stunden aus. Der überwiegende Teil der Arbeitszeit des Pflegepersonals besteht in der Beobachtung der Patienten sowie dem Reagieren auf Notfälle. Aus den Angaben des Herrn ***Gf Bf1*** konnte unter Berücksichtigung aller zu erbringenden Tätigkeiten des diplomierten Krankenpflegepersonals nicht der Schluss gezogen werden, dass es während ihrer gesamten Arbeitszeit überwiegend mit Arbeiten betraut war, die zwangsläufig eine Gefahr darstellten.

Damit fehlt es an dem Element des Überwiegens gem § 68 EStG 1988.

Die erschwerten Arbeitsbedingungen werden von Herrn ***Gf Bf1*** mit der "dauerhaften Erwartungsangst" und dem "permanenter Stress" begründet. Dazu ist auszuführen, dass eine gewisse Stressbelastung der Berufsgruppe "Krankenpflegepersonal" immanent ist. So führte etwa auch der VwGH in der Entscheidung eines Anästhesisten betreffend aus, dass dessen Tätigkeit im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen der Ärzte keine außerordentliche Erschwernis darstellt. "Denn nicht nur die Tätigkeit eines Anästhesisten, sondern die eines jeden Arztes ist verbunden mit einem besonders hohen Maß an Verantwortung, Höchstkonzentration und psychischer Belastung. Die daraus resultierenden Erschwernisse sind der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit immanent, sie stellen somit typische Merkmale des Arztberufes dar." (vgl VwGH 19.01.1988, 85/14/0124).

Aus dieser Entscheidung lässt sich auch für das bei der Beschwerdeführerin beschäftigte diplomierte Krankenpflegepersonal etwas gewinnen, zumal die Stressbelastung gegenüber MitarbeiterInnen einer Station eines öffentlichen Krankenhauses nicht erhöht ist. Das Personal handelt überdies nach einem von Herrn ***Gf Bf1*** für jeden Patienten erstellten Therapieplan und hat Patienten zu betreuen, die in der Regel öfter zur Dialyse kommen. Ein Einstellen auf den Gesundheitszustand des Patienten ist daher möglich und es stellt sich nach einer gewissen Zeit eine Routine ein, die verglichen mit Krankenschwestern auf einer Station in einem allgemeinen Krankenhaus leichtere Arbeitsbedingungen bedingt.

Zu den Aufgaben der Pflegeassistenten:

Die Pflegeassistenten (zum Teil mit Zusatzausbildung für Nephrologie) unterstützen das diplomierte Krankenpflegepersonal und betreuen die Patienten während der Dialyse, indem sie etwa die Versorgung von Wunden (zB Verbinden offener Füße) vornehmen.

Auf Grund des (auch nur möglichen) In-Kontakt-Kommens mit infektiösem Material besteht auch für die Pflegeassistenten eine gewisse Gefahrenquelle. Jedoch gilt auch für sie, dass ein zeitliches Überwiegen der "gefährlichen Tätigkeiten" nicht vorliegt.

Wie das diplomierte Krankenpflegepersonal handeln auch die Pflegeassistenten nach einem von ***Gf Bf1*** vorgegebenen Therapieplan für jeden Patienten. So sind auch ihre Tätigkeiten im Vergleich zu Tätigkeiten von Pflegeassistenten in einem allgemeinen Krankenhaus nicht erschwerter, da gerade ein routiniertes Einstellen auf bekannte Dialyse-Patienten und ihre Beschwerden (zB offener Fuß, etc.) möglich ist. Ferner führen Pflegeassistenten unterstützende Tätigkeiten aus und ist die Stressbelastung daher bereits aus diesem Grunde (gegenüber dem beschäftigten diplomiertem Krankenpflegepersonal) abgemildert.

Zu den Aufgaben des Stationshilfsdienstes:

Die MitarbeiterInnen, die Stationshilfsdienste verrichten (sog. Pflegehilfsdienste), sind nach Angaben von ***Gf Bf1*** im Wesentlichen mit der Patientenannahme, der Dokumentation und Hilfstätigkeiten (wie etwa dem Reinigen und Desinfizieren der Dialyseplätze) beschäftigt.

Auch für diese Personengruppe ist eine gewisse (Infektions-)Gefahr nicht gänzlich auszuschließen (etwa wenn die Patientenplätze gesäubert und desinfiziert werden), jedoch liegt diese noch mehr als bei den beiden übrigen Berufsgruppen in einem derart untergeordneten Ausmaß vor, dass von einer überwiegend gefährlichen Tätigkeit iSd § 68 Abs 1 in Verbindung mit Abs 5 3. Teilstrich EStG 1988 nicht gesprochen werden kann.

Auch betrifft vorliegendes Personal des Pflegehilfsdienstes die Stressbelastung innerhalb des Arbeitsplatzes aber auch im Vergleich zu gleichwertigem Personal in einem Krankenhaus am geringsten, da direkte Eingriffe am Patienten (zB Stechen, etc) nicht zu dessen Aufgabengebiet gehören und bei Auftreten eines medizinischen Notfalles auch nicht ihr direktes Eingreifen gefordert ist.

Da die Voraussetzungen für die steuerfreie Auszahlung der Gefahren- und Erschwerniszulagen somit bei keinem der Mitarbeiter aus den drei Berufsgruppen (überwiegend) vorlagen, war die Beschwerde abzuweisen. Die angefochtenen Bescheide bleiben im Rechtsbestand.

Es erübrigt sich somit ein Eingehen auf die fehlende Dokumentation der Arbeitsverrichtungen durch die Beschwerdeführerin, da bereits die materiellen Voraussetzungen des § 68 EStG 1988 nicht vorlagen.

3.2. Nichtzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht stützt die Entscheidung auf den klaren und eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen und auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind keine Rechtsfragen aufgeworfen worden, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, eine Revision ist nicht zulässig.

Ferner war die in freier Beweiswürdigung vorgenommene Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes entscheidungswesentlich, weshalb die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach Art 133 Abs 4 B-VG ebenfalls nicht vorliegen (vgl VwGH 25.02.2016, Ra 2016/16/0006).

Graz, am 26. Mai 2025