Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofräte Dr. Himberger und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des A E in K, vertreten durch Dr. Erwin Wibmer, Rechtsanwalt in 9971 Matrei in Osttirol, Obersamergasse 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 10. Mai 2024, LVwG 2022/46/2831 16, betreffend die Einräumung eines Fahrrechts nach dem Tiroler Jagdgesetz 2004 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Lienz; mitbeteiligte Partei: H E in U, vertreten durch Dr. Gernot Gasser und Dr. Sonja Schneeberger, Rechtsanwälte in 9900 Lienz, Beda Weber Gasse 1), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Eingabe vom 5. April 2021 stellte der Revisionswerber gemäß § 43 Abs. 3 Tiroler Jagdgesetz 2004 (TJG 2004) einen Antrag auf Einräumung eines Fahrrechtes unter anderem hinsichtlich der Weganlage „S Forstweg“ für sämtliche Jäger der Genossenschaftsjagd U.
2 Diesem Antrag gab das Landesverwaltungsgericht Tirol im Beschwerdeweg nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis insofern statt, als der Mitbeteiligte des vorliegenden Revisionsverfahrens als Grundstückseigentümer dazu verhalten wurde, das Befahren der genannten Weganlage auf seinem näher bezeichneten Grundstück zur Sicherstellung des erforderlichen Futtermitteltransportes und Futtermittelnachschubs sowie zur Befüllung der Bevorratungseinrichtung und für die Durchführung von Instandhaltungsarbeiten auf direktem Weg für die Rotwildfütterungsanlage Nr. 3 „S“ vor und während der gesetzlich festgelegten oder verordneten Fütterungszeit für Rotwild an maximal sechs Kalendertagen zu dulden. Im Übrigen wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig sei.
3 Dabei stellte das Verwaltungsgericht soweit hier maßgeblich fest, dass der Revisionswerber als Pächter und Jagdausübungsberechtigter der Genossenschaftsjagd U wegen zu hoher Rotwildbestände zur Rotwildfütterung verpflichtet sei, um Wildschäden hintanzuhalten. Die Bevorratungseinrichtung der Rotwildfütterungsanlage „S“ könne jedoch die notwendige Menge an Futtermitteln für den derzeitigen Fütterungsbestand von etwa 80 Stück nicht fassen, weil sie lediglich für einen Rotwildbestand von etwa 30 bis 35 Stück ausgelegt sei. Daher sei die Befahrung des „S Forstweges“ während der Fütterungsperiode und einige Tage davor zur Bevorratung und für die Instandhaltung der Fütterungsanlage durch den Revisionswerber zwingend erforderlich. Das Grundstück des Mitbeteiligten müsse fünfmal auf einer Gesamtstrecke von etwa 381 Metern auf dem Hauptweg des „S Forstweges“ genutzt werden. Für die weitere Jagdausübung sei das Befahren des „S Forstweges“ nicht erforderlich. Der Revierteil für die Bejagung oberhalb der Salm werde gerechnet vom ersten Berührungspunkt mit dem gegenständlichen Grundstück an zu Fuß in insgesamt rund zwei Stunden erreicht. Die Bergung des erlegten Wildes oder von Fallwild erfolge durchaus bergab in teils steilem Gelände, diese Verhältnisse seien jedoch für die vorliegende Art des Jagdbetriebes typisch.
4 Beweiswürdigend stützte sich das Verwaltungsgericht insbesondere auf das nach einem Ortsaugenschein erstattete Gutachten eines jagdfachlichen Amtssachverständigen. Das Beschwerdevorbringen des Revisionswerbers, das Gutachten beruhe teilweise nur auf Kartenmaterial oder sei aus der Ferne erstattet worden, erachtete das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die Kompetenz und Erfahrung des Amtssachverständigen als nicht nachvollziehbar. Der vom Revisionswerber hervorgehobene Umstand, dass die Bergung abgeschossener Tiere zeitintensiv und gefährlich sei, stelle keine Besonderheit des gegenständlichen Reviers dar, sondern komme in dieser Form auch bei anderen Jagdrevieren vor. Zudem seien Fußmärsche bei Revierteilen im hochalpinen Gelände, die nur durch Jägernotwege erreichbar seien, in der Dauer von vier bis fünf Stunden pro Richtung und unter schwierigsten Verhältnissen keine Seltenheit.
