JudikaturVwGH

Ra 2025/20/0167 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
01. Juli 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Stüger, in der Rechtssache der Revision des F M, vertreten durch Dr. Max Kapferer, Dr. Thomas Lechner Dr. Martin Dellasega, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. März 2025, W124 2302187 1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Somalia, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 26. September 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 3. Oktober 2024 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Weiters stellte die Behörde das Verfahren über die vom Revisionswerber zwischenzeitig erhobene Säumnisbeschwerde ein.

3 Die dagegen vom rechtsanwaltlichen Vertreter namens des Revisionswerbers erhobene Beschwerde, die sich nach der Aufzählung jener subjektiven Rechte, in denen sich der Revisionswerber als verletzt erachtete, sowie nach deren Inhalt nicht gegen den Ausspruch über die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens gerichtet hatte, wurde vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

7 Der Revisionswerber wendet sich in der Begründung der Zulässigkeit der von ihm erhobenen Revision gegen die Versagung der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten. Er habe in den Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht vorgebracht, dass sein Vater und seine Schwester bei einem Überfall der al Shabaab getötet worden seien. Sowohl das Bundesverwaltungsgericht als auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hätten seinem Vorbringen die Glaubwürdigkeit versagt. Es gebe aber „unter Berücksichtigung des kompletten Akteninhalts nicht ein Beweisergebnis“, das darauf schließen lasse, dass der Vater und die Schwester noch lebten, so sehr sich der Revisionswerber dies auch wünsche. Weiters vertritt der Revisionswerber unter Hinweis auf den Inhalt von Berichten zur Situation in Somalia die Ansicht, dass die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, seine Rückführung nach Somalia werde zu keiner Verletzung der ihm nach Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte führen, unzutreffend sei.

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 14.10.2024, Ra 2024/20/0447, mwN).

9 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vorliegen, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl. nochmals VwGH Ra 2024/20/0447, mwN).

10 Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung für sich genommen selbst ein Leben im Herkunftsstaat in ärmlichen Verhältnissen nicht dazu führt, dass eine Verletzung des Art. 3 EMRK gegeben sein könnte (vgl. VwGH 1.7.2024, Ra 2024/20/0347, mwN).

11 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung gelingt es dem Revisionswerber nicht darzulegen, dass die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Fehler behaftet wäre. Entgegen der Behauptungen des Revisionswerbers hat sich das Bundesverwaltungsgericht, das sich im Rahmen einer Verhandlung vom Revisionswerber einen unmittelbaren Eindruck verschafft hat, mit seiner individuellen Situation im Fall der Rückkehr nach Somalia auseinandergesetzt. Dabei ist das Verwaltungsgericht auch nicht was allein der Revisionswerber als Prämisse seinem Vorbringen zugrunde legt davon ausgegangen, dass die Existenz des Revisionswerbers in seinem Herkunftsstaat nur dann gesichert wäre, wenn er dort die Unterstützung seines Vaters und seiner Schwester hätte. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht betont, dass es dem Revisionswerber aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse möglich sein werde, aus eigenem für die Sicherung und Befriedigung seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse Sorge zu tragen (S 106 des angefochtenen Erkenntnisses). Das Bundesverwaltungsgericht hat sich unter Bezugnahme auf die vorhandenen Länderberichte auch ausreichend mit der Frage der sicheren Erreichbarkeit der Herkunftsregion des Revisionswerbers sowie der Sicherheitslage an diesem Ort befasst. Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts sind in ihrer Gesamtheit aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Dass es bei seinen Erwägungen die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien missachtet oder in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht hätte, ist nicht zu sehen.

12 Das Vorbringen des Revisionswerbers zielt der Sache nach darauf ab, dass er aus den vorhandenen Berichten zu Somalia ableiten möchte, es müsste jedem somalischen Staatsangehörigen unabhängig von seiner persönlichen Situation jedenfalls aber dann, wenn er in Somalia keine familiäre Unterstützung habe und aus der Herkunftsregion des Revisionswerbers stamme subsidiärer Schutz gewährt werden. Dass eine derartige Sichtweise gerechtfertigt wäre, kann aber selbst der in der Revision (im Übrigen bloß selektiv) zitierten Berichtslage nicht entnommen werden.

13 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 1. Juli 2025

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