JudikaturVwGH

Ra 2024/20/0525 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
24. September 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in den Rechtssachen der Revisionen 1. des G K, 2. der N M, und 3. der Y K, alle vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof und Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 3. Juli 2024, 1. L515 2218969 3/5E, 2. L515 2218971 3/5E und 3. L515 2218970 3/5E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und die Eltern der Drittrevisionswerberin. Alle sind Staatsangehörige von Armenien. Sie stellten nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet im November 2018 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diese Anträge mit den Bescheiden je vom 16. April 2019 ab und sprach (unter anderem) aus, dass gegen die revisionswerbenden Parteien Rückkehrentscheidungen erlassen werden. Den von den revisionswerbenden Parteien dagegen erhobenen Beschwerden wurde insoweit vom Bundesverwaltungsgericht stattgegeben, als der jeweilige Ausspruch betreffend die Abweisung des Antrages in Bezug auf das Begehren auf Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten sowie die rechtlich davon abhängenden Aussprüche aufgehoben und die Angelegenheiten an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen wurden.

3 Mit den Bescheiden je vom 13. Mai 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge in Bezug auf die genannten Begehren erneut ab. Unter einem wurden gegen die revisionswerbenden Parteien Rückkehrentscheidungen erlassen und weitere vom Gesetz vorgesehene Aussprüche getätigt.

4 Die von den revisionswerbenden Parteien gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wurden vom Bundesverwaltungsgericht mit den Erkenntnisses je vom 30. November 2021 als unbegründet abgewiesen.

5 Am 27. September 2022 stellten die revisionswerbenden Parteien die von der armenischen Vertretungsbehörde zwischenzeitig als armenische Staatsangehörige identifiziert worden waren und von der den Feststellungen zufolge im Anschluss für die revisionswerbenden Parteien Passersatzdokumente (Heimreisezertifikate) mit der Gültigkeit von 12. Oktober 2022 bis 9 Februar 2023 ausgestellt wurden neuerlich Anträge auf internationalen Schutz.

6 Mit den Bescheiden je vom 15. April 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, das wie sich aus den vorgelegten Akten ergibt die Asylverfahren zugelassen hatte, die von den revisionswerbenden Parteien gestellten Anträge ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Armenien zulässig sei, und räumte ihnen keine Frist für die freiwillige Ausreise ein. Weiters sprach die Behörde aus, dass Beschwerden gegen die Bescheide die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.

7 Die revisionswerbenden Parteien erhoben gegen diese Bescheide Beschwerden. Mit den (Teil )Erkenntnissen je vom 6. Juni 2024 sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, es werde festgestellt, dass die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerden gegen die angefochtene Bescheide zu Recht erfolgt sei und den Beschwerden die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt werde (womit sohin der Sache nach die Beschwerden gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen wurden).

8 Soweit es die übrigen behördlichen Aussprüche betraf, wurden die Beschwerden vom Bundesverwaltungsgericht, das von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen hatte, mit den hier in Revision gezogenen Erkenntnissen vom 3. Juli 2024 jeweils unter Neuformulierung der Sprüche als unbegründet abgewiesen, wobei das Verwaltungsgericht die behördlichen Aussprüche über die Abweisung der Anträge dahin abänderte, dass die Anträge wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG jeweils nicht zulässig sei.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

12 Die revisionswerbenden Parteien wenden sich in der Begründung für die Zulässigkeit der von ihnen erhobenen Revisionen gegen den Entfall der Verhandlung.

13 Gemäß § 21 Abs. 7 BFA Verfahrensgesetz (BFA VG) kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

14 § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG sieht vor, dass die Verhandlung entfallen kann, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist.

15 Den vorgelegten Akten zufolge wurden die Asylverfahren zugelassen. Soweit es nun die vom Bundesverwaltungsgericht getätigten Aussprüche über die Zurückweisung der von den revisionswerbenden Parteien gestellten Anträge betrifft, stellt sich daher die für Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abstandnahme von der Durchführung einer Verhandlung (nicht § 21 Abs. 6a BFA VG, sondern) § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG als maßgeblich dar (sh § 21 Abs. 7 BFA VG: „Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.“; vgl. dazu, dass bei der Beurteilung, ob in vom BFA VG erfassten Verfahren von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann, zwar nicht die bloß als subsidiär anwendbar ausgestaltete Norm des § 24 Abs. 4 VwGVG, sondern statt dieser allein die Bestimmung des § 21 Abs. 7 BFA VG heranzuziehen ist, jedoch § 24 Abs. 1 bis 3 und 5 VwGVG weiterhin anwendbar bleibt, VwGH 28.5. 2014, Ra 2014/20/0017, 0018; weiters etwa VwGH 30.11.2018, Ra 2018/20/0526; 5.10.2021, Ra 2020/18/0424).

