JudikaturBFG

RV/5100548/2024 – BFG Entscheidung

Entscheidung
Sozialrecht
14. Mai 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom 13. Mai 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 30. April 2024 betreffend die Zurückweisung des Antrages auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung zum Ordnungsbegriff ***OB*** zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

A. Verfahren in den Jahren 2020 und 2021

Am 30.09.2020 wurde durch den Beschwerdeführer die Gewährung der Familienbeihilfe in Form eines Eigenantrages beantragt.

Zusätzlich wurde am 13.01.2021 durch den Beschwerdeführer die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung beantragt, und zwar rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den der medizinische Sachverständige feststellt, allerdings im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung. Begründend wurde auf die beiliegenden Befunde verwiesen.

Im Zuge dieses Verfahrens wurde am 13.04.2021 ein (erstes) medizinisches Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen Landesstelle OÖ - Sozialministeriumservice (in der Folge "SMS") erstellt. Im Rahmen dieses Gutachtens wurde ein Grad der Behinderung von 50% (ab 09/2020) sowie die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (ebenfalls ab 09/2020), festgestellt.

Begründend wurde im Rahmen dieses Gutachtens ausgeführt, dass eine Arbeitsfähigkeit nicht gegeben sei. Zudem würden keine Befunde vorliegen, die eine Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr bestätigen würden.

Auf Basis dieses Gutachtens wurden die obig angeführten Anträge mit Bescheiden vom 03.05.2021 jeweils als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, laut Sozialministeriumservice aufgrund des Nichtvorliegens von Befunden, die den Zeitraum vor Vollendung des 21. Lebensjahres betreffen, nicht festgestellt werden konnte.

Mit Schreiben vom 06.05.2021 wurde durch den Beschwerdeführer gegen die obig angeführten Abweisungsbescheide Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass das vom SMS erstellte Gutachten falsche Angaben enthalte. Zudem sei sowohl die Untersuchung selbst als auch das Verhalten des untersuchenden Arztes grob mangelhaft gewesen.

Als Folge der Beschwerde wurde am 09.07.2021 ein erneutes Gutachten durch das SMS erstellt. Im Rahmen dieses Gutachtens wurde wiederum ein Grad der Behinderung von 50% sowie die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, festgestellt. Abweichend vom Vorgutachten wurde jedoch das Vorliegen sowohl des Grades der Behinderung wie auch der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ab 05/2020 festgestellt. Begründend wurde ausgeführt, dass eine im Vergleich zum Vorgutachten weiter rückwirkende Anerkennung der diagnostizierten Krankheiten aufgrund des vorgelegten Befundes eines FA für Psychiatrie vom 15.05.2020 möglich sei.

Hinsichtlich einer noch weiter zurückreichenden Anerkennung betreffend die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wurde ausgeführt, dass die Arbeitsfähigkeit nicht gegeben sei, allerdings keine Befunde vorliegen würden, die eine Erwerbsunfähigkeit auch vor dem 21. Lebensjahr bestätigen.

Betreffend das Vorgutachten wurde ausgeführt, dass keine Befunde vorgelegt worden seien, die ein Bestehen des psychischen Leidens (Borderline, Depression) vor dem 21. Geburtstag bestätigen würden. In den vorliegenden Befunden sei lediglich in der Anamnese (d.h. das, was der Antragsteller erzählt) festgehalten, dass seit der Jugend eine geänderte geschlechtliche Orientierung bestünde. Dies sei aber einerseits keine Krankheit und andererseits kein objektiver Befund. Somit ergebe sich daraus keine Änderung des festgestellten Grades der Behinderung.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 06.09.2021 wurde die Beschwerde - unter Verweis auf das obig dargestellte Gutachten und die maßgeblichen Bestimmungen des FLAG 1967 - als unbegründet abgewiesen. Diese Beschwerdevorentscheidung wurde in weiterer Folge nicht mehr mit einem Rechtsmittel bekämpft.

