JudikaturVwGH

Ra 2024/07/0129 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
19. Dezember 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Mag. Haunold und die Hofrätin Dr. Holzinger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Bamer, über die Revision 1. der A A, 2. der H S, 3. des G S, 4. der T P, 5. des A P, 6. der A B, 7. des W B, 8. der G M, 9. des R M und 10. des M H, alle in A, alle vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 6. März 2024, LVwG AV2795/004-2023, betreffend einen Antrag auf Übermittlung von Unterlagen in einer Angelegenheit des AWG 2002 (mitbeteiligte Partei: F GmbH in A, vertreten durch die Niederhuber Partner Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Reisnerstraße 53), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbenden Parteien haben der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Bescheid vom 6. November 2023 erteilte die Landeshauptfrau von Niederösterreich der mitbeteiligten Partei unter anderem eine abfallrechtliche Genehmigung für die Änderung einer bestehenden Abfallbehandlungsanlage durch die Errichtung und den Betrieb einer Biogasanlage samt damit verbundener näher bezeichneter Anpassungsmaßnahmen. Unter einem wurden eine forstrechtliche und eine naturschutzrechtliche Bewilligung erteilt und es wurde die aufschiebende Wirkung einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B VG gegen diesen Bescheid ausgeschlossen.

2 Gegen diesen Bescheid erhoben die revisionswerbenden Parteien Beschwerde und stellten den Antrag, Spruchpunkt VI. des Bescheides vom 6. November 2023 aufzuheben, der mitbeteiligten Partei die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes aufzutragen, sowie der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

3 Im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) erstattete die mitbeteiligte Partei am 2. Februar 2024 eine Stellungnahme zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde. Dazu legte sie insgesamt 13 Beilagen vor, wobei einzelne Beilagen (Beilagen 1, 8, 9, 10 und 11) sowohl in einer „vollständigen“ als auch einer „teilweise geschwärzten“ Version vorgelegt wurden und die mitbeteiligte Partei darlegte, aus welchem Grund diese Beilagen in der vollständigen Version ihrer Ansicht nach von der Akteneinsicht durch die revisionswerbenden Parteien auszunehmen seien.

4 Mit Beschluss vom 6. Februar 2024 wies das Verwaltungsgericht den Antrag der revisionswerbenden Parteien, Spruchpunkt VI. des Bescheides vom 6. November 2023 aufzuheben und der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, als unbegründet ab. Der Antrag, der mitbeteiligten Partei die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes aufzutragen, wurde als unzulässig zurückgewiesen.

5 Gemeinsam mit diesem Beschluss wurde den revisionswerbenden Parteien die Stellungnahme der mitbeteiligten Partei vom 2. Februar 2024 übermittelt. Unter einem wurden auch die Beilagen zu dieser Stellungnahme übermittelt, wobei jene Beilagen, die die mitbeteilige Partei sowohl in einer vollständigen als auch einer teilweise geschwärzten Version vorgelegt hatte, den revisionswerbenden Parteien lediglich in der teilweise geschwärzten Version übermittelt wurden.

6Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes vom 6. Februar 2024 erhoben die revisionswerbenden Parteien die zu Ra 2024/07/0055 bis 0064 protokollierte außerordentliche Revision.

7 Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2024 beantragten die revisionswerbenden Parteien die Übermittlung der vollständigen Versionen sämtlicher Beilagen zu der Stellungnahme der mitbeteiligten Partei vom 2. Februar 2024.

