JudikaturVwGH

Ra 2024/18/0486 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
07. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Dr. in Gröger und Dr. in Sabetzer als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Hahn, LL.M., über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 2024, 1. W140 2278064 1/4E, 2. W140 2278066 1/4E und 3. W140 2278063 1/4E, betreffend Asylangelegenheiten (mitbeteiligte Parteien: 1. M A, 2. R A, und 3. H A, alle vertreten durch Mag. Hubert Wagner, LL.M., Rechtsanwalt in Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

1 Der Erstmitbeteiligte ist der Vater der Zweitmitbeteiligten und der Drittmitbeteiligten. Die Mitbeteiligten sind Staatsangehörige Syriens und Angehörige der arabischen Volksgruppe.

2 Am 12. September 2022 stellten die Mitbeteiligten jeweils Anträge auf internationalen Schutz in Österreich und begründeten diese im Wesentlichen damit, dass sie Syrien im Jahr 2014 wegen des Krieges und der allgemeinen Notlage verlassen hätten. Zudem hätten sie nach ihrem Vorbringen im weiteren Verlauf des Verfahrens befürchtet, dass die Zweitmitbeteiligte und die Drittmitbeteiligte von den kurdischen Kräften aufgefordert würden, sich diesen anzuschließen.

3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diese Anträge mit Bescheiden vom 3. August 2023 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab, erkannte den Mitbeteiligten den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihnen befristete Aufenthaltsberechtigungen.

4 Den gegen die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten erhobenen Beschwerden der Mitbeteiligten gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis statt, erkannte den Mitbeteiligten jeweils gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) den Status der Asylberechtigten zu und stellte fest, dass ihnen damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

5 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, der Erstmitbeteiligte habe eine oppositionelle Gesinnung gegenüber dem syrischen Regime dargelegt und „sich bereits aktiv durch Demonstrationsbesuche in Syrien und Österreich oppositionell betätigt“. Er laufe daher Gefahr, vom syrischen Regime als illoyal angesehen zu werden. Dies könne dazu führen, dass er wegen seiner oppositionellen Gesinnung „verdächtigt, bestraft oder willkürlich inhaftiert“ werde. Dies bedeute, dass die Zweitmitbeteiligte und die Drittmitbeteiligte als alleinstehende junge Frauen sowie als Töchter eines Vaters mit oppositioneller Gesinnung nach Syrien zurückkehren würden und weder auf männlichen Schutz noch auf familiäre Unterstützung zurückgreifen könnten, weil sich ihre Kernfamilie im Ausland befinde. Sie seien ledig und ihre Eltern sowie ihre Geschwister hätten Syrien verlassen. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien wären die Zweitmitbeteiligte und die Drittmitbeteiligte sodann „der realen Gefahr“ von „Gewalthandlungen, erheblichen Eingriffen in ihre (sexuelle) Unversehrtheit und/oder gravierenden Bedrohungen durch die syrische Gesellschaft ausgesetzt“. Eine Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit der syrischen Behörden bestehe nicht.

6 Zwar stehe der Herkunftsort der Mitbeteiligten, Shuyukh Tahtani, der sich in unmittelbarer Nähe zur Stadt Kobane/Ain al Arab im Gouvernement Aleppo befinde, unter der Kontrolle der kurdischen Kräfte, die Sicherheitslage im Nordosten Syriens sei jedoch besonders volatil, weshalb syrische Regimekräfte in allen größeren Städten Nordostsyriens präsent seien. Trotz grundsätzlicher kurdischer Gebietskontrolle habe das syrische Regime daher Zugriff auf die Region Kobane/Ain al Arab und somit auch auf die Heimatregion der Mitbeteiligten.

7 Zum Absehen von der mündlichen Verhandlung hielt das BVwG fest, es ergebe sich bereits aus dem Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten und dem Vorbringen der Mitbeteiligten „während des erstinstanzlichen Verfahrens“, dass ihnen der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen sei. Die mündliche Erörterung lasse eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten.

