Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***RA***, über die Beschwerde vom 5. April 2018 gegen den Bescheid des ***Finanzamtes A*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom 13. März 2018 betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Mit Schreiben vom 30. Oktober 2017 teilte das Finanzamt dem Beschwerdeführer (in weiterer Folge Bf.) im Wesentlichen mit, dass auf dem Abgabenkonto der ***GmbH A*** Abgabenbeträge in Höhe von insgesamt € 2.166.839,67 uneinbringlich aushafteten und verwies hierzu auf den beiliegenden Rückstandsausweis vom 30. Oktober 2017. Der Bf. sei laut Firmenbuchauszug im Zeitraum ***Datum 1*** bis ***Datum 2*** als Geschäftsführer der ***GmbH A*** bestellt gewesen. Aufgrund seiner Funktion als Geschäftsführer habe ihm die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Vertretenen oblegen.Da die angeführten Abgabenbeträge während seiner Vertretungsperiode fällig bzw. nicht entrichtet worden seien, müsse das Finanzamt bis zum Beweis des Gegenteiles davon ausgehen, dass der Bf. der ihm aufgetragenen Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Vertretenen nicht vorschriftsgemäß nachgekommen sei.Die genannten Beträge seien bei der ***GmbH A*** als uneinbringlich anzusehen. Dies ergebe sich zweifelsfrei daraus, dass der Konkurs am ***Datum 4***nach Schlussverteilung aufgehoben worden sei. Sofern die ***GmbH A*** bereits zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt habe, werde der Bf. ersucht, dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordener Forderungen darzulegen. In dieser Aufstellung müssten alle damaligen Gläubiger der ***GmbH A*** (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen (Quoten) enthalten sein. Außerdem seien alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel (Bargeld und offene Forderungen) anzugeben bzw. gegenüber zu stellen. Es stehe dem Bf. frei, die maßgebliche finanzielle Situation zum Eintritt der Abgabenfälligkeiten, die offenen Verbindlichkeiten und die erbrachten Tilgungsleistungen an alle einzeln anzuführenden Gläubiger der ***GmbH A*** auch auf andere Art und Weise einwandfrei bekannt zu geben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliege dem Bf. als Vertreter, Nachweise dafür, wie viel Zahlungsmittel zur Verfügung gestanden seien und in welchem Ausmaß die anderen Gläubiger der ***GmbH A*** noch Befriedigung erlangten, zu erbringen. Im Fall der Nichterbringung dieser Nachweise müsse das Finanzamt davon ausgehen, dass der Bf. die ihm obliegende Verpflichtung, die fällig gewordenen Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu entrichten, schuldhaft verletzt habe, und diese Pflichtverletzung auch ursächlich für den Abgabenausfall bei der ***GmbH A*** sei. Unter diesen Umständen hafte der Bf. für die uneinbringlichen Abgabenschuldigkeiten im vollen Ausmaß (zB VwGH 22.12.2005, 2005/15/0114).Werde der Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung nicht in nachvollziehbarer Weise erbracht, liege es im Ermessen des Finanzamtes, die Haftung für die genannten Abgabenbeträge auszusprechen, bei Benachteiligung des Abgabengläubigers im Ausmaß der nachgewiesenen Benachteiligung der Abgabenschuldigkeiten gegenüber den anderen Verbindlichkeiten der ***GmbH A*** (zB VwGH 29.1.2004, 2000/15/0168). Da der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige Einzelinteressen verdränge (zB VwGH 18.10.2005, 2004/14/01112), würde sich das Finanzamt veranlasst sehen, die gesetzliche Vertreterhaftung gegen den Bf. im erforderlichen Ausmaß geltend zu machen.Das Finanzamt räumte dem Bf. bis zum 11. Dezember 2017 eine Frist zur Stellungnahme ein.