B. (Erneuter) Antrag, Bescheid, Beschwerde

Am 25.01.2024 wurde durch den Beschwerdeführer ein erneuter Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe sowie des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung gestellt. Die Gewährung des Erhöhungsbetrages wurde - wie auch im unter Punkt "I. A." dargestellten Verfahren in den Jahren 2020/2021 - ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung beantragt.

Mit Bescheid vom 30.04.2024 wurde der Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Antrag vom Antrag vom 25.01.2024 als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei, da über den beantragten Zeitraum bereits mit Bescheid vom 06.09.2021 entschieden worden sei. Bei dem angesprochenen Bescheid vom 06.09.2021 handelt es sich um die vom Beschwerdeführer nicht weiter bekämpfte Beschwerdevorentscheidung, die im unter Punkt "I. A." dargestellten Verfahren ergangen ist.

Mit Eingabe vom 13.05.2024 wurde gegen den obig angeführten Zurückweisungsbescheid Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass der Antrag vom 25.01.2024 ein neuer Antrag für eine neue Begutachtung sei. Die neue Begutachtung habe am 26.03.2024 stattgefunden und das neue Gutachten sei viel aussagekräftiger als jene, die im Jahr 2021 erstellt worden seien. Dies daher, weil auch Befunde aus der Kindheit vorgelegen seien. Es werde um Information gebeten, warum den Gutachten aus 2021 der Vorzug gegeben werde und warum es zur Zurückweisung des Antrages vom 25.01.2024 gekommen sei.

C. Beschwerdevorentscheidung, Vorlageantrag

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 13.06.2024 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde auf das Gutachten des SMS vom 13.04.2024 verwiesen, wonach ein Grad der Behinderung von 50% sowie die nach dem 21. Lebensjahr eingetretene Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, festgestellt worden sei. Unter weiterem Verweis auf die maßgeblichen Normen des FLAG 1967 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Mit Eingabe vom 17.06.2024 wurde durch den Beschwerdeführer die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen gleichlautend wie bereits in der Beschwerde ausgeführt.

D. Gutachten des SMS

a) Gutachten vom 13.04.2021 - auszugsweise Wiedergabe

Anamnese:

Kommt erstmalig zur Untersuchung, ist 31 Jahre alt. Es wurde eine Borderline-Persönlichkeitsstörung mit Depressivität, Ängstlichkeit, Aggressivität, Unsicherheit in Sozialkontakten diagnostiziert.

Derzeitige Beschwerden:

Im Vordergrund stehen Depressionen, mach immer wieder Selbstverletzungen an beiden Beinen, ritzen und mit den Fingern. Hat Angst hinaus zu gehen, Sozialphobie, Angst vor Dunkelheit, Angst vor Menschenansammlungen. Derzeit fühlt er sich nicht arbeitsfähig, ist vermindert psychisch belastbar.

[…]

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Mag.a […] vom 22.9.2020: Borderline-Persönlichkeitsstörung mit Depressivität, Ängstlichkeit, Aggressivität, Unsicherheit in Sozialkontakten

KUK, Bestätigung in der Psychiatrie am Neuremed Campus 29.3.2021

Überweisung Neuromed Campus - psychiatrische Tagesklinik wegen Instabilität, Borderline, Transgender bekannt

Es gibt keine Befunde vor dem 21. Lebensjahr!!

[…]

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:Begründung der Rahmensätze:Pos.Nr.Gdb %
1Borderline-Störung, Depression50% aufgrund der Selbstverletzungen, der psychotherapeutischen Behandlung, Patient nicht arbeitsfähig03.04.0250

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden in Pkt. 1 bestimmt den Gesamtgrad von 50 %.

[…]

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:

x ja o nein

GdB liegt vor seit: 09/2020

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

Mag.a […] vom 22.9.2020

Keine Befunde vor dem 21. Lebensjahr vorhanden!!!

Herr ***Bf*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

JA

Dies besteht seit: 09/2020

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Arbeitsfähigkeit ist nicht gegeben, ist liegen keine Befunde vor, die eione Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr bestätigen

o Dauerzustand

x Nachuntersuchung: in 3 Jahren

Anmerkung hins. Nachuntersuchung:

Entwicklungs- und Verlaufskontrolle

[…]

b) Gutachten vom 12.07.2021 - auszugsweise Wiedergabe

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Beschwerde gegen das Vorgutachten vom 24.03.2021 durch […] mit 50% GdB wegen Borderline-Störung, Depression rückwirkend ab 22.09.2020 laut damals mitgebrachtem Befund. Keine Befunde vor dem 21. Lebensjahr vorhanden.