8 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst geltend macht, das BVwG sei von der (näher angeführten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht von Entscheidungen abgewichen, da es nicht plausibel begründet habe, weshalb es entgegen den Länderberichten von einer syrischen Präsenz samt Zugriffsmöglichkeiten in der Herkunftsregion der Mitbeteiligten ausgehe bzw. woraus sich dies konkret ergebe. Die revisionswerbende Partei verkenne nicht, dass das syrische Regime in gewissen Gebieten im kurdischen Selbstverwaltungsgebiet präsent sei, jedoch stehe die Herkunftsregion der Mitbeteiligten unter ausschließlicher kurdischer Kontrolle und befinde sich nicht in unmittelbarer Nähe der Stadt Ain al Arab. Darüber hinaus könne anhand der im angefochtenen Erkenntnis herangezogenen Länderberichte nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass das syrische Regime in der Herkunftsregion der Mitbeteiligten bzw. im gesamten kurdischen Selbstverwaltungsgebiet präsent sei und Kontroll- und Zugriffsmöglichkeiten habe. Ganz im Gegenteil ergebe sich daraus, dass sich die Anwesenheit nur auf gewisse Gebiete beschränke und symbolischer Natur sei. Bei Beachtung der entsprechenden Rechtsprechung hätte das BVwG daher jedenfalls feststellen müssen, dass der Erstmitbeteiligte mangels Zugriffsmöglichkeiten keinen asylrelevanten Gefahren durch die syrische Regierung ausgesetzt sei. Folglich wäre dem Erstmitbeteiligten kein Asyl zu gewähren gewesen.

9 Dies gelte auch für die Zweitmitbeteiligte und die Drittmitbeteiligte, da sich aus der angefochtenen Entscheidung nicht ableiten lasse, inwieweit diesen in ihrer kurdisch kontrollierten Herkunftsregion eine Verfolgung durch die syrische Regierung drohe, welche die Intensität einer asylrelevanten Verfolgung erreiche, zumal die Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der alleinstehenden Frauen nicht ohne Weiteres angenommen werden könne. Das BVwG hätte sich vielmehr mit den kumulativen Voraussetzungen einer sozialen Gruppe im Sinne der Rechtsprechung des Gerichthofs der Europäischen Union (EuGH) auseinandersetzen und entsprechende einer nachprüfenden Kontrolle zugängliche Feststellungen treffen müssen. Zudem bleibe unklar, weshalb eine Verfolgungsgefahr durch die syrische Regierung bzw. die syrische Gesellschaft angenommen werde. Aus den vom BVwG getroffenen Länderfeststellungen könne auch nicht abgeleitet werden, dass (alleinstehende) Frauen in Gebieten unter kurdischer Kontrolle per se systematischen Diskriminierungen oder sexuellen Übergriffen ausgesetzt seien.

10 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof erstatteten die Mitbeteiligten eine (gemeinsame) Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurück- bzw. Abweisung der Revision begehrten.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Revision ist zulässig und begründet.

12 Vorauszuschicken ist, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des BVwG gemäß § 41 VwGG auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zu prüfen ist (vgl. etwa VwGH 14.3.2025, Ra 2024/18/0507, mwN). Dementsprechend entziehen sich Änderungen der Sach- und Rechtslage, die sich nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses ereignet haben, einer Prüfung im gegenständlichen Revisionsverfahren.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründungspflicht der Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte gemäß § 29 VwGVG bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Begründung jenen Anforderungen zu entsprechen hat, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgeblichen Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. z.B. VwGH 28.10.2024, Ra 2023/18/0453; vgl. grundlegend VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076).

14 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise auch die Pflicht, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen. Nach der höchstgerichtlichen Judikatur verlangt eine schlüssige Beweiswürdigung, dass das Verwaltungsgericht dabei alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. etwa VwGH 3.3.2025, Ra 2024/18/0034, mwN).

15 Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das BVwG seine Begründungspflicht verletzt.

Zur Asylgewährung an den Erstmitbeteiligten:

16 Die Amtsrevision weist zutreffend darauf hin, dass die Einschätzung des BVwG, das syrische Regime habe Zugriff auf die Heimatregion des Erstmitbeteiligten, obwohl diese grundsätzlich unter kurdischer Kontrolle stehe, nur mangelhaft begründet wurde.

17 Das BVwG stützte die Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens des Erstmitbeteiligten im Rahmen der Beweiswürdigung zusammengefasst darauf, dass dieser bei einer Rückkehr nach Syrien Gefahr laufe, Gewalthandlungen, erheblichen Eingriffen in seine Unversehrtheit und/oder gravierenden Bedrohungen durch das in seinem kurdisch kontrollierten Herkunftsgebiet präsente syrische Regime ausgesetzt zu sein. Personen, die sich oppositionell betätigten, würden vom syrischen Regime mit harten Strafen bestraft, darunter Inhaftierung, Folter und Tod. Eine Kontrolle im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints sei nach den Länderinformationen aktuell weit verbreitet. Der Erstmitbeteiligte könnte sich bei einer Rückkehr in das Gebiet der kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit dem Zugriff der syrischen Regierung entziehen, sondern liefe aufgrund der Präsenz von Regierungstruppen in der Stadt Kobane/Ain al Arab Gefahr, entsprechend den vorherrschenden Praktiken auf Seiten des Regimes, „mitgenommen“ und aufgrund seiner Demonstrationsteilnahme verhaftet und bestraft zu werden (vgl. die Seiten 74 und 77 des Erkenntnisses).