Mit Schreiben vom 29.11.2017 brachte der Bf. eine Stellungnahme ein, in der er im Wesentlichen ausführte, dass zunächst richtig zu stellen sei, dass die Abgabenbeträge weder zu Recht festgesetzt noch dem vormaligen Geschäftsführer je bzw. während seiner Vetretungsperiode diesbezüglich Abgaben- oder Haftungsbescheide an die GmbH zugekommen oder anfechtbar zugestellt worden seien noch diese Bescheide vor seiner Abberufung und Löschung als Geschäftsführer überhaupt existiert hätten. Sämtliche Bescheide bezüglich der erwähnten Abgabenbeträge seien erst am 6. Oktober 2016 mit Fälligkeit November 2016 und nur an den Masseverwalter zugestellt worden, mithin zu einem Zeitpunkt, als der vormalige Geschäftsführer schon längst ausgeschieden und im Firmenbuch gelöscht gewesen wäre (rund ein halbes Jahr davor: Konkurseröffnung übrigens auf Initiative des Finanzamtes mit Gerichtsbeschluss vom ***Datum 3***).Weiters führte der Bf. zusammengefasst aus, warum Abzugsteuerpflicht bei der GmbH nicht vorgelegen habe und eine Haftungsinanspruchnahme des Bf. zu Unrecht erfolgt sei.
Mit Bescheid vom 21. Februar 2018 zog das Finanzamt den Bf. gemäß §§ 9 iVm 80 BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Abgabepflichtigen ***GmbH A*** im Ausmaß von € 2.166.839,67 zur Haftung heran. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bf. im Zeitraum vom ***Datum 1*** bis ***Datum 2*** im Firmenbuch eingetragener handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fa. ***GmbH A*** und somit mit der Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten betraut gewesen sei.
Mit Bescheid vom 13. März 2018 hob das Finanzamt den Haftungsbescheid vom 21. Februar 2018 gemäß § 299 BAO auf.
Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 13. März 2018 zog das Finanzamt den Bf. erneut gemäß §§ 9 iVm 80 BAO zur Haftung für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Abgabepflichtigen ***GmbH A*** im Ausmaß von € 2.166.839,67 zur Haftung heran.
Der Bf. erhob am 5. April 2018 fristgerecht Beschwerde und beantragte die direkte Vorlage an das Bundesfinanzgericht. Im Wesentlichen brachte der Bf. zunächst vor, dass der angefochtene Bescheid bzw. das diesem vorangegangenen Verfahren geradezu massiv gehäuft rechtswidrig und mangelhaft seien und werde vorweg quasi symptomatisch für die mangelnde Qualität des erstinstanzlichen Verfahrens und die erheblichen Unrichtigkeit der belangten Behörde über die Haftung auf folgendes verwiesen:- im angefochtenen Haftungsbescheid finde sich nicht einmal die noch zuvor im Verfahren mehrfach angegebene seit Jahren aktuelle Adresse des Bf. in der Zustelladresse.- sogar bei der eigenen Telefonnummer des Finanzamtes ist eine seit Jahren nicht mehr aktuelle angegeben.- keinerlei Bezeichnung von Abgaben, für welche der Bf. zur Haftung herangezogen werden soll, würden sich im Spruch des Bescheides, sondern nur in der Begründung befinden, womit eigentlich schon von einem nicht (wirksamen)Bescheid bzw. einem rechtlichen nullum ausgegangen werden könne, zumal es auch gar keinen zugrundeliegenden Abgabenbescheid (nur einen vormaligen Haftungsbescheid an die konkursverfangen gewesenen und gelöschte GmbH) gegeben habe bzw. gäbe; es liege also ein Haftungsbescheid nach einem früheren Haftungsbescheid zu Handen des Masseverwalters und jeweils ohne Abgabenbescheid vor.- selbst die Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Bescheid sei veraltet und falsch und und offeriere noch eine Berufung offenbar ohne Berücksichtigung der Beschwerdeeinrichtung an das Bundesfinanzgericht.