JudikaturVwGH

Ra 2024/17/0071 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
04. September 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamer, über die Revision 1. des M J, 2. der B J, und 3. des D J, alle vertreten durch Rast Musliu Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. April 2024, W220 2247572 2/5E, W220 2273725 1/5E und W220 2273728 1/3E, berichtigt mit Beschluss vom 16. Mai 2024, betreffend Versagung von Aufenthaltstiteln gemäß § 55 AsylG 2005, Erlassung von Rückkehrentscheidungen samt Nebenaussprüchen und Erlassung eines Einreiseverbots (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1.1. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind die Eltern des im August 2015 geborenen Drittrevisionswerbers. Alle drei sind serbische Staatsangehörige.

1.2. Der seit Dezember 2015 in Österreich durchgehend mit Hauptwohnsitz gemeldete Erstrevisionswerber schloss im Jänner 2016 die Ehe mit V M, einer österreichischen Staatsbürgerin. Unter Berufung auf diese Ehe stellte er im Jänner 2016 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“, dem stattgegeben wurde. Im Juli 2017 stellte er einen Verlängerungsantrag, dem ebenso stattgegeben wurde.

Im Jänner 2018 wurde die Ehe des Erstrevisionswerbers mit V M im Einvernehmen geschieden. Der Erstrevisionswerber stellte daraufhin im Juli 2018 einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot Weiß Rot Karte plus“, dem ebenso (mit Gültigkeit bis April 2022) stattgegeben wurde.

Im Jänner 2020 ging der Erstrevisionswerber schließlich die Ehe mit der Zweitrevisionswerberin ein.

1.3. Die Zweitrevisionswerberin und der Drittrevisionswerber beide sind seit Juli 2020 durchgehend mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet stellten im September 2020 Erstanträge auf Erteilung jeweils eines Aufenthaltstitels „Rot Weiß Rot Karte plus“ zwecks Familienzusammenführung mit dem Erstrevisionswerber.

Der Landeshauptmann von Wien veranlasste daraufhin fremdenpolizeiliche Ermittlungen, die den Verdacht bestätigten, dass es sich bei der Ehe zwischen dem Erstrevisionswerber und V M um eine Aufenthaltsehe gehandelt habe.

1.4. Mit Bescheid vom 8. März 2021 nahm daher der Landeshauptmann von Wien die Verfahren betreffend die Anträge des Erstrevisionswerbers vom Jänner 2016, vom Juli 2017 und vom Juli 2018 wegen Vorliegens einer Aufenthaltsehe gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 AVG von Amts wegen wieder auf und wies die Anträge unter einem ab.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Erstrevisionswerbers wies das Verwaltungsgericht Wien mit Erkenntnis vom 18. August 2021 als unbegründet ab. Eine dagegen erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof blieb ohne Erfolg.

2.1. Am 17. September 2021 stellten die Revisionswerber schließlich Anträge auf Erteilung jeweils eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005.

Über diese Anträge sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach Zwischenverfahren sowie nach Zurückziehung der Anträge der Zweitrevisionswerberin und des Drittrevisionswerbers vom September 2020 (auf Erteilung von Aufenthaltstiteln nach dem NAG) wie folgt ab:

Mit Bescheid vom 28. April 2023 wurde der Antrag des Erstrevisionswerbers abgewiesen, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Serbien festgestellt, ihm eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise eingeräumt und gegen ihn ein Einreiseverbot in der Dauer von vier Jahren erlassen.

Mit zwei weiteren Bescheiden vom 28. April bzw. vom 3. Mai 2023 wurden (auch) die Anträge der Zweitrevisionswerberin bzw. des Drittrevisionswerbers abgewiesen, gegen sie Rückkehrentscheidungen erlassen, die Zulässigkeit ihrer Abschiebung nach Serbien festgestellt und ihnen eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen für die freiwillige Ausreise eingeräumt.