18 Zu dieser Einschätzung traf das BVwG die Feststellung (vgl. Seite 6 des Erkenntnisses), die Sicherheitslage im Nordosten Syriens sei besonders volatil und seit der türkischen Militäroffensive gegen die SDF seien syrische Regimekräfte in allen größeren Städten Nordostsyriens präsent. Die Heimatstadt des Erstmitbeteiligten befinde sich in unmittelbarer Nähe zu der Stadt Kobane/Ain al Arab im Gouvernement Aleppo, sodass auch in dieser größeren Stadt Nordsyriens sowie im umliegenden Gebiet das syrische Regime präsent sei. Trotz grundsätzlicher kurdischer Gebietskontrolle habe das syrische Regime daher Zugriff auf die Region Kobane/Ain al Arab und somit auf die Heimatregion des Erstmitbeteiligten bzw. der Mitbeteiligten.

19 Dies allein lässt aber wie die Amtsrevision richtig hervorhebt nicht den Schluss zu, dass dem Erstmitbeteiligten asylrelevante Verfolgung in seinem Heimatland drohe, ergibt sich aus dem im angefochtenen Erkenntnis zwar als Quelle angeführten (vgl. Seite 8 des Erkenntnisses), aber nicht näher zitierten bzw. berücksichtigten „Themenbericht der Staatendokumentation Syrien Grenzübergänge“ vom 25. Oktober 2023 doch vielmehr insbesondere Folgendes: „Es gibt außerdem Kontrollpunkte der syrischen Armee in den Grenzgebieten zu den von der Türkei unterstützten Gruppierungen in der Nähe von Ain Issa ... und an der Grenze zur Türkei, aber dort werden keine Personen kontrolliert. Die Kontrollpunkte wurden nach einer von Russland vermittelten Vereinbarung zwischen den Syrian Democ[r]atic Forces (SDF) ... und Damaskus im Oktober 2019 errichtet. Syrische Regierungstruppen sind auch an der Distriktgrenze von Manbij präsent. Diese Kontrollpunkte der syrischen Armee haben nicht die Befugnis, Menschen in den Städten zu kontrollieren, sie dienen der Abschreckung der Türkei. ... Laut einem im August 2023 von ACCORD kontaktierten Syrienexperten würden sich die Gebiete in und um Manbij zwar durch die Präsenz einiger Regierungstruppen auszeichnen, die SDF seien jedoch nach wie vor der Hauptakteur in der Region. Die SDF haben der Regierung lediglich erlaubt, Truppen einzusetzen, um eine mögliche türkische Militäroperation in Nordsyrien zu verhindern. Daher seien die Regierungstruppen zwar präsent, allerdings beschränke sich diese Präsenz auf die Durchführung von Patrouillen, meist zusammen mit der russischen Militärpolizei. In der Region sei die SDF zurzeit der wichtigste Kontrollakteur, der die Möglichkeit habe, die Lokalbevölkerung zu rekrutieren und zu verhaften ...“ (vgl. die Seiten 32 und 45 des Themenberichts).

20 Ausgehend davon ist es nicht nachvollziehbar, weshalb das BVwG davon ausging, dass speziell im in Nordostsyrien gelegenen Heimatort des Erstmitbeteiligten Kontroll- und Zugriffsmöglichkeiten des syrischen Regimes bestünden, zumal es selbst lediglich die „Präsenz“ regierungsnaher Kräfte hervorhebt und zugleich anführt, dass gemäß den herangezogenen Länderberichten die Regierungskräfte im Allgemeinen keine Zugriffsmöglichkeiten im Selbstverwaltungsgebiet der Kurden hätten (vgl. Seite 74 des Erkenntnisses). Dazu kommt wie die Revision weiters zu Recht aufzeigt , dass das BVwG jegliche näheren Feststellungen zur geografischen Lage der Heimatstadt des Erstmitbeteiligten, denen die tatsächliche Entfernung zu Gebieten mit Regierungspräsenz schlüssig entnommen werden kann, unterlassen hat.

21 Soweit das BVwG im angefochtenen Erkenntnis zudem von einer politisch oppositionellen Gesinnung des Erstmitbeteiligten ausging, begründete es diese Schlussfolgerung allein mit dessen Vorbringen in der Beschwerde, wonach er „auch in Österreich an Demonstrationen gegen das syrische Regime teilgenommen“ habe, sowie auf die in diesem Zusammenhang vorgelegten Fotos, auf denen dieser „als Demonstrationsteilnehmer erkennbar“ sei und die dem Beleg „seiner im Bundesgebiet ausgeübten exilpolitischen Aktivität“ dienten (vgl. Seite 75 des Erkenntnisses). Das BVwG traf in dieser Hinsicht aber weder Feststellungen zu Umfang und Intensität der angenommenen exilpolitischen Aktivität, noch setzte es sich mit dem Umstand auseinander, dass der Erstmitbeteiligte im Verfahren vor der belangten Behörde lediglich auf Befragung darauf hingewiesen hatte, er habe in Syrien im Jahr 2013 drei oder vier Mal an „friedlichen Demonstrationen“ teilgenommen, sein Fluchtvorbringen aber gar nicht auf diesen Umstand gestützt hatte (vgl. die Seiten 5f des Bescheides). Es änderte insoweit die gegenteilige Beweiswürdigung des BFA, wonach es nicht glaubhaft sei, dass dem Erstmitbeteiligten staatliche Verfolgung drohe, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Auch dadurch belastete das BVwG sein Erkenntnis mit einem Verfahrensmangel.

