Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm, die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger sowie die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Zettl, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien (als belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 7. November 2023, VGW 151/085/12144/2023 2, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: N N, vertreten durch Z M), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
1 Der vorliegenden Revisionssache liegt (auf das Wesentliche zusammengefasst) folgender unbestritten gebliebener Sachverhalt zugrunde: Der Mitbeteiligte, ein (minderjähriger) serbischer Staatsangehöriger, verfügt über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ gemäß § 45 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Ihm wurde zuletzt eine Aufenthaltskarte mit Gültigkeit vom 16. Oktober 2020 bis zum 16. Oktober 2025 ausgestellt. Im Juli 2023 brachte er (vertreten durch seinen gesetzlichen Vertreter) beim Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde; Amtsrevisionswerber) einen Antrag ein, wobei im vorgelegten Antragsformular lediglich die persönlichen Daten des Mitbeteiligten angegeben und handschriftlich das Wort „Verlust“ vermerkt wurde. Die weiteren Felder im Antragsformular blieben leer und es wurde auch kein Aufenthaltstitel und keine Art des Antrages angekreuzt. Ein Lichtbild wurde dem Antrag nicht beigelegt. Mit Schreiben vom 27. Juli 2023 forderte die belangte Behörde den Mitbeteiligten auf, eine Kopie des gültigen Reisedokuments und ein aktuelles Lichtbild im Original vorzulegen. Dieser Aufforderung kam der Mitbeteiligte nicht nach.
2 Mit Bescheid vom 30. August 2023 wies die belangte Behörde den Antrag des Mitbeteiligten gemäß § 13 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 19 Abs. 3 NAG sowie § 7 Abs. 1 Z 1 und Z 3 (gemeint wohl Z 2) Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz Durchführungsverordnung (NAG DV) zurück und führte begründend aus, der Mitbeteiligte sei der Aufforderung vom 27. Juli 2023 nicht nachgekommen und habe keine Kopie des Reisepasses und kein aktuelles Lichtbild vorgelegt.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 7. November 2023 gab das Verwaltungsgericht Wien der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten statt und behob den angefochtenen Bescheid. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte es für nicht zulässig.
4 Begründend hielt das Verwaltungsgericht soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Relevanz fest, nach näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handle es sich beim Erfordernis des § 2a Abs. 2 NAG DV, wonach zum Entscheidungszeitpunkt ein aktuelles Lichtbild vorliegen müsse, um eine Erfolgsvoraussetzung eines Antrags, hinsichtlich derer kein Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs. 3 AVG zu ergehen habe. Die Nichtvorlage eines Lichtbildes stelle einen materiellen Mangel dar und habe die belangte Behörde nicht zur Zurückweisung des Antrags berechtigt. Die belangte Behörde hätte daher eine Sachentscheidung zu treffen gehabt. Zudem sei auch die Vorlage eines gültigen Reisedokuments nicht erforderlich gewesen, weil sich im „behördlichen Vorakt“ die Kopie eines Reisepasses befinde.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde.
Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird zusammengefasst geltend gemacht, die vom Verwaltungsgericht herangezogene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es sich beim Erfordernis des § 2a Abs. 2 NAG DV um eine Erfolgsvoraussetzung handle, sei zu Fallkonstellationen ergangen, in denen vom Antragsteller ursprünglich ein den Anforderungen des § 2a Abs. 2 NAG DV entsprechendes aktuelles Lichtbild vorgelegt worden sei, das Lichtbild jedoch aufgrund der Dauer des Verfahrens zum Entscheidungszeitpunkt den Kriterien des § 2a Abs. 2 NAG DV nicht mehr genügt habe. Anders stelle sich jedoch der gegenständliche Fall dar, weil der Mitbeteiligte von Anfang an kein Lichtbild vorgelegt habe. Ob auch das gänzliche Unterbleiben der Vorlage eines Lichtbildes als Erfolgs- bzw. Erteilungsvoraussetzung zu qualifizieren sei, sei der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit zu entnehmen.
7 Die Amtsrevision ist angesichts dieser Ausführungen zu § 2a NAG DV zulässig. Sie ist aber aus nachstehenden Erwägungen nicht berechtigt.
8 § 19 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2020, lautet auszugsweise:
„Allgemeine Verfahrensbestimmungen
§ 19. (1) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder auf Ausstellung einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind persönlich bei der Behörde zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter persönlich einzubringen.
