JudikaturVwGH

Ra 2024/15/0050 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
29. Juli 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak sowie die Hofräte Dr. Sutter und Dr. Hammerl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der S GmbH, vertreten durch Mag. Norbert Huber, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 29. April 2024, Zl. RV/2100629/2023, betreffend Haftung für Lohnsteuer der Jahre 2013 bis 2016, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Beim Revisionsfall handelt es sich um das fortgesetzte Verfahren nach Ergehen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 2023, Ra 2021/15/0091 (Vorerkenntnis), mit dem das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 8. Juli 2021, Zl. RV/2100880/2019 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde. Zum Sachverhalt wird daher auf das Vorerkenntnis verwiesen.

2 Streitpunkt in dem dem Vorerkenntnis zu Grunde liegenden Verfahren war, ob die von der Revisionswerberin beispielhaft vorgelegten Arbeitszeitaufzeichnungen von einzelnen Dienstnehmern einen ausreichenden Nachweis für die steuerfreie Behandlung von ausgezahlten Überstundenzuschlägen gemäß § 68 Abs. 1 EStG 1988 darstellen.

3 Vom Bundesfinanzgericht wurde der Nachweis schon deshalb nicht als erbracht angesehen, weil sich aus diesen Aufzeichnungen, auf Grund eines gemäß § 4 Abs. 6 Arbeitszeitgesetz (AZG) kollektivvertraglich vereinbarten Durchrechnungszeitraumes, die zeitliche Lagerung der Normalarbeitszeit und der Überstunden nicht ableiten lasse. Darüber hinaus sei nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes auch das betriebliche Erfordernis von Überstunden in der Nacht bzw. an Sonn- und Feiertagen nicht nachgewiesen worden.

4 Im Vorerkenntnis führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass aus den vorgelegten Arbeitszeitaufzeichnungen, auch bei Anwendung eines Durchrechnungszeitraumes, grundsätzlich die zeitliche Lagerung von Überstunden ersichtlich ist, weil geleistete Arbeitsstunden Überstunden darstellen, wenn sie die gemäß § 4 Abs. 6 AZG normierte tägliche und wöchentliche Normalarbeitszeit überschreiten. Zudem ist bei einem Hotelbetrieb von einer betrieblichen Veranlassung von (Über)Stunden in der Nacht bzw. an Sonn- und Feiertagen auszugehen.

5 Im fortgesetzten Verfahren kam die Revisionswerberin der zweimaligen Aufforderung durch das Bundesfinanzgericht nicht nach, die Arbeitszeitnachweise für sämtliche Mitarbeiter vorzulegen und jene Überstunden kenntlich zu machen, für die Überstundenzuschläge iSd § 68 Abs. 1 EStG 1988 gewährt wurden.

6 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde mit der Begründung ab, dass der für die Inanspruchnahme der Begünstigung erforderliche Nachweis der genauen Anzahl und zeitlichen Lagerung aller im Einzelnen geleisteten Überstunden und die genaue Höhe der dafür geleisteten Zuschläge nicht erbracht worden sei. Zudem seien auf Grund der Außerachtlassung der in Folge der kollektivvertraglich möglichen Durchrechnung geänderten Normalarbeitszeit auch als Überstundenzuschläge bezeichnete Lohnzahlungen geleistet worden, die für keine Überstunde gewährt worden sein können. Ferner sprach das Bundesfinanzgericht aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

7 Im angefochtenen Erkenntnis stellte das Bundesfinanzgericht den Sachverhalt insoweit abweichend vom Erkenntnis vom 8. Juli 2021 fest, als es sich bei der dort als „Überstundenpauschale“ bezeichneten Abgeltung von Überstunden, um keine Pauschalabgeltung einer bestimmten Anzahl von Überstunden handle, sondern um eine Vorauszahlung für geleistete Überstunden, die im Nachhinein auf Basis der tatsächlich geleisteten Überstunden exakt abgerechnet und zum Teil auch rückgerechnet wurden.

8 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete außerordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, der im Vorerkenntnis ausgesprochen habe, dass die gegenständlichen Arbeitszeitaufzeichnungen einen geeigneten Nachweis für die zeitliche Lagerung von Überstunden darstellten. Infolge dessen leide das angefochtene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes auch an einem relevanten Verfahrensmangel, weil das Bundesfinanzgericht der Revisionswerberin eine Nachweispflicht für vorgebliche Tatsachen auferlegt habe, die eigentlich eine vom Bundesfinanzgericht vorzunehmende rechtliche Qualifikation darstellten. Die Revisionswerberin habe durch die Führung von Arbeitszeitaufzeichnungen, die den Anforderungen des AZG genügten, ihren Aufzeichnungs- und Mitwirkungswirkungspflichten genüge getan. Darüberhinausgehende Aufzeichnungs oder Mitwirkungspflichten ließen sich aus der Rechtsordnung nicht ableiten.

9 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt die Steuerbegünstigung für Überstundenzuschläge nach § 68 EStG 1988 nur in Betracht, wenn die genaue Anzahl und zeitliche Lagerung aller im Einzelnen tatsächlich geleisteten Überstunden und die genaue Höhe der dafür über das sonstige Arbeitsentgelt hinaus mit den Entlohnungen für diese Überstunden bezahlten Zuschläge feststehen (vgl. z.B. VwGH 30.4.2003, 99/13/0222). Nach dem EStG 1988 besteht weiters die Notwendigkeit, auch zwischen „Normalüberstunden“ (Überstunden zu Tagesarbeitszeiten an Werktagen) und so genannten qualifizierten Überstunden (Überstunden an Sonn und Feiertagen und in der Nachtzeit) zu unterscheiden, weil § 68 Abs. 1 EStG 1988 neben der auf zehn Stunden „Normalüberstunden“ (§ 68 Abs. 2 EStG 1988) beschränkten Steuerbegünstigung eine eigene Steuerbegünstigung normiert (vgl. VwGH 22.1.1997, 93/15/0068).