Zur Asylgewährung an die Zweitmitbeteiligte und die Drittmitbeteiligte:

22 Das BVwG gewährte der Zweitmitbeteiligten und der Drittmitbeteiligten, die wie der Erstmitbeteiligte vom BFA bereits subsidiären Schutz zuerkannt erhalten hatten, den Asylstatus mit der Begründung, es wäre ihnen als alleinstehenden Frauen ohne männlichen Schutz und Unterstützung nicht möglich, in Syrien ohne Gefahr von (sexuellen) Übergriffen und relevanten Diskriminierungen leben zu können. Eine Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit der syrischen Behörden bestehe nicht.

23 Zur Begründung dieser Risikoprognose nahm das BVwG im Wesentlichen auf der Grundlage der zum Erstmitbeteiligten getroffenen Erwägungen darauf Bezug, dass die Zweitmitbeteiligte und die Drittmitbeteiligte als alleinstehende junge Frauen sowie Töchter eines Vaters mit oppositioneller Gesinnung nach Syrien zurückkehren würden und weder auf männlichen Schutz noch auf familiäre Unterstützung zurückgreifen könnten, da sie ledig seien und sich ihre Kernfamilie im Ausland befinde. Zudem stützte es diese Einschätzung auf die getroffenen Länderfeststellungen, wonach „die größte Bedrohung für Frauen vom syrischen Regime“ ausgehe. Aber auch im kurdischen Herkunftsgebiet drohe alleinstehenden Frauen Gefahr, da „praktisch alle Konfliktparteien in Syrien geschlechtsbezogene und/oder sexualisierte Gewalt“ anwendeten (vgl. Seite 79 des Erkenntnisses).

24 Die Annahme des BVwG, die Zweitmitbeteiligte und die Drittmitbeteiligte wären im hypothetischen Fall einer Rückkehr nach Syrien alleinstehend und würden keine familiäre Unterstützung, insbesondere durch männliche Familienangehörige erhalten, fußt auf der Überlegung, dass (v.a.) der Erstmitbeteiligte wegen drohender Verfolgung nicht nach Syrien zurückkehren würde. Diese Überlegung lässt sich vor dem Hintergrund der zuvor dargestellten Begründungsmängel zur Rückkehrgefährdung des Erstmitbeteiligten nicht aufrecht erhalten, womit das angefochtene Erkenntnis auch insofern mit wesentlichen Begründungsmängeln belastet ist. Darüber hinaus setzte sich das BVwG mit der Frage, ob die beiden Mitbeteiligten in ihrem Heimatland allenfalls familiäre Unterstützung (außerhalb der Kernfamilie) erhalten könnten, gar nicht auseinander bzw. traf es keine diesbezüglichen Feststellungen. Es beachtete auch nicht, dass der aus den Länderfeststellungen abgeleiteten generellen Gefahr für die Zweitmitbeteiligte und die Drittmitbeteiligte bereits durch die Gewährung von subsidiärem Schutz Rechnung getragen wurde. Um die tatsächliche asylrelevante Verfolgungsgefahr für zurückkehrende Frauen konkret abschätzen zu können, hätte es vielmehr einer individuellen Prüfung der Umstände des Einzelfalles bedurft (siehe zur Frage der asylrelevanten Verfolgung alleinstehender syrischer Frauen zuletzt etwa VwGH 26.6.2025, Ra 2024/18/0421, mwN).

25 Eine schlüssige und nachvollziehbar begründete Beweiswürdigung im Sinne der angeführten Rechtsprechung hätte zusammengefasst daher erfordert, die bezogen auf das Vorbringen der Zweitmitbeteiligten und der Drittmitbeteiligten notwendigen Ermittlungen durchzuführen, fallbezogen die erforderlichen Feststellungen zu treffen und diese an den dafür konkret heranzuziehenden Länderfeststellungen zu messen. Dies hat das BVwG im angefochtenen Erkenntnis wie gezeigt unterlassen.

26 Aufgrund dieser wesentlichen Begründungsmängel war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 7. August 2025

Rückverweise