Alle im Akt befindlichen Befunde und der Schriftverkehr wurden eingesehen.

In der Beschwerde wird darauf hingewiesen, dass die Beschwerden "seit der Jugend" vorlägen.

Dr. […] FA Psychiatrie 15.05.2020 Psychiatrisches Gutachten

Diagnose Transidentität. Rezidiv, depressive Störung-derzeit leichtgradig depressiv. St.p. rez. SMV., St. p. schädlicher Gebrauch von Cannabis. Anamnese: Es besteht seit der Jugend eine geänderte geschlechtliche Orientierung.

Es gibt keine Befunde vor dem 21. Lebensjahr!!

[…]

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:Begründung der Rahmensätze:Pos.Nr.Gdb %
1Borderline-Störung, Depression50% aufgrund der Selbstverletzungen, der psychotherapeutischen Behandlung, Patient nicht arbeitsfähig03.04.0250

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

[…]

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Es wurden keine Befunde vorgelegt, die ein Bestehen des psychischen Leidens (Borderlien, Depression) vor dem 21. Geburtstag bestätigen würden. In den vorliegenden Befunden ist lediglich in der Anamnese (das was der Antragsteller erzählt) festgehalten, dass seit der Jugend eine geänderte geschlechtliche Orientierung bestünde. Dies ist aber einerseits keine Krankheit und andererseits kein objektiver Befund. Somit keine Veränderung des Grades der Behinderung.

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:

x ja o nein

GdB liegt vor seit: 05/2020

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

Die rückwirkende Anerkennung der Borderline Störung und Depression kann aufgrund des vorgelegten Befundes von Dr. […] FA Psychiatrie 15.05.2020 ab 05/2020 erfolgen.

Herr ***Bf*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

JA

Dies besteht seit: 05/2020

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Arbeitsfähigkeit ist nicht gegeben, ist liegen keine Befunde vor, die eine Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr bestätigen

o Dauerzustand

x Nachuntersuchung: in 3 Jahren

Anmerkung hins. Nachuntersuchung:

eine Besserung ist möglich durch weitere Therapie

[…]

c) Gutachten vom 23.04.2024 - auszugsweise Wiedergabe

[…]

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

2008-03-18 und 2008-06-12 KH Elisabethinen: Alkoholintoxikation

2010-09-28 KHBB Linz: Anpassungsstörung. Keine weitere informative Stellungnahme

2011-11-19 KUK Linz, Unfall: V.sciss. reg. antebrachii dext (Selbstverletzung)

2020-09-22 Mag. […], Psychologin: leicht unterdurchschnittliche Intelligenz. Schizoide Persönlichkeitsakzentuierung, Borderline Wesenszüge.

2021-03-29 KUK Linz: Emotional instabile Persönlichkeitsstörung - Borderlinetyp. Transsexualismus. Alkoholabhängigkeit, ggw. abstinent. Psych. und Verhaltensstörungen durch Tabak. Spez. Phobien (Dunkelheit, enge Räume).

2016-05-06 KUK Linz: Alkoholintoxikation

2017-08-09 KUK Linz: Gastritis

[…]

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:Begründung der Rahmensätze:Pos.Nr.Gdb %
1Persönlichkeits- und VerhaltensstörungenBorderlinestörung, Depression. Alkoholkrankheit. Transsexualismus (Hormontherapie). Nicht arbeitsfähig.03.04.0250

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

[…]

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Keine weiteren relevanten Leiden zur Einstufung (chronische Darmstörung ohne Befund)

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Unverändert

GdB liegt vor seit: 05/2020

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

Siehe VGA

Herr ***Bf*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

JA

Dies besteht seit: 09/2020

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Infolge der psychischen Erkrankung ist die Unterbringung am freien Arbeitsmarkt derzeit nicht möglich

o Dauerzustand

x Nachuntersuchung: in 3 Jahren

Anmerkung hins. Nachuntersuchung:

Stabilisierung möglich

[…]

d) Gutachten vom 05.09.2024 - auszugsweise Wiedergabe

[…]

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe. Alle elektronisch vorhandenen Befunde wurden eingesehen und auszugsweise angeführt . Gutachten aufgrund der Aktenlage. Letztgutachten […], 3/2024 50% Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, Borderlinestörung, Depression. Alkoholkrankheit. Transsexualismus (Hormontherapie). Nicht arbeitsfähig.

12/1999 Stationärer Aufenthalt wegen Gastroenteritis

10/1990 KHBS Linz: ***Bf*** kommt am 15.10. wegen gastrointestinalen Infekt und Windeldermatitis zur stat. Aufnahme. Wir geben anfangs Glukose-Mischinfusionen,

2/2004 KUK, Linz: Pes planuns utriusque. Modelleinlagen nach Footscan, besseres Schuhwerk

20.6.2008 AKH Linz: Vergewaltigungsversuch, Alkoholintoxikation.

2017-01-18 KUK Linz: Frau ***Bf*** kommt heute zur Kontrolle bei Knieschmerzen seit einigen Monaten linksseitig. Das Kniegelenk äußerlich völlig bland, auch völlig frei beweglich, keine Bandinstabilitäten, die Patella hat einen zentralen Lauf

[…]

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:Begründung der Rahmensätze:Pos.Nr.Gdb %
1Persönlichkeits- und VerhaltensstörungenBorderlinestörung, Depression. Alkoholkrankheit. Transsexualismus (Hormontherapie). Nicht arbeitsfähig.03.04.0250

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Nummer 1 bestimmt den Gesamtgrad von 50%

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Es liegen keine weiteren, relevanten Leiden zur Einstufung vor.

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Unverändert

GdB liegt vor seit: 05/2020

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

Siehe VGA

Herr ***Bf*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

JA

Dies besteht seit: 09/2020

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Infolge der psychischen Erkrankung ist die Unterbringung am freien Arbeitsmarkt derzeit nicht möglich

o Dauerzustand

x Nachuntersuchung: 03/2027

Anmerkung hins. Nachuntersuchung:

Stabilisierung möglich

[…]

E. Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am 06.08.2024 zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Schreiben vom 20.08.2024 wurde das belangte Finanzamt im Rahmen eines Ermittlungsauftrages gemäß § 269 Abs. 2 BAO um die erneute Einholung eines Sachverständigengutachtens beim SMS ersucht. Hintergrund sind die vom Beschwerdeführer zusätzlich vorgelegten Befunde, die - laut Ausführungen des Beschwerdeführers - in den bisher von den Gutachtern des SMS erstellten Gutachten keinen Eingang gefunden hätten.

Mit Schreiben vom 24.09.2024 wurde durch das belangte Finanzamt mitgeteilt, dass das erneute Sachverständigengutachten vom SMS am 02.09.2024 erstellt worden sei und sich aus diesem Gutachten keine Änderung in der Beurteilung ergeben würden. Dieses Gutachten wurde durch den erkennenden Richter am 30.09.2024 beim SMS angefordert und am gleichen Tag übermittelt. Zum Inhalt dieses Gutachtens siehe oben, Punkt "I. D. d)".

Mit Schreiben vom 30.09.2024 wurde das ärztliche Sachverständigengutachten des SMS vom 05.09.2024 an den Beschwerdeführer übermittelt und die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

Im Rahmen eines Telefonates am 08.10.2024 wurde durch den Beschwerdeführer bemängelt, dass sich die vorliegenden SMS-Gutachten nicht ausreichend mit den vorgelegten Befunden auseinandersetzen würden. Aus diesem Grund werde die Erstellung eines Privatgutachtens durch einen mit der Krankheitsgeschichte des Beschwerdeführers vertrauten Arztes in Aussicht gestellt. Ebenfalls wurde mitgeteilt, dass sich der Beschwerdeführer nach Rücksprache mit dem Arzt mit einem ungefähren Zeitplan melden wird.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist am ***GebDat*** geboren und hat somit am ***Datum*** das 21. Lebensjahr vollendet.