- es fänden sich ausschließlich formularmäßige Standardsätze in der Begründung und der einzige auch nur "etwas" tiefergehende Punkt 7 erläutere die Grundsätze für die Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer, obwohl es hier für die Haftung für Einkommen-/Körperschft-/Abzugssteuer gehe- die in der Begründung angeführte Einkommensteuer im Abzugwege von beschränkt steuerpflichtigen Einkünften berücksichtige nicht einmal, dass GmbH's körperschaftsteuerpflichtig seien, es sich hier nur um die Haftung einer konkursverfangenen GmbH für eine fremde Subunternehmerin und nicht um die Haftung des Bf. für Abgaben der vormals von ihm vertretenen GmbH handle sowie, dass die betreffende Subunternehmerin ohnedies in allen gegenständlichen Jahren in Österreich rechtskräftig zur Körperschaftsteuer veranlagt worden sei- der hier einschreitende Rechtsvertreter habe sich erkennbar spätestens bzw. schriftlich mit Vollmachtsbekanntgabe vom 21. November 2017 und weiters mit ausführlicher Stellungnahme vom 29.November 2017 auf die erteilte Bevollmächtigung berufen und sei in diesem Verfahren auch weiterhin in zahlreichen Erörterungen, Telefonaten und einer Besprechung in seiner Kanzlei als Parteienvertreter eingeschritten; dessen ungeachtet sei zunächst die Zustellung an den Steuerberater, der im Haftungsverfahren gar nicht eingeschritten sei, erfolgt.- der hier einschreitende Rechtsvertreter sei nicht nur bei der ersten Zustellung - vor Aufhebung und Neuzustellung nach telefonischer Rüge - übergangen worden, sondern werde weiterhin auch im angefochtenen Bescheid das gesamte Vorbringen samt Beweisanboten zugunsten des Bf. komplett übergangen und nicht einmal mit einem einzigen Wort abgehandelt. Und dies obwohl hier sogar massiv Gründe gegen eine Heranziehung des Bf. zur Haftung bestehen würden und qualifizierte Ausführungen unter anderem unter folgenden Gesichtspunkten erstattet worden seien: - Aspekte der unrichtigen Abgabenfestsetzung und bislang mangelnden Anfechtbarkeit - Gewährung der aufschiebenden Wirkung durch den VwGH - bis heute nicht entschiedener Antrag auf Erstellung eines Abrechnungsbescheides - geänderte Folgejudikatur VwGH - Rechtsmeinung des VfGH im vorherigen Grundlagenverfahren - Veranlagungen des betr. Subunternehmers - Gebote laut Judikatur des EuGH - vormalige gänzliche Gutschriftenerstattungs-Möglichkeit durch den Subunternehmer - kein Abgaben-Ausfall per Saldo, kein Schaden - Mitverschulden der Behörde und Verjährung - keine Haftung für Abgaben einer anderen nicht vertretenen GmbH - keine Angehörigkeit zum haftenden Personenkreis bez. Steuerschuldner - Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit - Berücksichtigung des mangelnden Verschuldens - keine Kausalität für allfällige Abgabenentgänge - Berücksichtigung der Unbilligkeit - Berücksichtigung der UnverhältnismäßigkeitDiese komplette Übergehung sei erfolgt, obwohl die Behörde nach ständiger Rechtsprechung verpflichtet gewesen wäre, zu sämtlichen geführten Entlastungsbehauptungen konkrete Feststellungen zu treffen.Weiters führte der Bf. zusammengefasst aus, warum Abzugsteuerpflicht bei der GmbH nicht vorgelegen habe und eine Haftungsinanspruchnahme des Bf. zu Unrecht erfolgt sei.
Weiters führte der Bf. zur Ermessensübung im Wesentlichen aus, die höchstgerichtliche Rechtsprechung habe zur Ermessensausübung bei der Geltendmachung der Haftung nach § 9 BAO Grundsätze entwickelt, die hier geradezu lehrbuchhaft gegen eine Haftung sprechen würden:a) Zunächst sei die wirtschftliche Leistungsfähigkeit des Haftungspflichtigen zu berücksichtigen, der hier mit seinem Einkommen gerade seinen Lebensunterhalt aufbringe, seine finanziellen Pflichten im Übrigen erfüllen könne, wegen negativer Entwicklung der selbständigen Tätigkeit seiner Gattin (die seit einiger Zeit daher auch zu einer halbtägigen Arbeit für rund € 700,-- monatlich gezwungen sei) auch die Kreditraten für deren Eigenheim bedienen müsse (welches der vormalige Geschäftsführer schließlich mitbewohne) und nicht nur auf Lebenszeit bis zum