2.2. Gegen diese Bescheide erhoben die Revisionswerber Beschwerde.

3.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 4. April 2024 gab das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde des Erstrevisionswerbers gegen den (ihn betreffenden) Bescheid vom 28. April 2023 insoweit Folge, als es die Dauer des Einreiseverbots auf drei Jahre herabsetzte; im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab. Die Beschwerde der Zweitrevisionswerberin und des Drittrevisionswerbers gegen die (sie betreffenden) Bescheide vom 28. April und 3. Mai 2023 wies es zur Gänze als unbegründet ab. Ferner sprach es aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

3.2. Das Verwaltungsgericht stellte (soweit nicht bereits oben in Pkt. 1. und 2. wiedergegeben) fest, bei der Ehe zwischen dem Erstrevisionswerber und V M habe es sich um eine Aufenthaltsehe gehandelt. Diese sei nur zu dem Zweck geschlossen worden, Aufenthaltstitel zu erschleichen; ein Familienleben sei nie geführt worden.

Zum Privat und Familienleben führte das Verwaltungsgericht aus, die Revisionswerber seien in Serbien geboren worden. Der Erstrevisionswerber habe dort acht Jahre die Grundschule und drei Jahre eine Berufsschule für Installateure besucht und zudem eine mehrmonatige Ausbildung zum Friseur absolviert. Er habe mehrere Jahre einen Friseursalon betrieben und in der Folge als Tagelöhner in der Landwirtschaft gearbeitet. Die Zweitrevisionswerberin habe in Serbien acht Jahre die Grundschule und vier Jahre eine Chemielaborantenschule besucht und dann in einer Schuhfabrik gearbeitet.

In Serbien lebten noch zahlreiche (näher angeführte) Angehörige, zu denen Kontakt bestehe. In Österreich lebten zwei Cousins und eine Cousine des Erstrevisionswerbers mit ihren Kindern.

Der Erstrevisionswerber habe in Österreich zunächst von November 2016 bis September 2021 (mit Unterbrechungen) in einer Gebäudereinigung gearbeitet. Die Zweitrevisionswerberin sei im Bundesgebiet nicht erwerbstätig gewesen. Derzeit gingen beide keiner Erwerbstätigkeit nach, sie verfügten jedoch über Einstellungszusagen. Der Drittrevisionswerber besuche gegenwärtig die zweite Klasse Volksschule.

Die Revisionswerber verfügten über eine Wohnung mit unbefristetem Mietvertrag und lebten seit Juli 2020 im gemeinsamen Haushalt. Sie sprächen Serbisch als Muttersprache und „etwas“ Deutsch. Der Erstrevisionswerber habe ein Deutschzertifikat A2, die Zweitrevisionswerberin ein Deutschzertifikat A1 erlangt.

Der Erstrevisionswerber betätige sich ehrenamtlich in einem Fußballverein und habe ebenso wie die Zweitrevisionswerberin einen Freundes und Bekanntenkreis in Österreich. Der Drittrevisionswerber spiele Fußball und betreibe Kickboxen in einem Verein. Es sei davon auszugehen, dass er auch bereits Freundschaften geschlossen habe.

Das Verwaltungsgericht traf weiters eingehende Länderfeststellungen zu Serbien.

3.3. Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, die Anträge der Revisionswerber gemäß § 55 AsylG 2005 seien abzuweisen (gewesen), da die Erteilung der beantragten Aufenthaltstitel zur Aufrechterhaltung ihres Privat und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geboten sei. Aus demselben Grund seien auch Rückkehrentscheidungen gegen sie zu erlassen (gewesen).

Was das nach Art. 8 EMRK geschützte Familienleben betreffe, so hielten sich die Revisionswerber zwar gemeinsam in Österreich auf und lebten im gemeinsamen Haushalt. Da sie jedoch im selben Umfang von den aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen seien, liege insofern kein Eingriff in ihr geschütztes Familienleben vor. Sie hätten auch zu ihren im Bundesgebiet lebenden Angehörigen keine engen Bindungen, sodass insofern ebenso kein geschütztes Familienleben vorliege.

