JudikaturVwGH

Ra 2024/09/0037 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
05. September 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen Dr. Koprivnikar und Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sasshofer, über die außerordentlichen Revisionen der Bundesdisziplinarbehörde (protokolliert zu Ra 2024/09/0037) und des Disziplinaranwalts beim Bundesministerium für Justiz (protokolliert zu Ra 2024/09/0040) gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 2024, W208 2285083 1/2E, betreffend Freispruch in einem Disziplinarverfahren nach dem Beamten Dienstrechtsgesetz 1979 (weitere Partei: Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport; mitbeteiligte Partei: A B in C, vertreten durch Mag. Dr. Martin Dercsaly, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 146/6/B2), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

1 Der 1980 geborene Mitbeteiligte steht als Gerichtsvollzieher in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

2 Mit Bescheid der Bundesdisziplinarbehörde (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde sowie revisionswerbende Partei zu Ra 2024/09/0037) vom 2. November 2021 wurde gegen den Mitbeteiligten wie folgt ein Disziplinarverfahren eingeleitet (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

„Gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 wird ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

[Der Mitbeteiligte] steht im Verdacht, er habe im Zeitraum Juli 2020 bis August 2021 in Wien als Gerichtsvollzieher des Oberlandesgerichtes Wien

1. in 65 Fällen fingierte Vollzugsberichte erstattet und ‚Schreibtischvollzüge‘ vorgenommen, also die Vornahme von Vollzugshandlungen zur Erlangung von Vergütungen und Fahrkosten behauptet, ohne sie tatsächlich gesetzt zu haben,

2. an 67 Arbeitstagen keine Arbeitsleistung sowie an weiteren 131 Arbeitstagen eine teils erheblich unter 4 Stunden liegende Arbeitsleistung erbracht,

3. in 398 Fällen Vollzugshandlungen entgegen § 30 Abs. 2 EO an Samstagen, Sonn und Feiertagen bzw. in der Nachtzeit von 22 bis 6 Uhr vorgenommen,

4. die Änderung seines Wohnsitzes im November 2020 entgegen § 53 Abs. 2 Z 4 BDG 1979 nicht gemeldet.“

3 Der Mitbeteiligte stehe deshalb im Verdacht so wurde im Spruch dieses Bescheids weiter ausgeführt gegen seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 1 und Abs. 2 BDG 1979 sowie nach § 53 Abs. 2 Z 4 BDG 1979 schuldhaft verstoßen und damit eine Dienstpflichtverletzung nach § 91 Abs. 1 BDG 1979 begangen zu haben.

4 Mit weiterem Einleitungsbeschluss vom 24. November 2021 wurde das Disziplinarverfahren gegen den Mitbeteiligten auf folgende Verdachtspunkte ausgedehnt:

„[Der Mitbeteiligte] steht im Verdacht, er habe im Zeitraum Juli 2019 bis zu seiner vorläufigen Suspendierung am 29. September 2021 in Wien als Gerichtsvollzieher des Oberlandesgerichtes Wien

1. in den Verfahren [vier Geschäftszahlen] sich Vermögensverzeichnis Formulare von den verpflichteten Parteien ‚auf Vorrat‘ unterfertigen lassen um diese dann wenn es in seine Vollzugstour passt zu datieren und die Aufnahme des Vermögensverzeichnisses in den Vollzugsberichten vorzuspiegeln, ohne die Vollzugsorte zum Berichtszeitpunkt aufgesucht oder die Verpflichteten zu diesem Zeitpunkt gesehen zu haben,

2. im Verfahren [...] das am 30.7.2019 vom Verpflichteten abgegebene Vermögensverzeichnis, das am Schreibtisch des [Mitbeteiligten] vorgefunden wurde, unterdrückt, zumal die Abgabe des Vermögensverzeichnisses weder in der VJ erfasst noch die betreibende Partei darüber verständigt wurde und auch kein entsprechender Vollzugsbericht des [Mitbeteiligten] in der VJ dazu vorliegt.“

5 Auch hierin wurde der Verdacht des Verstoßes gegen Dienstpflichten nach § 43 Abs. 1 und Abs. 2 BDG 1979 und einer Dienstpflichtverletzung nach § 91 Abs. 1 BDG 1979 gesehen.

