JudikaturVwGH

Ro 2024/09/0002 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
20. Februar 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Rieder, über die Revision des Mag. Dr. A B in C, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2023, W170 2276347 1/30E, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach dem Beamten Dienstrechtsgesetz 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesdisziplinarbehörde; weitere Partei: Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid vom 13. Oktober 2021 leitete die Bundesdisziplinarbehörde gegen den Revisionswerber, der in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund steht, ein Disziplinarverfahren unter anderem zu folgendem Anschuldigungspunkt ein (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

„Gegen [den Revisionswerber] wird der Verdacht erhoben, er habe dadurch, dass er [...]

5. als Generalsekretär des D, sohin als Beamter, ihm ausschließlich kraft seines Amtes anvertraute oder zugänglich gewordene Geheimnisse EF offenbart habe, wobei deren Offenbarung geeignet ist, öffentliche oder berechtigte private Interessen zu verletzen, am 5. Oktober XXXX, indem er EF ein als geheim klassifiziertes Dokument der Organisation G betreffend den Giftanschlag auf [...] am 4. März XXXX (richtigerweise: 4. März XXXX) in H vorzeigte und filmen ließ; schuldhaft gegen seine Dienstpflichten verstoßen [...]“.

Der Revisionswerber stehe in Verdacht, dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 46 Abs. 1 BDG 1979 und § 43 Abs. 2 iVm § 91 BDG 1979 begangen zu haben.

2 Mit Schreiben vom 1. Juni 2023 erstattete die Dienstbehörde eine Nachtragsanzeige, weil sich bei einer Akteneinsicht in den Strafakt der Staatsanwaltschaft herausgestellt habe, dass es sich anders als zu Beginn der Ermittlung angenommen bei dem in einer britischen Zeitung veröffentlichten Dokument betreffend den Giftanschlag nicht bloß um ein einzelnes Dokument der Organisation G handle, sondern dieses aus insgesamt sechs Teilberichten bestehe. Die bei EF vorgefundene Videosequenz beziehe sich lediglich auf den sechsten Teil („Presentation“). Die Teilberichte würden jeweils als geheim klassifizierte Dokumente darstellen und seien zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Zeitraum zwischen April und Oktober XXXX im D eingelangt. Ausgehend von den Ergebnissen der Ermittlungen und kriminaltechnischen Untersuchungen der Strafbehörde liege eine weiterergehende bzw. geänderte Verdachtslage vor.

3 Am 27. Juni 2023 fasste die Bundesdisziplinarbehörde einen Nachtragseinleitungsbeschluss.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 19. Oktober 2023 leitete das Bundesverwaltungsgericht soweit für dieses Revisionsverfahren von Bedeutung in teilweiser Abweisung und teilweiser Stattgabe der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers das Disziplinarverfahren gemäß § 123 Beamten Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) ein, soweit dem Revisionswerber vorgeworfen werde, als Generalsekretär des D, sohin als Beamter, ihm ausschließlich kraft seines Amtes anvertraute oder zugänglich gewordene Geheimnisse am 5. Oktober XXXX EF offenbart zu haben, indem er EF mehr als ein als geheim klassifiziertes Dokument der Organisation G betreffend den Giftgasanschlag auf [...] am 4. März XXXX in H. zugänglich gemacht bzw. überlassen habe und damit eine Disziplinarverletzung gemäß § 46 Abs. 1 BDG schuldhaft begangen zu haben (Spruchpunkt A) 3.). Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für zulässig.

5 Die Einleitung des Disziplinarverfahrens begründete das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst damit, dass der Antrag des Revisionswerbers auf Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (hinsichtlich desselben Verdachts) mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien von 11. September 2023 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Da sich die strafrechtliche Handlung von der Schuldform abgesehen mit der disziplinarrechtlich relevanten Handlung decke und das Vorliegen des Verdachts eine der vom Gericht zu beantwortenden Hauptfragen gewesen sei, entfalte dieser Beschluss im vorliegenden Verfahren betreffend die Einleitung des Disziplinarverfahrens Bindungswirkung. Darüber hinaus kam das Bundesverwaltungsgericht mit näheren Erwägungen zur Auffassung, dass die die vom Strafgericht vorgenommene Würdigung der Verdachtslage nachvollziehbar sei. Die Voraussetzungen für die Einleitung seien gegeben, im derzeitigen Stadium müsse noch nicht völlige Klarheit über das Bestehen der Dienstpflichtverletzung oder eine abschließende Würdigung von Zeugenaussagen erfolgen.