5 Rechtlich verwies das Verwaltungsgericht auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Einräumung eines Jägernotweges nach § 44 TJG 2004, wonach dieses Zwangsrecht nach Art und Umfang nicht unverhältnismäßig sein dürfe und daher nur im erforderlichen Ausmaß zu bestimmen sei. Auch wenn im vorliegenden Fall die Benützung des Weges für die Ausübung der Jagd vorteilhaft erscheine, rechtfertige dies die Einräumung eines umfangreicheren Fahrrechtes auf der Grundlage des § 43 Abs. 3 TJG 2004 nicht.
6 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen von Rechtsprechung zu der mit LGBl. Nr. 40/2022 eingeführten Bestimmung des § 43 Abs. 3 TJG 2004.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit ausschließlich auf die Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichtes verwiesen wird. In den Revisionsgründen wird die Ansicht vertreten, dass das Befahren des „S Forstweges“ mit Kraftfahrzeugen für die Bewirtschaftung des Genossenschaftsjagdgebiets unerlässlich sei, da andernfalls der Verkauf von Wildabschüssen wegen der erschwerten Bergung unmöglich wäre. Das Amtssachverständigengutachten sei mangelhaft, weil der Amtssachverständige den „S Forstweg“ nie selbst begangen und beim Lokalaugenschein einen anderen Weg, der weniger beschwerlich sei, gewählt habe. Der Gesamtweg betrage je nach Konditionsstärke des Jagdausübungsberechtigten zumindest zweieinhalb bis drei Stunden.
8 In dem vom Verwaltungsgericht durchgeführten Vorverfahren erstattete der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung, in der er beantragte, die Revision zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.
9 Die Revision ist ungeachtet des Ausspruchs des Verwaltungsgerichtes nicht zulässig:
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt. Wird in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht (gesondert) dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. etwa VwGH 21.3.2025, Ro 2024/03/0001, mwN).
14 Im vorliegenden Fall beschränkte sich das Verwaltungsgericht in seiner Zulassungsbegründung gemäß § 25a Abs. 1 VwGG auf den Hinweis, es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 43 Abs. 3 TJG 2004. Welche maßgebliche Rechtsfrage das Verwaltungsgericht dabei identifiziert hatte, die für die Entscheidung des Revisionsfalles von Bedeutung war, lässt sich der Zulassungsbegründung jedoch nicht entnehmen. Dies geht auch aus der Revision, die lediglich auf die Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG verweist, nicht hervor. Damit lässt auch die Revision eine Präzisierung der vom Verwaltungsgericht angesprochenen Rechtsfrage vermissen und zeigt auch keine andere Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, die für die Lösung des Revisionsfalles von Bedeutung wäre.
15 Aus diesem Grund ist im vorliegenden Fall lediglich Folgendes festzuhalten:
16 Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG vor, und zwar selbst dann nicht, wenn dazu noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. etwa VwGH 7.2.2025, Ra 2025/03/0007, mwN). Dies ist hier der Fall.
17 Gemäß § 43 Abs. 3 TJG 2004, LGBl. Nr. 41/2004 idF LGBl. Nr. 40/2022, kann der Grundeigentümer auf Antrag des Jagdausübungsberechtigten durch die Bezirksverwaltungsbehörde nach Anhören des Obmannes der Bezirkslandwirtschaftskammer dazu verhalten werden, das Befahren seiner Anlagen zur Jagdausübung gegen angemessene Entschädigung zu dulden, „wenn dies für die Bewirtschaftung des Jagdgebietes unerlässlich ist“ und dem Grundeigentümer keine wesentlichen Erschwernisse in der Bewirtschaftung seines Grundstückes bzw. der Ausübung seiner Berechtigung erwachsen.
18 Nach der auch vom Verwaltungsgericht angesprochenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei Einräumung eines Jägernotweges gemäß § 44 Abs. 1 TJG 2004 der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dieser Grundsatz verlangt, bei der Festlegung eines Zwangsrechts jeweils den gelindesten Eingriff vorzunehmen, der gerade noch zur Erreichung der mit der Einräumung des Jägernotweges verfolgten Zielsetzung ausreicht (vgl. etwa VwGH 13.11.2018, Ra 2018/03/0012, 0013, mwN). Dieses Zwangsrecht darf nach Art und Umfang nicht unverhältnismäßig sein und ist daher nur in dem gemessen an den in § 44 Abs. 1 TJG 2004 normierten Voraussetzungen erforderlichen Ausmaß zu bestimmen. Liegen die Voraussetzungen zur Bestimmung eines Jägernotweges nur in einem bestimmten Zeitraum vor, so ist der Jägernotweg nur beschränkt auf diesen Zeitraum zu bestimmen (vgl. nochmals VwGH 13.11.2018, Ra 2018/03/0012, 0013, mwN).