Was das nach Art. 8 EMRK geschützte Privatleben des Erstrevisionswerbers betreffe, so weise dieser zwar einen mehr als achtjährigen Aufenthalt in Österreich auf, weiters sei er von November 2016 bis September 2021 (mit Unterbrechungen) als Arbeiter erwerbstätig gewesen, verfüge über eine Einstellungszusage, könne ein Deutschzertifikat A2 vorweisen, habe einen Freundes und Bekanntenkreis im Bundesgebiet und betätige sich ehrenamtlich in einem Fußballverein. Allerdings sei seine Integration dadurch maßgeblich relativiert, dass er die bisher erteilten Aufenthaltstitel durch Eingehen einer Aufenthaltsehe erschlichen habe und auch nach Wiederaufnahme der betreffenden Verfahren und Abweisung der Anträge unrechtmäßig in Österreich verblieben sei. Er habe hierdurch die öffentliche Ordnung bzw. den geordneten Vollzug des Fremdenwesens maßgeblich gefährdet, wobei ein besonders hohes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Aufenthaltsehen und der Umgehung der Regeln über eine geordnete Zuwanderung bestehe. Ferner sei ihm auch eine Rückkehr nach Serbien ohne Weiteres möglich, da er dort aufgewachsen und sozialisiert worden sei und nach wie vor über enge familiäre und soziale Kontakte verfüge; aufgrund seiner dortigen Schul und Berufsausbildung sowie seiner Arbeitserfahrung könne er sich problemlos wieder in die serbische Gesellschaft eingliedern. Wiege man auf Basis des Vorgesagten die berührten Interessen im Sinn des § 9 BFA VG ab, so überwiege das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts die persönlichen Interessen des Erstrevisionswerbers an seinem weiteren Verbleib in Österreich.

Was das geschützte Privatleben der Zweitrevisionswerberin anlange, so habe diese zwar seit Juli 2020 ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet, weiters verfüge sie über eine Einstellungszusage, könne ein Deutschzertifikat A1 vorweisen und habe einen Freundes und Bekanntenkreis in Österreich. Allerdings sei sie trotz Ablaufs ihres sichtvermerkfreien Zeitraums und trotz Nichterlangung eines Aufenthaltstitels unrechtmäßig in Österreich verblieben. Ihren privaten Interessen stehe daher das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen bzw. an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber. Ferner sei ihr auch eine Rückkehr nach Serbien ohne Weiteres möglich, da sie dort aufgewachsen und sozialisiert worden sei und weiterhin enge familiäre und soziale Kontakte habe; aufgrund ihrer in Serbien erlangten Schul und Berufsausbildung sowie ihrer Arbeitserfahrung könne sie sich problemlos wieder in die dortige Gesellschaft eingliedern. Wiege man die berührten Interessen im Sinn des § 9 BFA VG ab, so überwiege das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts die persönlichen Interessen der Zweitrevisionswerberin an ihrem weiteren Verbleib im Bundesgebiet.

Was schließlich das geschützte Privatleben des Drittrevisionswerbers betreffe, so sei ein besonderes Augenmerk auf das Kindeswohl zu richten. Der achtjährige Drittrevisionswerber besuche gegenwärtig die zweite Klasse Volksschule, weise bereits Kenntnisse der deutschen Sprache auf, verfüge über einen Freundes und Bekanntenkreis in Österreich, spiele Fußball und betreibe Kickboxen in einem Verein. Dem stehe freilich gegenüber, dass er in Serbien geboren worden sei, sich dort bis Juli 2020 aufgehalten habe, Serbisch (hauptsächlich auch im serbischen Familienverband) spreche und sich noch in einem anpassungsfähigen Alter befinde. Zudem sei er trotz Ablaufs seines sichtvermerkfreien Zeitraums und trotz Nichterlangung eines Aufenthaltstitels unrechtmäßig in Österreich verblieben, was ihm zwar nicht unmittelbar vorzuwerfen sei, das Bewusstsein seiner Eltern über die Unsicherheit des Aufenthalts sei ihm jedoch (wenn auch mit geringerer Gewichtung) zuzurechnen. Seinen privaten Interessen stehe daher das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen bzw. an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber. Ferner sei davon auszugehen, dass seine Rückkehr nach Serbien gemeinsam mit den Eltern mit keinen unzumutbaren Härten verbunden sein werde und er sich ohne Weiteres in die serbische Gesellschaft wieder eingliedern werde. Wiege man die berührten Interessen im Sinn des § 9 BFA VG ab, so überwiege auch unter Berücksichtigung des Kindeswohls das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts die persönlichen Interessen des Drittrevisionswerbers an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet.