(2) Im Antrag ist der Grund des Aufenthalts bekannt zu geben; dieser ist genau zu bezeichnen. Nicht zulässig ist ein Antrag, aus dem sich verschiedene Aufenthaltszwecke ergeben, das gleichzeitige Stellen mehrerer Anträge und das Stellen weiterer Anträge während eines anhängigen Verfahrens nach diesem Bundesgesetz einschließlich jener bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts. [...] Der Fremde hat der Behörde die für die zweifelsfreie Feststellung seiner Identität und des Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel vorzulegen.
(3) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise für den jeweiligen Aufenthaltszweck (Abs. 2) dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten.
[...]
(8) Die Behörde kann auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach Abs. 1 bis 3 und 7 zulassen:
1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17) zur Wahrung des Kindeswohls;
2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3) oder
3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Fremde zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
[...]
(11) Den Verlust und die Unbrauchbarkeit eines Aufenthaltstitels oder einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sowie Änderungen der dem Inhalt eines Aufenthaltstitels oder einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts zugrunde gelegten Identitätsdaten, hat der Fremde der Behörde unverzüglich zu melden. Auf Antrag sind die Dokumente mit der ursprünglichen Geltungsdauer und im ursprünglichen Berechtigungsumfang, falls erforderlich mit berichtigten Identitätsdaten, neuerlich auszustellen.
[...]“
9 Die relevanten Bestimmungen der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz Durchführungsverordnung (NAG DV), BGBl. II Nr. 451/2005 in der Fassung BGBl. II Nr. 212/2023, lauten auszugsweise:
„1. Abschnitt
Zu § 8 Abs. 2 NAG
Form und Inhalt der Aufenthaltstitel
§ 1. Aufenthaltstitel (§ 8 Abs. 1 NAG) werden als Karte nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige, ABl. Nr. L 157 vom 15.06.2002 S. 1 in der Fassung der Änderung durch die Verordnung (EU) 2017/1954, ABl. Nr. L 286 vom 1.11.2017 S. 9, erteilt und sind nach dem Muster der Anlage A auszustellen.
[...]
Lichtbild
§ 2a. (1) Das Lichtbild muss farbig sein und den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige, ABl. Nr. L 157 vom 15.06.2002 S. 1 in der Fassung der Änderung durch die Verordnung (EU) 2017/1954, ABl. Nr. L 286 vom 1.11.2017 S. 9, insbesondere den geforderten Aufnahmemodalitäten und Qualitätsmerkmalen, entsprechen.
(2) Das Lichtbild darf zum Entscheidungszeitpunkt nicht älter als sechs Monate sein und muss den Antragsteller zweifelsfrei erkennen lassen. Es ist in der Größe von 45 Millimeter x 35 Millimeter im Hochformat abzugeben. Für das Lichtbild darf nur glattes und glänzendes Papier ohne Oberflächenstruktur verwendet werden. Das Lichtbild darf keine Beschädigung, Verunreinigungen oder unnatürliche Farben aufweisen.
[...]
3. Abschnitt
Zu § 19 Abs. 3 NAG
[...]
Urkunden und Nachweise für alle Aufenthaltstitel
§ 7. (1) Dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 1) sind unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den §§ 8 und 9 folgende Urkunden und Nachweise anzuschließen:
1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG);
2. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 2a;
[...]“
10 Unstrittig ist, dass der Mitbeteiligte seinem im Juli 2023 gestellten Antrag kein Lichtbild im Sinn des § 2a NAG DV (und keine Kopie des Reisepasses) beigelegt hat und dem Verbesserungsauftrag vom 27. Juli 2023 nicht nachgekommen ist, weshalb die belangte Behörde seinen Antrag in der Folge aus diesem Grund zurückgewiesen hat.
11 Fraglich ist, ob in einer solchen Konstellation wenn der Mitbeteiligte von Anfang an kein Lichtbild gemäß § 2a NAG DV vorgelegt hat ein Mangel im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG vorliegt.
