Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, in der Revisionssache des M C, vertreten durch Mag. Dr. Sebastian Siudak, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Blütenstraße 15/5/5.13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. September 2023, L531 2262005 1/14E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 15. Dezember 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 21. September 2022 zur Gänze ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass eine Abschiebung zulässig sei (Spruchpunkt V.), und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt VI.).
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 22. September 2023 mit der Maßgabe, dass Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides zu lauten habe, dass eine Abschiebung in den Irak zulässig sei, als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, dass der Revisionswerber eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft gemacht habe und eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat möglich sei, da eine Verletzung seiner Rechte nach Art. 2, 3 EMRK nicht maßgeblich wahrscheinlich sei.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der nunmehrige Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 27. November 2023, E 3360/2023 7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
6 In der Folge wurde die gegenständliche außerordentliche Revision eingebracht.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Der Revisionswerber wendet sich zur Begründung der Zulässigkeit der Revision im Wesentlichen gegen die Beweiswürdigung im angefochtenen Erkenntnis und bringt dazu zusammengefasst vor, das BVwG habe den Aussagen des Revisionswerbers im Hinblick auf sein Fluchtvorbringen und seiner Verfolgungssituation im Herkunftsstaat zu Unrecht die Glaubwürdigkeit abgesprochen sowie die vorgelegten Beweismittel unzureichend beachtet.
11 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Frage, ob eine aktuelle Verfolgungsgefahr vorliegt, eine Einzelfallentscheidung ist, die grundsätzlich wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel ist. Dem Revisionswerber muss, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 7.12.2022, Ra 2022/20/0076, mwN).
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 29.6.2023, Ra 2023/14/0199, mwN).
13 Auf dem Boden des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 ist es weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben der Erstbefragung zu späteren Angaben - unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind - einzubeziehen (vgl. VwGH 29.11.2023, Ra 2023/14/0436, mwN).
14 Das BVwG hat nach Durchführung einer Verhandlung, in der der Revisionswerber Gelegenheit hatte, sich umfassend in freier Erzählung zum Sachverhalt zu äußern, er zudem ausführlich zum maßgeblichen Sachverhalt befragt wurde und sich das BVwG einen persönlichen Eindruck von ihm verschaffen konnte, mit näherer Begründung dargelegt, weshalb es von der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Revisionswerbers zu seinen Fluchtgründen sowie der reduzierten Beweiskraft der von ihm vorgelegten Beweismittel ausging und die Bedrohung des Revisionswerbers sowohl vor seiner Ausreise als auch im Falle einer Rückkehr verneinte.
15 Die Revision begegnet diesen Ausführungen damit, ihre eigene Beurteilung in mehreren Aspekten an die Stelle jener des Bundesverwaltungsgerichtes zu setzen. Der Revision gelingt es damit aber nicht darzulegen, dass die Begründung des BVwG unschlüssig wäre oder fallbezogen nicht von den getroffenen Länderfeststellungen getragen würde.
16 Sofern sich die Revision gegen die Versagung der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wendet und vorbringt, der Revisionswerber wäre bei Rückkehr in seinen Heimatstaat unmenschlichen Haftumständen ausgesetzt, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. erneut VwGH 29.6.2023, Ra 2023/14/0199, mwN).
17 Die Revision übersieht, dass bei der Beurteilung, ob dem Revisionswerber bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Verletzung von Art. 3 EMRK drohe, von den Feststellungen des BVwG auszugehen ist. Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich vorliegend in einer Einzelfallprüfung damit auseinander, ob dem Revisionswerber im Falle einer Rückkehr eine Verletzung seiner Rechte nach Art. 2, 3 EMRK drohe und führte mit näherer Begründung aus, warum eine solche nicht vorliege. Dabei hat es die in der Rechtsprechung aufgestellten, oben angeführten Leitlinien beachtet und in nicht zu beanstandender Weise zur Anwendung gebracht.
18 Dem auf der Prämisse der Richtigkeit der eigenen Behauptungen und sich auch dahingehend vom festgestellten Sachverhalt entfernenden Revisionsvorbringen ist somit schon deswegen der Boden entzogen (vgl. VwGH 13.12.2023, Ra 2023/14/0466, mwN).
19 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Dies Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 15. Februar 2024