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Vorerkenntnis ausgesprochen, dass aufgrund der in den Kollektivverträgen für Arbeiter und Angestellte im Hotel und Gastgewerbe vorgesehenen Durchrechnung die tägliche Arbeitszeit maximal neun Stunden und die wöchentliche Arbeitszeit maximal 48 Stunden betragen darf. Die innerhalb dieses Rahmens geleisteten Stunden stellen während der laufenden Durchrechnung noch keine Überstunden dar. Während des Durchrechnungszeitraums liegen Überstunden demnach erst vor, wenn die tägliche Arbeitszeit von neun Stunden oder die wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden überschritten wird. Stunden, die die tägliche Arbeitszeit von neun Stunden und die wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden übersteigen, unterliegen nicht der Durchrechnung und scheiden aus dem Saldo an Plus und Minusstunden aus. Insoweit liegen sofort Überstunden vor, die nach § 68 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG 1988 steuerfrei behandelt werden können. Weiters ist zu berücksichtigen, dass im Abrechnungsmonat am Ende des Durchrechnungszeitraums allenfalls bestehende Zeitguthaben zu Überstunden werden. Diese Überstunden sind, soweit sie im Abrechnungsmonat erbracht worden sind, einem bestimmten Lohnzahlungszeitraum zuordenbar und daher ebenfalls einer Begünstigung gemäß § 68 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG 1988 zugänglich.

15 Im Vorerkenntnis wurden somit die rechtlichen Rahmenbedingungen festgelegt, anhand welcher die nach § 68 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG 1988 steuerfrei zu behandelnden Überstunden für Arbeiter und Angestellte im Hotel und Gastgewerbe im Falle einer Durchrechnung zu ermitteln sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters ausgesprochen, dass sich aus den Arbeitszeitnachweisen der Revisionswerberin - entgegen dem vom Bundesfinanzgericht vertretenen Standpunkt - die zeitliche Lagerung der Normalarbeitszeit und der Überstunden ableiten lässt. Dass es dem Finanzamt bzw. dem Bundesfinanzgericht obliegt, anhand der von der Revisionswerberin vorgelegten Arbeitszeitnachweise die einer Begünstigung gemäß § 68 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG 1988 zugänglichen Überstunden und Zuschläge zu ermitteln, ist dem Vorerkenntnis indessen nicht zu entnehmen.

16 Im Allgemeinen tritt in einem auf die Erwirkung abgabenrechtlicher Begünstigungen gerichteten Verfahren nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Gedanke der strikten Amtswegigkeit insofern in den Hintergrund, als der eine Begünstigung in Anspruch nehmende Abgabepflichtige selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen hat, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. z.B. VwGH 30.4.2003, 99/13/0222; 29.9.2010, 2010/16/0185, jeweils mwN).

17 Darüber hinaus liegt den Regelungen des § 68 Abs. 1 und 2 EStG 1988 insoweit der Gedanke einer geteilten Kontrolle durch Arbeitgeber und Finanzverwaltung zugrunde, als es dem Arbeitgeber im Rahmen der (Abrechnung der Überstunden und der) Lohnsteuerberechnung obliegt, die an Sonn und Feiertagen konkret geleisteten Überstunden und die genaue Höhe der für diese Überstunden bezahlten Zuschläge für sämtliche Arbeitnehmer darzulegen, während der Steuerverwaltung nur eine nachträgliche Überprüfung zukommt. Der Arbeitgeber hat den ungleich besseren Zugang zu den Informationen über die tatsächliche Erbringung von Überstunden und die hierfür getätigten Zahlungen. Die in Rede stehenden Bestimmungen knüpfen also unmittelbar an die Lohnverrechnung des Arbeitgebers an, dem dabei auch die Aufzeichnung der geleisteten Überstunden und der dafür gezahlten Zuschläge zukommt, die sodann ihrerseits einer Nachprüfung durch das Finanzamt bzw (im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens) das Bundesfinanzgericht zugänglich sein müssen. Die Richtigkeit des vom Arbeitgeber vorgenommenen Lohnsteuerabzuges muss für das Finanzamt bzw das Bundesfinanzgericht jederzeit leicht nachprüfbar sein (vgl. idS auch VwGH 16.11.2023, Ra 2022/15/0078).

18 Das Bundesfinanzgericht geht in der nunmehr angefochtenen Entscheidung davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbegünstigung nach § 68 Abs. 1 EStG 1988 nicht nachgewiesen worden sind. Dies stößt auf keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken, weil es den Arbeitszeitnachweisen auch nach dem Vorbringen in der Revision schon an einer Darstellung der für an Sonntagen geleisteten Überstunden konkret bezahlten Zuschlägen mangelt und die Revisionswerberin der mehrfachen Aufforderung des Bundesfinanzgerichts, anhand der weiters vorliegenden Unterlagen (Lohnkonten etc.) jene Überstunden kenntlich zu machen, für die Überstundenzuschläge iSd § 68 Abs. 1 EStG 1988 gewährt worden sind, nicht nachgekommen ist.

19 Die im Zulässigkeitsvorbringen der Revision behauptete Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt nach dem Gesagten nicht vor.

20 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. Juli 2025

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