Die Zulässigkeit der Abschiebung der Revisionswerber nach Serbien sei auszusprechen (gewesen), da das Vorliegen eines die Abschiebung ausschließenden Sachverhalts im Sinn des § 50 FPG zu verneinen sei.

Für die freiwillige Ausreise sei eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen zu gewähren (gewesen), da gegenteilige besondere Umstände nicht dargetan worden seien bzw. auch nicht vorlägen.

Gegen den Erstrevisionswerber sei ferner ein Einreiseverbot in der Dauer von drei Jahren zu erlassen (gewesen). Der Erstrevisionswerber habe eine Aufenthaltsehe geschlossen, um sich wiederholt Aufenthaltstitel zu erschleichen, und sei auch nach Wiederaufnahme der Verfahren und Abweisung der betreffenden Anträge unrechtmäßig in Österreich verblieben. Sein Fehlverhalten stelle eine erhebliche Beeinträchtigung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften sowie des großen öffentlichen Interesses an deren Einhaltung dar. Es bestehe die Gefahr, dass er neuerlich ein Verhalten setzen werde, um die Regelungen über eine legale Niederlassung im Bundesgebiet zu umgehen.

4. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die gegenständliche außerordentliche Revision, in deren Zulässigkeitsbegründung ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in den nachstehend näher erörterten Punkten behauptet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG wird jedoch nicht aufgezeigt.

5. Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

An den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat jedoch die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

6.1. Die Revisionswerber machen insofern unter dem Gesichtspunkt einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs dürfe sich ein Verwaltungsgericht über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen. Es dürfe Beweisanträge nur dann ablehnen, wenn die Tatsachen als wahr unterstellt würden, es auf sie nicht ankomme oder ein Beweismittel ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung untauglich bzw. ungeeignet sei, über den betreffenden Gegenstand einen Beweis zu liefern. Hätte vorliegend das Verwaltungsgericht ordnungsgemäße und hinreichende Ermittlungen durchgeführt, so wäre es zum Ergebnis gelangt, dass die Revisionswerber über ein schützenswertes Privat und Familienleben verfügten, und es hätte ihnen die beantragten Aufenthaltstitel erteilen müssen.

6.2. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass ein Verwaltungsgericht wenn Beweisanträge (etwa auf zeugenschaftliche Vernehmung bestimmter Personen zu einem konkreten und entscheidungswesentlichen Thema) nicht gestellt wurden durch das Unterlassen der Einvernahme der betreffenden Personen grundsätzlich keine Verletzung von Verfahrensvorschriften verantwortet, sofern nicht ein amtswegiges Vorgehen geboten ist (vgl. etwa VwGH 30.1.2019, Ra 2018/03/0131, Rn. 9, mwN).

Vorliegend wurde (im oben aufgezeigten Zulässigkeitsvorbringen der Revision) nicht behauptet und ist auch aus den Akten nicht ersichtlich, dass die Revisionswerber Beweisanträge (etwa auf zeugenschaftliche Vernehmung weiterer Personen) gestellt hätten und diesen Anträgen vom Verwaltungsgericht nicht entsprochen worden wäre. Ein Verfahrensmangel ist daher insoweit schon deshalb nicht gegeben.

6.3. Zwar trifft ein Verwaltungsgericht infolge der Grundsätze der Amtswegigkeit und der Erforschung der materiellen Wahrheit die Pflicht, auch von Amts wegen für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise zu sorgen (vgl. etwa VwGH 3.4.2024, Ra 2020/22/0144, Pkt. 8, mwN).

Die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Stands der Ermittlungen ein ausreichend erhobener Sachverhalt vorliegt oder ob noch weitere amtswegige Beweisaufnahmen erforderlich sind, stellt jedoch regelmäßig sofern nicht von einem krassen, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Fehler auszugehen ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung dar (vgl. etwa VwGH 2.2.2023, Ra 2019/22/0235, Pkt. 7.2., mwN).

Vorliegend zeigen die Revisionswerber (mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen) in keiner Weise auf, welche weiteren Beweisaufnahmen durchzuführen gewesen wären und inwieweit deren Unterbleiben nach Lage des Falls einen krassen, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden und daher fallbezogen eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfenden Fehler darstellen könnte. Derartiges ist auch nicht zu sehen, konnte doch aus den dem Verwaltungsgericht zur Verfügung stehenden Beweisergebnissen ein Sachverhalt in nicht unschlüssiger Weise festgestellt werden. Ein relevanter Verfahrensmangel ist daher auch insoweit nicht ersichtlich.