12 Vorauszuschicken ist zunächst Folgendes: Im Fall der Zurückweisung eines Antrags ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage, ob die Zurückweisung zu Recht erfolgt ist (vgl. etwa VwGH 28.2.2019, Ra 2018/22/0237, Rn. 8, mwN). Die Behebung eines Mangels, der zur Zurückweisung des Anbringens im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG geführt hat, kann im Beschwerdeverfahren nicht mehr nachgeholt werden (vgl. etwa VwGH 12.7.2023, Ro 2022/03/0053, Rn. 28, mwN). Da somit auch eine im Beschwerdeverfahren erfolgte Vorlage eines Lichtbildes am Vorliegen des diesbezüglichen Zurückweisungsgrundes zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde nichts geändert hätte, besteht für das Verwaltungsgericht kein Raum, dem Antragsteller in einem solchen Fall die Vorlage eines (den Vorgaben des § 2a NAG DV entsprechenden) Lichtbildes erneut aufzutragen (siehe hingegen dazu, dass in Konstellationen, in denen dem ursprünglichen Antrag ein Lichtbild beigelegt, der Antrag von der Behörde in der Folge abgewiesen oder eine Säumnisbeschwerde erhoben wird und das Lichtbild aufgrund der Dauer des Verfahrens dem Erfordernis des § 2a Abs. 2 NAG DV nicht mehr genügt, das Verwaltungsgericht dazu angehalten ist, den Antragsteller gemäß den in § 39 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG festgelegten Grundsätzen für die Führung eines Ermittlungsverfahrens auf seine Verpflichtung zur Beibringung eines den Anforderungen des § 2a NAG DV entsprechenden Lichtbildes hinzuweisen, VwGH 24.8.2023, Ro 2021/22/0014 und 0015, Rn. 25 ff, sowie VwGH 31.1.2024, Ra 2023/22/0100, Rn. 11).
13 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf eine Behörde nur dann nach § 13 Abs. 3 AVG vorgehen, wenn das Anbringen einen „Mangel“ aufweist, also von den der Partei erkennbaren Anforderungen des Materiengesetzes an ein vollständiges, fehlerfreies Anbringen abweicht (vgl. etwa VwGH 24.8.2023, Ra 2022/22/0010, 0047, Rn. 11, mwN).
14 Von Mängeln eines Anbringens im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG sind sonstige Unzulänglichkeiten zu unterscheiden, welche nicht die Vollständigkeit des Anbringens betreffen, sondern sonst im Lichte der anzuwendenden Vorschriften seine Erfolgsaussichten beeinträchtigen. Ob es sich bei einer im Gesetz umschriebenen, aber nicht erfüllten Voraussetzung um einen „Mangel“ im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG oder aber um das (zur Antragsabweisung führende) Fehlen einer Erfolgsvoraussetzung handelt, ist durch die Auslegung der jeweiligen Bestimmung des Materiengesetzes zu ermitteln (vgl. etwa VwGH 9.9.2020, Ra 2019/22/0212, Rn. 26, mwN).
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Frage, ob das Erfordernis gemäß § 7 Abs. 1 (damals) Z 3 (nunmehr Z 2) in Verbindung mit § 2a Abs. 2 NAG DV im Licht dieser Rechtsprechung einen Mangel im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG darstellt, bereits in einer Fallkonstellation befasst, in welcher der Antragsteller zum Zeitpunkt seiner Antragstellung seiner Verpflichtung, ein aktuelles Lichtbild anzuschließen, nachgekommen ist und das vorgelegte Lichtbild aufgrund der Dauer des behördlichen Verfahrens nach Ablauf von sechs Monaten nach Antragstellung nicht mehr aktuell im Sinn des § 2a Abs. 2 NAG DV war. Dieser Rechtsprechung zufolge kann der bloße Zeitablauf nicht bewirken, dass ein ursprünglich richtig eingebrachter Antrag als nunmehr (ursprünglich) fehlerhaft eingebracht gilt. Das Erfordernis, wonach gemäß § 2a Abs. 2 NAG DV ein zum Entscheidungszeitpunkt aktuelles Lichtbild vorliegen muss, ist somit keine Formvorschrift, die bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung erfüllt sein muss und bei der die rechtzeitige Behebung eines allfälligen Mangels dazu führt, dass der Antrag als ursprünglich richtig eingebracht gilt, sondern begründet eine gesondert vorgesehene Mitwirkungs- bzw. Nachweispflicht im Ermittlungsverfahren, die die Ausstellung des begehrten Aufenthaltstitels entsprechend den inhaltlichen Anforderungen von Gesetz und Verordnung ermöglichen soll. In einer Konstellation, in der der Antragsteller seiner Verpflichtung zur Vorlage eines Lichtbildes gemäß § 2a Abs. 2 NAG DV zunächst nachgekommen ist, das Lichtbild jedoch aufgrund der Dauer des Verfahrens den Kriterien des § 2a Abs. 2 NAG DV zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr genügt, geht es um die Beurteilung einer Erfolgs- bzw. Erteilungsvoraussetzung, deren Fehlen allenfalls zur Abweisung des Antrages führt (vgl. zu all dem erneut VwGH Ra 2019/22/0212, Rn. 30). Ein vergleichbarer Sachverhalt lag auch dem bereits zitierten Erkenntnis VwGH Ro 2021/22/0014 und 0015 zugrunde.