Existenzminimum gepfändet, sondern überdies seine nach über 40 Beitragsjahren erworbenen Pensionsansprüche verlieren würde und dann eine Pfändung in circa angenommen möglicher Höhe auf unbestimmte Zeit keine Tilgung ermögliche würde (dazu VwGH 16.09.2003, 2003/14/0040); diesem Aspekt sei nach Ermunterung durch die erste Instanz sogar eine eigene ausführliche, ebenfalls komplett übergangene Eingabe vom 09.01.2018 samt 7 Beilagen gewidmet worden.b) Weiters sei der Grad des Verschuldens des Vertreters zu berücksichtigen, wobei sich aus dem obigen ergebe, dass hier von einem Verschulden in keinster Weise die Rede sein könne, habe doch die Abgabenbehörde selbst rund 5 Jahre lang die Entscheidung des VwGH abgewartet und bis zu 8 Jahre mit der Abgabenfestsetzung zugewartet und ergäben sich aus dem vorangegangenen Verfahren überdies die enorme Komplexität, Kontroversiellität und auch das Spannungsverhältnis zur Rechtsprechung des EuGH sowie weitere geradezu wissenschaftliche Klärungserfordernisse (beachtlich zB nach VwGH 15.09.1995, 93/17/0404).c) Ferner sei das Mitverschulden der Abgabenbehörde an der Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld zu berücksichtigen, was bei über 5 jähriger Untätigkeit der Behörde mit anschließender eigener Konkursbeantragung aufgrund von Sicherstellungsanträgen (bzw. einer weitaus kleineren rechtskräftigen Abgabenschuld, wo die laufende Zahlung von Teilbeträgen im Rahmen der Abgabensicherung toleriert worden sei, zumal ja auch laufend ordnungsgemäß Lohnabgaben inklusive SV- und BUAK-Beiträgen etwa in Millionenhöhe entrichtet worden seien) geradezu evident sei (dazu VwGH 24.02.1997, 96/17/0066) und was überdies auf eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben hinausliefe, was gerade bei Ermessensentscheidungen Gewicht haben müsste. d) Überdies würde Unbilligkeit - auch - angesichts der lange verstrichenen Zeit vorliegen (zB VwGH 18.10.1995, 91/13/0037; 27.01.2011, 2009/160108).e) Schließlich sei hier ebenso prototypisch mit über € 2 Mio kein in Relation zu den Mitteln des Bf. stehender - im obigen Sinne zumindest auch höchst strittiger - Betrag gegenständlich, wo mit Sicherheit von Uneinbringlichkeit auszugehen wäre (vgl. ; Ritz, , 5. Aufl., § 9 Tz 28; Althuber/Tanzer/Unger, -HB, §9, 46; Althuber (Hrsg), Geschäftsführer- und Vorstandshaftung im österr. Steuerrecht, 2. Aufl. 95ff) - auch dazu nochmals der Hinweis auf die Eingabe vom 9. Jänner 2018 samt Beilagen.Der Bf. stelle aus den angeführten Gründen den Antrag, den hier angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben.
Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung am 24. Mai 2018 vorgelegt.
Mit Beschluss vom 14. Februar 2025 forderte das Bundesfinanzgericht das Finanzamt auf, dazu Stellung zu nehmen, welche Aktenteile wann an welchen Zustellempfänger zugestellt wurden, welcher Zustellmangel konkret vorlag, wann wem welche Bescheide zur Kenntnis gebracht wurden und entsprechende Beweismittel/Unterlagen vorzulegen.
Mit E-Mail vom 14. März 2025 teilte das Finanzamt mit, dass laut Aktenlage seitens Finanzamtes nicht erkenn- und beweisbar sei, dass die Grundlagenbescheide dem Haftungsbescheid angeschlossen worden seien und somit ein Mangel des Verfahrens vorliege, der im Verfahren über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar sei.
Mit Beschluss vom 23. Mai 2025 übermittelte das Bundesfinanzgericht dem Bf. zur Wahrung des Parteiengehörs den Beschluss vom 14. Februar 2025 und die Stellungnahme vom 14. März 2025 und forderte den Bf. auf, zu diesen Stellung zu nehmen, insbesondere anzugeben, ob und welche Schriftstücke (jedenfalls der Haftungsbescheid betreffend § 100 Abs. 2 EStG adressiert an den Masseverwalter ***MV*** im Konkursverfahren der ***GmbH A***) auf welche Weise dem Bf. zugestellt wurden.