6 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass Rechtsprechung zur Frage der Bindung im Einleitungsverfahren an einen Beschluss eines Strafgerichts nach § 108 StPO fehle.

7 Die vorliegende ordentliche Revision richtet sich ausschließlich gegen Spruchpunkt A) 3. Die Revision schließt sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung jener des Bundesverwaltungsgerichts an und führt ergänzend aus, dass dessen Rechtsansicht, wonach eine Bindungswirkung hinsichtlich der Abweisung des Antrages auf Einstellung bestehe, im Widerspruch zu § 95 Abs. 2 BDG 1979 stehe. Demnach sei die Disziplinarbehörde an den Spruch eines rechtskräftigen Urteils eines Strafgerichts gebunden. Fallgegenständlich liege aber kein Urteil, sondern ein Beschluss vor. Dieser sei zudem während eines Ermittlungsverfahrens und daher noch vor Anklageerhebung ergangen.

8 In dem vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Vorverfahren wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

11 Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Das gilt auch dann, wenn sich die Revision zwar auf die Gründe, aus denen das Verwaltungsgericht die (ordentliche) Revision für zulässig erklärt hatte, beruft, diese aber fallbezogen keine Rolle (mehr) spielen oder zur Begründung der Zulässigkeit der konkret erhobenen Revision nicht ausreichen (vgl. VwGH 5.12.2024, Ro 2023/05/0008 bis 0010, mwN). Wird in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht (gesondert) dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. VwGH 29.7.2022, Ro 2020/07/0006 und 0007, mwN).

12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Revision unzulässig, wenn ein Erkenntnis auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht und im Zusammenhang damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt wird (vgl. VwGH 21.6.2023, Ra 2023/07/0073 , mwN). Dies gilt selbst dann, wenn davon auszugehen wäre, dass die anderen Begründungsalternativen rechtlich unzutreffend sind (vgl. VwGH 19.9.2023, Ro 2022/07/0006, mwN).

13 Fallbezogen hat das Bundesverwaltungsgericht die (nachträgliche) Einleitung des Disziplinarverfahrens betreffend die Weitergabe weiterer als geheim klassifizierter Dokumente nicht bloß auf eine Bindungswirkung des strafgerichtlichen Beschlusses, mit dem der Antrag des Revisionswerbers auf Einstellung des strafgerichtlichen Ermittlungsverfahrens abgelehnt wurde, gestützt, sondern auch eine tragfähige Alternativbegründung angeführt und näher begründend dargelegt, warum es die Erwägungen des Strafgerichts zur Verdachtslage für zutreffend erachtet und eine für die (nachträgliche) Einleitung eines Disziplinarverfahrens notwendige ausreichende Verdachtslage vorliege.

14 Das rechtliche Schicksal der Revision hängt daher nicht von der von dem Revisionswerber und in der Zulassungsbegründung des angefochtenen Erkenntnisses angesprochenen Rechtsfrage ab.

15 Vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung (vgl. dazu etwa VwGH 18.4.2024, Ra 2024/09/0002, mwN) und im Hinblick auf den Verfahrensgegenstand von Einleitungsbeschlüssen nach § 123 BDG 1979, für welche noch keine abschließende Klarheit hinsichtlich Schuld und Strafe, sondern nur ein sachverhaltsmäßig und rechtlich ausreichend konkreter Verdacht bestehen muss (vgl. dazu etwa VwGH 26.8.2024, Ra 2024/09/0055, mwN), vermag die Revision im Zusammenhang mit der Alternativbegründung eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht aufzuzeigen.

16 Auch mit der bloßen Behauptung in der Zulässigkeitsbegründung, es sei nicht nachvollziehbar, ob die Vorwürfe im Nachtragseinleitungsbeschluss bereits vom Einleitungsbeschluss vom 13. Oktober 2021 umfasst seien, wird angesichts der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur mittlerweile geänderten Verdachtslage nicht dargelegt, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wäre und ein relevanter Begründungsmangel vorläge (vgl. zu dem im Revisionsverfahren bei Begründungsmängel anzulegenden Maßstab etwa VwGH 5.6.2024, Ra 2023/09/0058, mwN). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird mit diesem Vorbringen daher nicht aufgezeigt.

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 20. Februar 2025

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