Am 13.01.2021 hat der Beschwerdeführer erstmals die (rückwirkende) Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung im Wege eines Eigenantrages beantragt. Sowohl dieser Antrag als auch der ebenfalls gestellte Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe vom 30.09.2020 wurden - nach erfolgter Gutachtenserstellung durch einen medizinischen Sachverständigen des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen - Sozialministeriumservice (in der Folge "SMS") - mit Bescheiden vom 03.05.2021 für den Zeitraum "ab September 2020" abgewiesen. Die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde vom 10.05.2021 wurde - nach erneuter Gutachtenserstellung durch einen medizinischen Sachverständigen des SMS - mit Beschwerdevorentscheidung vom 06.09.2021 als unbegründet abgewiesen. Diese Beschwerdevorentscheidung wurde nicht mit Vorlageantrag bekämpft.

Am 25.01.2024 hat der Beschwerdeführer erneut die (rückwirkende) Gewährung der Familienbeihilfe sowie des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung im Wege eines Eigenantrages beantragt.

Im bisherigen Verfahren wurden durch das SMS vier Gutachten betreffend den Beschwerdeführer erstellt (siehe den obigen Punkt "I.D." zum Inhalt der Gutachten). Beim Beschwerdeführer liegt seit 05/2020 ein Grad der Behinderung von 50% vor. Zusätzlich besteht ab 09/2020 die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Entgegen der Ankündigung im Rahmen des Telefonats vom 08.10.2024 wurden bis dato weder ein Privatgutachten noch sonstige Unterlagen vorgelegt, die Anlass zu einer erneuten Gutachtenserstellung durch das SMS gegeben hätten.

2. Beweiswürdigung

A. Allgemeines

Die Abgabenbehörde hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele VwGH 09.09.2004, 99/15/0250) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.

Die Feststellung betreffend das Geburtsdatum des Beschwerdeführers ergibt sich aus der auf dem angefochtenen Bescheid enthaltenen Sozialversicherungsnummer. Die Feststellungen betreffend das in den Jahren 2020 und 2021 geführte und abgeschlossene Verfahren ergeben sich aus den angeführten Eingaben und Bescheiden.

Das Datum des (erneuten) Antrages auf (rückwirkende) Gewährung der Familienbeihilfe sowie des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ergibt sich aus diesem.

B. Gutachten des SMS

Der Gesetzgeber hat durch die Bestimmung des (unten zitierten) § 8 Abs. 6 FLAG 1967 die Frage des Grades der Behinderung und auch die damit in der Regel unmittelbar zusammenhängende Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen (VfGH 10.12.2007, B 700/07).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden sind und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten einander nicht widersprechen (z.B. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/16/0053; VwGH 22.12.2011, 2009/16/0307 und 2009/16/0310, mwN).

Wurden von der Abgabenbehörde bereits solche Sachverständigengutachten eingeholt, erweisen sich diese als schlüssig und vollständig und wendet der Beschwerdeführer nichts Substantiiertes ein, besteht für das Bundesfinanzgericht kein Grund, neuerlich ein Sachverständigengutachten einzuholen (VwGH 26.05.2011, 2011/16/0059).

Aufgrund der Vorlage von bis dato nicht berücksichtigten Befunden im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht durch den Beschwerdeführer wurde das belangte Finanzamt im Wege eines Ermittlungsauftrages um die erneute Einholung eines Gutachtens beim SMS unter Beachtung dieser neu vorgelegten Befunde ersucht. Dieses Gutachten ist am 05.09.2024 ergangen (siehe oben, Punkt "I.D.d)" zum Inhalt dieses Gutachtens).