6 Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung fasste die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde am 1. Dezember 2023 folgendes Disziplinarerkenntnis:

„I. [Der Mitbeteiligte] ist schuldig, er hat im Zeitraum Februar bis August 2021 in Wien als Gerichtsvollzieher des Oberlandesgerichtes Wien eine stark verminderte Arbeitsleistung erbracht.

[Der Mitbeteiligte] hat hiedurch gegen § 43 Abs. 1 BDG 1979, wonach der Beamte verpflichtet ist, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen, schuldhaft verstoßen und damit Dienstpflichtverletzungen gemäß § 91 Abs. 1 BDG 1979 begangen.

Über [den Mitbeteiligten] wird deswegen gemäß § 126 Abs. 2 iVm § 92 Abs. 1 Z 2 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe eines Monatsbezuges verhängt.

II. [Der Mitbeteiligte] wird von den gegen ihn erhobenen Disziplinarvorwürfen, er habe im Zeitraum Juli 2019 bis zu seiner vorläufigen Suspendierung am 29. September 2021 in Wien als Gerichtsvollzieher des Oberlandesgerichtes Wien

1. in 65 Fällen fingierte Vollzugsberichte erstattet und ‚Schreibtischvollzüge‘ vorgenommen, also die Vornahme von Vollzugshandlungen zur Erlangung von Vergütungen und Fahrtkosten behauptet, ohne sie tatsächlich gesetzt zu haben,

2. im Zeitraum Juli bis Dezember 2020 an 20 Arbeitstagen keine Arbeitsleistung sowie an weiteren 67 Arbeitstagen eine teils erheblich unter 4 Stunden liegende Arbeitsleistung erbracht,

3. in 398 Fällen Vollzugshandlungen entgegen § 30 Abs. 2 EO an Samstagen, Sonn und Feiertagen bzw. in der Nachtzeit von 22 bis 6 Uhr vorgenommen,

4. die Änderung seines Wohnsitzes im November 2020 entgegen § 53 Abs. 2 Z 4 BDG 1979 nicht gemeldet,

5. in den Verfahren [vier Geschäftszahlen] sich Vermögensverzeichnis Formulare von den verpflichteten Parteien ‚auf Vorrat‘ unterfertigen lassen um diese dann wenn es in seine Vollzugstour passt zu datieren und die Aufnahme des Vermögensverzeichnisses in den Vollzugsberichten vorzuspiegeln, ohne die Vollzugsorte zum Berichtszeitpunkt aufgesucht oder die Verpflichteten zu diesem Zeitpunkt gesehen zu haben,

6. im Verfahren [...] das am 30.7.2019 vom Verpflichteten abgegebene Vermögensverzeichnis, das am Schreibtisch des [Mitbeteiligten] vorgefunden wurde, unterdrückt, zumal die Abgabe des Vermögensverzeichnisses weder in der VJ erfasst noch die betreibende Partei darüber verständigt wurde und auch kein entsprechender Vollzugsbericht des [Mitbeteiligten] in der VJ dazu vorliegt.

gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 freigesprochen.“

7 Kosten des Disziplinarverfahrens wurden dem Mitbeteiligten mit Spruchpunkt III. dieses Bescheids nicht auferlegt.

8 Gegen Spruchpunkt I. dieses behördlichen Disziplinarerkenntnisses erhob der Mitbeteiligte Beschwerde.

9 Das Bundesverwaltungsgericht erkannte darüber mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 29. April 2024 zu Recht:

„A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG Folge gegeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben und der [Mitbeteiligte] auch von dem in Spruchpunkt I. erhobenen Tatvorwurf freigesprochen.“

Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

10 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs stellte das Verwaltungsgericht soweit für das Revisionsverfahren von Belang zum Inhalt des Einleitungsbeschlusses vom 2. November 2021 fest, dass dieser in seinem 2. Punkt laute „2. im Zeitraum Juli bis Dezember 2020 an 20 Arbeitstagen keine Arbeitsleistungen sowie an weiteren 67 Tagen eine teils erheblich unter 4 Stunden liegende Arbeitsleistung erbracht,“.