16 In den Fällen des § 24 Abs. 2 VwGVG liegt es im Ermessen des Verwaltungsgerichts, trotz Parteiantrages keine Verhandlung durchzuführen. Dieses Ermessen ist jedenfalls im Licht des Art. 6 EMRK zu handhaben. Dies gilt sinngemäß auch für Art. 47 GRC (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0226, mwN).

17 Anhand der Ausführungen der revisionswerbenden Parteien, die im Übrigen auf diese Bestimmung und auch auf die danach maßgebliche Frage nicht Bezug nehmen, ist nicht zu sehen, dass die Abstandnahme von der Durchführung einer Verhandlung an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Fehlerhaftigkeit litte. Dass in Bezug auf die (weiteren) medizinischen Aspekte der revisionswerbenden Parteien den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen sind sie allein zu dem Zweck nach Österreich gekommen, um sich hier (insbesondere betreffend die Erkrankung der Zweitrevisionswerberin) medizinisch behandeln zu lassen ein Fall gegeben wäre, der (allenfalls: immer noch) in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK fiele, ist schon anhand des Vorbringens nicht zu sehen (vgl. dazu, wann in Bezug auf Erkrankungen der Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK eröffnet ist, etwa VwGH 25.4.2022, Ra 2021/20/0448; 3.6.2024, Ra 2022/14/0125, mwN). Umso weniger kann dann aus dem auf die Erkrankungen abstellenden Vorbringen der revisionswerbenden Parteien eine Änderung der entscheidungswesentlichen Umstände in Bezug auf eine Entscheidung über das Begehren auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz abgeleitet werden.

18 Soweit sich die revisionswerbenden Parteien auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung beziehen, ist festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Auslegung der insoweit hier maßgeblichen in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ folgende Kriterien beachtlich sind:

19 Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. ausführlich VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018); sowie aus der dem folgenden Rechtsprechung etwa VwGH 31.5.2024, Ra 2024/20/0286, mwN).

20 Weiters ist darauf hinzuweisen, dass es immer dann, wenn selbst im Fall der hypothetischen Richtigkeit des Vorbringens zum Sachverhalt aus den geltend gemachten Tatsachen allenfalls in Verbindung mit bereits feststehenden Sachverhaltselementen der behauptete Rechtsanspruch nicht begründet werden kann, keiner Ermittlungen und Feststellungen zur Richtigkeit des allenfalls: übrigen, noch keinen Feststellungen unterworfenen sachverhaltsbezogenen Vorbringens bedarf, weil sich die behaupteten tatsächlichen Vorgänge aus rechtlichen Gründen nicht (mehr) als im Sinn des § 37 AVG maßgeblich darstellen. Somit sind dann aber auch weitergehende beweiswürdigende Erwägungen zu solchen Themen auch in Bezug auf die Frage, ob es der Durchführung einer Verhandlung bedurft hätte als nicht weiter wesentlich anzusehen (vgl. VwGH 25.7.2023, Ra 2023/20/0289, mwN; weiters dazu - unter anderem auch unter dem Aspekt der Zulässigkeit des Entfalls einer Verhandlung - ausführlich VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0069).

21 Dass das Bundesverwaltungsgericht von den oben dargestellten Leitlinien abgewichen wäre, wird von den revisionswerbenden Parteien mit ihrem pauschal gehaltenen Vorbringen nicht dargetan. Das Verwaltungsgericht ist, soweit es den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts betrifft, ohnedies von der Richtigkeit der Angaben der revisionswerbenden Parteien ausgegangen. Dass die revisionswerbenden Parteien eine andere rechtliche Bewertung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts wünschen, führt nicht dazu, dass nach § 21 Abs. 7 BFA VG die Durchführung einer Verhandlung geboten gewesen wäre.

22 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG (vgl. VwGH 12.3.2024, Ra 2024/20/0062, mwN).

23 Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist, wenn durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

24 Die Beurteilung, ob die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 25.10.2023, Ra 2023/20/0125 bis 0130, mwN).

