Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Dr. in Gröger und Dr. in Sabetzer als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des A A, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner, Rechtsanwalt in 8054 Seiersberg Pirka, Haushamer Straße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2024, L519 2144975 4/4E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak und Angehöriger der arabischen Volksgruppe sunnitischen Glaubens aus Bagdad, beantragte am 9. Oktober 2015 erstmals internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 16. Dezember 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab und traf mehrere Nebenaussprüche.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 12. Mai 2020 als unbegründet ab und erklärte eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
3Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20. August 2020, 32 Hv 58/2020 m, wurde der Revisionswerber wegen des Vergehens des § 207a Abs. 1 Z 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
4 Am 8. September 2023 brachte der Revisionswerber den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz ein, zu dessen Begründung er im Wesentlichen an seinen ursprünglich angegeben Fluchtgründen festhielt. Er werde bedroht, weil er sich wie ein Künstler kleide, lange Haare habe sowie als Sunnit in einer schiitischen Gegend gewohnt habe.Seine Mutter lebe noch im Irak; sie habe ihm telefonisch mitgeteilt, dass er nicht in den Irak zurückkehren solle und sich sein Leben dort in Gefahr befinde. Er habe Angst um sein Leben und das seiner Mutter. Deshalb gehe es ihm auch schlecht; er habe Asthma, Bluthochdruck sowie eine urologische Krankheit.
5Mit Bescheid vom 5. Juni 2024 wies das BFA den Folgeantrag wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück und erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
6 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
7 Begründend führte das BVwG aus, der Revisionswerber habe keinen neuen, im Kern glaubhaften Sachverhalt vorgebracht, der zu einer inhaltlich anderslautenden Entscheidung führen könnte. Er habe sich auf das Vorbringen im ersten Asylverfahren, welches bereits als nicht glaubhaft eingestuft worden sei, bezogen. Das BVwG gehe davon aus, dass der Revisionswerber den Folgeantrag nur gestellt habe, um seinen Aufenthalt zu verlängern und die Abschiebung zu verhindern. Der Antrag sei wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
8Zum Gesundheitszustand des Revisionswerbers führte das BVwG aus, vom BFA sei ein psychologisches Gutachten in Auftrag gegeben worden, welches zum Ergebnis gekommen sei, bei ihm liege eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion vor, welche aber im Fall der Abschiebung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner massiven Verschlechterung des Allgemeinzustandes führen würde. Bei den urologischen Problemen des Revisionswerbers handle es sich um keine schwere, lebensbedrohliche Krankheit, sondern lediglich um eine (gutartige) Bindegewebewucherung, die sich oft von selbst bessern oder völlig zurückbilden würde. Es könne im Fall der Rückkehr keine Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK erkannt werden.
9 Zur Rückkehrentscheidung kam das BVwG zum Ergebnis, das BFA habe zu Recht keine besondere Integrationsverfestigung festgestellt. Das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Revisionswerbers überwiege sein Interesse am Verbleib im Bundesgebiet.
10 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 3. Oktober 2024, E 3117/2024 5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
11 In der Folge wurde die gegenständliche außerordentliche Revision eingebracht, die zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen geltend macht, der Verwaltungsgerichtshof habe in gefestigter Rechtsprechung immer wieder betont, dass ein Antrag auf internationalen Schutz bei einer neuen gesundheitlichen Situation in Bezug auf die Notwendigkeit einer subsidiären Schutzgewährung inhaltlich neu zu beurteilen sei. Der Revisionswerber habe sich im gegenständlichen Folgeantrag zentral darauf gestützt, dass sich gegenüber dem Vorverfahren seine Gesundheit maßgeblich verschlechtert habe. Das BFA habe dazu von Amts wegen ein psychologisches Gutachten eingeholt, welches dem Revisionswerber offen zu legen gewesen wäre. Spätestens das BVwG hätte die Ausführungen des Gutachtens in das Erkenntnis aufnehmen müssen. Auch die Frage, warum kein Gutachter für Urologie bestellt worden sei, bleibe im Dunkeln. Dass eine weibliche Richterin über urologische und sonstige gesundheitliche Probleme eine medizinische Prognose abgebe, widerspreche deutlich der herrschenden Rechtsprechung. Ein Sachverständigengutachten sei immer dann einzuholen, wenn medizinische Fachfragen nicht ohne entsprechende Kenntnisse selbständig beurteilbar sind. Es lägen somit grundsätzliche Rechtsfragen vor, die eine Revision zulässig machten.
12 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
15Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16Es entspricht im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhalts die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukommt; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrags darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, an den eine positive Entscheidungsprognose im obigen Sinne anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrags mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. dazu etwa VwGH 5.7.2023, Ra 2021/18/0270, mwN).
17Im gegenständlichen Fall haben das BFA und das BVwG eine maßgebliche Sachverhaltsänderung insbesondere in Bezug auf die Frage, ob dem Revisionswerber subsidiärer Schutz wegen der geltend gemachten Erkrankungen gewährt werden muss, verneint und sich dabei zusammengefasst vor allem darauf gestützt, dass die vorgebrachten Erkrankungen keine solche Schwere erreichten, dass sie einer Rückführung in den Irak wegen drohender Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK entgegenstünden. Dem hält die Revision nichts Stichhaltiges entgegen. Sie zeigt insbesondere nicht auf, dass die von ihr geforderten weiteren Ermittlungen oder Gutachten ein anderes Verfahrensergebnis hätten erzielen können.
18 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 17. Dezember 2024