Eine Unschlüssigkeit oder Unvollständigkeit der gegenständlichen Gutachten vom 13.04.2021, vom 12.07.2021, vom 23.04.2024 sowie vom 05.09.2024 liegt aus den folgenden Gründen ebenso wenig vor wie ein Widerspruch zwischen den Gutachten:

Im Rahmen sämtlicher Gutachten wird ein Grad der Behinderung von 50% festgestellt, und zwar entweder ab 09/2020 (Gutachten vom 13.04.2021) oder ab 05/2020 (Gutachten vom 12.07.2021, vom 23.04.2024 sowie vom 05.09.2024). Zudem wird auch in sämtlichen Gutachten die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, festgestellt, und zwar entweder ab 09/2020 (Gutachten vom 13.04.2021, vom 23.04.2024 sowie vom 05.09.2024) oder ab 05/2020 (Gutachten vom 12.07.2021).

Diese Abweichungen führen nicht zu einem Widerspruch zwischen den Gutachten. Dies deshalb, weil die (durchgängige) rückwirkende Feststellung des Grades der Behinderung ab 05/2020 ab dem zweiten Gutachten auf der entsprechenden Vorlage eines Befundes aus 05/2020 beruht, der bei der Erstellung des ersten Gutachtens noch nicht verfügbar war. Auch hinsichtlich der Abweichung im Bereich der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, liegt kein maßgeblicher Widerspruch vor. Zwar werden die jeweils gewählten Beginnmonate (05/2020 oder 09/2020) nicht explizit erklärt. Allerdings beträgt die Differenz einerseits nur wenige Monate und ist die Klärung des tatsächlich zutreffenden Beginnmonats im gegenständlichen Verfahren andererseits auch nicht erforderlich, da sowohl der Mai 2020 als auch der September 2020 deutlich nach Vollendung des 21. Lebensjahres des Beschwerdeführers im Juni 2010 liegen. Ausgehend von der jeweiligen Mehrheit der Gutachten wird somit der Beginn des Grades der Behinderung von 50% ab 05/2020 und der Beginn der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ab 09/2020 angenommen.

Auch eine Unvollständigkeit oder Unschlüssigkeit der erstellten Gutachten ist nicht ersichtlich. Sämtliche Gutachten kommen hinsichtlich des Grades der Behinderung sowie der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, zum identen Ergebnis (wenn auch - wie dargestellt - mit leichten Abweichungen beim Beginn). Als führend und maßgeblich wird in sämtlichen Gutachten die vorliegende Borderline-Störung und Depression des Beschwerdeführers angeführt, der weiters vorgebrachten chronischen Darmstörung wurde von den medizinischen Sachverständigen kein Einfluss auf den Grad der Behinderung zugebilligt. Auch aus den vom Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht zusätzlich vorgelegten Befunden, die im letzten Gutachten des SMS vom 05.09.2024 entsprechend gewürdigt wurden, konnte die medizinische Sachverständige keine abweichenden Feststellungen ableiten. Schließlich ist noch darauf zu verweisen, dass es - trotz gegenteiliger Ankündigung im Rahmen eines Telefonates am 08.10.2024 - bis dato nicht zur Vorlage eines Privatgutachtens oder sonstiger Unterlagen gekommen ist, auf Basis derer die Erstellung eines weiteren SMS-Gutachtens angezeigt wäre. Dies ungeachtet dessen, dass im Rahmen von insgesamt vier Telefonaten (08.10.2024, 18.10.2024, 05.11.2024, 23.01.2025) die Erstellung/Übermittlung eines Privatgutachtens oder zumindest eine erneute Rücksprache bis - zuletzt - Ende März 2025 zugesagt wurde. Da dies nicht erfolgt ist, geht der erkennende Richter somit - auch unter Beachtung der Mitwirkungspflicht in Beihilfenverfahren - nicht davon aus, dass der Vollständigkeit und Schlüssigkeit der SMS-Gutachten von Seiten des Beschwerdeführers fundiert entgegengetreten wird.

Im Ergebnis besteht somit keine Veranlassung, an der Vollständigkeit, Schlüssigkeit und Widerspruchsfreiheit der vorliegenden Gutachten zu zweifeln. Diese waren somit - gemäß der obig zitierten Rechtsprechung des VwGH - der gegenständlichen Entscheidung zugrunde zu legen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

A. Rechtsgrundlagen

§ 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 lautet:

(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

[…]

c) für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen,

[…]

§ 8 FLAG 1967 lautet auszugsweise:

[…]

(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom 18. August 2010, BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahre neu festzustellen, wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist.