25 Den revisionswerbenden Parteien ist zuzugestehen, dass die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, die von ihm zitierte und zu § 58 Abs. 10 AsylG 2005 (sowie dessen Vorläuferbestimmungen) ergangene Rechtsprechung bilde einen „Orientierungsmaßstab“ für die von ihm zu treffende Entscheidung, nicht der Rechtslage entspricht (vgl. auch dazu VwGH Ra 2023/20/0125 bis 0130, wo mit näherer Begründung ausdrücklich festgehalten wurde, dass die Judikatur zum in § 58 Abs. 10 AsylG 2005 vorgesehenen Grund, wonach ein Antrag auf Erteilung des dort genannten Aufenthaltstitels zurückzuweisen ist, für die hier im Rahmen der Erlassung von Rückkehrentscheidungen anzustellende Beurteilung nicht einschlägig ist).

26 Eine zur Aufhebung der angefochtenen Erkenntnisse führende Rechtsverletzung wird aber in vorliegenden Fällen dadurch nicht bewirkt.

27 Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich auch festgehalten, dass bei der im Rahmen der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmenden Interessenabwägung eine früher ergangene Entscheidung einbezogen und auf jene Gründe Rücksicht genommen werden darf, die früher zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben (vgl. nochmals VwGH Ra 2023/20/0125 bis 0130).

28 Entgegen dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien hat das Bundesverwaltungsgericht letztlich ausreichende Feststellung getroffen, die sich auf ihren gesamten Aufenthalt in Österreich beziehen. Das Verwaltungsgericht hat sich mit den entscheidungswesentlichen Umständen auch hinreichend auseinandergesetzt. Vor dem Hintergrund der in den gegenständlichen Fällen maßgeblichen Feststellungen kam es entgegen der Ansicht der revisionswerbenden Parteien fallbezogen nicht entscheidungswesentlich darauf an, ob die Zweitrevisionswerberin im Zusammenhang mit einem ihr vorgeworfenen Ladendiebstahl unrichtige Angaben gemacht hatte.

29 Die von den revisionswerbenden Parteien angesprochene Berücksichtigung des Kindeswohls stellt im Kontext aufenthaltsbeendender Maßnahmen lediglich einen Aspekt im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung dar; das Kindeswohl ist daher bei der Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen von Fremden nicht das einzig ausschlaggebende Kriterium. Die konkrete Gewichtung des Kindeswohls im Rahmen der nach § 9 BFA VG vorzunehmenden Gesamtbetrachtung hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (vgl. wiederum VwGH Ra 2023/20/0125 bis 0130; weiters etwa VwGH 9.3.2023, Ra 2022/20/0382, jeweils mwN).

30 Bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist zudem nicht allein auf die privaten und familiären Interessen eines Minderjährigen abzustellen, sondern zu berücksichtigen, dass auch den öffentlichen Interessen an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insbesondere gegen im Bundesgebiet aufhältige Fremde, die nach für sie negativem Abschluss von Asylverfahren über kein Aufenthaltsrecht mehr verfügen maßgeblicher Stellenwert zukommt. Es ist daher dem Kindeswohl im Rahmen einer Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG kein absoluter Vorrang beizumessen (vgl. VwGH 25.10.2023, Ra 2023/20/0125 bis 0130; vgl. weiters etwa VwGH 24.4.2024, Ra 2021/20/0477, mit dem Hinweis auf EGMR 18.1.2024, Dabo gg. Schweden , 12510/18, [= NLMR 2024, 31], Rn. 120, wo der EGMR dort im Zusammenhang mit der Prüfung der Verletzung des Art. 8 EMRK im Fall der Ablehnung der Familienzusammenführung festgehalten hat, dass das Wohl eines Kindes, gleich welchen Alters, kein unanfechtbarer Faktor sein kann).

31 Das Bundesverwaltungsgericht hat im Rahmen der von ihm vorgenommenen Interessenabwägung die Frage des Kindeswohls ausreichend einbezogen. Eine nachvollziehbare Begründung, warum auf das Kindeswohl bezogene Erwägungen und welche dies konkret wären zur Unzulässigkeit der Erlassung der Rückkehrentscheidung gegen die revisionswerbenden Parteien hätte führen müssen, ist den Revisionen nicht zu entnehmen.

32 Das Bundesverwaltungsgericht hat in den gegenständlichen Fällen zu Recht in den Vordergrund gerückt, dass nach der ständigen Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht akzeptiert werden muss, dass ein Fremder mit seinem Verhalten versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. VwGH 29.6.2022, Ra 2021/20/0403, mwN).

33 Dass die im Rahmen der Interessenabwägung vom Bundesverwaltungsgericht angestellten Erwägungen mögen diese auch Schwächen aufweisen letztlich zur Unvertretbarkeit der vom Gesetz geforderten Gesamtbetrachtung führten, wird von den revisionswerbenden Parteien mithin nicht aufgezeigt.

34 Von den revisionswerbenden Parteien wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 24. September 2024

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