Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident MMag. Maislinger und die Hofrätin Dr. in Lachmayer sowie den Hofrat Mag. M. Mayr, LL.M., als Richter und Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., MA, über die Revision der M GmbH, vertreten durch die Kinberger Schuberth Fischer Rechtsanwälte GmbH in Zell am See, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 7. Jänner 2025, RV/7100647/2018, betreffend Umsatzsteuer 2012 bis 2015, den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheiden vom 18. Mai 2017 wurde die Revisionswerberin für die Jahre 2012 bis 2014 und mit Bescheid vom 12. Oktober 2017 für das Jahr 2015 zur Umsatzsteuer veranlagt. Das Finanzamt legte die gegen diese Bescheide eingebrachten Beschwerden hinsichtlich der Jahre 2012 bis 2014 nach Ergehen einer Beschwerdevorentscheidung, hinsichtlich des Jahres 2015 antragsgemäß ohne Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht die Umsatzsteuerbescheide 2012 bis 2014 im Sinne der Beschwerdevorentscheidung zu Lasten der Revisionswerberin ab und wies die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2015 ab. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig sei.
3 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts sei die Revisionswerberin eine Gesellschaft, die als Organträgerin über ihre Vertriebsgesellschaften (Organgesellschaften) registrierten Kunden verschiedene Online Unterhaltungsmöglichkeiten aus dem Bereich Erotik anbiete. Neben hier nicht relevanten Modellen („Kostenlose“ Mitgliedschaft mit eingeschränktem Nutzungsumfang und Nutzung mittels zuvor gekauftem und bezahltem Wertguthaben) biete sie entgeltliche Mitgliedschaften mit unterschiedlichen Tarifmodellen (z.B. ein Paket für einen bestimmten Betrag pro Monat mit einer Mindestlaufzeit von sechs Monaten) an. Im Falle eines vom Kunden zu vertretenden Zahlungsverzugs werde dem Kunden zunächst eine zweiwöchige Nachfrist gesetzt. Begleiche der Kunde seinen Zahlungsrückstand innerhalb dieser Frist nicht, setze ein Mahnungsverfahren ein und der Anbieter sei zur Zurückbehaltung weiterer Leistungen bis zur Erbringung der vom Kunden geschuldeten Gegenleistung berechtigt. Insbesondere könnten sämtliche mit der Mitgliedschaft verbundenen Dienste und Inhalte für die Dauer des Zahlungsrückstands „eingefroren“ werden. Die Kunden seien sowohl über die erfolgte Sperrung ihres Zugangs infolge Zahlungsverzuges als auch über den weiterhin aufrechten, zur Zahlung verpflichtenden Vertrag gegenüber dem Anbieter informiert worden. Eine Vertragskündigung sei nicht erfolgt.
4 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht soweit für die Revision relevant unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) aus, dass im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Betreiber den Preis für seine Dienstleistung und die Monatsraten unter Berücksichtigung der Kosten für diese Dienstleistung und der Mindestlaufzeit der vertraglichen Verpflichtung bestimme. Der im Fall einer vorzeitigen Beendigung geschuldete Betrag sei als integraler Bestandteil des Preises zu betrachten, zu dessen Zahlung sich der Kunde für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen durch den Dienstleistungserbringer verpflichtet habe. Es mache für die Qualifikation als umsatzsteuerpflichtige Leistung keinen Unterschied, ob der Vertrag in Folge einer vom Leistungsempfänger zu vertretenden Leistungsstörung beendet werde und der Leistungsempfänger die bis zum Ablauf der Mindestvertragsdauer noch ausstehenden (Monats)Beträge entrichten müsse, oder ob der Vertrag zwar weiterhin aufrecht sei, der Leistungserbringer jedoch für die Zeit der vom Leistungsempfänger zu vertretenden Leistungsstörung sein Angebot deaktiviere. Die Parteien hätten mit dem Abschluss des Vertrags und der damit verbundenen Akzeptanz der Vertragsbedingungen ein Rechtsverhältnis mit Rechten und Pflichten begründet, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht würden. Es bestehe im Lichte der zitierten Urteile des EuGH kein Zweifel am Vorliegen einer umsatzsteuerpflichtigen Leistung.
5 Die Revision sei zulässig, weil die Rechtsfrage, ob eine umsatzsteuerpflichtige Leistung seitens des Leistungserbringers auch dann vorliege, wenn der Leistungsempfänger aufgrund einer ihm zuzurechnenden Verletzung seiner vertraglichen Pflichten die Leistung nicht abrufen könne und diese auch nicht mehr nachträglich konsumiert werden könne, eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bestehe.
6 Dagegen richtet sich die Revisionswerberin mit der vorliegenden ordentlichen Revision. Das Bundesfinanzgericht leitete das Vorverfahren ein. Es wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
10Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst das Zulässigkeitsvorbringen des Bundesfinanzgerichts wiederholt und darüber hinaus vorgebracht, das Bundesfinanzgericht sei von näher angeführter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach nur die Erfüllung einer Leistung und nicht der Vertragsabschluss unter § 1 UStG 1994 falle und eine Ersatzleistung, die deshalb erbracht werde, weil ein Schaden verursacht worden oder für einen Schaden einzustehen sei, kein Entgelt für eine Leistung darstelle und somit nicht zu einem Leistungsaustausch führe.
