JudikaturVwGH

Ro 2025/03/0011 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
18. Juni 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und den Hofrat Dr. Faber als Richter sowie die Hofrätin Dr. in Sabetzer als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des H E in U, vertreten durch Dr. Gernot Gasser und Dr. Sonja Schneeberger, Rechtsanwälte in 9900 Lienz, Beda Weber Gasse 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 10. Mai 2024, Zl. LVwG 2022/46/2831 16, betreffend Einräumung eines Fahrrechts nach dem Tiroler Jagdgesetz 2004 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Lienz; mitbeteiligte Partei: A E in K, vertreten durch Dr. Erwin Wibmer, Rechtsanwalt in 9971 Matrei/Osttirol, Obersamergasse 2), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Eingabe vom 5. April 2021 stellte der Mitbeteiligte gemäß § 43 Abs. 3 Tiroler Jagdgesetz 2004 (TJG 2004) einen Antrag auf Einräumung eines Fahrrechtes unter anderem hinsichtlich der Weganlage „S Forstweg“, welcher teilweise über das Grundstück des Revisionswerbers führt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber als Grundstückseigentümer dazu verhalten, das Befahren dieser Weganlage auf seinem näher bezeichneten Grundstück zur Sicherstellung des erforderlichen Futtermitteltransportes und Futtermittelnachschubs sowie zur Befüllung der Bevorratungseinrichtung und für die Durchführung von Instandhaltungsarbeiten auf direktem Weg für eine näher bezeichnete Rotwildfütterungsanlage vor und während der gesetzlich festgelegten oder verordneten Fütterungszeit für Rotwild an maximal sechs Kalendertagen zu dulden, und die Beschwerde des Revisionswerbers abgewiesen. Im Übrigen sprach das Landesverwaltungsgericht Tirol aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig sei.

3 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen von Rechtsprechung zu dem mit der Novelle LGBl. Nr. 40/2022 erlassenen § 43 Abs. 3 TJG 2024.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in der zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht wird, es handle sich um die erste Entscheidung zu § 43 Abs. 3 TJG 2004 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 40/2022. Das TJG 2004 habe schon vor dieser Novelle einige wenige Zwangsrechte vorgesehen, die zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Jagdausübung eingeräumt werden konnten. Im Vordergrund sei dabei die Sicherstellung öffentlicher Interessen gestanden. In einigen Fällen strittiger Verpachtungen von Genossenschaftsjagdgebieten sei es dazu gekommen, dass überstimmte Grundeigentümer das Befahren ihrer Straßen und Wege verweigert und so die jagdliche Bewirtschaftung erschwert bzw. zeitweise verunmöglicht hätten. Ausschließlich für diese Fälle sollte die Möglichkeit der Einräumung eines zwangsweisen Fahrrechtes geschaffen werden, wobei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit besondere Bedeutung zukomme. Der Landesgesetzgeber habe es aber unterlassen, § 43 Abs. 3 TJG 2004 näher zu determinieren und materielle Vorgaben zu machen, wie weit die Eingriffe in das Eigentumsrecht Betroffener gehen dürften. Die Behörden könnten daher Duldungspflichten auferlegen, die im Ergebnis „völlig ungemessenen Servituten“ im Sinne der nicht näher konkretisierten - Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu Servitutsrechten gleichkämen, und die für den verpflichteten Eigentümer nicht kontrollierbar seien. Die Behörde hätte bei Verstößen des Berechtigten gegen Auflagen und bei einer Überschreitung der Duldungsverpflichtung keine behördlichen Sanktionen, weswegen der betroffene Grundstückseigentümer nicht mit Verwaltungsstrafanzeige vorgehen könne, sondern „mühsam das Zivilgericht mit allem Prozesskostenrisiko“ bemühen müsse. Das Verwaltungsgericht habe diese Problematik erkannt und die Revision zugelassen. Der Mitbeteiligte habe auch die Einräumung eines Fahrrechts gemäß § 43 Abs. 3 TJG 2004 auf zwei anderen im Eigentum des Revisionswerbers stehenden Grundstücken beantragt, wogegen er ebenfalls Beschwerde erhoben habe. Das Verwaltungsgericht habe jene „wesentlich brisantere Sache“ noch nicht entschieden und warte offenbar auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im vorliegenden Fall.

5 Im Vorverfahren erstattete der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung.

6 Die Revision ist ungeachtet des Ausspruchs des Verwaltungsgerichtes nicht zulässig:

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt. Wird in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht (gesondert) dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. etwa VwGH 21.3.2025, Ro 2024/03/0001, mwN).

11 Im Revisionsfall beschränkte sich das Verwaltungsgericht in seiner Zulassungsbegründung gemäß § 25a Abs. 1 VwGG auf den Hinweis, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 43 Abs. 3 TJG 2004. Auch die Revision bringt nur das Fehlen von Rechtsprechung zu dieser Bestimmung vor, ohne allerdings eine konkrete Rechtsfrage darzulegen, welche der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat und von welcher die Entscheidung über die Revision abhänge.

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt aber das bloße Fehlen einer solchen Rechtsprechung nicht automatisch zur Zulässigkeit einer Revision. Die Begründung der Zulässigkeit der Revision erfordert insoweit die Darlegung, konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat (vgl. etwa VwGH 21.10.2024, Ra 2023/03/0156, mwN).

13 Sofern die Revision vorbringt, es fehlten gesetzliche Determinanten für die Einräumung des Duldungsrechts, wird gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf die Begründung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tag, Ro 2024/03/0015, mit welchem die Revision des Mitbeteiligten zurückgewiesen wurde, verwiesen. Darin hat der Verwaltungsgerichtshof mit näherer Begründung dargelegt, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Bestimmung eines Zwangsrechts nach § 43 Abs. 3 TJG 2004 zu berücksichtigen ist.

14 Da somit weder in der Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts noch in jener der Revision Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

15 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014. Zwar hat der Mitbeteiligte selbst gegen das angefochtene Erkenntnis Revision (protokolliert zu Ro 2024/03/0015) erhoben; er hat diese Revision jedoch auf andere Revisionsgründe gestützt und vertritt in seiner Revision eine der Rechtsansicht des Revisionswerbers entgegengesetzte Rechtsansicht. Damit liegt hier nicht der Fall vor, dass der Mitbeteiligte gleichgerichtete rechtliche Interessen wie der Revisionswerber vertritt oder sich dessen Revision gewissermaßen „angeschlossen“ hat. Vielmehr vertreten der Mitbeteiligte (und Revisionswerber zu Ro 2024/03/0015) und der Revisionswerber (und Mitbeteiligte zu Ro 2024/03/0015) in ihren Revisionen jeweils rechtlich geschützte Interessen im Widerspruch zur Interessenlage des jeweils anderen Revisionswerbers (vgl. VwGH 10.10.2018, Ra 2017/03/0061 bis 0062, Rn. 13).

Wien, am 18. Juni 2025

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