JudikaturVwGH

Ra 2025/20/0371 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
01. September 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Kreil, in der Rechtssache der Revision des D T, vertreten durch Mag. Dr. Martin Enthofer, Rechtsanwalt in Linz, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Juli 2025, I403 23116291/5E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Kamerun, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 9. Juni 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 4. April 2025 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Kamerun zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision - nach § 28 Abs. 3 VwGG gesondert - vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

7In der Begründung für die Zulässigkeit der Revision bezieht sich der Revisionswerber auf die allgemeine Versorgungssituation und Sicherheitslage in seinem Herkunftsstaat und macht der Sache nach geltend, seine Rückführung verstoße gegen Art. 3 EMRK. In diesem Zusammenhang wird vom Revisionswerber auch vorgebracht, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Erwägungen, weshalb es den Beweisanträgen, womit es die Vornahme von Ermittlungen im Herkunftsstaat abgelehnt habe, unzureichend begründet habe.

8Soweit der Revisionswerber einen Verfahrensfehler darin erblickt, dass von ihm in seinem Herkunftsstaat begehrte Ermittlungen unterblieben sind, ist er darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein allgemeines Recht auf eine fallbezogene Überprüfung des Vorbringens eines Asylwerbers durch Recherchen im Herkunftsstaat nicht besteht (vgl. VwGH 3.6.2020, Ra 2020/20/0161, mwN). Schon deswegen ist die Abstandnahme von den beantragten Beweisaufnahmen aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

9Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen.

10 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vorliegen, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinenhöheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen.

11Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung für sich genommen selbst ein Leben im Herkunftsstaat in ärmlichen Verhältnissen nicht dazu führt, dass eine Verletzung des Art. 3 EMRK gegeben sein könnte (vgl. zu all dem VwGH 1.7.2025, Ra 2025/20/0167, mwN).

12 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich im Rahmen einer Verhandlung vom Revisionswerber einen unmittelbaren Eindruck verschafft und sich im angefochtenen Erkenntnis mit seiner individuellen Situation im Fall der Rückkehr nach Kamerun auseinandergesetzt. Dabei hat es mit näherer Begründung dargelegt, dass es dem Revisionswerber aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse möglich sein werde, aus eigenem für die Sicherung und Befriedigung seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse Sorge zu tragen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich darüber hinaus unter Bezugnahme auf die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat mit der dortigen Versorgungs- und Sicherheitslage auseinandergesetzt. Dass dieses bei seinen Erwägungen die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien missachtet oder in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht hätte, wird vom Revisionswerber, dessen Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision sich als bloß pauschal gehalten darstellen und die mit den vom Bundesverwaltungsgericht nach dem oben Gesagten in verfahrensrechtlich nicht zu beanstandender Weise getroffenen Feststellungen nicht in Einklang zu bringen sind, nicht aufgezeigt.

13 In der Revision wird sohin keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 1. September 2025