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem Finanzamt Österreich durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. […]

B. Erwägungen

a) Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung

Wie sich aus dem obig zitierten § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 ergibt, steht die Familienbeihilfe (und somit ein etwaiger Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung) beispielsweise dann zu, wenn eine Person aufgrund einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß dem festgestellten Sachverhalt hat der Beschwerdeführer am ***Datum*** das 21. Lebensjahr vollendet. Ebenfalls gemäß dem festgestellten Sachverhalt besteht beim Beschwerdeführer ein Grad der Behinderung von 50% ab 05/2020 sowie die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ab 09/2020. Da die körperliche oder geistige Behinderung, die dazu führt, dass der Beschwerdeführer voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist, kann ein Anspruch auf (erhöhte) Familienbeihilfe nicht aus der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 abgeleitet werden. Da das Vorliegen einer anderen Anspruchsgrundlage weder vorgebracht wurde noch sich eine solche aus dem vorliegenden Akteninhalt bzw. dem festgestellten Sachverhalt ergibt, besteht auf Ebene des Beschwerdeführers kein Anspruch auf (erhöhte) Familienbeihilfe. Dies steht im Einklang mit den Abweisungsbescheiden vom 03.05.2021 sowie der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom 06.09.2021.

b) Entschiedene Sache

Ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrundeliegende Sach- und Rechtslage nicht ändert.

Wird somit nach Erlassung eines solchen Bescheides neuerlich ein Antrag auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe gestellt, so hat das Finanzamt zu prüfen, ob oder zu welchem Zeitpunkt sich die Sach- und Rechtslage geändert hat. Für den Zeitraum vom Zeitpunkt, ab dem die Familienbeihilfe neuerlich beantragt wurde, bis zu einem späteren Zeitpunkt, in dem sich die Sach- und Rechtslage gegenüber dem ersten Bescheid geändert hat (auch wenn dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt der Erlassung des ersten Bescheides liegt), liegt durch den ersten Bescheid res iudicata vor. Für diesen Zeitraum ist der neuerliche Antrag zurückzuweisen. Eine meritorische Entscheidung über den neuerlichen Antrag hat nur insoweit zu erfolgen, als sich die Sach- oder Rechtslage seit Erlassung des Bescheides über den seinerzeitigen Antrag geändert hat und dem neuerlichen Antrag auch nach Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht vollinhaltlich entsprochen wird (VwGH 26.04.2018, Ra 2018/16/0003, mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des VwGH).

Im Rahmen des streitgegenständlichen Bescheides wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung wegen bereits entschiedener Sache zurückgewiesen. Diese "bereits entschiedene Sache" liegt vor, da die Abweisungsbescheide betreffend den Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe sowie den Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung vom 03.05.2021 in Rechtskraft erwachsen sind. Im Rahmen dieser Bescheide wurde die Abweisung der Anträge "ab September 2020" ausgesprochen.

Gemäß der obig zitierten Rechtsprechung des VwGH gelten diese Abweisungsbescheide vom 03.05.2021 jedoch über das Bescheiddatum (d.h. den 03.05.2021) hinaus so lange weiter, bis sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage nicht ändert. Dass sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage bis dato nicht geändert hat, ergibt sich aus den obig unter Punkt "II. 3.1 B. a)" enthaltenen Ausführungen, wonach der Beschwerdeführer auch nach derzeitigem Stand keinen Anspruch auf (erhöhte) Familienbeihilfe hat, da die körperliche oder geistige Behinderung, die dazu führt, dass der Beschwerdeführer voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist (§ 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967).

Die Zurückweisung des Antrages auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung vom 25.01.2024 mit Bescheid vom 30.04.2024 ist daher zu Recht erfolgt. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid war abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen beschränkten sich einerseits auf Rechtsfragen, welche bereits in der bisherigen (oben zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet wurden. Im Übrigen hing der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab.

Linz, am 14. Mai 2025