11 Dafür berief sich das Verwaltungsgericht beweiswürdigend auf die Aktenlage und den unstrittigen Inhalt der Einleitungsbeschlüsse.

12 Davon ausgehend folgerte es, dass der Mitbeteiligte in Spruchpunkt II. des behördlichen Disziplinarerkenntnisses von sämtlichen gegen ihn erhobenen Verdachtsmomenten freigesprochen worden sei. Die Punkte II. 1. bis 4. deckten sich mit den Vorwürfen im Einleitungsbeschluss vom 2. November 2021 (Punkte 1. bis 4.), die Punkte 5. und 6. mit den Vorwürfen im Einleitungsbeschuss vom 24. November 2021 (Punkte 1. und 2.). Spruchpunkt II. sei nicht angefochten worden und daher in Rechtskraft erwachsen. Der Schuldspruch in Spruchpunkt I., dass der Mitbeteiligte im Zeitraum Februar bis August 2021 in Wien als Gerichtsvollzieher eine stark verminderte Arbeitsleistung erbracht habe, habe keine Grundlage. Zu diesem Vorwurf sei kein Disziplinarverfahren eingeleitet worden.

13 Gegenstand und Grundlage eines Disziplinarerkenntnisses so führte das Verwaltungsgericht rechtlich zusammengefasst weiter aus dürften nur die Anschuldigungspunkte sein, die im Einleitungsbeschluss dem Beamten als Dienstpflichtverletzungen zur Last gelegt worden seien. Es dürfe keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens sei. Zu dem mit Spruchpunkt I. verurteilten im Übrigen gänzlich unbestimmten und pauschalen Vorwurf sei kein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Der Schuldspruch sei daher zu Unrecht erfolgt. Mit Spruchpunkt II. sei der Mitbeteiligte von sämtlichen Vorwürfen aufgrund derer ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden sei freigesprochen worden, sodass alle Anschuldigungspunkte des Einleitungsbeschlusses bereits verbraucht seien.

14 Da gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 das Disziplinarerkenntnis auf Schuld oder Freispruch zu lauten habe, werde der Beschwerde stattgegeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Disziplinarerkenntnisses dahingehend abgeändert, dass der Mitbeteiligte von dem dort dargestellten Tatvorwurf freigesprochen werde.

15 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

16 Gegen dieses Erkenntnis richten sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen außerordentlichen Revisionen der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde (Ra 2024/09/0037) sowie des Disziplinaranwalts beim Bundesministerium für Justiz (Ra 2024/09/0040). Der Mitbeteiligte erstattete in den vom Verwaltungsgerichthof durchgeführten Vorverfahren Revisionsbeantwortungen.

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat in den aufgrund ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Verfahren erwogen:

18 Die revisionswerbenden Parteien machen zur Zulässigkeit ihrer Revisionen zusammengefasst im Wesentlichen gleichlautend geltend, dass das Verwaltungsgericht den Inhalt des 2. Punkts des Einleitungsbeschlusses vom 2. November 2021 aktenwidrig dahingehend festgestellt habe, dass dem Mitbeteiligten vorgeworfen worden wäre, im Zeitraum Juli bis Dezember 2020 an 20 Arbeitstagen keine Arbeitsleistung sowie an weiteren 67 Tagen eine teils erheblich unter vier Stunden liegende Arbeitsleistung erbracht zu haben. In diesem Einleitungsbeschluss sei ihm tatsächlich aber im Verdachtsbereich vorgeworfen worden, im Zeitraum Juli 2020 bis August 2021 an 67 Arbeitstagen keine Arbeitsleistung sowie an weiteren 131 Arbeitstagen eine teils erheblich unter vier Stunden liegende Arbeitsleistung erbracht zu haben. Ein Freispruch sei mit dem behördlichen Disziplinarerkenntnis hinsichtlich dieses Vorwurfs nur teilweise, nämlich betreffend den Zeitraum Juli bis Dezember 2020 an 20 Arbeitstagen keine Arbeitsleistung sowie an weiteren 67 Arbeitstagen eine teils erheblich unter vier Stunden liegende Arbeitsleistung erbracht zu haben, erfolgt. Hingegen sei er hinsichtlich des Zeitraums Februar bis August 2021 der Erbringung einer stark verminderten Arbeitsleistung schuldig erkannt worden.