Mit E-Mail vom 23. Juli 2025 bzw. Schriftsatz vom 28. Juli 2025 teilte der Bf. mit, dass der Haftungsbescheid vom 13. März 2018 zunächst gesetzwidrig dem in dieser Sache niemals bevollmächtigten Steuerberater zugestellt worden sei, ein dem zugrundeliegender Abgabenbescheid an die Steuerschuldnerin existiere bis heute nicht, stattdessen als "Grundlage" nur ein dem Bf. oder seinem Rechtsvertreter niemals zugestellter Haftungsbescheid an die konkursverfangene und zwischenzeitig gelöschte vormals vertretene GmbH an den Masseverwalter. Über diese nicht gesetzmäßige Zustellung hinaus liege ohnedies auch eine zur Gänze unrichtige Abgabenfestsetzung (wegen Veranlagungen des betreffenden Subunternehmens mit "0") und jedenfalls eine für den Bf. niemals gegebene Anfechtbarkeit der zugrundeliegenden Abgabenfestsetzung vor - zumal es eine solche gar nicht gegeben habe.
Der Bf. war im Zeitraum ***Datum 1*** bis ***Datum 2*** Geschäftsführer der ***GmbH A***.
Mit Beschluss des ***Gericht*** vom ***Datum 3*** (***123***) wurde der Konkurs eröffnet.
Mit Bescheid vom 30. September 2016 wurde die zum Abzug Verpflichtete ***GmbH A*** gemäß § 100 Abs. 2 EStG zur Haftung der Abzugsteuer in Anspruch genommen. Der Bescheid wurde an ***MV*** als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren der ***GmbH A*** adressiert.
Mit Beschluss des ***Gericht*** vom ***Datum 4*** (***123***) wurde der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben.
Die ***GmbH A*** wurde am ***Datum 5*** im Firmenbuch gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.
Mit Haftungsbescheid vom 13. März 2018 wurde der Bf. als Haftungspflichtiger gemäß §§ 9, 80 BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Abgabepflichtigen ***GmbH A*** im Ausmaß von € 2.166.839,67 in Anspruch genommen.Laut Begründung des Bescheides wurde die Haftung hinsichtlich folgender Abgabenscuhuldigkeiten, die bisher nicht entrichtet wurden, geltend gemacht:
Die Abgabenschuldigkeiten sind bei der ***GmbH A*** uneinbringlich.
Der Haftungsbescheid gemäß § 100 Abs. 2 EStG vom 30. September 2016 wurde dem Bf. nicht zugestellt. Eine Kopie des Bescheides wurde im Haftungsverfahren von der Abgabenbehörde nicht übermittelt.
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Aktenteilen, der Einsichtnahme in den elektronischen Steuerakt der ***GmbH A*** und in das Firmenbuch und aus dem Vorbringen der Verfahrensparteien in der Beschwerde und den Stellungnahmen.
Aus dem Firmenbuchauszug der ***GmbH A*** geht hervor, dass der Bf. vom ***Datum 1*** bis ***Datum 2*** Geschäftsführer der ***GmbH A*** war und diese am ***Datum 5*** gemäß § 40 FBG infolge von Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht wurde. Somit steht die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten fest.
Die Feststellung, dass der Haftungsbescheid gemäß § 100 Abs. 2 EStG vom 30. September 2016 bzw. eine Kopie dieses Haftungsbescheides dem Bf. im Haftungsverfahren von der Abgabenbehörde nicht übermittelt wurde, gründet sich auf folgenden Überlegungen:Laut Angaben des Bf. in seiner Stellungnahme zum Haftungsvorhalt, als auch in seiner Beschwerde, seien dem Bf. (vormaligen Geschäftsführer) nie bzw. - auch nicht während seiner Vertretungsperiode - Abgaben- oder Haftungsbescheide an die GmbH zugekommen oder anfechtbar zugestellt worden. In der Beschwerde vom 5. April 2018, Seite 5 wird ausgeführt (Hervorhebung durch BFG): "Sämtliche Bescheide bezüglich der erwähnten Abgabenbeträge wurden, wie zwischenzeitig eruiert, erst am 6.10.2016 mit Fälligkeit im November 2016 und nur an den Masseverwalter zugestellt, …"Auch in der Stellungnahme vom 23. Juli/28. Juli 2025 führte der Bf. aus, dass der Haftungsbescheid an die konkursverfangene und zwischenzeitig gelöschte vormals vertretene GmbH an den Masseverwalter, jedoch dem Bf. oder seinem Rechtsvertreter niemals zugestellt worden sei.Das Finanzamt führte in seiner Stellungnahme vom 14. März 2025 aus, dass laut Aktenlage seitens des Finanzamtes Österreich nicht erkenn- und beweisbar sei, dass die Grundlagenbescheide dem Haftungsbescheid angeschlossen worden seien, somit aus Sicht des Finanzamtes ein Mangel des Verfahrens vorliege, der im Verfahren über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar sei.Das Bundesfinanzgericht geht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass der Haftungsbescheid gemäß § 100 EStG vom 30. September 2016 dem Bf. im Haftungsverfahren von der Abgabenbehörde nicht übermittelt wurde.