16 Von einer solchen Konstellation unterscheidet sich jedoch der vorliegende Fall, weil der Mitbeteiligte schon seinem im Juli 2023 gestellten Antrag unbestritten kein Lichtbild beigelegt und ein solches auch nicht zu einem anderen Zeitpunkt im behördlichen Verfahren vorgelegt hat. Angesichts dessen lag somit unter Zugrundelegung der vom Verwaltungsgericht angenommenen Prämisse des Vorliegens eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“ schon zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Mangel vor, der die Vollständigkeit des Anbringens betrifft, weil der Mitbeteiligte damit der Verpflichtung des § 7 Abs. 1 Z 2 NAG DV, seinem Antrag ein Lichtbild anzuschließen, nicht nachgekommen ist. Es kann daher im vorliegenden Fall auch nicht die Rede davon sein, dass sich das Anbringen des Mitbeteiligten vor dem Hintergrund der Kriterien des § 2a Abs. 2 NAG DV bloß aufgrund der Dauer des Verfahrens als mangelhaft erwiesen hat.
17 In diesem Zusammenhang ist auch auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach § 2a NAG DV eine Regelung des Inhalts und der Gestaltung der Aufenthaltstitel darstellt und § 7 Abs. 1 (damals) Z 3 (nunmehr Z 2) NAG DV nur so verstanden werden kann, dass die in § 2a NAG DV enthaltenen Anforderungen hinsichtlich Format und technischer Spezifikationen erfüllt sein müssen, zumal die Beurteilung, ob das vorgelegte Foto im Entscheidungszeitpunkt nicht älter als sechs Monate sein wird, im Zeitpunkt der Antragstellung unmöglich ist (vgl. wiederum VwGH Ra 2019/22/0212, Rn. 28 f). Eine derartige Beurteilung kommt aber jedenfalls dann (schon faktisch) nicht in Betracht, wenn vom Antragsteller überhaupt kein Lichtbild vorgelegt wird.
18 Genügt daher ein mit dem zugrundeliegenden Antrag vorgelegtes Lichtbild lediglich aufgrund der Dauer des Verfahrens den Kriterien des § 2a Abs. 2 NAG DV zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr, geht es um die Beurteilung einer Erfolgs- bzw. Erteilungsvoraussetzung, deren Fehlen allenfalls zur Abweisung des Antrags führt. Wird hingegen dem Antrag entgegen der Bestimmung des § 7 Abs. 1 Z 2 NAG DV (von Anfang an) kein Lichtbild angeschlossen, liegt ein die Vollständigkeit des Anbringens betreffender Mangel im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG vor, der nach fruchtlosem Ablauf der Frist zur Behebung des Mangels zur Zurückweisung des Antrags berechtigt.
