JudikaturBFG

RV/3100455/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
25. Juli 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Kay Wrulich in der Beschwerdesache ***Bf1***, über die Beschwerde vom 12. August 2024 gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom 9. Juli 2024 betreffend Einkommensteuer 2022 und Umsatzsteuer 2022 sowie gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom 11. Juli 2024 betreffend Einkommensteuer 2023 und Umsatzsteuer 2023, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Die Beschwerdevorentscheidungen vom 15. Oktober 2024, mit denen die Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2022 und 2023 sowie die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2022 und 2023 als zurückgenommen erklärt wurde, werden aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Gegenständliche Entscheidung betrifft einerseits die Rechtsfrage, ob ein Mängelbehebungsauftrag im Zusammenhang mit der eingebrachten Beschwerde zu Recht ergangen ist und die Beschwerde in der Folge zu Recht als zurückgenommen erklärt wurde. Andererseits ist zu prüfen, ob die Zustellung des Mängelbehebungsauftrags an den Schuldner zu Handen des Insolvenzverwalters als rechtswirksam anzusehen ist.

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Über das Vermögen des ***x*** wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck zu ***GZ*** am ***x.x.xxxx*** das Konkursverfahren eröffnet. Als Masseverwalter wurde ***Mag. A***, ***Adresse*** bestellt.

Zumal der Schuldner mit der Einreichung seiner Einkommensteuer- und Umsatzsteuererklärungen säumig war, erließ die Abgabenbehörde am 9.7.2024 die Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide für das Jahr 2022. Begründend wurde ausgeführt, dass die Besteuerungsgrundlagen aufgrund der Nichtabgabe der Steuererklärungen im Schätzungswege ermittelt worden seien. Hinsichtlich des Umsatzsteuerbescheids wurde ausgeführt, dass die Schätzung in Anlehnung an das Vorjahr erfolgt sei. Die Schätzung der Einkommensteuer sei in Anlehnung an den Umsatz erfolgt. Die Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide für das Jahr 2023 wurden am 11.7.2024 erlassen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Schätzung in Anlehnung an die Vorjahre erfolgt sei.

Die Bescheide wurden an "***Mag. A*** als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren ***x***" adressiert und diesem an seine Kanzleiadresse am 12.7.2024 zugestellt.

Mit rechtzeitig am 12.8.2024 eingebrachter Beschwerde brachte der Insolvenzverwalter zusammengefasst vor, dass die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen unrichtig sei. Das tatsächliche Einkommen bzw die Umsätze des Schuldners seien viel niedriger. Der Schuldner bereite derzeit gemeinsam mit dem Steuerberater die Unterlagen auf, um die Erklärungen nachreichen zu können. Es werde daher beantragt, die Einkommen- und Umsatzsteuer mit € 0,- festzusetzen. Nach Vorliegen der Steuererklärungen würden die Beschwerdeanträge an jene Beträge angepasst werden.

In Folge erließ die Abgabenbehörde am 20.8.2024 einen Mängelbehebungsauftrag. Darin wies sie darauf hin, dass der Beschwerde eine Begründung fehle, und forderte auf, den Mangel bis zum 12.9.2024 zu beheben. Der Mängelbehebungsauftrag wurde an "***x***, zH ***Mag. A***" zugestellt.

Daraufhin ersuchte der Insolvenzverwalter mit Eingabe vom 12.9.2024 die Frist um 3 Wochen zu verlängern, da der Schuldner trotz mehrerer Urgenzen die notwendigen Unterlagen noch nicht bereitgestellt habe. Überdies liege jedoch der von der Abgabenbehörde behauptetet Mangel nicht vor.

Mit Bescheid vom 17.9.2024 wurde der Antrag auf Fristverlängerung abgewiesen. Die Zustellung erfolgte wiederum an "***x***, zH ***Mag. A***".

Schließlich wurden mit Beschwerdevorentscheidungen vom 15.10.2024 die Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide gem § 85 Abs 2 BAO als zurückgenommen erklärt, da die Mängel nicht behoben worden seien.Die Beschwerdevorentscheidungen wurden wie auch die Erstbescheide an "***Mag. A*** als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren ***x***" adressiert und am 18.10.2024 zugestellt.

Mit rechtzeitig am 18.11.2024 eingebrachtem Vorlageantrag wurde auf die Ausführungen in der Beschwerde vom 12.8.2024 verwiesen.

Die Beschwerde wurde am 23.7.2025 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

2. Beweiswürdigung

Der maßgebliche Verfahrensgang lässt sich widerspruchsfrei aus den vorgelegten Aktenbestandteilen, insbesondere aus den ergangenen Bescheiden sowie den dagegen eingebrachten Rechtsmitteln, entnehmen. Der Inhalt der Bescheide einschließlich deren Begründungen ergibt sich eindeutig aus den Bescheiden selbst, ebenso die jeweilige Bescheidadressierung und deren Zustellungen. Die Zustellungszeitpunkte sind zweifelsfrei anhand der vorliegenden Rückscheine nachvollziehbar und belegt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 250 BAO hat die Beschwerde zu enthalten:

a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet; b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;d) eine Begründung.

