Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 2025, G310 23137371/3E, betreffend Aufhebung eines Bescheides und Zurückverweisung zur neuerlichen Entscheidung in Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (Mitbeteiligter: L T), zu Recht erkannt:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Der Mitbeteiligte stellte am 17. Juli 2024 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl tätigte Erhebungen zu den vom Mitbeteiligten vorgebrachten Gründen, weshalb ihm Asyl oder (aufgrund von Erkrankungen) subsidiärer Schutz zu gewähren sei und zu seiner Staatsangehörigkeit. Zu diesem Zweck wurde der Mitbeteiligte von der Behörde vernommen, von ihm eine schriftliche Stellungahme abverlangt sowie in Berichte, die zu Venezuela und Peru allgemeine Informationen enthalten, und in vom Mitbeteiligten vorgelegte Unterlagen Einsicht genommen.
3 In der Folge wurde der vom Mitbeteiligten gestellte Antrag vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 24. April 2025 hinsichtlich der Begehren auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. festgestellt, dass seine Abschiebung nach Peru zulässig sei, und die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
4 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging soweit hier von Interesse davon aus, dass der Mitbeteiligte sowohl über die Staatsangehörigkeit von Peru als auch von Venezuela verfüge. Er habe sich schon früher unrechtmäßig in Österreich aufgehalten und im November 2019 die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt. Am 5. August 2021 sei er nach Venezuela zurückgekehrt. Bereits am 29. August 2021 sei er wieder in das Bundesgebiet eingereist. Er sei zuletzt bei der in Österreich ansässigen Botschaft von Venezuela als Chauffeur tätig gewesen.
5 Weiters traf die Behörde (unter anderem) Feststellungen zu den früheren Lebensverhältnissen des Mitbeteiligten in Venezuela und zu den Umständen seiner Lebensverhältnisse in Österreich und seinen Erkrankungen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ging unter Darlegung der nach ihrer Ansicht maßgeblichen Gründe davon aus, dass der Revisionswerber weder in Peru noch in Venezuela asylrelevante Verfolgung zu befürchten habe. Im Bescheid vom 24. April 2024 finden sich auch Feststellungen zur allgemeinen Situation in Venezuela (und Peru).
6 Der Mitbeteiligte erhob Beschwerde gegen diesen Bescheid, der er (unter anderem) eine Bestätigung der in Österreich ansässigen Botschaft von Peru beilegte, der zufolge er ausdrücklich auf die Staatsangehörigkeit von Peru verzichtet habe und dieser Verzicht mit 15. April 2025 wirksam werde.
7Mit dem in Revision gezogenen Beschluss sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Beschwerde insofern Folge gegeben werde, als der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen werde. Unter einem erklärte es die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
8 In seiner Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges aus, einem Antragsteller, der mehrere Staatsangehörigkeiten besitze, stehe im Fall einer (gemeint: in bloß einem dieser Staaten gegebenen) Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) eine „Ausweichmöglichkeit“ (im anderen Staat) zur Verfügung. Im gegenständlichen Fall sei aber diese „Ausweichmöglichkeit“ nicht mehr gegeben. Damit sei der Sachverhalt „zu zentralen Fragen im Tatsachenbereich grundlegend klärungsbedürftig“. Es könne „aufgrund einer in Bezug auf Venezuela gänzlich fehlenden Sachverhaltsgrundlage nicht beurteilt werden“, ob die Furcht des Mitbeteiligten vor Verfolgung wohlbegründet im Sinn der GFK sei. Da die „notwendigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid in Bezug auf Venezuela, wenngleich ohne Verschulden der belangten Behörde, gänzlich unterblieben“ seien und hinsichtlich des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes „auch keine brauchbaren Ermittlungsergebnisse aktenkundig“ seien, sei „zu den hier bedeutsamen Fragen im Tatsachenbereich keine Sachverhaltsgrundlage für eine Entscheidung vorhanden und die Rechtssache nicht entscheidungsreif“. Es könne nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichts sein, das Ermittlungsverfahren hinsichtlich jenes Sachverhaltselements neu zu beginnen, welches den Kern und die Grundlage des angefochtenen Bescheides bilde. In einem Asylverfahren handle „es sich bei dem Herkunftsstaat wohl um das grundlegendste Sachverhaltselement“, auf das das gesamte weitere Verfahren im Sinn der Prüfung einer auf diesen Staat bezogenen Rückkehrgefährdung aufbaue.