11Der Revisionswerber hat auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision darzulegen, wenn er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Kontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt sich für außerordentliche und ordentliche Revisionen in gleicher Weise jeweils auf eine Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision (vgl. z.B. VwGH 26.9.2024, Ro 2024/13/0007, mwN).
12Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt auch dann nicht vor, wenn sie durch ein Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) gelöst ist (vgl. VwGH 27.5.2024, Ra 2021/13/0056, mwN).
13 Der EuGH hat sich wie auch das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis zutreffend aufgezeigt hat bereits mehrfach mit der mehrwertsteuerrechtlichen Behandlung von Zahlungen, die im Zusammenhang mit der vorzeitigen Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses stehen, befasst.
14 Die Revisionswerberin bringt dazu zusammengefasst vor, die revisionsgegenständlichen Beträge stellten echten, nicht steuerbaren Schadenersatz dar. In den vom Bundesfinanzgericht zitierten Urteilen des EuGH in den Rechtsachen MEO Serviços de Comunicações e Multimédia SA , (Urteil vom 22.November 2018, C 295/17), Vodafone Portugal Comunicações Pessoais SA (Urteil vom 11. Juni 2020, C 43/19) und „UniCredit Leasing“ EAD (Urteil vom 3. Juli 2019, C 242/18) seien die Ausgleichszahlungen nicht Gegenwert für bestimmbare Leistungen gewesen und hätte der Gerichtshof zur Entscheidung gelangen müssen, dass diese nicht mehrwertsteuerpflichtig seien.
15 Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass der bloße Umstand, dass die Revisionswerberin die Rechtsansicht des EuGH, die er in den genannten Urteilen zum Ausdruck gebracht hat, ablehnt, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzeigt.
16 Der EuGH hat im Urteil vom 22.November 2018, C 295/17, MEO Serviços de Comunicações e Multimédia SA , ausgesprochen, dass der für die Nichteinhaltung der Mindestbindungsfrist geschuldete Betrag als Entgelt für erbrachte Leistungen dient, unabhängig davon, ob der Kunde diese Dienste bis zum Ende der Mindestbindungsfrist in Anspruch nimmt oder nicht (vgl. Rn. 48). Der für die Nichteinhaltung der Mindestbindungsfrist zu zahlende Betrag ist als integraler Bestandteil des in Monatsentgelte aufgeteilten Gesamtpreises für die Erbringung von Dienstleistungen anzusehen, der im Fall der Nichterfüllung der Zahlungspflicht sofort fällig wird (vgl. C 295/17, Rn. 49).
17 Der EuGH hat dabei ebenfalls betont, dass für die Qualifizierung des im Dienstleistungsvertrag im Vorhinein festgelegten Betrags, den der Kunde bei dessen vorzeitiger Beendigung schuldet, u.a. die Umstände nicht entscheidend sind, dass der Zweck dieses Pauschbetrags darin besteht, die Kunden von der Nichteinhaltung der Mindestbindungsfrist abzuhalten und den Schaden des Betreibers durch die Nichteinhaltung dieser Frist auszugleichen, sowie dass dieser Betrag nach nationalem Recht als Konventionalstrafe zu qualifizieren ist (vgl. C 295/17, Rn. 70).
18 Im Urteil vom 3. Juli 2019, C 242/18, „UniCredit Leasing“ EAD, ermöglichte es die Zahlung des im Fall einer vorzeitigen Beendigung eines Leasingvertrags geschuldeten Betrags dem Leasinggeber, die gleichen Einnahmen zu erzielen, die er ohne diese Kündigung erhalten hätte. Daraus folgt, dass die Kündigung bei einem solchen Vertrag die wirtschaftliche Realität des Vertragsverhältnisses nicht verändert (vgl. C 242/18, Rn. 73).
19 Der EuGH hat diese Rechtsprechung im Urteil vom 11. Juni 2020, C 43/19, Vodafone Portugal Comunicações Pessoais SA , bekräftigt, in dem er festgehalten hat, dass Beträge, die ein Wirtschaftsteilnehmer erhält, falls ein Dienstleistungsvertrag, der als Gegenleistung für die Gewährung vorteilhafter Konditionen an einen Kunden die Einhaltung einer Mindestbindungsfrist vorsieht, aus bei diesem Kunden liegenden Gründen vorzeitig beendet wird, als Vergütung für die Erbringung einer entgeltlichen Dienstleistung im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind.
20 Dies gilt nach der Rechtsprechung des EuGH auch dann, wenn die vereinnahmten Beträge es dem Leistungserbringer nicht erlauben, die gleichen Einnahmen zu erzielen, die er gehabt hätte, wenn der Kunde den Vertrag nicht vorzeitig gekündigt hätte (vgl. Rn. 42 des Urteils in der Rs. C 43/19).