19 Als Zulässigkeitsgründe werden ferner geltend gemacht, dass nach dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses der Bescheid ersatzlos behoben worden sei, obwohl sich die Beschwerde lediglich auf Spruchpunkt I. des behördlichen Disziplinarerkenntnisses bezogen habe, und dass das Verwaltungsgericht den Freispruch ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gefällt habe.

20 Die Revisionen sind schon aus dem zunächst geltend gemachten Grund zulässig und berechtigt:

21 Wie die revisionswerbenden Parteien zutreffend aufzeigen, stellte das Bundesverwaltungsgericht den Inhalt von Spruchpunkt 2. des Einleitungsbeschlusses vom 2. November 2021 abweichend von der (eingangs dieses Erkenntnisses dargestellten) Aktenlage fest. So lautete dieser nicht wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt „[Der Mitbeteiligte] steht im Verdacht, er habe [...] 2. im Zeitraum Juli bis Dezember 2020 an 20 Arbeitstagen keine Arbeitsleistungen sowie an weiteren 67 Tagen eine teils erheblich unter 4 Stunden liegende Arbeitsleistung erbracht“, sondern „[Der Mitbeteiligte] steht im Verdacht, er habe im Zeitraum Juli 2020 bis August 2021 [...] 2. an 67 Arbeitstagen keine Arbeitsleistung sowie an weiteren 131 Arbeitstagen eine teils erheblich unter 4 Stunden liegende Arbeitsleistung erbracht“.

22 Diese Aktenwidrigkeit ist auch insofern entscheidungsrelevant, als das Verwaltungsgericht von seiner Feststellung ausgehend zum Schluss kam, dass der Mitbeteiligte mit Spruchpunkt II. des behördlichen Disziplinarerkenntnisses von sämtlichen Anschuldigungspunkten der Einleitungsbeschlüsse freigesprochen worden sei. Deshalb wäre kein in einem Einleitungsbeschluss erhobener Tatvorwurf mehr übriggeblieben, der zu einer disziplinären Verurteilung hätte führen können. Tatsächlich wurde der Mitbeteiligte wie dargestellt jedoch nur von einem (betreffend den Zeitraum und die vorgeworfenen Tage) Teil des in Spruchpunkt 2. des Einleitungsbeschlusses vom 2. November 2021 erhobenen Tatvorwurf freigesprochen. Der verbleibende Teil war daher einem Schuld oder Freispruch noch zugänglich.

23 Schon aus diesem Grund, weil der Sachverhalt vom Verwaltungsgericht in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen wurde, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

24 Bereits an dieser Stelle ist jedoch auf das Folgende hinzuweisen:

25 Dem Verwaltungsgericht ist insofern zu folgen, als die Formulierung des Schuldspruchs im behördlichen Disziplinarerkenntnis vollkommen unkonkret bleibt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat jedoch die Umschreibung des vorgeworfenen Verhaltens im Disziplinarerkenntnis einem höheren Grad an Bestimmtheit zu genügen, als die bloß im Verdachtsbereich erfolgende Darstellung des präsumtiven Fehlverhaltens im Einleitungsbeschluss. Ob ein Anschuldigungspunkt in diesem Sinn ausreichend genau umschrieben ist, ist in jedem einzelnen Fall anhand der konkret vorgeworfenen Dienstpflichtverletzung danach zu beurteilen, ob der Beschuldigte dadurch in die Lage versetzt ist, sich im Rechtsmittelverfahren sowohl mit auf den konkreten Tatvorwurf bezogenen rechtlichen Argumenten als auch mit Beweisanboten zur Wehr zu setzen, und davor geschützt wird, wegen desselben Vorwurfes nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. etwa VwGH 22.2.2006, 2005/09/0147, VwSlg. 16835 A).