Gemäß § 85 Abs 2 BAO berechtigen Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Die Abgabenbehörde hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

Entspricht eine Beschwerde nicht den in § 250 BAO angeführten Voraussetzungen, ist die Abgabenbehörde verpflichtet, einen Mängelbehebungsauftrag nach § 85 Abs 2 BAO zu erlassen (VwGH 27.6.2013, 2010/15/0213). Enthält eine Beschwerde hingegen ein Anfechtungssubstrat, welches unabhängig von einem allfälligen weiteren Vorbringen einer meritorischen Erledigung zugänglich ist, kommt ein Vorgehen nach § 85 Abs 2 BAO nicht mehr in Betracht (VwGH 29.7.2014, 2011/13/0121). Eine unschlüssige oder inhaltlich unzutreffende Begründung ist dem Fehlen einer Begründung nicht gleichzuhalten (VwGH 29.4.2015, 2012/13/0041, mwN).

Aus der Beschwerde vom 12.8.2024 ergibt sich hinreichend klar, dass sich der Bf gegen die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch die Abgabenbehörde wendet, diese als unrichtig erachtet und eine Festsetzung der Abgaben mit € 0,- begehrt. Zugleich kündigt der Bf die Nachreichung der entsprechenden Abgabenerklärungen an. Damit werden sowohl die angefochtenen Bescheide als auch das konkrete Begehren eindeutig bezeichnet und es erfolgt eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der rudimentären Bescheidbegründung. Die Beschwerde enthält somit nicht nur ein konkretes Begehren, sondern auch eine - wenn auch kurze - inhaltliche Begründung, welche erkennen lässt, aus welchen Gründen der Bf die angefochtenen Bescheide als rechtswidrig erachtet.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes darf das Erfordernis des § 250 Abs 1 lit d BAO nicht dahingehend verstanden werden, dass der Beschwerdeführer eine so umfassende Begründung vortragen muss, dass die Sache bereits als entscheidungsreif angesehen werden könnte. Die Beurteilung der inhaltlichen Mangelhaftigkeit einer Beschwerde ist allein für den sachlichen Ausgang des Beschwerdeverfahrens und für den Inhalt der Beschwerdeentscheidung von Bedeutung und darf nicht im (Formal-)Verfahren nach § 85 Abs 2 BAO entschieden werden (VwGH 30.1.2025, Ra 2023/15/0109).

Ein Mängelbehebungsauftrag nach § 85 Abs 2 BAO erfolgte im vorliegenden Fall daher zu Unrecht. Vielmehr wäre es der Abgabenbehörde oblegen, im Wege eines Ergänzungsvorhalts allenfalls weitere Unterlagen anzufordern. Die Rechtsansicht der Abgabenbehörde, wonach das Vorbringen, die Schätzung sei unrichtig, als unzureichende Begründung zu qualifizieren sei, stellt einen überzogenen Formalismus dar und würde den verfassungsrechtlich garantierten Rechtsschutz unzulässig einschränken. Ob eine Begründung inhaltlich zutreffend oder schlüssig ist, ist hingegen für die Frage der Erfüllung der Voraussetzung des Beschwerderfordernisses nach § 250 Abs 1 lit d BAO nicht relevant (VwGH 17.12.1998, 97/15/0130).

Ferner geht eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Gemeinschuldner gerichtete Erledigung auch dann ins Leere, wenn sie an den Schuldner, zu Handen des Masseverwalters (Insolvenzverwalters) gerichtet ist; sie entfaltet weder eine Wirkung für den Schuldner noch für den Masseverwalter (VwGH 9.11.2011, 2009/16/0260; VwGH 23.11.2016, Ro 2014/17/0023).

Der Mängelbehebungsauftrag war an den Schuldner zu Handen seines Masseverwalters gerichtet. Der Mängelbehebungsauftrag kann daher nach der zitierten Judikatur weder eine Wirkung für den Schuldner noch für den Masseverwalter entfalten.

Gemäß § 279 Abs 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Eine (ersatzlose) Aufhebung (als meritorische Beschwerdeerledigung) hat durch das Bundesfinanzgericht zu erfolgen, wenn ein verfahrensrechtlicher Bescheid (zB Zurückweisung eines Antrags, Zurücknahmebescheid gemäß § 85 Abs 2 BAO) zu Unrecht erlassen wurde (vgl Ritz/Koran, BAO7 § 279 Rz 6, VwGH 24.09.2019, Ra 2018/16/0055).

Da die Beschwerdevorentscheidungen aufgrund vorstehender Erwägungen einerseits zu Unrecht erlassen wurde und andererseits der Mängelbehebungsauftrag nicht rechtswirksam ergangen ist, waren die Beschwerdevorentscheidungen mit Erkenntnis aufzuheben.

Im fortgesetzten Verfahren wird die Abgabenbehörde erneut über die Beschwerde vom 12.8.2024 mittels Beschwerdevorentscheidung (meritorisch) zu entscheiden haben. Sofern zur weiteren Klärung des Sachverhalts erforderlich, hat sie im Rahmen eines Ergänzungsvorhalts die Vorlage ergänzender Unterlagen zu fordern.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall lag keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Vielmehr folgt die Entscheidung der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Innsbruck, am 25. Juli 2025