19 Damit ist für den Amtsrevisionswerber im vorliegenden Fall allerdings nichts gewonnen, weil die dargestellten Ausführungen auf der vom Verwaltungsgericht angenommenen Prämisse beruhen, es liege ein Antrag auf „Erteilung“ eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“ vor. Dieser Prämisse vermag sich der Verwaltungsgerichtshof fallbezogen aus nachstehenden Überlegungen jedoch nicht anzuschließen:
20 Zwar sind sowohl die belangte Behörde in ihrem Bescheid als auch das Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis offenbar davon ausgegangen, dass dem vorliegenden Verfahren ein Antrag des Mitbeteiligten auf Erteilung (bzw. Verlängerung) eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“ zugrunde liegt. Es ergibt sich jedoch aus dem vorliegenden Verwaltungsakt eindeutig, dass der Mitbeteiligte zum Zeitpunkt seines Antrags im Juli 2023 bereits über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ verfügte und ihm im September 2021 eine Aufenthaltskarte mit Gültigkeit bis zum 16. Oktober 2025 ausgestellt worden ist (und die Karte somit noch eine Gültigkeitsdauer von mehr als zwei Jahren aufwies). Zudem geht auch aus dem Antragsformular mit dem Vermerk „Verlust“ und dem Beschwerdevorbringen, wonach der Mitbeteiligte seinen Aufenthaltstitel verloren habe, hervor, dass der Mitbeteiligte mit seinem Antrag nicht die Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels, sondern die Neuausstellung des ihm bereits erteilten Aufenthaltstitels gemäß § 19 Abs. 11 NAG bezweckt hat (vgl. im Übrigen die Regelung des § 24 Abs. 1 erster Satz NAG, wonach Verlängerungsanträge frühestens drei Monate vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des bisherigen Aufenthaltstitels eingebracht werden können). Schließlich hält auch die belangte Behörde in ihrer Amtsrevision (Pkt. 2) fest, der Mitbeteiligte habe einen „Antrag auf Neuausstellung seines Aufenthaltstitels [gestellt], da dieser in Verlust geraten“ sei.
21 Nach § 19 Abs. 11 NAG hat der Fremde (ua.) den Verlust eines Aufenthaltstitels der Behörde unverzüglich zu melden. Auf Antrag sind die Dokumente mit der ursprünglichen Geltungsdauer und im ursprünglichen Berechtigungsumfang, falls erforderlich mit berichtigten Identitätsdaten, neuerlich auszustellen.
22 In den Erläuterungen zur Novellierung des § 19 NAG durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009, BGBl. I Nr. 122, (RV 330 BlgNR 24. GP 45) heißt es auszugsweise, durch den neuen Abs. 11 werde ähnlich wie im PassG eine Lösung für den Fall des Verlustes oder der Unbrauchbarkeit (zB durch Beschädigung) eines Aufenthaltstitels bzw. einer Dokumentation geschaffen. Die Neuausstellung hat mit der ursprünglichen Geltungsdauer und im ursprünglichen Berechtigungsumfang zu erfolgen.
23 Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Bestimmung bereits festgehalten, der Wortlaut des § 19 Abs. 11 letzter Satz NAG enthält keine Hinweise darauf, dass vor der neuerlichen Ausstellung eines Dokumentes das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen ist. Hätte der Gesetzgeber eine solche Prüfung vor der neuerlichen Ausstellung eines Aufenthaltstitels oder einer Aufenthaltskarte vorsehen wollen, hätte er dies zum Ausdruck bringen müssen; ob die Verwaltungsbehörde nach anderen Bestimmungen des NAG ein Verfahren einleiten könnte, berührt die Sache des Verfahrens gemäß § 19 Abs. 11 NAG nicht. Dass hingegen das Dokument mit gleicher Geltungsdauer und gleichem Geltungsumfang wie das verlorene oder unbrauchbar gewordene Dokument neuerlich auszustellen ist, weist darauf hin, dass ein Recht nicht neu verliehen oder dessen Vorliegen nicht neu dokumentiert, sondern lediglich ein verlorenes oder unbrauchbar gewordenes Dokument physisch ersetzt werden soll (vgl. VwGH 11.5.2020, Ro 2020/22/0002, Rn. 12).
24 Aus § 19 Abs. 11 NAG geht (abgesehen davon, dass nach dem ersten Satz dieser Bestimmung der Verlust und die Unbrauchbarkeit sowie Änderungen der Identitätsdaten unverzüglich zu melden sind) nicht hervor, ob. bzw. welche Unterlagen ungeachtet dessen, dass vor einer neuerlichen Ausstellung eines Dokumentes das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nicht zu prüfen ist einem Antrag auf Neuausstellung beizulegen sind.
