JudikaturVwGH

Ra 2024/18/0078 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
25. Juni 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Tolar als Richter sowie die Hofrätin Dr. Kronegger als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision 1. der R S, 2. der P M, und 3. des T P M, alle in E und vertreten durch Mag. Jakob Mahringer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Oktober 2023, 1. W205 2126963 4/15E, 2. W205 2273257 1/9E und 3. W205 2126962 4/10E, betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der minderjährigen Zweitrevisionswerberin und des minderjährigen Drittrevisionswerbers. Alle sind Staatsangehörige der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo).

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den (dritten) Folgeantrag vom 20. Februar 2020 (gestellt für die Erstrevisionswerberin und den Drittrevisionswerber) sowie den Antrag auf internationalen Schutz der Zweitrevisionswerberin vom 1. September 2022 im Beschwerdeverfahren hinsichtlich des begehrten Status von Asylberechtigten ab. Es gewährte den revisionswerbenden Parteien jedoch den Status von subsidiär Schutzberechtigten und erteilte ihnen befristete Aufenthaltsberechtigungen. Die Revision erklärte das BVwG für unzulässig.

3 Gegen die Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit dg. Beschluss vom 13. Dezember 2023, E 3667 3669/2023 5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

4 In der nun vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Zulässigkeit zusammengefasst geltend gemacht, die Erstrevisionswerberin sei auch nach den Feststellungen des BVwG Opfer einer Vergewaltigung geworden, weshalb ihr als Angehörige einer bestimmten sozialen Gruppe („alleinstehende in die DR Kongo zurückkehrende Frauen, die Opfer von Vergewaltigungen und anderen Formen sexueller Gewalt geworden sind“) Asyl hätte gewährt werden müssen. Das BVwG habe sich auch nicht mit der Gefährdung praktizierender Christen (wie den revisionswerbenden Parteien) in der DR Kongo auseinandergesetzt und es habe die drohende asylrelevante Verfolgung der Zweitrevisionswerberin und des Drittrevisionswerbers als Kinder (Gefahr der Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit oder Zwangsprostitution) nicht erkannt.

5 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Das BVwG gewährte den revisionswerbenden Parteien den Status von subsidiär Schutzberechtigten, weil die Erstrevisionswerberin der realen Gefahr unterliege, mit ihren Kindern (der Zweitrevisionswerberin und dem Drittrevisionswerber) bei Rückkehr in die DR Kongo in eine ausweglose Lage zu geraten. Die Erstrevisionswerberin wäre aufgrund ihres Gesundheitszustands und ihren betreuungspflichtigen Kindern nicht in der Lage, einen ausreichenden Unterhalt zu erwirtschaften, um die Familie zu erhalten; ein soziales Netzwerk stehe ihr nicht zur Verfügung.

10 Die Revision entfernt sich von den Sachverhaltsfeststellungen des BVwG, wenn sie unterstellt, das BVwG habe auch den geltend gemachten Fluchtgrund einer Vergewaltigung als Reaktion auf oppositionelles politisches Engagement der Erstrevisionswerberin für glaubhaft befunden und seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Im Gegenteil: Das BVwG stellte mit näherer Beweiswürdigung fest, dass die Erstrevisionswerberin nicht habe glaubhaft machen können, dass sie wegen regimekritischer Äußerungen oder ihrer Volksgruppenzugehörigkeit Opfer einer Vergewaltigung geworden sei oder im Falle einer Rückkehr in Gefahr wäre, asylrelevant bedroht zu werden. Insoweit erübrigt es sich, auf die Ausführungen der Revision zum behaupteten Konventionsgrund näher einzugehen.

11 Wenn die Revision die Asylgewährung aus drohender Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit oder Zwangsprostitution für die zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien ableiten möchte, ist ihr zwar zuzugeben, dass die einschlägigen Länderberichte eine mögliche Gefährdung für Kinder in der DR Kongo in diesem Sinne belegen (vgl. dazu die Länderfeststellungen im angefochtenen Erkenntnis S. 26). Die Feststellung allgemeiner Umstände im Herkunftsstaat kann aber die Glaubhaftmachung der Gefahr einer konkreten, individuell gegen die revisionswerbenden Parteien gerichteten Verfolgung nicht ersetzen (vgl. etwa VwGH 3.7.2023, Ra 2023/14/0182, mwN). Eine solche mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit den zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien drohende Verfolgungsgefahr zeigt die Revision aber nicht auf. Sie stellt mit ihren Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung lediglich eine bloß theoretisch denkbare Möglichkeit eines Verfolgungsszenarios für die Zweitrevisionswerberin und den Drittrevisionswerber in den Raum, begründet im Einzelnen aber keine für sie konkret vorliegende Gefahrenlage.

12 Soweit die Revision schließlich Ermittlungen zur Lage von praktizierenden Christen in der DR Kongo vermisst, macht sie Verfahrensfehler geltend, ohne deren Relevanz in konkreter Weise darzulegen (vgl. zur Notwendigkeit der Relevanzdarlegung von Verfahrensmängeln VwGH 24.4.2023, Ra 2023/18/0097, mwN). Sie verweist zwar auf einen in der Beschwerdeergänzung näher zitierten Bericht von Human Rights Watch zur Menschenrechtssituation im Jahr 2021, aus dem sich ergebe, dass katholische Kirchen und Priester tätlich angegriffen worden seien, weil diese sich für einen unabhängigeren Präsidenten der Wahlkommission eingesetzt hatten. Dass das BVwG bei Berücksichtigung dieses Berichts allerdings zu einem für die revisionswerbenden Parteien günstigeren Ergebnis hätte gelangen können, wird von der Revision nicht dargetan und ist auch nicht ersichtlich.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. Juni 2024

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