JudikaturVwGH

Ra 2024/22/0112 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
04. November 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm sowie den Hofrat Dr. Schwarz und die Hofräting MMag. Ginthör, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Zettl, über die Revision 1. der A H I H E, 2. des S S A M, 3. der L S A M, und 4. der L S A M, alle vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 8. August 2024, 1. LVwG 26.20 1109/2024 10, 2. LVwG 27.20 1110/2024-10, 3. LVwG 27.20 1111/2024 10 und 4. LVwG 27.20 1112/2024 10, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Steiermark), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid vom 22. Jänner 2024 wies der Landeshauptmann von Steiermark (belangte Behörde) die Anträge der revisionswerbenden Parteien, einer Mutter und ihrer drei minderjährigen Kindern, alle ägyptische Staatsangehörige, auf Erteilung von Aufenthaltstiteln „Rot Weiß RotKarte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zur Zusammenführung mit ihrem über einen Aufenthaltstitel „Rot Weiß Rot Karte“ verfügenden Ehemann bzw. Vater ab. Begründend hielt die belangte Behörde im Wesentlichen fest, die revisionswerbenden Parteien hätten die Anträge unzulässigerweise im Inland gestellt.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 8. August 2024 als unbegründet ab. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

3 Das Verwaltungsgericht stellte - soweit für die vorliegende Revisionssache maßgeblich - fest, die revisionswerbenden Parteien hätten am 5. Dezember 2023 die gegenständlichen Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ bei der belangten Behörde eingebracht. Das Verwaltungsgericht ging wie bereits die belangte Behörde davon aus, dass die revisionswerbenden Parteien, die über Aufenthaltstitel in Italien verfügten, die Dauer ihres sichtvermerkfreien Aufenthalts im Inland überschritten hätten. Dass sie gemäß ihrem Beschwerdevorbringen jeweils nach drei Monaten Aufenthalt pro Halbjahr immer wieder aus dem Bundesgebiet ausgereist seien, sei für das Verwaltungsgericht nicht nachvollziehbar.

4In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Verwaltungsgericht auf § 21 Abs. 1 NAG, wonach Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen und die Entscheidung im Ausland abzuwarten seien. Abweichend davon seien gemäß § 21 Abs. 2 Z 5 NAG Fremde zur Antragstellung im Inland berechtigt, die zur visumfreien Einreise berechtigt seien, nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthalts. Da die revisionswerbenden Parteien über gültige italienische Aufenthaltstitel verfügten, dürften sie sich gemäß Art. 21 Abs. 1 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) höchstens bis zu drei Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Vertragsstaaten bewegen. Die revisionswerbenden Parteien hätten sich jedoch schon länger im Bundesgebiet aufgehalten und keinen Antrag auf Zulassung der Inlandsantragstellung gestellt.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, dies sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.

6 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung macht (zusammengefasst) geltend, es fehle Judikatur zur Frage, ob dann, wenn der Zusammenführende über eine „Rot Weiß Rot Karte“ als Aufenthaltstitel verfüge, die Erteilung einer „Rot Weiß Rot Karte plus“ an weitere Voraussetzungen geknüpft werden dürfe, und bekämpft zudem die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts in Bezug auf die Feststellung der Überschreitung des visumfreien Aufenthalts der revisionswerbenden Parteien im Bundesgebiet.

10 Die zunächst aufgeworfene Frage wird schon klar und eindeutig vom Gesetz beantwortet, das für die Erteilung des Aufenthaltstitels „Rot Weiß RotKarte plus“ die Erfüllung der Voraussetzungen des 1. Teiles des NAG verlangt (§ 46 Abs. 1 NAG).

11 In Bezug auf die in der Zulässigkeitsbegründung der Revision bekämpfte Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts hat der Verwaltungsgerichtshof schon generell klargestellt, dass diesbezüglich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG nur dann vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Nach dieser Judikatur ist der Verwaltungsgerichtshof nämlich zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen, allerdings hat er insbesondere doch zu prüfen, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist, ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, und ob das Verwaltungsgericht dabei alle in Betracht kommenden (relevanten) Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. etwa VwGH 4.3.2024, Ra 2021/22/0223, Rn. 11, mwN).

12Eine derartige Unvertretbarkeit der im angefochtenen Erkenntnis vorgenommenen Beweiswürdigung in Bezug auf die Überschreitung des visumfreien Aufenthalts der revisionswerbenden Parteien im Bundesgebiet (vgl. Art. 21 Abs. 1 SDÜ) vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Das Verwaltungsgericht stützte seine beweiswürdigenden Erwägungen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der der zusammenführende Ehemann bzw. Vater der revisionswerbenden Parteien einvernommen wurde, auf eine Vielzahl von Aspekten und legte insbesondere vor dem Hintergrund, des (mehrjährigen) Schulbesuches des Zweitrevisionswerbers in Österreich schlüssig dar, weshalb von einer unzulässigen Inlandsantragstellung auszugehen sei.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 4. November 2024