25 Vor dem Hintergrund, dass mit der Neuausstellung eines Aufenthaltstitels im Sinn des § 19 Abs. 11 NAG ein Recht nicht neu verliehen und daher auch kein Aufenthaltstitel (neu) erteilt wird, ist dafür auch aus den Bestimmungen der NAG DV insoweit nichts gewonnen, weil sich § 7 NAG DV, aus welchem sich (soweit relevant) die Pflicht zur Vorlage eines Lichtbildes und eines gültigen Reisedokuments ergibt, ungeachtet des auf die „Ausstellung eines Aufenthaltstitels“ abstellenden Wortlauts auf einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bezieht (vgl. in diesem Sinn erneut VwGH Ra 2019/22/0212, Rn. 29).
26 So lautet es in der diesbezüglichen Verordnungsermächtigung des § 19 Abs. 3 NAG, dass der Bundesminister für Inneres ermächtigt ist, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise für den jeweiligen Aufenthaltszweck (Abs. 2) dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Wenn aber wie dargelegt die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels für einen bestimmten Aufenthaltszweck im Verfahren über die neuerliche Ausstellung eines Dokumentes nach § 19 Abs. 11 NAG nicht zu prüfen sind, dann besteht auch keine Notwendigkeit, diesen Antrag als von der genannten Verordnungsermächtigung und damit auch von § 7 NAG DV erfasst anzusehen. Zudem verweist § 7 NAG DV auf einen Aufenthaltstitel gemäß § 1 NAG DV, in dem wiederum auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels als Karte abgestellt wird. Da im Rahmen einer Neuausstellung eines Aufenthaltstitels kein Aufenthaltstitel (neu) erteilt wird, besteht auch in dieser Hinsicht kein Raum dafür, dass die in § 7 NAG DV genannten Unterlagen in einem Verfahren über die Neuausstellung des in Verlust geratenen in der Vergangenheit bereits erteilten Aufenthaltstitels vom Antragsteller jedenfalls (erneut) vorgelegt werden müssen. Schließlich spricht auch die jeweilige Formulierung in den §§ 8 ff NAG DV („zusätzlich zu den in § 7 genannten Urkunden und Nachweisen sind dem Antrag auf Erteilung [...]“) für die Annahme, dass § 7 NAG DV die allgemeinen Voraussetzungen für einen Antrag auf „Erteilung“ eines Aufenthaltstitels regelt.
27 Dem hier vorliegenden Verwaltungsakt lässt sich worauf erneut hinzuweisen ist entnehmen, dass dem Mitbeteiligten zuletzt eine Aufenthaltskarte mit Gültigkeit bis zum 16. Oktober 2025 ausgestellt und in diesem Verfahren ein Lichtbild vorgelegt wurde, das sich nach wie vor im Akt der belangten Behörde befindet. Auch eine Kopie des (gültigen) Reisepasses liegt im Verwaltungsakt ein, worauf das Verwaltungsgericht selbst hingewiesen hat und weshalb es eine (erneute) Vorlage eines gültigen Reisedokuments nicht als erforderlich angesehen hat.
28 Nach dem Gesagten ist in einem Verfahren betreffend die Neuausstellung eines (wie hier in Verlust geratenen) Aufenthaltstitels gemäß § 19 Abs. 11 NAG weder Sache des Verfahrens, ob die Anspruchsvoraussetzungen (noch) vorliegen, noch kommt es darauf an, ob die erforderlichen Urkunden und Nachweise für einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels beigelegt worden sind. In einem Fall wie dem vorliegenden kann die belangte Behörde die Zurückweisung eines solchen Antrags daher nicht darauf stützen, dass dem Antrag kein Lichtbild bzw. kein Reisepass gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und Z 2 NAG DV angeschlossen wurde, wenn diese bereits im Verfahren über den in Verlust geratenen Aufenthaltstitel (dessen Neuausstellung beantragt wird) der Behörde vorgelegt worden sind und sich auch noch im Akt der Behörde befinden. Es ist vor diesem Hintergrund auch nicht relevant, ob das im Akt befindliche und zur Ausstellung der in Verlust geratenen Aufenthaltskarte verwendete Lichtbild zum Zeitpunkt der Neuausstellung den Vorschriften des § 2a Abs. 2 NAG DV (noch) entspricht.
29 Da die belangte Behörde den Antrag auf Neuausstellung gemäß § 19 Abs. 11 NAG dennoch zurückgewiesen hat, hat sie ihren Bescheid insoweit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
30 Das Verwaltungsgericht hat daher im Ergebnis zu Recht den Bescheid der belangten Behörde behoben.
31 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 25. April 2024