26 Entgegen den Tatvorwürfen im Einleitungsbeschluss und den Freisprüchen wurde dem Mitbeteiligten im erstinstanzlichen Schuldspruch hingegen lediglich vorgeworfen, im Zeitraum Februar bis August 2021 „eine stark verminderte Arbeitsleistung erbracht“ zu haben. Die im behördlichen Disziplinarerkenntnis dazu getroffene Feststellung lautet lediglich:

„Zwischen Februar und August 2021 hat der [Mitbeteiligte] eine stark verminderte Arbeitsleistung erbracht.“

27 Ein so unkonkreter Vorwurf der auf einer ebensolchen Feststellung beruht, ist weder überprüfbar noch zielführend bekämpfbar. Ohne konkrete Feststellungen zu den zu erbringen möglichen Dienstleistungen (Aktenzahlen, Vollzüge oder dergleichen) oder einem Vergleich mit durchschnittlich von anderen Gerichtsvollziehern vergleichbarer Einheiten erbrachter Vollzüge in diesem Zeitraum (vgl. VwGH 2.11.2020, Ro 2020/09/0014, Rn. 32; 28.11.2022, Ra 2022/09/0076, zu dem bei Verfahrensverzögerungen durch Verwaltungsrichter anzustellenden Quervergleich) kann ein dahinlautender schuldhafter Vorwurf einer Dienstpflichtverletzung keinen Bestand haben. Sollte eine fehlende oder stark verminderte Arbeitsleistung an einzelnen Tagen zum Vorwurf gemacht werden, bedürfte es hiefür konkreter Feststellungen zu diesen.

28 Im fortzusetzenden Verfahren werden daher nach einem Beweisverfahren in einer durchzuführenden mündlichen Verhandlung sofern möglich konkrete Feststellungen zu dem vom Freispruch nicht umfassten Zeitraum des Spruchpunkts 2. des Einleitungsbeschlusses vom 2. November 2021 zu treffen sein. Dabei werden zu den in der Begründung dieses Einleitungsbeschlusses konkret (mit Daten) ausgeführten Vorwürfen solide Feststellungen im Tatsachenbereich, die einer Bekämpfung und Überprüfung zugänglich sind, zu einer allenfalls schuldhaft reduzierten Arbeitsleistung des Mitbeteiligten zu treffen sein.

29 Bei der Fassung des Spruchs des (Ersatz )Erkenntnisses wird überdies auf den in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Erkenntnisses ohnedies dargestellten eingeschränkten Anfechtungsumfang der Beschwerde Rücksicht zu nehmen sein (siehe zur Beschränkung der Entscheidungskompetenz des Verwaltungsgerichts durch den Anfechtungsumfang der Beschwerde etwa VwGH 19.2.2018, Ra 2015/12/0008, mit Hinweis u.a. auf VwGH 24.2.2016, Ra 2015/09/0138).

30 Da die (abändernde) Entscheidung eines Verwaltungsgerichts über die Sache des Verwaltungsverfahrens (hier: Entscheidung über disziplinarrechtliche Vorwürfe) an die Stelle des Bescheids der belangten Behörde tritt, bedarf es dazu zuvor zudem keiner vorherigen Aufhebung (oder gar ersatzlosen Behebung) des Bescheids (VwGH 18.6.2024, Ra 2024/09/0006, Rn. 25, mwN).

31 Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 5. September 2024

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