JudikaturVwGH

Ra 2025/15/0018 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
14. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des R M in G, vertreten durch Mag. Erich Hochauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fütterergasse 1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 10. Dezember 2024, Zl. RV/7101530/2022, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Versäumung der Beschwerdefrist), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Über seinen zustellungsbevollmächtigten Wirtschaftstreuhänder sind dem Revisionswerber nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2012 bis 2018, Einkommensteuer 2012 bis 2018 sowie Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2012 bis 2018 jeweils vom 18. Februar 2021 per Databox übermittelt worden.

2 Die dagegen verfasste Beschwerde samt Beilagen wurde am 8. März 2021 bei der Post aufgegeben. Am 14. April 2021 wurde die steuerliche Vertretung des Revisionswerbers durch eine Mitarbeiterin des Finanzamtes telefonisch darauf aufmerksam gemacht, dass beim Finanzamt bis dato keine Bescheidbeschwerde eingelangt sei, woraufhin diese ihr am selben Tag die Beschwerde samt Postaufgabeschein per E-Mail übermittelte. Am 7. Mai 2021 teilte das Finanzamt der steuerlichen Vertretung mit Vorhalteschreiben schriftlich mit, dass noch immer keine Beschwerde (postalisch) eingelangt sei.

3 Am 11. Mai 2021 langte beim Finanzamt postalisch ein mit 8. März 2021 datiertes Schreiben der steuerlichen Vertretung ein, in dem Bescheidbeschwerde gegen die Wiederaufnahme und Sachbescheide erhoben wurde. Am 9. Juni 2021 wurde beim Finanzamt Österreich, gemeinsame Einlaufstelle der Finanzämter Wien, sodann ein weiteres Schreiben der steuerlichen Vertretung mit Datum 8. März 2021 persönlich überreicht, in dem eine Bescheidbeschwerde samt Beilagen gegen die Wiederaufnahme und Sachbescheide der Jahre 2012 bis 2018 erhoben wurde.

4 Die Beschwerde wurde vom Finanzamt daraufhin mittels Beschwerdevorentscheidung vom 23. August 2021 als verspätet zurückgewiesen, weil es sich aus näher dargestellten Gründen weder bei der am 11. Mai noch bei der am 9. Juni 2021 eingelangten Beschwerde um jene handle, die möglicherweise am 8. März 2021 zur Post gegeben worden sei und die Beschwerdefrist abgelaufen sei.

5 Mit am 2. September 2021 eingebrachtem separaten Schriftsatz beantragte der Revisionswerber daraufhin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete dies damit, dass die Beschwerde aufgrund des alleinigen Verschuldens der Post nicht bei der Abgabenbehörde eingelangt sei.

6 Mit Bescheid vom 4. April 2022 wies das Finanzamt diesen Antrag ab.

7 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber unter Verzicht auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Beschwerde.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine ordentliche Revision nicht zugelassen wurde, wies das BFG die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlungab. Begründend führte es aus, aus der Chronologie der Ereignisse ergebe sich, dass erstmals am 14. April 2021 eine Mitarbeiterin des Finanzamtes die steuerliche Vertretung telefonisch darüber informiert habe, dass zwar ein Aussetzungsantrag nach § 212a BAO vorliege, allerdings bislang noch keine Bescheidbeschwerde beim Finanzamt eingelangt sei. Noch am selben Tag habe die steuerliche Vertretung die fehlende Beschwerde samt Postaufgabeschein im Wege eines EMails an die Mitarbeiterin des Finanzamtes übermittelt. Da im Regime der BAO ein rechtsgültiges Anbringen per E-Mail nicht vorgesehen sei, könne diese Art der Übermittlung abgesehen vom Umstand, dass sie nach Ende der für die Einbringung geltenden Frist (Fristende unstrittig 3. April 2021) erfolgt sei weder als taugliche Nachholung der Einbringung noch als Wiedereinsetzungsantrag gedeutet werden.

9 Mit Vorhalteschreiben vom 7. Mai 2021 habe das Finanzamt der steuerlichen Vertretung sodann schriftlich mitgeteilt, dass „bis dato keine Beschwerde gegen die Wiederaufnahme- und Sachbescheide der Jahre 2012 bis 2018 eingegangen“ sei. Spätestens damit sei der Revisionswerber auch schriftlich davon in Kenntnis gesetzt worden, dass beim Finanzamt bislang keine Beschwerde eingelangt sei. Im Wissen um diese Tatsache sei in der Folge eine weitere Beschwerdeschrift (Faksimile derjenigen vom 8. März 2021) per Briefpost ohne Beilagen beim Finanzamt eingebracht worden, welche am 11. Mai 2021 bei der Behörde einlangt sei. Am selben Tag sei auch ein Urgenzschreiben an die Filialleitung des Aufgabe-Postamtes gerichtet worden.

10 Spätestens mit Einlangen des Vorhaltes vom 7. Mai 2021 bzw. mit Urgenzschreiben vom 11. Mai 2021 habe der Revisionswerber vom Vorliegen des Zustellproblems in Bezug auf die Beschwerdeschrift gewusst bzw. wissen müssen und habe davon ausgehen müssen, dass das Zustellstück im Postweg untergegangen bzw. verloren gegangen sei. Nach Auffassung des BFG bilde auch die gesonderte Übermittlung der Beschwerdeschrift als Briefpost am 11. Mai 2021 ein eindeutiges Indiz dahingehend, dass der Revisionswerber Kenntnis davon gehabt habe, dass die Beschwerdeschrift nach einem Postlauf von über zwei Monaten beim Finanzamt nicht eingelangt sei und er nun zur Absicherung eine wiederholte Zusendung vorgenommen habe.

