Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision des B A, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. April 2025, I425 22873191/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 4. Oktober 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er als alevitischer Kurde in der Türkei als „Mensch zweiter Klasse“ behandelt werde und insbesondere nach dem Erdbeben im Februar 2023 keine Unterstützung erhalten habe.
2Mit Bescheid vom 18. Jänner 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Dagegen erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8In seiner Zulässigkeitsbegründung bringt der Revisionswerber vor, das BVwG habe ihm die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 verweigert, ohne eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Einzelfallprüfung nach Art. 8 EMRK vorzunehmen. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen auch ein kurzzeitiger Aufenthalt mit subjektiv klarer Lebensverlagerung und politisch-kultureller Entwurzelung aus dem Herkunftsstaat ein schutzwürdiges Privatleben im Sinne des Art. 8 EMRK begründe, stelle eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar.
9Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nach dem klaren Wortlaut des § 58 Abs. 2 AsylG 2005 die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 nur dann von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Es handelt sich dabei um jene Fälle, in denen der Erlassung einer Rückkehrentscheidung eine sonst drohende Verletzung des Privatund Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK entgegensteht (vgl. VwGH 20.6.2023, Ra 2023/19/0104, mwN).
10Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFAVG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. erneut VwGH Ra 2023/19/0104, mwN).
11Eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK stellt im Allgemeinen wenn kein revisibler Verfahrensmangel vorliegt und sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurdekeine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. abermals VwGH Ra 2023/19/0104, mwN).
12Fallbezogen war dem Revisionswerber schon deswegen kein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 aus Gründen des Art. 8 EMRK zu erteilen, weil eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA VG nicht für auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Dass die vom BVwG im Rahmen der Rückkehrentscheidung vorgenommene einzelfallbezogene Interessenabwägung mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wäre, zeigt der Revisionswerber nicht ansatzweise auf.
13 In der Revision (die im Übrigen auch keinen tauglichen Revisionspunkt enthält) werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 27. August 2025