8 Diesen Antrag wies das Verwaltungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 6. März 2024 ab. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

9 Das Verwaltungsgericht stellte in seiner Entscheidungsbegründung unter anderem fest, um welche Unterlagen es sich bei den Beilagen 1, 8, 9, 10 und 11 gehandelt habe und welche Daten in den Versionen dieser Unterlagen, die den revisionswerbenden Parteien übermittelt worden seien, geschwärzt worden seien. Weiters ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass es sich bei den in diesen Beilagen geschwärzten Daten um Kalkulationsgrundlagen für Preisgestaltung bzw. um Kreditkonditionen handle, die jeweils Rückschlüsse auf das Betriebskonzept, die Marktstrategie und Vertragskonditionen der mitbeteiligten Partei ermöglichten. Es handle sich somit um Informationen, die als Geschäftsgeheimnisse angesehen werden könnten. Auch habe die mitbeteiligte Partei nachvollziehbar dargestellt, dass die Informationen nur einem eng begrenzten Personenkreis zugänglich bzw. bekannt und somit tatsächlich geheim seien. Da die mitbeteiligte Partei auch dargelegt habe, dass die Preisgabe dieser Geschäftsgeheimnisse ihre wirtschaftlichen und wettbewerbsrechtlichen Interessen als Teilnehmerin am freien Markt und an Ausschreibungsverfahren erheblich und nachteilig schädigen würde, bestehe ein berechtigtes Interesse der mitbeteiligten Partei an Geheimhaltung der in Rede stehenden Daten.

10Diesem wirtschaftlichen und wettbewerbsrechtlichen Interesse der mitbeteiligten Partei an der Geheimhaltung der Daten stehe das Interesse der revisionswerbenden Parteien auf Akteneinsicht und damit verbunden auf Parteiengehör und ein faires Verfahren iSd Art. 6 EMRK gegenüber. Angesichts der ansonsten drohenden Schädigung ihrer wirtschaftlichen und wettbewerbsrechtlichen Interessen und in Hinblick darauf, dass die Daten unwiederbringlich preisgegeben seien, überwiege jedoch das Interesse der mitbeteiligten Partei das Interesse der revisionswerbenden Parteien an einer uneingeschränkten Akteneinsicht.

11 Überdies wies das Verwaltungsgericht darauf hin, dass es seine Feststellungen im Beschluss vom 6. Februar 2024 lediglich auf die Stellungnahme der mitbeteiligten Partei vom 2. Februar 2024 sowie jene Urkunden, die den revisionswerbenden Parteien vollständig zur Verfügung gestellt worden seien, nämlich die Beilagen 2, 4 und 5, gestützt habe. Die Entscheidung sei auf keine geheimen und den revisionswerbenden Parteien nicht zugänglich gemachten Beweise gestützt worden. Die Einschränkung der Akteneinsicht sei auf das absolut erforderliche Minimum begrenzt worden, indem nur einzelne Textpassagen - oftmals nur einzelne Beträge - geschwärzt worden seien. Damit sei den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes und somit eines fairen Verfahrens unter Wahrung der Verfahrensrechte der Verfahrensbeteiligten bei gleichzeitigem Schutz der vertraulichen Informationen und Geschäftsgeheimnisse der mitbeteiligten Partei entsprochen worden.

12 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat ein Vorverfahren durchgeführt, in dessen Rahmen die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung erstattete und die kostenpflichtige Zurück-, in eventu Abweisung der Revision beantragte.

14 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).

15Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (Abs. 3).

16Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

17Zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision behaupten die revisionswerbenden Parteien zunächst eine Verletzung des Parteiengehörs und machen geltend, das Verwaltungsgericht habe sich zur Begründung seines Beschlusses vom 6. Februar 2024 auf eine Stellungnahme der mitbeteiligten Partei vom 2. Februar 2024 und Beilagen dazu gestützt, ohne dass den revisionswerbenden Parteien Gelegenheit gegeben worden sei, dazu Stellung zu nehmen. Weiters wird beanstandet, dass das Verwaltungsgericht keine Abwägung zwischen dem Geheimhaltungsanspruch der mitbeteiligten Partei und dem Recht auf Akteneinsicht der revisionswerbenden Parteien vorgenommen habe. Zwar werde in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass eine solche Interessenabwägung erfolgt sei, dies sei jedoch nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht habe auch die notwendigen Feststellungen nicht getroffen, weshalb der Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung gehindert sei. Weiters wird unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Stellungnahme der mitbeteiligten Partei vom 2. Februar 2024 dargetan, dass die vom Verwaltungsgericht im Beschluss vom 6. Februar 2024 vorgenommene Interessenabwägung im Hinblick auf die Frage der Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung nach § 13 Abs. 2 VwGVG unzutreffend sei und ausgeführt, aus welchem Grund der in der unterlassenen Gewährung von Parteiengehör gelegene Verfahrensmangel insoweit entscheidungswesentlich sei.