21 Aus dem hier angefochtenen Erkenntnis geht hervor, dass eine Mindestbindungsfrist zwischen der Revisionswerberin und ihren Kunden vereinbart war.
22 Die Revisionswerberin bringt dazu auf das Wesentliche zusammengefasst vor, im Unterschied zu den genannten Urteilen käme es im Revisionsfall zu keiner Vertragsauflösung, sondern sei der Vertrag weiterhin aufrecht, es bestehe jedoch kein Erfüllungsanspruch mehr. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes bekräftigt das weiterhin aufrechte Bestehen des Dienstleistungsvertrags das Vorliegen eines Leistungsaustausches umso mehr, wenn wie sich aus den genannten Urteilen des EuGH ergibt sogar dessen Beendigung die Steuerbarkeit der Zahlung nicht beeinträchtigt.
23 Zudem hat was in der Revision auch nicht bestritten wird der Kunde diese vertraglichen Konditionen zur Inanspruchnahme der von der Revisionswerberin angebotenen Leistungen akzeptiert (vgl. auch EuGH 20.1.2022, C 90/20, Apcoa Parking Danmark A/S , Rn. 31).
24 Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich, dass ein im Vorhinein festgelegter Betrag, den ein Wirtschaftsteilnehmer im Fall der vorzeitigen Beendigung eines Dienstleistungsvertrags mit einer bestimmten Laufzeit durch seinen Kunden oder aus einem diesem zuzurechnenden Grund bezieht und der dem Betrag entspricht, den der Wirtschaftsteilnehmer ohne die vorzeitige Beendigung während der Laufzeit erhalten hätte, als Gegenleistung für eine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung anzusehen ist und als solche der Mehrwertsteuer unterliegt, selbst wenn die Beendigung u. a. die Deaktivierung der vertragsgegenständlichen Dienste vor dem Ende der vereinbarten Laufzeit zur Folge hatte. Die gleiche Erwägung muss erst recht gelten, wenn der Leistende die Ausführung der betreffenden Dienstleistung begonnen hatte und bereit war, sie für den vertraglich vereinbarten Betrag fertigzustellen (vgl. EuGH 28.11.2024, C-622/23, rhtb: projekt gmbh , Rn. 18 f). Dass die Revisionswerberin nicht bereit gewesen wäre, den bereits begonnenen Dienstleistungsvertrag zu erfüllen, wenn der Kunde seiner Zahlungsverpflichtung nachgekommen wäre, hat das Bundesfinanzgericht nicht festgestellt und behauptet auch die Revisionswerberin nicht.
25 Die Revisionswerberin bringt weiters vor, eine Vielzahl der Abonnenten würden falsche Angaben zu ihrer Identität machen und täuschten daher am Beginn der Leistungsbeziehung über ihre Person und über ihre Zahlungsfähigkeit. In einem aufwendigen Mahn-, Inkasso- und Rechtsweg versuche die Revisionswerberin, ihren eigenen Schaden durch pauschalen Schadenersatz zu reduzieren. Im Zeitpunkt der Kenntnis des Betruges werde der Kunde gesperrt und werde versucht, über diesen pauschalen Schadenersatz die Betreibungskosten und andere damit zusammenhängende Aufwendungen zu reduzieren.
26 Dieses Vorbringen ist schon deshalb nicht geeignet, das Begehren der Revisionswerberin zu stützen, weil sie nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts schon aus dem Dienstleistungsvertrag einen Anspruch auf Leistung des bedungenen Entgelts ableiten kann. Zudem stehen die revisionsgegenständlichen Umsätze nicht im Zusammenhang mit einem (behaupteten) betrügerischen Verhalten, sondern dem schlichten Zahlungsverzug des Kunden.
27 Außerdem hat der EuGH klargestellt, dass die Beurteilung der Frage, ob die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die Erbringung von Dienstleistungen erfolgt, eine unionsrechtliche Frage darstellt, die unabhängig von der Beurteilung nach nationalem Recht zu entscheiden ist (vgl. EuGH 22.11.2018, C 295/17, MEO Serviços de Comunicações e Multimédia SA , Rn. 69). Die von der Revisionswerberin behauptete zivilrechtliche Beurteilung der gegenständlichen Umsätze ist sohin nicht entscheidungsrelevant.
28 Insgesamt konnte die Revisionswerberin nicht darlegen, warum entgegen dem angefochtenen Erkenntnis nicht davon auszugehen wäre, dass die Zahlung des jeweiligen Betrages im Rahmen eines Rechtsverhältnisses erfolgt ist, das durch einen Austausch gegenseitiger Leistungen zwischen dem Leistungserbringer und seinem Kunden gekennzeichnet ist, und dass diese Zahlung in diesem Zusammenhang eine vertragliche Verpflichtung des Kunden ist (vgl. EuGH 11.6.2020, C 43/19, Vodafone Portugal Comunicações Pessoais SA , Rn. 46).
29 In der Revision wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 11. November 2025
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