11 Die von der verwaltungsgerichtlichen Judikatur postulierte (objektive) mögliche Erkennbarkeit des Irrtums der Partei, die Beschwerde sei ordnungsgemäß zugestellt worden und nicht auf dem Postweg verloren gegangen, sei nach Auffassung des BFG sohin spätestens am 11. Mai 2021 vorgelegen. Wenn ein der Post zur Beförderung übergebenes Poststück (Inlandspost), dessen Empfängeranschrift sich noch dazu in derselben Leitzone wie das Aufgabepostamt befinde, nach über zwei Monaten immer noch nicht zugestellt sei, dann sei nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass es mit einem sehr hohen Grad an Wahrscheinlichkeit auf dem Postweg verloren gegangen sei. Daran vermöge auch der Umstand, dass das Poststück durchgehend bis zum 9. Juni 2021 im Trackingsystem der Post als „in Verteilung“ befindlich aufgeschienen sei, nichts zu ändern.

12Der Fristenlauf gemäß § 308 BAO beginne mit der „zumutbaren Erkennbarkeit“ des Irrtums. Dazu sei es nicht erforderlich, dass Gewissheit über das Vorliegen eines Irrtums bestehe. Das Vorliegen einer Gewissheit wäre bei der vorliegenden Fallkonstellation (Untergang einer Paketsendung im Postwege) ohnedies niemals gegeben, weil letztendlich nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass ein Poststück (Irrläufer) nach vielen Jahren doch noch seinen Absender finde und zugestellt werde.

13 Da der verfahrensgegenständliche Wiedereinsetzungsantrag erst am 2. September 2021 eingebracht worden sei, sei er somit verspätet.

14 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die unter der Überschrift „5. Zulässigkeit der außerordentlichen Revision:“ ausführt, es sei „ausschließlich die Rechtsfrage zu klären, ab wann der Fristenlauf der 3Monatsfrist [des § 308 BAO] zu rechnen“ sei.

15 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

16 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

17Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

18Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

19Nach der ständigen hg. Rechtsprechung obliegt es im Fall der Erhebung einer außerordentlichen Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG dem Revisionswerber, gesondertjene Gründe anzuführen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (vgl. VwGH 6.3.2025, Ra 2023/15/0057, mwN).

20 Das Vorbringen unter der Überschrift „5. Zulässigkeit der außerordentlichen Revision:“ erschöpft sich allerdings darin, näher die allgemeinen Voraussetzungen anzuführen, wann und wie lange bei Versäumnis einer Frist die Möglichkeit der Wiedereinsetzung bestehe, und darauf hinzuweisen, dass im Verfahren die Rechtsfrage strittig gewesen sei, „ab wann der Fristenlauf zu rechnen“ sei.

21 Damit wird aber keine (fallbezogene) Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 BVG formuliert (vgl. auch VwGH 17.12.2024, Ra 2024/15/0076, mwN).

22Die Revision wird somit dem Erfordernis des § 28 Abs. 3 VwGG nicht gerecht und erweist sich schon deswegen als unzulässig.

23Als Hindernis iSd § 308 Abs. 3 BAO ist im Übrigen jenes Ereignis iSd § 308 Abs. 1 BAO zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert hat. Besteht das unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis in einem Irrtum, so fällt dieses Hindernis bereits dann weg, sobald die Partei (oder ihr Vertreter) diesen Irrtum als solchen erkennen konnte und musste. Für den Lauf der Wiedereinsetzungsfrist kommt es somit auf den Zeitpunkt der zumutbaren Erkennbarkeit des Irrtums an, also auf den Wegfall des Irrtums oder der Umstände, unter denen er nicht in einer der Wiedereinsetzung entgegen stehenden Weise - somit bei Vorliegen eines den minderen Grad übersteigenden Versehens - vorwerfbar ist (vgl. zu all dem ausführlich VwGH 20.10.2022, Ra 2022/13/0035, mwN), wobei Handlungen und insbesondere ein Verschulden des Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen sind (vgl. VwGH 27.1.2011, 2010/15/0149, VwSlg 8612 F/2011).

24 Im vorliegenden Fall lag ein Irrtum darüber vor, ob die per Post übermittelten Schriftsätze beim Finanzamt tatsächlich eingelangt seien.

25Dass die Beurteilung des BFG, wonach der Revisionswerber bzw. seine steuerliche Vertretung aufgrund der skizzierten beiden Rückmeldungen des Finanzamts und der Urgenz bei der Post spätestens mit 11. Mai 2021 den Irrtum über eine ordnungsgemäße Postzustellung ihrer Beschwerde hätten erkennen können und müssen (vgl. dazuVwGH 14.12.2023, Ra 2020/13/0101, mwN), fallbezogen unvertretbar gewesen wäre, zeigt die Revision jedoch auch in ihren Revisionsgründen nicht auf, weshalb auch insofern auf Basis der Revision keine Rechtsfrage ersichtlich ist, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG zukäme.

26 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 14. Mai 2025