18 Zu diesem Zulässigkeitsvorbringen ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es in dem hier gegenständlichen Revisionsverfahren nicht um die Frage der inhaltlichen oder verfahrensrechtlichen Rechtsrichtigkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichtes vom 6. Februar 2024 geht. Schon aus diesem Grund ist auf jenes Vorbringen, das auf die Darlegung der inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften dieses Beschlusses gerichtet ist, nicht einzugehen.

19Weiters erweist sich das Zulässigkeitsvorbringen der revisionswerbenden Parteien, das Verwaltungsgericht habe im hier angefochtenen Beschluss keine Abwägung nach § 17 Abs. 3 AVG vorgenommen, vor dem Hintergrund des hier angefochtenen Beschlusses als unzutreffend. Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss zum Inhalt der von der Akteneinsicht ausgenommenen Beilagen und dem von der mitbeteiligten Partei für die begehrte Ausnahme von der Akteneinsicht angegebenen Gründen Feststellungen getroffen. In weiterer Folge hat das Verwaltungsgericht die wirtschaftlichen und wettbewerbsrechtlichen Interessen der mitbeteiligten Partei dem Interesse der revisionswerbenden Parteien auf Akteneinsicht gegenübergestellt und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Interessen der mitbeteiligten Partei aufgrund der drohenden Schädigung im Falle der Offenlegung der Daten überwögen. Damit hat das Verwaltungsgericht eine begründete Abwägungsentscheidung getroffen, der die revisionswerbenden Parteienabgesehen von unsubstantiiert gebliebenen Behauptungen, wie etwa den pauschalen Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe die Rechtsprechung zu § 17 Abs. 3 AVG verkannt in der Zulässigkeitsbegründung ihrer Revision nichts vorgebracht haben. Insoweit zeigen die revisionswerbenden Parteien daher nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B VG auf.

20Soweit die revisionswerbenden Parteien im Übrigen bemängeln, das Verwaltungsgericht habe ihnen zum Antrag der mitbeteiligten Partei, bestimmte Urkunden von der Akteneinsicht auszunehmen, zu keinem Zeitpunkt rechtliches Gehör eingeräumt und es sei ihnen auch nicht die Möglichkeit gegeben worden, zu den „geheimen Unterlagen“ Stellung zu nehmen, zeigen sie die Relevanz des von ihnen insoweit behaupteten Verfahrensmangels nicht auf (zur Notwendigkeit einer solchen Relevanzdarstellung vgl. etwa VwGH 24.4.2024, Ra 2023/07/0139, mwN). Im Übrigen lassen die revisionswerbenden Parteien in diesem Zusammenhang aber auch außer Acht, dass ihnen die Stellungnahme der mitbeteiligten Partei vom 2. Februar 2024 sowie die Beilagen dazu, wenn auch manche in teilweise geschwärzter Version mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichtes vom 6. Februar 2024 übermittelt wurden. Sohin ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die revisionswerbenden Parteien davon ausgehen, sie hätten keine Gelegenheit gehabt, sich gegenüber dem Verwaltungsgericht zu den in der Stellungnahme der mitbeteiligten Partei vom 2. Februar 2024 enthaltenen Gründen, aus denen die mitbeteiligte Partei die Ausnahmen bestimmter Inhalte der vorgelegten Beilagen von der Akteneinsicht begehrt hatte, vor Erlassung des hier angefochtenen Beschlusses vom 6. März 2024 zu äußern.

21 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

22Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

23Von der in der Revision beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 19. Dezember 2024