9 Die Erhebung einer Revision sei mangels Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG, insbesondere wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung über die Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG nicht zulässig.
10 Das Bundesverwaltungsgericht legte die gegen diesen Beschluss vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erhobene Revision samt den Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof vor. Vom Verwaltungsgerichtshof wurde das Vorverfahren eingeleitet. Der (im Revisionsverfahren nicht vertretene) Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revisionin einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
12Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Bundesverwaltungsgericht gehe fälschlicherweise davon aus, dass die Behörde jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen oder bloß ansatzweise ermittelt hätte. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe Ermittlungen zu einer Verfolgung des Mitbeteiligten in Venezuela angestellt. Es lägen „auch und gerade in Bezug auf Venezuela entsprechende Ermittlungsergebnisse vor“, die im Bescheid vom 24. April 2025 Niederschlag gefunden hätten. Dieser enthalte umfassende beweiswürdigende Ausführungen auch zum vom Mitbeteiligten erstatteten den Herkunftsstaat Venezuela betreffenden Vorbringen. Es sei auch von der Behörde dargelegt worden, dass ihm dort keine asylrelevante Verfolgung drohe. Außerdem enthalte der Bescheid Feststellungen zur Lage in Venezuela. Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG seien somit nicht vorgelegen.
13 In der vom Mitbeteiligten erstatteten Revisionsbeantwortung finden sich lediglich Ausführungen dazu, weshalb ihm der weitere Aufenthalt in Österreich zu gestatten sei. Auf den Inhalt der Revision und des angefochtenen Beschlusses nimmt er nicht Bezug.
14 Die Revision ist aus den in der Amtsrevision angeführten Gründen zulässig und berechtigt.
15Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.
16Zu den für kassatorische Entscheidungen gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG geltenden Voraussetzungen wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das sich grundlegend damit befassende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, verwiesen. Demnach ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte gesetzlich festgelegt. Die nach § 28 VwGVG verbleibenden Ausnahmen von der meritorischen Entscheidungspflicht sind strikt auf den ihnen gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt hat oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass die Verwaltungsbehörde Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, rechtfertigen keine Zurückverweisung, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allfälligen mündlichen Verhandlung zu vervollständigen sind (vgl. zum Ganzen etwa auch VwGH 26.5.2021, Ra 2018/22/0132, mwN).
17 Dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht erfüllt waren, ergibt sich schon aus dem im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen Verfahrensgang. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat anders als das Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss behauptet und wie sich aus der oben stehenden auszugsweisen Wiedergabe des Verfahrensganges und des Inhalts des Bescheides ergibt auch zum sich auf Venezuela beziehenden Vorbringen geeignete Ermittlungen getätigt. Weiters hat es sich zudem im angefochtenen Bescheid auf die Ergebnisse dieser Ermittlungen bezogen und Feststellungen zum sich auf diesen Staat beziehenden Vorbringen des Mitbeteiligten getroffen.
18 Anzumerken ist in diesem Zusammenhang der Vollständigkeit halber (was aber angesichts des Vorliegens hinreichender Ermittlungen nicht entscheidungswesentlich ist), dass die Ausführungen zu den Feststellungen zur Situation in Venezuela (aber auch zu jener in Peru) im Bescheid zwar in einer sehr kleinen Schriftgröße gehalten wurden und damit die Lesbarkeit des Bescheides deutlich und unangemessen erschwert wird. Jedoch stellt sich die gewählte Schriftgröße gerade noch als nicht so klein dar, dass die Lesbarkeit dieser Ausführungen gänzlich unmöglich wäre (und infolgedessen die sich auf diese Weise darbietenden Feststellungen als nicht im Bescheid enthalten einzustufen wären).
19Da nach dem Gesagten die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht gegeben waren, war der angefochtene Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 20. Oktober 2025
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