6.4. Davon abgesehen fehlt es an der gebotenen Relevanzdarstellung. Die Zulässigkeit der Revision setzt nämlich im Fall einer Mängelrüge voraus, dass auch die Relevanz für den Verfahrensausgang im Sinn der Eignung, bei einem mängelfreien Verfahren zu einer anderen für den Revisionswerber günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu führen dargetan wird. Die Partei hat daher die Entscheidungswesentlichkeit des Mangels konkret zu behaupten. So ist etwa im Fall einer unterbliebenen Vernehmung darzulegen, was die betreffende Beweisperson ausgesagt hätte bzw. welche anderen Feststellungen aufgrund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. etwa VwGH 25.3.2024, Ra 2021/17/0014, Pkt. 6.3., mwN).

Dem wird das oben aufgezeigte Zulässigkeitsvorbringen nicht im Ansatz gerecht, beschränkt es sich doch auf die nur ganz allgemein bzw. pauschal gehaltene Rüge, das Verwaltungsgericht habe keine ordnungsgemäßen und hinreichenden Ermittlungen in Bezug auf das schützenswerte Privat und Familienleben der Revisionswerber durchgeführt. Welche weiteren Ermittlungen das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang hätte durchführen müssen und infolge welcher konkreten Beweisergebnisse es dabei in der Sache zu einem anderen, für die Revisionswerber günstigeren Ergebnis hätte gelangen können, wird indessen in keiner Weise dargetan. Insbesondere wird nicht dargelegt, was allfällige weitere Beweispersonen im Fall ihrer Vernehmung ausgesagt hätten und welche anderen entscheidungswesentlichen Feststellungen aufgrund dessen zu treffen gewesen wären.

Die Mängelrüge ist daher insofern (auch) nicht gesetzmäßig ausgeführt.

8.1. Die Revisionswerber machen ferner unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit geltend, das Verwaltungsgericht gehe davon aus, dass das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung ihre gegenläufigen privaten und familiären Interessen überwiege. Es sei dabei jedoch von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, wonach die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung am Maßstab des § 9 BFA VG in Verbindung mit Art. 8 EMRK zu prüfen sei. Demnach sei eine solche Entscheidung nur dann zulässig, wenn sie zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Bei der diesbezüglichen Beurteilung sei unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Dieselben Erwägungen gälten auch für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbots.

8.2. Mit diesen Ausführungen wenden sich die Revisionswerber im Kern der Sache gegen die vom Verwaltungsgericht im Zuge der Erlassung der Rückkehrentscheidungen sowie der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots des Erstrevisionswerbers durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK in Verbindung mit § 9 BFA VG.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist jedoch eine solche unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG (vgl. etwa VwGH 28.7.2022, Ra 2018/22/0294, Pkt. 7.2., mwN).

Eine derartige Interessenabwägung ist vom Verwaltungsgerichtshof also nur dann aufzugreifen, wenn das Verwaltungsgericht im Einzelfall die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien und Grundsätze nicht beachtet und damit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse und unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalls vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 27.5.2024, Ra 2023/17/0140 bis 0141, Pkt. 7.2., mwN).

8.3. Vorliegend hat das Verwaltungsgericht die fallbezogen maßgeblichen Umstände in verfahrensrechtlich einwandfreier Weise nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung festgestellt und in seine in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK einbezogen.

Dass das Verwaltungsgericht bei seinen diesbezüglichen eingehenden und umfassenden Erwägungen (vgl. dazu im Einzelnen bereits oben Pkt. 3.3.) die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien und Grundsätze in unvertretbarer Weise außer Acht gelassen bzw. eine krasse und unvertretbare als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG aufzugreifende Fehlbeurteilung vorgenommen hätte, wird in der Revision nicht begründet dargelegt und ist auch in keiner Weise zu sehen.

9. Insgesamt werden daher in der maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung (vgl. etwa VwGH 20.4.2022, Ra 2021/17/0126, Pkt. 7., mwN) keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 4. September 2024

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