JudikaturVwGH

Ra 2025/02/0112 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
22. Juli 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und die Vizepräsidentin Mag. Dr. Maurer Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des W, vertreten durch Mag. Michael Luszczak, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 29. April 2025, LVwG AV 103/001 2025, betreffend Feststellung nach dem NÖ Hundehaltegesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Marktgemeinde Wullersdorf), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (Verwaltungsgericht) wurde in Bestätigung entsprechender Bescheide des Bürgermeisters und des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde W. die Auffälligkeit einer näher bezeichneten Hündin des Revisionswerbers gemäß § 3 Abs. 2 NÖ Hundehaltegesetz festgestellt. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

2 Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass die Hündin des Revisionswerbers bereits am Zaun gewesen sei und gebellt habe, als die Hündin des Zeugen zur anderen Seite des Zauns gelaufen sei und zurückgebellt habe. In der Folge habe die Hündin des Revisionswerbers die Hündin des Zeugen durch den Zaun gebissen und dadurch eine tiefe Bissverletzung am Hals verursacht. Eine Provokation durch die Hündin des Zeugen sei nicht feststellbar gewesen. Beweiswürdigend folgte das Verwaltungsgericht den Angaben des Zeugen, der die Bisswunde seiner Hündin erst am nächsten Tag bemerkt habe, als das volle Ausmaß der Verletzung zum Vorschein gekommen sei. Rechtlich sah das Verwaltungsgericht den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Z 1 NÖ Hundehaltegesetz als erfüllt an, weil die Hündin des Revisionswerbers ohne Provokation ein anderes Tier durch Biss schwer verletzt habe, weshalb deren Auffälligkeit gemäß § 3 Abs. 2 leg. cit. festzustellen gewesen sei.

3 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Der Revisionswerber erachtet seine Revision zunächst deshalb als zulässig, weil das Verwaltungsgericht zum festgestellten Sachverhalt in unschlüssiger Beweiswürdigung gelangt sei. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis habe sich der Zeuge gegenüber seinen früheren Angaben vor der Bezirkshauptmannschaft H. in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht sogar genauer daran erinnert, dass seine Hündin an der Drossel erwischt worden sei, und er habe als Alternative auch erwähnt, dass die Hündin des Revisionswerbers mit der Schnauze unter den Maschendrahtzaun gefahren sei. Überdies sei aus den im Akt befindlichen Fotos, deren Aufnahmedatum unbekannt sei, kein Loch im Zaun ersichtlich. Es sei lebensfremd anzunehmen, dass eine tiefe Wunde nicht blute und diese nicht sofort auffallen müsse. Auch die Bestätigung der Tierärztin deute darauf hin, dass die Verletzung schon vor dem festgestellten Tag des Vorfalls erfolgt sein müsse.

8Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Der Verwaltungsgerichtshof ist grundsätzlich als Rechtsinstanz tätig; zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt lediglich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 6.5.2025, Ro 2024/02/0008, mwN).

9 Die Ausführungen in der Revision lassen eine derartige vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit der Beweiswürdigung nicht erkennen. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers schilderte der Zeuge am 4. Juni 2024 vor der Bezirkshauptmannschaft H. das Geschehen bis zum Biss genauer als in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 21. Februar 2025. Dass die Hündin des Zeugen an der Drossel „erwischt“ worden sei, sagte der Zeuge in seiner ersten Aussage zwar nicht, doch ergibt sich das aus dem Verletzungsbild, sodass die Begründung in der Beweiswürdigung des angefochtenen Erkenntnisses, der Zeuge habe früher den Vorfall noch genauer schildern können, nicht gegen Denkgesetze verstößt. Im Übrigen erweist sich die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes auch nicht als lebensfremd, wenn es davon ausgeht, das volle Ausmaß der Verletzung sei erst am Folgetag zum Vorschein gekommen und der Beginn des Eiterns der Wunde habe zur Inanspruchnahme tierärztlicher Hilfe geführt. Selbst wenn auf den Fotos kein Loch im Zaun erkennbar ist, ergibt sich aus diesen auch nicht das Gegenteil, weil ebenso wenig ersichtlich ist, dass der Maschendraht unversehrt gewesen wäre. Von einer Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes ist daher nicht auszugehen.

10 Des Weiteren sieht der Revisionswerber eine grundsätzliche Rechtsfrage darin, dass das Verwaltungsgericht keine weiteren Beweise aufgenommen habe wie eine DNA Analyse, die Erstellung des Bissprofils, die Vernehmung der Tierärztin und ein veterinärmedizinisches Sachverständigengutachten.

11 Die Beurteilung, ob eine Beweisaufnahme im Einzelfall notwendig ist, obliegt dem Verwaltungsgericht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 BVG läge diesbezüglich nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 28.5.2025, Ra 2025/02/0038, mwN).

12 Das Verwaltungsgericht ging aufgrund der Zeugenaussagen davon aus, dass die Hündin des Revisionswerbers die Hündin des Zeugen gebissen habe, und setzte sich auch damit auseinander, dass die Verletzung erst später entdeckt wurde. Wenn nun das Verwaltungsgericht aufgrund eines aus seiner Sicht glaubwürdigen Augenzeugen nachvollziehbar zur Überzeugung vom Ablauf des festgestellten Vorfalls gelangte, ist die Einholung weiterer Beweise in Form einer DNA Analyse, Erstellung des Bissprofils, Vernehmung der Tierärztin und Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht indiziert. Die Abstandnahme von weiteren Beweisaufnahmen ist daher nicht zu beanstanden.

13 Schließlich vermisst der Revisionswerber noch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob das Bellen eines Hundes eine Provokation im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 1 NÖ Hundehaltegesetz darstelle.

14 Von dieser Rechtsfrage hängt die Revision schon deshalb nicht ab, weil das Verwaltungsgericht davon ausging, dass die Hündin des Revisionswerbers zuerst gebellt habe und erst dann die Hündin des Zeugen zurückgebellt habe. Es kann daher schon aufgrund des festgestellten Ablaufs nicht davon ausgegangen werden, dass die Hündin des Zeugen zur Bissverletzung provoziert hätte.

15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. Juli 2025