JudikaturVwGH

Ra 2024/19/0510 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Funk Leisch und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision des A N (auch A), vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH, Dr. Wilfried Ludwig Weh, Mag. Andrea Grabic, in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juli 2024, W280 14360506/22E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte am 12. Juli 2023 einen (weiteren) Antrag auf internationalen Schutz, welchen er mit dem Ukrainekrieg begründete. Er habe Anfang Februar 2023 einen Einberufungsbefehl erhalten. Seine Mutter hätte ihm diesen über „Telegram“ übermittelt. Bei einer Rückkehr in die Russische Föderation würde er in den Krieg eingezogen oder von der tschetschenischen Polizei bedroht werden.

2Mit Bescheid vom 17. April 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei, und legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Weiters wurde einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkennt und ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte es in Zusammenhang mit dem vorgebrachten Fluchtgrund aus, dass dem Revisionswerber keine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe habe, drohe. Insbesondere drohe ihm nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Einberufung durch die Streitkräfte der Russischen Föderation oder eine Zwangsrekrutierung durch diese.

5 Mit Beschluss vom 16. September 2024, E 3257/20246, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde des Revisionswerbers ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Darin hielt der Verfassungsgerichtshof u.a. fest, dass dem BVwG bei Erlassung der angefochtenen Entscheidung keine Verletzung des Art. 3 EMRK unterlaufen ist, „hat es sich doch in aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandender Weise mit allen aus Art. 3 EMRK erfließenden Aspekten auseinandergesetzt (vgl. zB VfSlg. 18.610/2008). Nichts anderes ist im Hinblick auf die behauptete Verletzung von Art. 8 EMRK anzunehmen.“

6 Daraufhin erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

10 Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Zur Begründung der Zulässigkeit der vorliegenden Revision führt der Revisionswerber aus, dass es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofs sei, „zig Seiten Detailbehauptungen“ nachzugehen, die zum Teil auf nicht offengelegten Informationsquellen wie anscheinend vorhandenen polizeilichen Berichten beruhten. Die angefochtene Entscheidung weiche von der ständigen Praxis des Verwaltungsgerichtshofs ab und enthalte einen Ermessensexzess, also eine Entscheidung, die über den zulässigen Umfang verwaltungsgerichtlicher Ermessensausübung weit hinausgehe und mit den Wertungsmaßstäben des Verwaltungsgerichtshofs in krassem Widerspruch stehe. Die Eckdaten seien klar. Der Revisionswerber sei unbescholten, es lägen gegen ihn nicht einmal konkrete Verdachtsgründe für konkrete Taten vor. Die Unschuldsvermutung gebiete es daher, dass er keinen polizeilichen Zwangsmaßnahmen unterworfen werde. Seine Ehegattin lebe seit ihrem 6. Lebensjahr im deutschen Sprachraum und seine Kinder seit Geburt. Es wäre ihnen nicht zumutbar, anderswo zu leben. Der tägliche Kontakt zu den Kindern, der durch Art. 24 EUGRC gewährleistet sei, wäre im Fall einer Abschiebung gefährdet. Die Entscheidung widerspreche auch der ständigen Praxis des Unionsrechts, wonach die Gefährlichkeit konkret festzumachen sei und nicht nur allgemein und pauschal wie im angefochtenen Erkenntnis. Der Revisionswerber habe ein Gutachten zu seiner Persönlichkeit angeboten, das jedenfalls einzuholen gewesen wäre.

12Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 13.10.2022, Ra 2022/19/0152, mwN).

13Der Revision gelingt die von der Rechtsprechung geforderte konkrete Darlegung der Zulässigkeitsgründe im gegenständlichen Fall nicht. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, mehrmals ein Abweichen von der Praxis des Verwaltungsgerichtshofes und des Unionsrechtes zu behaupten, ohne darauf einzugehen, mit welcher Begründung das BVwG von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei. Auch in der Bezugnahme auf das Familienleben und das Kindeswohl (vgl. dazu etwa VwGH 24.9.204, Ra 2024/20/0525) legt der Revisionswerber nicht dar, von welcher Rechtsprechung das BVwG konkret abgewichen wäre.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 16. Dezember 2024