Gemäß § 9 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Recte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Zu den Vertretern juristischer Personen gehört ua. der Geschäftsführer einer GmbH (vgl. Leitner in Fischerlehner/Brennsteiner/Leitner/Petrag-Wolf, Abgabenverfahren4, § 80 BAO, Rz 6 mit Verweis auf VwGH 28.5.2009, 2008/15/0042).
Gemäß § 224 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß.
Die Bekanntgabe des Abgabenanspruches an den Haftungspflichtigen hat anlässlich der Geltendmachung der Haftung durch Zusendung einer Ausfertigung des maßgeblichen Bescheides zu erfolgen (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 248 Rz 1).
Einem mittels Haftungsbescheides für eine fremde Abgabenschuld in Anspruch genommenen persönlich Haftungspflichtigen ist im Hinblick auf die sich aus § 193 WAO [entspricht § 248 BAO] ergebende Möglichkeit, auch gegen den Abgabenanspruch (Abgabenbescheid) zu berufen, anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch (und zwar über Grund und Höhe des feststehenden Anspruches) Kenntnis zu verschaffen (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 248 E47; VwGH 13. 12. 1985, 84/17/0140, 0141, 0142, ÖStZB 1986, 420 = Slg 6062/F; VwGH 13. 11. 1987, 85/17/0035, ÖStZB 1988, 280; VwGH 25. 7. 1990, 88/17/0235).
Diese Kenntnisverschaffung hat in Fällen des § 248 BAO insbesondere durch Zusendung einer Ausfertigung (Ablichtung) der maßgeblichen Bescheide an den Haftungspflichtigen, allenfalls durch konkrete Mitteilung des Bescheidinhaltes zu geschehen, und ist selbst dann erforderlich, wenn der Haftungspflichtige, etwa weil ihm die betreffenden Bescheide als Geschäftsführer einer GmbH zugestellt wurden, vom Abgabenanspruch Kenntnis haben muss (Ritz/Koran, BAO8 § 248 Rz. 8 und Rz. 9 mwN).
Wird der zur Haftung Herangezogene nicht rechtzeitig darüber aufgeklärt, dass die Abgaben schon bescheidmäßig festgesetzt worden sind, liegt infolge unvollständiger Information ein Mangel des Verfahrens vor, der im Verfahren über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist (vgl. VwGH 28.2.2013, 2011/16/0053; VwGH 24.10.2013, 2013/16/0165)
Dem Haftungsbescheid sind - ausgenommen im Fall des § 224 Abs. 3 BAO - die maßgeblichen Abgabenbescheide beizulegen, andernfalls ein Mangel des Verfahrens vorliegt, der im Verfahren über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist (Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner/Leitner/Petrag-Wolf, Abgabenverfahren4, § 224 BAO, Rz 6 mit Verweis auf VwGH 24.2.2010, 2005/13/0145).
Im gegenständlichen Fall wurde dem Bf. von der Abgabenbehörde keine Kenntnis über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch verschafft und im Haftungsverfahren dem Haftungsbescheid der maßgebliche Abgabenbescheid (Haftungsbescheid gemäß § 100 EStG) nicht beigelegt.
Es liegt ein Mangel des Verfahrens vor, der im Beschwerdeverfahren gegen den gegenständlichen Haftungsbescheid nicht sanierbar ist.
Der Haftungsbescheid war aufzuheben. Auf das weitere Beschwerdevorbringen war nicht einzugehen.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Erkenntnis folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und liegt eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, nicht vor. Eine Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am 30. September 2025
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