19 Dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Bestimmung eines Zwangsrechts nach § 43 Abs. 3 TJG 2004 ebenfalls zu berücksichtigen ist, ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 43 Abs. 3 TJG 2004 (arg: „wenn dies für die Bewirtschaftung des Jagdgebietes unerlässlich ist...“) und auch aus den Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung (ErlRV Beilage 107/2022, S. 6f.), denen zufolge „der Prüfung der Verhältnismäßigkeit“ eine besondere Bedeutung zukomme (vgl. im Übrigen zum Prinzip der Verhältnismäßigkeit allgemein VwGH 20.12.2017, Ra 2017/03/0069, mwN).
20 Soweit im vorliegenden Fall die Revision eine Mangelhaftigkeit des Amtssachverständigengutachtens behauptet, ist ausgehend vom Revisionsvorbringen nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht seine Beweiswürdigung in einer unvertretbaren, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Weise vorgenommen hätte, zumal sie nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Bedachtnahme auf die gegen das Gutachten des Amtssachverständigen eingewendeten, jedoch nicht näher untermauerten Argumente des Revisionswerbers vorgenommen wurde (vgl. zur eingeschränkten Revisibilität der Beweiswürdigung etwa VwGH 19.8.2019, Ra 2019/03/0043, mwN).
21 Letztlich wendet sich die Revision gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass für die weitere Jagdausübung das Befahren des Forstweges nicht erforderlich sei. Mit ihren Ausführungen gelingt es der Revision jedoch nicht aufzuzeigen, dass die vor dem Hintergrund des erwähnten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorgenommene Abwägungsentscheidung des Verwaltungsgerichts unvertretbar wäre. Dazu genügt der Hinweis, dass die Gesetzesmaterialien zu § 43 Abs. 3 TJG 2004 die besondere Bedeutung der Verhältnismäßigkeitsprüfung gerade auch damit begründen, dass eine gewisse Beschwerlichkeit zum Wesen der Jagd im Hochgebirge gehöre, und in diesem Zusammenhang auf die zur Einräumung des Jägernotweges ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verweisen (ErlRV Beilage 107/2022, S. 7, mit Hinweis auf VwGH 29.11.1995, 94/03/0146). Danach kommt der größeren Beschwerlichkeit des Weges, die sich daraus ergibt, dass bei im Hochgebirge gelegenen Jagdgebieten in größerem Maße Höhenunterschiede zu überwinden sind, bei der Abwägung nur untergeordnete Bedeutung zu, weil dort eine derartige Beschwerlichkeit mit der Jagdausübung regelmäßig verbunden ist (vgl. aus der jüngeren Zeit abermals VwGH 13.11.2018, Ra 2018/03/0012, 0013, mwN).
22 Da somit weder in der Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts noch in jener der Revision Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
23 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014. Zwar hat der Mitbeteiligte selbst gegen das angefochtene Erkenntnis Revision (protokolliert zu Ro 2025/03/0011) erhoben; er hat diese Revision jedoch auf andere Revisionsgründe gestützt und vertritt in seiner Revision eine der Rechtsansicht des Revisionswerbers entgegengesetzte Rechtsansicht. Damit liegt hier nicht der Fall vor, dass der Mitbeteiligte gleichgerichtete rechtliche Interessen wie der Revisionswerber vertritt oder sich dessen Revision gewissermaßen „angeschlossen“ hat. Vielmehr vertreten der Mitbeteiligte (und Revisionswerber zu Ro 2025/03/0011) und der Revisionswerber (und Mitbeteiligte zu Ro 2025/03/0011) in ihren Revisionen jeweils rechtlich geschützte Interessen im Widerspruch zur Interessenlage des jeweils anderen Revisionswerbers (vgl. VwGH 10.10.2018, Ra 2017/03/0061 bis 0062, Rn. 13).
Wien, am 18. Juni 2025